Vorschau: Wie ersetzt Flick Lewandowski gegen Hoffenheim?

Justin Trenner 28.02.2020

Ein Kantersieg im Gepäck, die Serie an ungeschlagenen Spielen verlängert und ein Zeichen gesetzt, das in Europa für Aufsehen gesorgt hat. Nein, es geht noch nicht um die vergangene Partie gegen den Chelsea FC. Wir blicken gerade zurück auf den 7:2-Erfolg bei den Tottenham Hotspurs im Oktober.

Denn auch damals hieß der Gegner nach der großen Party Hoffenheim. Der TSG sollte es gelingen, die herrliche Welt des FC Bayern zu erschüttern. Mit 2:1 gewann die Elf von Alfred Schreuder in München und leitete so womöglich den Anfang vom Ende für Niko Kovač ein.

Ein ähnliches Szenario ist diesmal zumindest nicht absehbar. Hansi Flick sitzt nach dem 3:0-Erfolg über Chelsea nicht nur deshalb so fest im Sattel, weil seine Mannschaft einen namhaften Gegner deutlich besiegte. Es ist vor allem auch die fußballerische Entwicklung, die den Verantwortlichen gefällt. Und hier unterscheiden sich die beiden vermeintlichen Gala-Auftritte in London sehr deutlich voneinander.

Auf der einen Seite ein sehr wildes Spiel, in dem die Expected-Goals-Modelle sogar einen Vorteil für die Heimmannschaft sahen (Beispiel: 2,5 zu 1,6 / fbref.com mit StatsBomb-Daten). Andererseits ein über weite Strecken kontrollierter Auftritt der Bayern mit klarer strategisch-taktischer Linie und deutlicher Überlegenheit – auch nach Expected Goals: 3,5 zu 0,5.

Darum wird Lewandowski fehlen

Es war gewissermaßen die Sahne auf der Entwicklungstorte, seit Hansi Flick Cheftrainer der Münchner ist. Die Kirsche fehlt zwar noch, wie wir direkt nach Abpfiff analysierten, doch es braucht nicht mehr viel Vorstellungskraft, um die fertige Torte zu erahnen.

Und doch droht dem Konditor Flick nun eine komplizierte Phase, in der er noch mehr gefordert sein wird, als er es ohnehin schon ist. Robert Lewandowski verletzte sich in London und wird den Bayern mit einem Anbruch der Schienbeinkante mindestens vier Wochen fehlen. 10 Tage, so die Aussage der Bayern-Ärzte, müsse er komplett pausieren, danach beginne das Aufbautraining. Auf eine Prognose sei an dieser Stelle verzichtet, denn „Mia san Rot“ und nicht das Rote Kreuz.

Deshalb schauen wir uns lieber die roten Punkte auf der Taktiktafel an. Welche Möglichkeiten hat Hansi Flick jetzt, um den Angreifer zu ersetzen? Und ist das überhaupt möglich? Lewandowski schießt zwar viele Tore und hat dahingehend in dieser Saison nochmal einen speziellen Lauf. Doch paradoxerweise könnte es nicht das Toreschießen sein, das den Bayern am meisten fehlen wird.

Werner-Transfer wäre trotzdem falsch gewesen

Lewandowski bewegt sich viel auf dem Platz. Er kippt mal ins Mittelfeld ab, oder öffnet Räume für seine Mitspieler, aber er läuft eben auch intelligent in die Räume, die ihm beispielsweise von Serge Gnabry oder Thomas Müller geöffnet werden. Gerade unter Flick wirkte die Offensive immer durchgeplanter und flexibler. Positionswechsel, Tiefenläufe, Herausziehen der gegenerischen Abwehrspieler – Lewandowski harmonierte perfekt mit seinen Nebenmännern.

Der Pole ist aber auch deshalb so unangenehm für Gegenspieler, weil er Bälle behaupten und verteilen kann. Ottmar Hitzfeld schwärmte früher von seinen Wandspielern in der Offensive. Vermutlich wird er eines seiner Zimmer mit Postern der aktuellen Nummer 9 der Bayern zugepflastert haben. Denn mit seinem starken ersten Kontakt, der hohen Ballkontrolle und der Fähigkeit, mit dem Rücken zum Gegenspieler besondere Momente für sich selbst oder für andere zu kreieren, ist Lewandowski auf diesem Niveau einzigartig.

