Road To Lisbon: Halbfinal-Historie

Maurice Trenner 16.08.2020

Als Anlass für den Artikel habe ich das Video vom vereinseigenen YouTube-Kanal genommen, der die Highlights aller Partien zeigt und somit die passende bildliche Untermalung dieses Artikels ist. Außerdem sind die jeweiligen Miasanrot-Artikel verlinkt, die bis ins Triple-Jahr 2013 zurückdatieren.

2018: Real Madrid vs. FC Bayern 4:3

Hinspiel: FC Bayern – Real Madrid 1:2 (1:1)
Rückspiel: Real Madrid – FC Bayern 2:2 (1:1)

Die Spanier hatten sich in den Vorjahren zum Angstgegner der Münchner gemausert. Im Hinspiel in der Allianz Arena lief zunächst alles nach Plan, als Kimmich früh das 1:0 erzielte, doch der Ausgleich kurz vor der Pause durch Benzema warf die Bayern aus der Bahn. Ein individueller Fehler von Rafinha leitete das 1:2 von Asensio ein. Dann folgte das Rückspiel. Im Bernabeu hatte man im Vorjahr bereits Großes geleistet und auch dieses Jahr brachte man Real an den Rand des Ausscheidens. Erneut traf Kimmich früh, aber ein Doppelpack von Benzema rückte das Ziel Kiew in weite Ferne. Als James an alter Wirkungsstätte nach einer knappen Stunde das 2:2 erzielte, flammte noch einmal Hoffnung auf. Schlußendlich musste man sich nach großem Kampf erneut den Königlichen auf deren Weg zum dritten Titel in Folge geschlagen geben.

2016: Atlético Madrid vs. FC Bayern 2:2

Hinspiel: Atlético Madrid – FC Bayern 1:0 (1:0)
Rückspiel: FC Bayern – Atletico Madrid 2:1 (1:0)

Im dritten Guardiola-Jahr sollte es endlich mit dem Einzug in das Finale der Champions League klappen. Als Gegner stellte sich dieses Mal das von Diego Simeone zur Perfektion gecoachte Atlético den Bayern in den Weg. In einer hitzigen Partie im Estadio Vincente Calderon verpasste man es, das wichtige Auswärtstor zu erzielen und musste nach einem Treffer von Saul sogar mit einer 1:0-Niederlage zum Rückspiel antreten. Dieses wurde eins der besten Spiele der Roten unter Pep. Doch 33 (!) Torschüsse sollten an diesem Abend nicht reichen. Nach der Führung durch Alonso vergab Müller einen potentiell vorentscheidenden Elfmeter. Im Tor der Colchoneros hielt Oblak alles fest, was auch immer da kommen mochte, und im Konter erzielte Griezmann das wichtige Auswärtstor. Das Siegtor von Lewandowski war am Ende zu wenig.

2015: FC Barcelona vs. FC Bayern 5:3

Hinspiel: FC Barcelona – FC Bayern 3:0 (0:0)
Rückspiel: FC Bayern – FC Barcelona 3:2 (1:2)

Der FC Barcelona sann auf Revanche für das sang- und klanglose Ausscheiden in Münchens Triple-Saison 2013. Im Camp Nou war München zu Beginn viel zu offen und am Ende zu kopflos, als Messi in fünfzehn Minuten die Bayern entzauberte. Ein Doppelpack des Argentiniers und ein Kontertor seines Sturmpartners Neymar ließen die Pep-Elf mit der Herkules-Aufgabe zurück, im Rückspiel eine 0:3-Auswärtsniederlage aufholen zu müssen. Nachdem zu Beginn in der heimischen Arena nach einem frühen Tor von Benatia die Hoffnung auf ein Wunder aufflammte, fand Neymar mit einem Doppelpack den Feuerlöscher. In der zweiten Halbzeit drehte Bayern durch Lewandowski und Müller noch die Partie, aber den Finaleinzug hatte man in Katalonien verspielt.

