Supercup-Vorschau Teil 2: Wichtig ist auf’m Platz!
„Mir haben diese Aussagen nicht gefallen“ – es sind sechs einfache Worte, die derzeit ausreichen, um beim FC Bayern Unruhe auszulösen. Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge rügte seinen Cheftrainer Niko Kovač, der sich einige Stunden vorher im ZDF noch „sehr zuversichtlich“ gab, dass der FC Bayern jemanden wie Leroy Sané verpflichten könne.
An dieser Stelle könnte man auch diskutieren, ob Kovač wirklich sein Cheftrainer ist, oder ob es nicht doch eher so ist wie ebenjener nach der Ansage seines Vorstandsvorsitzenden andeutete: „Ich bin Angestellter dieses Klubs, ein sehr loyaler Mensch. Ich habe meine Aufgaben, die ich bewältigen muss. Daran halte ich mich.“ Zwischen den Zeilen wird nämlich klar, dass es vor allem das Arbeitsverhältnis ist, das die Beiden miteinander verbindet.
Was grundsätzlich überhaupt nicht problematisch ist, reiht sich aufgrund des medialen Hin und Her aber perfekt in eine Außendarstellung ein, die der sonst so positiven Vorbereitung nicht gerecht wird. Die dominanten Themen sind Leroy Sané, Uli Hoeneß und der vermeintliche Konflikt zwischen Rummenigge und Kovač. Bezeichnend für einen Klub, der in den letzten Jahren verlernt zu haben scheint, sich nach außen souverän, geschlossen und abgeklärt zu präsentieren.
Die beste Sommervorbereitung seit Jahren?
Dabei wäre es doch so einfach gewesen. In den USA präsentierte sich der FC Bayern nicht nur auf dem Platz in herausragender Frühform, sondern entfachte auch daneben eine beruhigende Wirkung. Nicht zuletzt dank Rummenigge, der die Unruhe rund um Sané etwas einfangen konnte, weil er mit all seiner Erfahrung vermitteln konnte, dass den Münchnern am Ende des Transferfensters ein toller Kader zur Verfügung stehen würde.
Zumal man seiner Meinung nach ja bereits eine Top-Mannschaft habe. Tatsächlich haben die Spieler das in der Vorbereitung auch unter Beweis stellen können. Zuerst in den USA, wo nach der unglücklichen Niederlage gegen Arsenal überzeugende Siege gegen Real Madrid und den AC Mailand folgten, und dann auch in München beim deutlichen Sieg gegen Fenerbahçe. Auch die knappe Niederlage gegen Tottenham im Elfmeterschießen unter der Woche hatte gute Gründe sowie tolle Ansätze zu bieten.
In München hat man allen Grund, mit den bisherigen Leistungen zufrieden zu sein. Zumal Rummenigge auch nicht müde wird zu betonen, dass weitere Transfers folgen werden. Die Ruhe und Gelassenheit konnte allerdings nicht aus den USA mit nach Deutschland gebracht werden. Dass Rummenigge sich nun genötigt sah, den eigenen Trainer für eine eigentlich harmlose Aussage zu rüffeln, dürfte zeigen, an welch seidenen Fäden der Sané-Transfer und damit verbunden auch viele weitere Dominosteine hängen.
Frische Ansätze aus dem Trainerteam?
Doch wechseln wir von Dominosteinen zu Schachfiguren: Auf dem Schachbrett hatte der FC Bayern nämlich in den ersten Partien der neuen Saison einiges zu bieten. Es scheint, als habe sowohl im Taktischen als auch im Trainingsbereich ein Umdenken stattgefunden. Inwiefern der neue Assistenztrainer Hans-Dieter Flick da eine Rolle spielt, lässt sich nur spekulieren, aber es ist zumindest bemerkenswert, dass seit seiner Ankunft neue Trainingsübungen und auch neue Ansätze im Spiel zu beobachten sind. Nicht zuletzt das explizite Lob Rummenigges für Flick in einer Antwort auf eine Frage nach Kovač lässt diese Spekulation zu.
Doch letztendlich ist es auch völlig egal, wer für welche Übung und welchen Ansatz verantwortlich ist. Wichtiger ist, dass die Bayern ein Bewusstsein für die Schwachstellen des Vorjahres entwickelt haben könnten. So ließen die Kovačs und Flick ihre Mannschaft bereits früh in der Vorbereitung in einem Hexagon trainieren.
