Vorschau: Nach der Ära ist vor Mainz 05

Justin Trenner 16.03.2019

Dramatik, Überspitzung, Überhöhung – drei unweigerliche Komponenten des Fußballs, die sich auch in der Berichterstattung wiederfinden lassen. Vor allem dann, wenn es um den FC Bayern München geht. Nach dem Aus in der Champions League am vergangenen Mittwoch überschlug sich das mediale Echo.

Vom Ende der Bayern-Ära bis zum dramatischen Absturz des gesamten deutschen Fußballs war alles dabei. Auf Miasanrot.de analysierten wir deshalb nicht nur die Niederlage gegen den Liverpool FC, sondern auch die weit in die Vergangenheit reichenden Ursachen und die Schlussfolgerungen für die Zukunft.

What a time to be a Blog! Aber im Ernst: Was folgt jetzt? Was macht diese Niederlage mit dem FC Bayern München? Welche Schlüsse zieht der Klub daraus? Die banale Antwort ist, dass jetzt erstmal der 1. FSV Mainz 05 folgt. Und sich auf diese Aufgabe zu fokussieren, dürfte angesichts der Situation schwer genug sein.

Ende einer Ära?

Letztendlich muss man Liverpool auch nicht unbedingt als klaren Schlussstrich sehen. Ja, die Bayern verloren im Endeffekt deutlich und chancenlos. Sie stellten damit der Welt zur Schau, dass sie nicht mehr zu den besten Mannschaften Europas zählen.

Doch wenn man ehrlich ist, deutete sich das schon über einen längeren Zeitraum an. Schon Paris 2017 war ein Tiefpunkt, den man gut und gerne als Ende der Generation Lahmsteiger sehen könnte. Doch dann kam Jupp Heynckes und rettete das Ansehen des Klubs mit einer guten Mischung aus Führung und (Los)-Glück.

Dass eine Ära irgendwann enden muss, ist völlig klar. Indiskutabel ist auch, dass die Münchner den Übergang nicht in Perfektion gestalten. Aber wer schafft das schon? Wer kann von einer goldenen Ära sofort in die nächste Erfolgszeit hüpfen, ohne verbrannte Erde zurückzulassen und jegliche Menschlichkeit zu verlieren? Allein die jüngsten Entscheidungen von Bundestrainer Joachim Löw beweisen, dass man in Zeiten des Übergangs vielerorts nur verlieren kann.

Angst vor der Zukunft

Der FC Bayern ist immerhin noch im Rennen um zwei Titel – es könnte schlechter um den Klub stehen. Doch genau da liegt auch die Gefahr der aktuellen Situation, die viele negative Entwicklungen überdeckt.

Es braucht die noch konkretere Erkenntnis, dass der Sommer einen ganzen Berg voll Arbeit bringt. Und dieser Berg macht einem natürlich auch als Bayern-Fan ein Stück weit Angst.

Kommen die richtigen Spieler nach München? Weiß man überhaupt schon, welche Art von Fußball gespielt werden soll? Ist Niko Kovač nicht doch eine Nummer zu klein für den FCB? Überdecken Titel letztendlich nicht nur die Fehlentwicklungen?

„Nur so gut, wie der Gegner es zulässt“

All das sind berechtigte und wichtige Fragen und Sorgen. Die Zukunft des Rekordmeisters ist offen und der Anschluss an Europas Spitze droht immer schwieriger zu werden. Umso wichtiger sind die richtigen Entscheidungen ab jetzt.

Der Beginn einer neuen Zeitrechnung ist da. Damit ist nicht gemeint, dass die Bayern allein deshalb gegen Mainz 05 ein komplett neues Gesicht zeigen werden. Denn wenn sich unter Kovač eines gezeigt hat, dann die Tatsache, dass die Einstellung und der Wille allein keine Spiele gewinnen.

Und hier liegt der eigentliche Kern eines Problems, das sich durch die ganze Saison zieht: „Wir können nur so gut sein, wie der Gegner es zulässt“, sagte Niko Kovač auf der Pressekonferenz nach dem Liverpool-Spiel. Es ist die Sprache eines Underdogs, die nicht zum FC Bayern passt.