Mitte der 2010er Jahre hieß es für den FC Bayern all zu oft: Endstopp Halbfinale.
(Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP via Getty Images)

2014: Real Madrid vs. FC Bayern 5:0

Hinspiel: Real Madrid – FC Bayern 1:0 (1:0)
Rückspiel: FC Bayern – Real Madrid 0:4 (0:3)

Die Nacht als Karim Benzema zum Bayern-Schreck wurde, fasste Steffen in seiner Analyse treffend zusammen: “Früher konnten die Anderen Fußball spielen, aber wir waren oft cleverer. Heute können wir Fußball spielen, aber die Anderen sind manchmal cleverer.” Für das Rückspiel in der Arena schien dennoch alles möglich, doch erneut trat Bayern zu wenig abgezockt auf. Guardiola ließ sich im Vorlauf der Partie von den Spielern dazu überreden, auf die Taktik aus dem Triple-Jahr zu setzen. Einer seiner größten Fehler, wie er später feststellen musste. Zwei frühe Ramos-Kopfbälle brachen den Münchnern und ihrem Matchplan das Genick. Als dann auch noch Ronaldo per direktem Freistoß vor der Südkurve zum Abpfiff traf, brachen die Bayern-Herzen. 0:4 daheim – eine Schmach. Der Traum von der Titelverteidigung war ausgeträumt.

2013: FC Bayern vs. FC Barcelona 7:0

Hinspiel: FC Bayern – FC Barcelona 4:0 (1:0)
Rückspiel: FC Barcelona – FC Bayern 0:3 (0:0)

„Die beste Mannschaft einer Generation“ nannte Steffen den FC Barcelona den Gegner im Triple-Jahr – und zurecht. Bei mir selbst kannte die Anspannung und Nervosität keine Grenzen. Barcelona erschien übermächtig – auch mit einem angeschlagenen Lionel Messi. Doch Jupp Heynckes hatte für die Münchner den perfekten Matchplan erarbeitet und seiner Mannschaft eingeredet sich auf ihre Stärken zu besinnen. Es folgte eine atemberaubende Nacht in der einige Münchner auf ihrem Zenit oder noch etwas darüber agierten. Müller, Gomez, Robben und nochmals Müller waren die Torschützen in einem surrealen Spiel. Oder um Kommentator Fuß zu paraphrasieren: „Da kommt die beste Mannschaft der Welt und fährt mit einer Packung wieder heim.“

Vor dem Rückspiel dann dennoch wieder die Nervosität. Irgendwas sagte mir, das Ding ist noch nicht durch. Doch der FC Bayern war einfach zu stark. Robben mit seinem typischen Schlenzer mit links von rechts war der Dosenöffner und spätestens als Piqué ins eigene Tor klärte, wurde klar: Der Traum vom Triple lebte. Den Endstand zum kumuliert 7:0 erzielte der Barça-Schreck Müller. Bayern war in der „europäischen Weltklasse“ angekommen, wie es der Pay-TV-Kommentator treffend formulierte.

2012: FC Bayern vs. Real Madrid 7:6 i.E.

Hinspiel: FC Bayern – Real Madrid 2:1 (1:0)
Rückspiel: Real Madrid – FC Bayern 2:1 (2:1)

Der erste Akt der Dauerfehde zwischen Bayern und den Königlichen in den 10er-Jahren – leider auch das einzige von vier Duellen, das man gewinnen konnte. Für die Münchner ging es um nichts geringeres als den Einzug ins Finale Dahoam. Im Hinspiel traf Ribéry nach einer Ecke, doch ausgerechnet Özil wusste zu kontern. Als sich die meisten bereits mit dem 1:1 abgefunden hatten, kam jedoch der große Auftritt von Mario Gómez. Nachdem sich der Halbspanier neunzig Minuten abgerackert hatte, gewann Lahm ein Dribbling gegen Coentrao auf der rechten Seite und seine flache Flanke drückte der Torero über die Linie. Der Rest ging im rot-weißen Jubel unter.