Der Effekt ist einfach erklärt: Durch die abgeschnittenen Ecken müssen die Spieler Lösungen durch das Zentrum und die Halbräume finden. Außerdem ist der Druck für die ballführende Mannschaft höher, weil das pressende Team weniger Raum verteidigen muss. In Ballbesitz gibt es also nur durch kluges Positionsspiel und vertikale sowie diagonale Pässe einen Raumgewinn. Damit wird der „bequeme“ und vor allem berechenbare Ballvortrag über die Flügel gestrichen.
Vom Training in die Spielsituation
Solche Übungen machten sich dann auch schnell in einzelnen Spielsituationen bezahlt. Bereits gegen Arsenal war in den USA zu sehen, dass in der Ausrichtung und im Ballvortrag etwas anders ist als im vergangenen Jahr. Kovač stellte sein Team auf ein 4-3-3 um, das er so ähnlich bereits in der vergangenen Vorbereitung und zu Saisonbeginn umsetzte. Dieses Mal allerdings mit geringeren Abständen und mehr Bewegung in Ballbesitz.
Spätestens gegen Madrid war dann mehr von der Idee des Trainerteams zu sehen: Schon das 1:0 deutete an, dass man am gegnerischen Strafraum variabler sein möchte. Müller ließ sich als nomineller Stürmer in den Halb- und Zwischenlinienraum fallen, Alaba vorderlief Coman und öffnete damit den Passweg zu Müller. Ballfern rückte der Außenstürmer auf die Neuner-Position Müllers und Tolisso sprintete in den Rückraum. Sanches wiederum sicherte den Vorstoß Alabas ab. Es entstand situativ ein Netz aus Spielern, das einerseits diese sehenswerte Kombination ermöglichte, andererseits aber auch eine gute Absicherung bot.
Coman bediente also Müller, der steckte sofort auf den sprintenden Alaba durch und schließlich kam der Ball zu Tolisso, der die Führung erzielte. Und diese Situation war eben nicht die Ausnahme. Selbst mit weniger guten Einzelspielern halten die Münchner an diesen Prinzipien fest. Gegen Tottenham waren ähnliche Situationen zu beobachten, obwohl zeitweise nur vier gestandene Profis auf dem Platz standen. Sie funktionierten aufgrund der fehlenden Erfahrung und Qualität nur nicht so gut.
Verbesserter Spielaufbau?
Schon im Spielaufbau sind die Bayern deutlich bemühter, Wege durchs Zentrum oder die Halbräume zu finden. Das ist tatsächlich etwas, was auch zu Beginn der vergangenen Saison zu beobachten war. Allerdings waren damals die Passwege zu den Achtern sehr weit und es entstand eine größere Lücke im Zentrum, die das Gegenpressing erschwerte.
Zumindest in den Vorbereitungsspielen lösten die Bayern das diesmal etwas besser. Die Achter agierten wieder sehr offensiv, allerdings balancierten sie sich gegenseitig besser aus: Statt zeitgleich sehr hoch zu stehen, ließ sich ein Spieler auch mal tiefer fallen als der andere. So entstand in der 73. Spielminute gegen Madrid ein sehenswerter Angriff:
Real setzte Bayern hier im Angriffspressing unter Druck, schob aber nicht konsequent von hinten nach. Das Mittelfeld der Bayern reagierte klug: Nachdem die Münchner sich durch den Druck auf die rechte Außenbahn retteten, blieb nicht wie häufig in der Vergangenheit nur der lange Schlag nach vorn oder der vertikale Pass die Linie entlang. Stattdessen kippten ein Innenverteidiger, Sechser sowie ein Achter unterstützend zum ballführenden Spieler. Mit dieser Raute gab es genug Anspielstationen. Auf der ballfernen Seite kippte zudem ein Achter klug in den großen Raum im Zentrum (grün markiert). Die Verlagerung erfolgte, nachdem der Weg dorthin frei war und Bayern spielte den Angriff schnell zu Ende – leider ohne Torerfolg.
