15 Thesen zur Bayern-Saison 2019/20

Justin Trenner 15.08.2019

Wie es bereits Tradition geworden ist, werden wir auch vor dieser Saison wieder ein paar Prognosen wagen. Selten war das so schwer wie in diesem Jahr. Den eigenen Ankündigungen nach sind bei den Bayern wohl mindestens noch zwei Transfers offen, die die Qualität des Kaders nochmal deutlich anheben und so auch unsere Thesen beeinflussen könnten.

Trotzdem wollen wir – im Gegensatz zum FC Bayern – vor dem ersten Spieltag unsere Aufgaben erledigt haben und uns ungeachtet der verbleibenden Unsicherheiten an unseren 15 Saisonthesen am Ende der Spielzeit wieder messen lassen.

Das Prozedere läuft wie folgt: Wir stellen jetzt unsere 15 Thesen auf und in einem großen Saisonfazit werden wir rekapitulieren, wo wir richtig, wo wir falsch und wo wir fast richtig lagen. Anhand dessen vergeben wir Punkte. Für jede richtige These verteilen wir einen, für jede falsche keinen und für jede fast richtige einen halben Punkt. Diese Zwischenwertung nutzen wir, da wir zwar um möglichst klare Thesen bemüht sind, es jedoch manchmal trotzdem Grauzonen gibt.

Doch damit genug der Vorrede – los geht’s!

15 Thesen: Wie schneidet der FC Bayern ab?

1. Bayern lässt die Tür für Dortmund offen

Zu vieles erinnert an die Spielzeiten zwischen 2010 und 2012: Interne Streitereien, das Ausruhen auf vorherigen Erfolgen, Trainerdiskussionen, Uneinigkeit über die Ausrichtung des Klubs für die Zukunft, ein vermutlich starker Konkurrent aus Dortmund – die Parallelen sind beeindruckend.

Dortmund muss aber erstmal unter Beweis stellen, dass sie den ihnen entgegengebrachten Vorschusslorbeeren gerecht werden. Denn die Bayern werden dieses Jahr zwar wieder nicht über 80 Punkte hinauskommen, aber mehr als 75 holen. Das bietet dem BVB eine kleine Chance. Im vergangenen Bundesliga-Jahr holten die Dortmunder 76 Punkte. Können sie sich noch etwas steigern, ist der Meistertitel in dieser Saison drin. Es wird in jedem Fall spannend.

2. Die Defensive wird etwas stabiler

Auch in dieser Saison wird das Trainerteam es nicht schaffen, die Defensive vollends zu stabilisieren. In der abgelaufenen Saison kassierten die Münchner 32 Gegentore in der Liga. Ganz so viele werden es in dieser Spielzeit nicht, aber mindestens 25 Mal wird der Ball den Weg ins Bayern-Tor finden. Erst nach der Saison wird sich zeigen, ob dies immer noch zu viele Gegentore waren (siehe These 1).

3. Bayern schießt wieder viele Tore

Dass der FC Bayern in der Bundesliga-Saison 2018/19 88 Tore erzielt hat, ist auf viele Faktoren zurückzuführen. Ganz so viele Spiele, in denen das Toreschießen wie von allein läuft, wird es diesmal aber nicht geben. Die Bayern versuchen sich bisher an einem etwas anderen Offensivspiel. In der Vorbereitung und im Pokal hat dies ganz anständig geklappt, wie weit es damit aber unter echten Wettbewerbsbedingungen Woche für Woche wirklich her ist, wird sich erst noch zeigen müssen. Viele Tore werden es in der Bundesliga aber trotzdem: Mindestens 70 und maximal 80 Mal landet der Ball im gegnerischen Netz.

4. In der Champions League heißt es wieder: Tod statt Gladiolen

Niko Kovač hat als Ziel für die Königsklasse ausgegeben, dass man länger dabei sein möchte als im Vorjahr. Das wäre dementsprechend mindestens das Viertelfinale. Die These: Den genauen Zeitpunkt kann man zwar nicht voraussagen, aber der FC Bayern scheitert am ersten Top-Gegner. Als solche zählen wir: Real Madrid, FC Barcelona, Atlético Madrid, Liverpool FC, Manchester City, Paris Saint-Germain und Juventus Turin. Ob man eine weitere Niederlage verkraften kann, hängt auch davon ab, wie sich die Münchner präsentieren. Denn nicht das Ausscheiden gegen einen Top-Gegner an sich, aber ein weiteres chancenloses Ausscheiden wie zuletzt gegen Liverpool wäre fatal.