Kovač will etwas, was Bayern nicht kann

Von mutigen Vergleichen zum Fußball, den Louis van Gaal 2009 in München einführte, bis zu dieser Aussage verging nicht mal eine Saison. Es ist sicherlich hart, einem Trainer nach nur einem Dreivierteljahr die Qualität abzusprechen – zumal er neben der Kaderplanung und der Augenwischerei der letzten Jahre nur ein Symptom und nicht das Problem ist.

Letztendlich muss aber das Fazit gezogen werden, dass Niko Kovač aus dem FC Bayern etwas machen möchte, was der FC Bayern nicht sein kann – wie in Beziehungen, bei denen klar ist, dass sie nicht lange halten werden. Doch man probiert es eben, weil man nicht erkennt, dass es doch keine Liebe ist. Hummels und Lewandowski kritisierten noch am Mittwochabend die taktische Ausrichtung der Mannschaft. Sie nannten dabei nicht Kovač als verantwortliche Person, sondern sich selbst als Spieler. Es sei nicht umgesetzt worden, was der Trainer von ihnen verlange.

Doch was verlangt er? Diese Frage will keiner beim FC Bayern so richtig beantworten. Und so bleibt ein Bild zurück, das einen Trainer zeichnet, der zwar Ansätze hat und sich vor allem in der Kadermoderation stark weiterentwickelte, der letztlich aber an der Umsetzung seiner Ideen scheitert. Auch deshalb, weil die Idee offensichtlich nicht zu Kader und Selbstverständnis des Klubs passt.

Fehlender Mut

Der moderne Fußball entwickelt sich in eine Richtung, in der der Ballbesitzfußball vertikaler und schneller wird. Genau da sollte eine Mannschaft wie der FC Bayern München hinkommen. Der Sprung dorthin ist mit der jüngeren Vergangenheit und dem Kern der Mannschaft viel kürzer als der zu einem zweiten Atlético Madrid.

Doch Kovač hat nicht die taktischen Mittel, um diesen Fußball umzusetzen. Ballverluste, Konteranfälligkeit, Balanceschwierigkeiten – die Münchner finden nicht den Weg zu dieser Art Fußball. Und so hangelt sich Kovač von Kompromiss zu Kompromiss, um wenigstens die Ergebnisse einzufahren. Selbst Carlo Ancelotti mit seinem Heldenfußball und Jupp Heynckes mit seinen Wiederbelebungsmaßnahmen als Hobby-Arzt einer toten Mannschaft waren schlussendlich näher am Erfolg als Kovač. Auch deshalb, weil die Mannschaft es unter ihnen verstand, das Publikum mit Willenskraft und Mut zu überzeugen.

Der Wille mag auch unter Kovač da sein, doch der Mut fehlt komplett. Früher spielte der FC Bayern, um Spiele zu gewinnen. Aktuell spielt er, um den größtmöglichen Schaden zu vermeiden. Aus dem selbstbewussten „Mia san mia“ des Klubs wurde schnell ein „Mia san mimimi“. Das tolle Liverpool, die große Qualität des Gegners – vor nicht allzu langer Zeit wurden Gegner auch gelobt, anschließend aber mit dem größtmöglichen Respekt aus der Allianz Arena geputzt und mit einem Handschlag verabschiedet, wenn sie wie Liverpool nicht mal an ihr Leistungsmaximum kamen. Jetzt ist man eben nur noch so gut, wie der Gegner es erlaubt.

Abgestimmte Entscheidungen

Natürlich liegt das auch daran, dass die (Schlüssel-)Spieler früher eben jünger und schneller waren. Doch Kovač limitiert durch die Underdogisierung des FC Bayern die Qualitäten seiner eigenen Mannschaft. Und damit disqualifiziert er sich Stück für Stück selbst immer mehr für die Aufgaben des Bayern-Trainers.

Statt über sich hinauszuwachsen, bleibt der FC Bayern sogar noch unter seinen Möglichkeiten, obwohl die ohnehin schon kleiner geworden sind. Und bei der Benennung der Fehlentwicklungen kann der Trainer eben zwangsweise nicht außen vor gelassen werden. Auch wenn er nichts dafür kann, dass er diesen Job angeboten bekam und die Verantwortlichen nicht alles dafür tun wollen, um seine Vorstellungen zu erfüllen.