Einen solchen Spieler kann man schlicht nicht ersetzen. Das ist im Prinzip das ernüchternde Fazit. Auch ein Timo Werner hätte daran wohl wenig ändern können. Zumal es höchst fraglich ist, ob der RaBa-Angreifer in München auch nur annähernd dieselbe Entwicklung genommen hätte. Vermutlich hätte Werner bei den Bayern nur unregelmäßig auf den Flügelpositionen gespielt. Mit weniger Raum und weniger Fokus auf seine Stärken. Sein aktueller Lauf lässt sich deshalb nicht einfach so nehmen und auf einen fiktiven Verlauf beim Rekordmeister übertragen. Die aktuelle Entwicklung des Spielers zeigt nicht etwa, dass die Bayern einen Fehler gemacht, sondern dass alle Parteien eine kluge Entscheidung getroffen haben. Daran ändert auch ein Lewandowski-Ausfall nichts.

Zumal Flick trotzdem gute Möglichkeiten hat, das Niveau weiter hoch zu halten. Denn wenn der Pole schon nicht zu ersetzen ist, so müssen die Bayern wenigstens versuchen, es im Kollektiv aufzufangen.

Flicks Optionen

Aber wie könnte das aussehen? Im aktuellen 4-3-3- beziehungsweise 4-2-3-1-System gibt es eigentlich keine klare Nummer Neun mehr hinter Lewandowski. Thomas Müller kann diese Position, das hat die Vergangenheit gezeigt, mindestens passabel spielen. Ihm fehlt allerdings der Tiefgang, weil er in seiner typischen Raumdeuterart viel unterwegs ist und den Neunerraum so häufig zu offen lässt.

Bei Serge Gnabry wäre aufgrund der vielen Tiefenläufe schon eine andere Dynamik zu erwarten. Doch dem Flügelstürmer fehlt es im Vergleich zu Lewandowski oder auch Müller (bei dem eher auf paradoxe Art) an Körperlichkeit, Kopfballstärke und ein bisschen auch an der Qualität, Bälle festzumachen. Mit dem Blick aufs Tor ist er deutlich stärker als mit dem Rücken zum Tor.

Als wäre das alles nicht genug, fällt gegen die TSG Hoffenheim und Schalke 04 zudem auch Kingsley Coman sehr wahrscheinlich aus. Das erschwert eine Aufstellung ohne Formationswechsel sehr.

Müller als Falsche 9, Davies und der Rechtsverteidiger als Breitengeber und Flügelstürmer, die in die Mitte ziehen.

Bleibt Flick aber dennoch beim 4-3-3, könnte er den Neunerraum flexibler besetzen lassen. Auf dem Papier wäre Müller dann eine Falsche 9, die immer wieder Räume öffnet, die dann Philippe Coutinho und Gnabry erlaufen sollen. Es wäre die Aufgabe der drei Mittelfeldspieler, diese Läufe mit Pässen zu füttern. Problematisch ist hier vor allem, dass Coutinho zurzeit keine ansprechende Form hat. Er müsste sich sehr steigern. Wie sich aber auch in den kommenden Formationen zeigen wird, könnte er ein entscheidender Baustein sein.

Darüber hinaus wäre in diesem Beispiel aber fraglich, wie die Konterabsicherung funktioniert. Die Außenverteidiger müssten viel Offensivarbeit verrichten, was wiederum zu Räumen hinten führt, die Mannschaften wie Hoffenheim gern für sich nutzen. Es wäre die Aufgabe des zentralen Mittelfelds, hier schon in Ballbesitz weitsichtig zu agieren. Rechts wäre Álvaro Odriozola mit seinem Offensivdrang vielleicht besser geeignet als Benjamin Pavard.

Die Bayern müssten sich aber auch nicht klar auf eine feste Ordnung fixieren. Selbstverständlich muss Lewandowskis Ausfall durch viel Bewegung und Rotation aufgefangen werden. Gerade die drei Angreifer und ein nachschiebender Goretzka wären gefordert, dem Spiel der Bayern Tiefe zu geben. Das Zentrum ist umso mehr gefordert, weil auf den Außenbahnen die Spieler für Durchbrüche fehlen. Spielt Gnabry zentraler, verstärkt sich dieses Problem. So wäre man wohl wieder sehr flankenlastig unterwegs, was allein mit Müller als kopfballstarkem Spieler vorn womöglich denselben Effekt hätte wie das Gießen einer toten Pflanze.

Dreierkette reloaded?

Konterabsicherung first? Gegen Paderborn funktionierte es mäßig, aber es gibt Entwicklungsspielraum.

Gegen Paderborn packte Flick erstmals die Dreierkette aus und war nicht wirklich zufrieden. Ihm fehlte die Durchschlagskraft nach vorn. Nachvollziehbar. Gerade gegen Hoffenheim und Schalke könnte eine erneute Umstellung aber Sinn ergeben. Beide Teams kommen über ihre Umschaltmomente und Bayern könnte die Halbräume in solchen Situationen besser verteidigen, wenn sie drei Innenverteidiger auf dem Platz haben.