Spätestens im Elfmeterschießen im Bernabeu 2012 wurde Schweinsteiger zum Fußballgott.
(Foto: CHRISTOF STACHE/AFP/GettyImages)

Doch das Rückspiel im Bernabeu sollte zum wilden Ritt werden. Nach fünfzehn Minuten lagen komplett überforderte Gäste bereits 2:0 zurück. Erst allmählich kämpfte sich der Rekordmeister in die Partie und ein Elfmeter von Robben egalisierte das Hinspiel-Resultat. Nach 120 spannungsgeladenen Minuten ging es ins Elfmeterschießen. Weltstar Ronaldo läuft an. Neuer hält. Weltstar Kaka läuft an. Neuer hält erneut. Doch auch Kroos und Lahm scheitern an Casillas. Als Ramos jedoch einen Ball in den spanischen Nachthimmel setzte, lag es an Schweinsteiger. Und der blieb cool. Hasta la vista, Bayern finalista!

2010: FC Bayern vs. Olympique Lyon 4:0

Hinspiel: FC Bayern – Olympique Lyon 1:0 (0:0)
Rückspiel: Olympique Lyon – FC Bayern 0:3 (0:1)

Nach neun Jahren Abstinenz spielte der FC Bayern wieder in einem Halbfinale auf Europas größter Bühne – ausgerechnet gegen den Gegner, der auch am Mittwoch in Lissabon auf dem Platz stehen wird. Im Hinspiel war es natürlich Arjen Robben, der das Siegtor zum 1:0 schoss. In einer Saison, in der beim Holländer alles klappte, stieß er das Tor zum Finale auf. Bitter für die Münchner war jedoch die rote Karte von Ribéry, die er sich gegen seine Landsleute abholte und die ihn ultimativ das Finale kostete. Nach dem Spiel wurden die Bayern für ihre vermeintlich schwache Leistung öffentlich angezählt. Das Rückspiel wurde dann zum Olič-Festspiel. Der Kroate traf gleich dreifach und führte die Münchner somit ins Endspiel gegen Inter Mailand in Madrid.

2001: FC Bayern vs. Real Madrid 3:1

Hinspiel: Real Madrid – FC Bayern 0:1 (0:0)
Rückspiel: FC Bayern – Real Madrid 2:1 (2:1)

2001 hieß der Gegner mal wieder Real Madrid – die Fast-Galaktischen. Das von Vincente del Bosque trainierte und mit Stars wie Figo, Raul sowie Roberto Carlos gespickte Madrid lässt jedoch beste Chancen aus. Stattdessen war es Giovanne Elber, dem per Weitschuss das Tor des Tages gelang. Mit diesem guten Ausgangsresultat ging es zurück ins Olympiastadion. Dort ließ ein früher Elber-Kopfball nach Ping-Pong im Real-Strafraum die Träume vom Finale im San Siro aufleben. Doch nach dem Ausgleich von Figo hieß es nochmals Zittern. Dieses endete jedoch jäh, als Jens Jeremies per Fernschuss traf und die Münchner zum zweiten Europapokal-Finale in drei Jahren schickte.

Mit zwei Toren wurde Giovanne Elber 2001 zum Matchwinner gegen Real Madrid.
(Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

2000: Real Madrid vs. FC Bayern 3:2

Hinspiel: Real Madrid – FC Bayern 2:0 (2:0)
Rückspiel: FC Bayern – Real Madrid 2:1 (1:1)

Bereits in der Vorsaison hatte man den Königlichen gegenübergestanden, damals mit dem schlechteren Ende. Der Dreiersturm aus Morientes, Anelka und Raul wirbelte die bayerische Hintermannschaft durcheinander. Bereits nach vier Minuten erzielte der Franzose die frühe Führung. Nach einer halben Stunde stolperte Jeremies einen Ball ins eigene Netz. Die Münchner gaben sich zwar nicht auf, aber hatten Glück, dass Kahn in der zweiten Hälfte noch einmal gegen den freistehenden Morientes rettete. Eine denkbar ungünstige Ausgangsposition. Doch im Olympiastadion hatte man schon größere Aufholjagden erlebt. Nach wenigen Minuten springt ein Kopfball von Jancker auf der Torlinie auf, in der zwölften Minute trifft der lange Stürmer akrobatisch per Seitfallzieher. Das Finale scheint möglich, als Anelka per Kopf das wichtige Auswärtstor erzielt. Das 2:1 von Elber fällt zwar nach 54 Minuten, doch in der Folge vergeben der Brasilianer und Effenberg beste Chancen. Das Aus so kurz vorm Ziel.

