Saison-Rückblick Teil 1: Bayern strauchelt, Kovač wackelt

Maurice Trenner 20.05.2019

In Teil Eins geht es dabei heute um einen verpassten Startrekord, schaurige Wiesn, Meisterschaftsgefühle nach der Niederlage in Dortmund und den Fast-Rauswurf von Niko Kovač.

Rotation stoppt Startrekord

Ein lauer Freitagabend im August. Der Saisonauftakt in München war mittlerweile fast zur Gewohnheit geworden für den Serienmeister von der Isar und dennoch konnte man die Anspannung in der Arena greifen. Der Bundesliga-Auftakt unter dem neuen Trainer Niko Kovač stand ausgerechnet gegen den Überflieger der Vorsaison 1899 Hoffenheim an. Wie würde sich der Rekordmeister eine Woche nach dem müden 1:0-Pokalsieg gegen den Regionalligisten SV Drochtersen schlagen?

Bereits das erste Spiel zeichnet viele Muster, die die Saison der Münchner prägen sollten. Nach einer Ecke von Kimmich erzielte Müller das erste Tor dieser jungen Saison. Die Quote bei Standards sollte sich unter Kovač deutlich verbessern. Den Ausgleich schoss Szalai nachdem er Boateng düpierte. Der Weltmeister von 2014 fand über die ganze Spielzeit nicht in Tritt. Und dann ist da noch der Videoassistent. Beim Saisonauftakt lässt er erst einen Elfmeter von Lewandowski wiederholen, bevor er einen Treffer von Müller wegen Handspiel aberkannte. Beide Male lag Schiedsrichter Dankert richtig. Im weiteren Saisonverlauf wird es jedoch noch so manche strittige Situation geben.

Besonders bitter ist der schlussendlich souveräne 3:1-Erfolg allerdings für Flügelstürmer Coman. Der Franzose war gerade von einer schweren monatelangen Verletzung zurückgekehrt und spielte eine grandiose erste Hälfte, als ihm Schulz die Beine wegzieht. Coman sank zusammen, krümmte sich vor Schmerzen und musste ausgewechselt werden. Diagnose: Syndesmosebandriss. Der quirlige Dribbler fiel fast die komplette restliche Hinrunde aus.

Thomas Müller erzielte das erste Tor der 56. Bundesliga-Saison beim 3:1-Sieg gegen Hoffenheim.
(Foto: Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images)

In den folgenden Wochen nimmt der FC Bayern die vermeintlichen Stolpersteine Stuttgart, Leverkusen und Schalke bravourös. Mit 11:2 Toren und zwölf Punkten führt man die Liga an – vier Punkte vor dem Rivalen aus dem Pott. Die nationale Presse schickt die Meisterschale schon einmal nach München. Zu früh, wie sich zeigen sollte.

Gegen Augsburg am fünften Spieltag könnte Kovač den Startrekord eines neuen Bayern-Trainers einstellen. Acht Siege in acht Spielen. Vor dem Spiel überraschte der Kroate mit einer ausgiebigen Rotation und brachte unter anderem Goretzka als Linksverteidiger. Nach neunzig Minuten steht ein 1:1 auf der Anzeigetafel. Kovač hatte gezockt und verloren.

Horrorwochen im Herbst

Während der Wiesn sind die Münchner traditionell stark. Ein ungeschriebenes Gesetz so fest verankert, wie das bayerische Reinheitsgebot. Für die Mannen von Kovač sollte der Herbst jedoch so scheußlich werden wie ein abgestandenes Maß auf dem Oktoberfest.

Nur drei Tage nach dem Remis gegen Augsburg ging es in die Bundeshauptstadt. Zwei Aussetzer von Boateng später fuhr man mit der ersten Saisonniederlage im Gepäck zurück in die Fußballhauptstadt. Am letzten Wiesn-Wochenende wird man von Gladbach in der heimischen Arena ausgekontert und verliert verdient 0:3.

Die Fieberkurve der Wahrscheinlichkeit den Bundesliga-Titel zu holen laut der amerikanischen Statistikseite FiveThiryEight.
(Grafik: Maurice)

Aus vier Punkten Vorsprung waren vier Punkte Rückstand geworden. Tabellenplatz Sechs und Katerstimmung. Die Presse zeichnet das Bild eines ratlosen und angeschlagenen Trainers. Dieser setzt auf Durchhalteparolen. “Ich weiß, dass die Zeit bei Bayern München anders läuft”, sagt er. Auf Druck von Rummenigge und Hoeneß muss er die Rotation beenden. Ab sofort spielt nur noch sein Stamm. Talente wie Sanches sind komplett außen vor.