Von einzelnen Spielsituationen zur Konstanz
Es ist vielleicht die Überraschung der Vorbereitung, dass die Bayern mit Spielwitz, guten Ideen und einem mehr als ordentlichen Ballvortrag überzeugen konnten. Gleichwohl sollte die Euphorie aber etwas eingebremst werden: Schon beim Saisonstart in der vergangenen Saison waren gute Ansätze zu beobachten. Einerseits wird es die Aufgabe des Trainerteams sein, diese auszubauen und konstant auf den Rasen zu bringen. Andererseits müssen sie für Variabilität sorgen.
Sind die Mechanismen nach nur drei Spieltagen durchschaut, wird es wieder kompliziert. Einer von vielen entscheidenden Faktoren für die Herbstkrise im vergangenen Jahr war die Ratlosigkeit des Trainerteams auf die taktischen Anpassungen der Gegner.
Luft nach oben gibt es auch nach der zufriedenstellenden Vorbereitung nämlich noch zu Genüge. So liefen die Bayern in den einen oder anderen Konter, weil sie nicht gut absicherten oder in ein Harakiri-Gegenpressing gingen, das mehr Räume öffnete als Druck entfachte. Eine bisher nicht getestete Lösung dafür könnten (leicht) einrückende Außenverteidiger sein. Kimmich und Alaba würden so die Arbeit des alleinigen Sechsers unterstützen und wären gleichzeitig schnell zurück auf ihren Positionen, wenn sie gebraucht werden.
Boateng und Sanches als Gewinner der Vorbereitung?
Alles in allem bleiben aber auf sportlicher Ebene positive Eindrücke hängen, die Lust auf den FC Bayern in den nächsten Monaten machen. Zumal auch längst abgeschriebene Spieler wie Jérôme Boateng oder Renato Sanches wieder Spaß am Kicken haben. Während Boateng die Bälle von hinten verteilte wie in seinen besten Zeiten und gleichzeitig fehlerfrei verteidigte, glänzte Sanches als dynamischer Spielgestalter zwischen den Linien.
Auch wenn Boateng sich in der Öffentlichkeit noch sehr zurückhaltend zeigt und Sanches etwas skeptisch anmerkte, dass er auch im letzten Jahr gut rein kam, nur um am Ende kaum zu spielen, dürfte das die Hoffnungen vieler Bayern-Fans bestärken. Beide sind mit ihren Fähigkeiten in der Lage, den Rekordmeister im Vergleich zur letzten Saison zu verstärken. Es liegt am Trainerteam, daraus etwas zu machen.
Und das vielleicht schon am Samstagabend gegen Borussia Dortmund, wenn die Bayern in ihrem ersten Pflichtspiel zeigen können, wo sie aktuell wirklich stehen. Zwar werden Kingsley Coman und Serge Gnabry den Münchnern höchstwahrscheinlich fehlen, doch das Ergebnis ist in einem Vorbereitungs-Pflichtspiel sowieso zweitrangig. Entscheidend ist die gezeigte Leistung. Und ob Rummenigge nun irgendwelche Aussagen gefallen oder nicht, ist schlussendlich auch egal, wenn ihm das gefällt, was seine Mannschaft auf dem Platz liefert.
Vorschau-Tippspiel
Das Thesen-Duell wird aus Gründen des Aufwands in dieser Saison wieder abgeschafft. Stattdessen wird es nun das Vorschau-Tippspiel für die Bundesliga geben. Ihr könnt euch dafür in unserer Kicktipp-Gruppe anmelden. Der oder die SpieltagssiegerInnen werden jeweils hier genannt.
Ich werde darüber hinaus in aller Kürze meine Vermutungen für den Spielverlauf kundtun und meine Tipps für alle Spiele vorm Spieltag teilen. Der oder die GewinnerIn der Kicktipp-Runde bekommt von mir ein signiertes Exemplar Generation Lahmsteiger.
Hier geht es zur Kicktipp-Runde!
Beispiel für den Supercup:
Im für das Endergebnis schlimmsten Fall werden sowohl Gnabry als auch Coman nicht in der Startelf stehen. Aus taktischer Perspektive wird es dann aber umso spannender: Ich rechne damit, dass die Bayern die im Artikel beschriebenen Ansätze weiter umsetzen wollen. Gegen Dortmunder, die viel Selbstbewusstsein haben, wird das die erste richtige Standortbestimmung. Vorbereitungscharakter und Auswärtsspiel, aber die erste echte Titelchance: Bayern gewinnt nach einem 1:1 im Elfmeterschießen.