1999: FC Bayern vs. Dynamo Kiew 4:3

Hinspiel: Dynamo Kiew – FC Bayern 3:3 (2:0)
Rückspiel: FC Bayern – Dynamo Kiew 1:0 (1:0)

Im verregneten Kiew bekam es Bayern 1999 mit dem 23-jährigen Shevchenko zu tun, der mit seinem siebten und achten Turniertor vor der Pause auf 2:0 stellte. Nach der Pause verkürzte Tarnat zwar per Gewaltschuss, doch Kosovski stellte die alte Führung fast postwendend wieder her. Erst in der letzten Viertelstunde verhinderten die Münchner eine Blamage und erzielten durch Effenberg per Freistoß sowie Jancker den Ausgleich. In der Heimat wollte man den Einzug ins Finale von Barcelona klar machen. Mit genau dem Schuss, mit dem Robben zehn Jahre später Europas Verteidigungen zur Verzweiflung bringen würde, erzielte Mario Basler das goldene Tor. Der FC Bayern stand erstmals im Finale der Champions League und erstmals seit 1987 im Endspiel von Europas Spitzenklasse.

So sehen zwei aus, die erstmals ins Finale der Königsklasse eingezogen sind.
(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

1995: Ajax Amsterdam vs. FC Bayern 5:2

Hinspiel: FC Bayern – Ajax Amsterdam 0:0 (0:0)
Rückspiel: Ajax Amsterdam – FC Bayern 5:2 (3:1)

Van der Sar, Rijkaard, Seedorf, Overmas, de Boer, Davids, Kluivert und Litmanen – die Elf von Ajax Amsterdam klang nach großen Namen. Dem gegenüber stand eine, im historischen Vergleich, mittelmäßige Bayern-Elf rund um einige Spieler, die im gleichen Sommer mit der deutschen Nationalmannschaft die Euro gewinnen sollten. Entsprechend schwer taten sich die Jungs von Trapattoni. Einziges Highlight im Hinspiel war der Sound der Pfosten sowie die Parade von van der Sar, die diesen Ton hervorrief. Autsch! Weh tat dann für die Münchner vor allem das Rückspiel. Die Mannschaft von van Gaal spielte wie entfesselt. Die frühe Führung von Litmanen konnte Witeczek zwar noch ausgleichen, doch nach Toren von George (holländischer Kommentator: „Junge, Junge!“) und de Boer wurde mit 3:1 die Seiten gewechselt. Als Litmanen direkt nach der Pause das 4:1 erzielte, jubelte Coach van Gaal wie sonst erst wieder am Muttertag 2010. Scholls Elfmeter und das 5:2 von Overmas waren da nur noch für die Statistik.

Fazit

In elf Halbfinalduellen erreichte der deutsche Rekordmeister fünf Mal das Finale. Gegen Olympique Lyon könnten die Bayern am Mittwoch die Bilanz auf sechs Finaleinzüge verbessern und damit mit dem AC Mailand und Juventus Turin gleichziehen.

Großer Kampf, spektakuläre Triumphe und herzzerreißende Niederlagen – die Roten haben so gut wie jedes Szenario bereits einmal erlebt. In einer Sache wird das diesjährige Aufeinandertreffen jedoch auf jeden Fall anders als die Vorjahre sein: Die Entscheidung wird in neunzig Minuten fallen, plus was auch immer der Fußballgott an Extra-Spektakel vorgesehen hat.