Die Spiele verlaufen immer wieder gleich. Bayern beginnt ordentlich, aber nach etwa zehn Minuten gibt es einen Knacks im Spiel. Nach vorne geht wenig, weil die Achter in Kovačs 4-3-3 zu hoch positioniert sind, und hinten macht man es sich durch Lücken und Patzer unnötig schwer.

Noch tieferer Tiefpunkt

Nach der Länderspielpause sollte alles anders werden, hatte man sich vorgenommen und tatsächlich kann man schwache Wolfsburger und Mainzer gerade so schlagen. Doch der nächste Tiefpunkt wartet bereits auf die Mannschaft. Gegen Freiburg spielte man schwach, führte durch Gnabry dennoch irgendwie 1:0 bevor die Breisgauer zu passive Münchner eiskalt bestraften.

So ging es mit vier Punkten Rückstand zum großen Duell gegen Dortmund ins Westfalenstadion. Im Spitzenspiel zeigten die Münchner alles, was sie zuvor vermissen ließen. Doch trotz Herz, Kampf und Leidenschaft musste man eine empfindliche 2:3-Niederlage einstecken. Es war ein Spiel gewesen, das großartige Werbung für die Bundesliga war. Jedoch ohne Münchner Sieger.

Zweimal war man in Führung gegangen, beide Male glich Marco Reus aus. Und dann schloss Alcácer mitten ins bayerische Herz ab. Die Anpassungen von Favre zur Pause konnte man nicht wegstecken. In der zweiten Hälfte fehlte der Esprit der ersten Minuten. Kovač wurde klar ausgecoacht. Und dennoch verhinderte lediglich ein hauchdünnes Abseits den Ausgleich durch Lewandowski in der Nachspielzeit.

Enttäuscht und geschlagen treten Alaba & Co. nach dem 2:3 in Dortmund vor die Fankurve. Die Vorentscheidung in der Meisterschaft?
(Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

An diesem Abend verließ ich das Stadion inmitten von freudentrunkener BVB-Fans und war mir sicher, dass dieser FC Bayern Meister werden würde. Eine Woche später hatte sich meine Meinung um 180 Grad gedreht. Einen 3:1-Vorsprung hatte man daheim gegen Düsseldorf aus der Hand gegeben. Lukebakio hieß das Schreckgespenst an jenem Nachmittag im November.

“Es gibt intern Gesprächsbedarf”. Die Worte von Uli Hoeneß mussten für Trainer Kovač wie die Götterdämmerung geklungen haben. Der junge Kroate war angezählt. Nicht wenige spekulierten, dass er das Wochenende nicht überstehen würde. Am Ende aber stellte sich der Verein gemeinsam hinter seinen Trainer. Eine letzte Chance für Kovač.

Der Lauf mit der Doppelsechs

Auf neun Punkte war der Rückstand der Bayern mittlerweile angewachsen. Ein größeres Defizit hatte seit Beginn der Dreipunkteregel nur Wolfsburg 2008/09 aufgeholt. Der Rekordmeister würde eine Umstellung als Funken brauchen, die am besten einen Lauf zur Folge hat.

Tatsächlich hatte Kovač noch ein Ass im Ärmel. Er stellte um auf die Doppelsechs. Wollte somit zum einen die defensive Stabilität verbessern, aber auch die Abstände im Mittelfeld verkleinern. Das Auswärtsspiel im Weserstadion war die erste Probe aufs Exempel für diesen vielleicht letzten Strohhalm. Mit Kimmich im Mittelfeld und einem wiedergenesenen Coman gelingt der bitter benötigte Sieg.

Mit zwei Siegen gegen die Abstiegskandidaten Nürnberg und Hannover, sowie zwei Siegen gegen die direkten Konkurrenten aus Leipzig und Frankfurt gelingt ein ordentlicher Rundenabschluss. Gerade das 3:0 in Frankfurt machte wieder Hoffnung auf die Rückrunde. Sowohl gegen Leipzig als auch gegen Frankfurt ist es der Routinier Ribéry, der die wichtigen Tore schießt.

Da der Tabellenführer aus Dortmund am 16. Spieltag ebenfalls gegen Düsseldorf patzt, schrumpft der Rückstand sogar auf sechs Punkte. In der Tabelle klettert man auf Platz drei.

In Teil Zwei blicken wir auf die Aufholjagd der Bayern in der Rückrunde, die trotz einiger Rückschläge zum siebten Titel in Folge führen sollte.