Die fehlende Durchschlagskraft gegen Paderborn könnte auch aus einem Fehlen Thomas Müllers und schwachen Einzelleistungen verschiedener Offensivspieler resultiert sein. Auf dem Papier sollten die fünf zentralen Mittelfeld- und Angriffsspieler jedenfalls in der Lage sein, gute Chancen herauszuspielen. Zudem würde die Ausrichtung die Offensivläufe der Außenverteidiger gut absichern. Noch mehr als beim 4-3-3 bliebe aber die Frage, ob Odriozola die bessere Wahl für den rechten Flügel wäre. Denn die offensiven Außenbahnen wären so ganz ohne Gnabry und Kingsley Coman wohl eine große Unbekannte. Für die drei Offensivspieler gilt auch bei dieser grafischen Darstellung: Rotation ist wichtig. Selbstverständlich sind die Spieler vorn nicht an ihre dargestellte Position gebunden.

Doch mit Kimmich als provisorischem Rechtsverteidiger?

Mit Joshua Kimmich könnte man das Außenbahn-Problem vielleicht sogar lösen. Seine Stärken nach vorn sind bekannt, seine Schwächen nach hinten könnten durch die Dreierkette aufgefangen werden. Im Zentrum müsste dann aber zwingend Coutinho aufgestellt werden. Der Brasilianer müsste Thiago im Ballvortrag unterstützen und entlasten. Eine große Aufgabe für einen Spieler, der zurzeit erstmal seine eigenen Probleme in den Griff kriegen müsste, bevor er sich um andere kümmern kann.

Ein Verschieben Kimmichs bedeutet automatisch immer auch eine Verlagerung der Probleme. Eine Baustelle, die die Bayern im Sommer zwingend schließen müssen. Diese Formation wäre dementsprechend auf den Flügeln stärker aufgestellt, im Zentrum dafür wilder und womöglich unstrukturierter.

Zirkzee to the rescue?

Flick könnte aber auch eine Option im Hinterkopf haben, die aktuell unwahrscheinlich erscheint: Joshua Zirkzee. Er überzeugte als Notnagel in den letzten Spielen des Jahres 2019. Seit er mit den Profis trainieren darf, hat er endlich einen großen Schritt nach vorn gemacht. Die Lewandowski-Verletzung könnte ihm dabei helfen, sich mittelfristig als klare Backup-Option beim FC Bayern zu positionieren und so einen guten Platz im Profikader zu sichern.

Zirkzee als Eins-zu-eins-Ersatz im 4-3-3.

Im klassischen 4-3-3 müssten die Bayern mit ihm nur wenig ändern. Klar, Zirkzee müsste von den erfahrenen Mitspielern Gnabry und Müller stärker an die Hand genommen werden als ein Lewandowski, aber von seinen Anlagen her könnte er die Aufgaben vielleicht bewältigen. Müller als Rechtsaußen war unter Flick zudem kein so großes Problem wie bei anderen Trainern.

Zirkzee im Doppelsturm mit Müller?

Ein Systemwechsel könnte aber Müller und Zirkzee als sehr interessante Doppelspitze ins Spiel bringen. Die Verantwortung von Müller im Neunerraum würde sinken und vielleicht kann Zirkzee ähnlich vom Raumdeuter profitieren wie Lewandowski. Rechts wäre dann Raum für Serge Gnabry und somit gäbe es keinen Qualitätsverlust auf den fürs eigene Spiel so wichtigen Außenbahnen. Auch das Mittelfeldzentrum müsste nicht auseinandergerissen werden.

Einziges Problem wäre womöglich die Absicherung nach hinten. Die Dreierkette erscheint zwar stabil, doch Kimmich und Gnabry müssen sich gut abstimmen, um die rechte Spielfeldhälfte defensiv im Blick zu behalten. Aber wann will man Zirkzee eine richtige Chance geben, wenn nicht jetzt? [Meine persönliche Meinung: Unter all den genannten und nicht genannten Optionen, ist die letztgezeigte jedenfalls mein Favorit.]

Auf der Pressekonferenz deutete Flick bereits an, dass Coutinho spielen werde. Es ist also von einem 4-3-3 mit Coutinho und Gnabry auf den Außenpositionen auszugehen. Müller wäre dann der Lewandowski-Ersatz.

Ausblick auf die gesamten vier Wochen ohne Lewandowski

Schaut man sich den Spielplan der Bayern an, so dürfte der aktuelle Zeitraum für eine Lewandowski-Verletzung noch als Glück im Unglück gelten:

  • Hoffenheim (A)
  • Schalke (A)
  • Augsburg (H)
  • Union (A)
  • Chelsea (H)
  • Frankfurt (H)

Sechs Partien, bei denen vor allem die Auswärtsspiele Knackpunkte darstellen. Die Erwartung an einen solchen Kader sollte aber sein, dass am Ende dieser Phase weiter die Tabellenführung sowie ein Weiterkommen in beiden Pokalwettbewerben stehen. Nach Frankfurt kommt dann das wichtige Auswärtsspiel in Dortmund, gefolgt vom Viertelfinale der UEFA Champions League. Hier wäre ein längerer Ausfall Lewandowskis womöglich das Zünglein an der Waage.