Im Sommer wird der FC Bayern auf Shopping-Tour gehen. Doch wenn er dann ein knallrotes Retro-Shirt mit knallblauen Längsstreifen kauft und auch noch mit einer blau-weißen Hose und penetrant bunten Schuhen aus der Moderne kombiniert, dann bleibt da fast nur noch der Tritt in die Tonne.

Der nächste Schritt zur Meisterschaft

Im Klartext: Entscheidungen müssen aufeinander abgestimmt sein. Und wenn ein Trainer wie Kovač für seinen Fußball eher Spieler braucht, die nicht zu den Vorstellungen des FC Bayern passen, dann gibt es nur eine logische Schlussfolgerung. Ancelotti bekam James, Guardiola bekam Thiago, Heynckes bekam Martínez, van Gaal bekam Robben, Klinsmann bekam Dono … – Egal! Wen bekam jedenfalls Kovač? Offensichtlich ist auch der Klub nicht dazu bereit, die Wünsche des Trainers vollends zu erfüllen. Das muss Gründe haben, die im Idealfall auf den hier beschriebenen Umständen beruhen.

Am Wochenende wird Kovač aber wieder auf der Bank sitzen. Welchen Sinn sollte ein Trainerwechsel jetzt auch haben, wo die Münchner noch im Rennen um Titel sind? Das wäre ebenso absurd wie es die Entlassung nach dem Düsseldorf-Spiel gewesen wäre. Umso spannender wird jedoch die Reaktion der Mannschaft. Und noch spannender die Reaktion des Vorstands in den kommenden Monaten.

Immerhin scheinen die meisten Spieler noch hinter dem Trainer zu stehen, was hinsichtlich des angebotenen Fußballs keine Selbstverständlichkeit ist. Gegen Mainz ist deshalb mit wütenden Bayern zu rechnen, die mit hoher Willenskraft den nächsten Schritt zur Meisterschaft gehen wollen.

Was ist besser für die Zukunft?

Mainz wird vermutlich mit einer aggressiven Dreierreihe vor der defensiven Viererkette verteidigen. Die Bayern brauchen also prinzipiell eine Idee, um die gut organisierte Defensive des Gegners zu bespielen. Das ginge durch das Überladen der Halbräume und der Zwischenlinienräume. Die Rückkehr von Thomas Müller könnte hier helfen.

Auch Kimmich wird auf der rechten Seite für die eine oder andere gute Flanke sorgen. Allerdings sind die Innenverteidiger der Gäste sehr kopfballstark. Flanken sollten also nicht das einzige Mittel der Bayern bleiben. Auf Bundesliga-Niveau fand Kovač zuletzt immerhin wieder einen besseren Ansatz. Zwar gegen deutlich unterlegene oder formschwache Mannschaften, aber immerhin. Jetzt gilt es, die Aufholjagd auf Borussia Dortmund zu versilbern. Mit der siebten Salatschale in Folge.

Nach der Niederlage gegen Liverpool muss dafür gegen schwer zu bespielende Mainzer ein Sieg her. Andernfalls droht die zuletzt mit Mühe gewendete Saison erneut zu kippen. Und spätestens dann würde es auch für Niko Kovač eng. Bleibt die zugegeben provokante Frage, was für die Zukunft besser ist.

Wer am Ende der erfolgreichen Ära nochmal in der Vergangenheit schwelgen möchte und auch etwas über die Bedeutung dieser Zeit für die Zukunft lesen möchte, dem sei mein neues Buch empfohlen. Hier geht es zu allen Infos und zum Gewinnspiel, das noch bis Sonntagabend läuft.

Das Thesen-Duell

Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Justin gewählt.

Ergebnis des letzten Spieltags: Justin 3,6 : 3,6 Fatbardh

Zwischenstand insgesamt: Justin 94,8 : 84,4 Fatbardh

Justins Tipps

  1. Torschütze: Serge Gnabry
  2. Freie These: Mainz trifft nicht.
  3. Über/Unter 2,5: Über!
  4. Aufstellung: Neuer – Kimmich, Süle, Hummels, Alaba – Thiago, Martínez – James – Müller, Lewandowski, Gnabry

Fatbardhs Tipps

  1. Torschütze: Robert Lewandowski
  2. Freie These: Bayern erzielt ein Standardtor.
  3. Über/Unter 2,5: Über!
  4. Aufstellung: Neuer, Kimmich, Süle, Hummels, Alaba, Thiago, James, Müller, Gnabry, Lewandowksi, Coman