Spätestens nach den Spielen gegen Hoffenheim und Schalke bieten sich aber allein durch die Rückkehr von Kingsley Coman wieder mehr Optionen in der Offensive. Verletzten sollte sich im Angriff der Münchner jetzt aber keiner mehr. Es ist ein bisschen auch die Entscheidung der Verantwortlichen, Niko Kovač nach den Problemen der letzten Saison einen kleineren Kader zur Verfügung zu stellen, die sie jetzt einholt.

Nach der Kür kommt der Alltag

Trotzdem zeigen allein die dargestellten Optionen, obwohl sie längst nicht vollständig sind, dass der Kader der Bayern auch ohne Lewandowski Qualität hat. Die kommenden Wochen werden aus zwei Gründen umso spannender: Einerseits wird sich die Frage beantworten, wie groß diese Qualität tatsächlich ist. Auf der anderen Seite rückt Flick weiter in den Fokus.

Wenn die Bayern auch ohne ihren Topstürmer erfolgreich sind, wäre das ein weiteres starkes Zeichen dafür, dass Flick der richtige Mann für die Zukunft ist. Brechen die Bayern nun aber ein, sollte diese These trotz des verliehenen Kugelschreibers durch Karl-Heinz Rummenigge nochmal hinterfragt werden. Denn die Verletzung mag auf höchstem Niveau eine berechtigte Ausrede sein. Ein Einbruch in den kommenden Wochen ließe sich damit aber nicht rechtfertigen.

Absehbar ist das im Moment aber eh nicht. Die Bayern waren sicherlich auch dank Robert Lewandowski so stark in London. Im Gegensatz zu ihrem 7:2-Erfolg bei Tottenham haben sie diesmal aber starken Eindruck als Kollektiv und weniger als ein Ensemble voller Individualkünstler hinterlassen. Das könnte für die kommenden Wochen ein wichtiger Aspekt sein. Für Flick gilt aber wie einst für Kovač: Nach der großen Bühne kommt der Alltag. Und Hoffenheim konnte in dieser Saison bereits einen Höhenflug der Bayern für sich nutzen. Ein zweites Mal gelang ihnen das im Pokal nur knapp nicht. Spätestens im dritten Aufeinandertreffen sollte dem Rekordmeister also klar sein, dass dieser Auswärtstrip nicht weniger als die Intensität vom Dienstagabend benötigt, wenn er erfolgreich sein soll.

Eine taktisch geprägtere Gegnervorschau findet ihr hier und hier.

Vorschau-Tippspiel

Im Vorschau-Tippspiel tippe ich den gesamten Bundesliga-Spieltag. In unserer Kicktipp-Gruppe könnt ihr euch mit mir und allen anderen messen. Der oder die GewinnerIn der Kicktipp-Runde bekommt von mir ein signiertes Exemplar Generation Lahmsteiger.

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Spieltagssieger

It_s_me und ratzersatz gewinnen den vergangenen Spieltag mit 17 Punkten. Die Top 5:

  1. Edlan – 285 Punkte (0 Spieltagssiege)
  2. Stiepel-Arne – 284 Punkte (0 Spieltagssiege)
  3. zoot_jw – 283 Punkte (0,17 Spieltagssiege)
  4. c_ehser, dain – 281 Punkte (0 Spieltagssiege)

Lahmsteiger: Platz 82 – 248 Punkte (0 Spieltagssiege)

So läuft es gegen Hoffenheim …

Es wird verdammt zäh. Ohne Lewandowski und mit der Umstellung auf den Alltag tippe ich auf eine Partie, die bis zum Schluss offen bleibt. Ich denke, dass Bayern trotzdem die bessere Mannschaft sein wird. Am Ende steht ein wackeliges 2:1 für die Münchner.

So könnte Bayern spielen …

4-3-3: Neuer – Pavard, Boateng, Alaba, Davies – Thiago, Kimmich, Goretzka, Coutinho, Müller, Gnabry

Es fehlen: Süle, Perišić, Martínez, Lewandowski (alle verletzt)

So läuft der Spieltag …

Düsseldorf 2:1 Hertha
Hoffenheim 1:2 Bayern
Mainz 1:2 Paderborn
Augsburg 1:1 Gladbach
Dortmund 5:0 Freiburg
Köln 2:1 Schalke
Union 2:1 Wolfsburg
Leipzig 2:2 Leverkusen
Bremen 3:2 Frankfurt



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