5. Für ihn ist Schluss

Eine weitere Parallele zu 2012 wäre es, wenn bald größere Umstrukturierungen im Management stattfänden. Uli Hoeneß wird seinen Rücktritt vermutlich zeitnah bekanntgeben. Mit Hoeneß würde dann gleichzeitig auch der größte Fürsprecher des Sportdirektors verschwinden. In weiterer Folge wird Karl-Heinz Rummenigge mehr Handlungsfreiheit bekommen. Hasan Salihamidžić wird den FC Bayern schließlich verlassen müssen. Zu groß ist der Druck jetzt schon, zu lang ist die Liste an Fehlern, die er begangen hat. Der Sportdirektor war ein Versuch, einen vergleichsweise jungen Mann früh zu etablieren und ihm den Raum zum Lernen zu geben. Noch vor Ende dieser Saison werden die Bayern merken, dass dieser Versuch gescheitert ist und nicht jeder für so eine Aufgabe bestimmt ist.

6. Bayern holt den Pokal

Einen Titel holen die Bayern mindestens! Im DFB-Pokal können Mannschaft und Trainer ihre Qualitäten oft genug ausspielen, um am Ende wieder den goldenen Pokal in den Berliner Nachthimmel zu stemmen. Niko wird endgültig zum nationalen K.O.-vač.

7. Serge Gnabry entwickelt sich nochmal weiter

In der vergangenen Rückrunde war er einer der wichtigsten Leistungsträger des Kaders. Und auch in dieser Saison wird er weitere Schritte nach vorn gehen. Serge Gnabry wird sich mit seiner Direktheit zum Tor und seinen Fähigkeiten im Eins-gegen-eins weiter in die Herzen der Bayern-Fans spielen. Seine 22 Torbeteiligungen aus der letzten Saison wird er deutlich übertreffen: Mindestens 30 sind es am Saisonende in allen Wettbewerben.

These: Serge Gnabry wird auch in dieser Saison wieder einer der wichtigsten Spieler im Kader sein.
(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

8. Diese zwei wechseln zum FC Bayern

Kompliziertes Jahr, vielleicht nur ein Titel, viel Umstrukturierung – was spräche in diesem Szenario noch dafür, dass Leroy Sané zum FC Bayern wechselt? Bayern wird während des Jahres aber eng mit ihm in Kontakt bleiben, seinen Heilungsprozess genau verfolgen und ihn davon überzeugen können, das Gesicht einer neuen Ära zu werden. Sané wird zu den Bayern wechseln. Ebenso wird die Verpflichtung von Kai Havertz relativ frühzeitig eingetütet. Der Leverkusener wird immer wieder mit den Bayern in Verbindung gebracht und sehr viel deutet darauf hin, dass die Münchner schon weiter sind als ihn lediglich auf einem Zettel stehen zu haben. Auch Havertz kommt zur Saison 2020/21 an die Isar. Und beides wird noch bis zum 30.6.2020 bekanntgegeben.

9. Ivan Perišić wird fest verpflichtet

Aktuell wird der Transfer des Kroaten noch etwas belächelt, doch im Saisonverlauf wird er unter Beweis stellen, dass er ein verlässlicher Spieler sein kann. Ein ausgewogener Kader braucht auch jene Akteure, die sich selbst zurücknehmen und auch mal längere Zeit auf der Bank sitzen können. Ähnlich wie Rafinha es einst war, wird Perišić zum wichtigen Kaderspieler. Den Bayern gefällt das so sehr, dass sie ihn ab der Saison 2020/21 in Festanstellung behalten werden.

10. Jugend forsch(t) – aber in Liga 3

Die eigene Jugend hatte im letzten Jahr bei den Profis keinen hohen Stellenwert. Das bleibt auch so. Alle Spieler, die direkt aus der Akademie kommen, werden zusammen nicht mehr als 100 Minuten in der ersten Mannschaft bekommen – über alle Wettbewerbe hinweg.

11. Sanches spielt auch in dieser Saison keine große Rolle*

Zwar hat der Portugiese in der Vorbereitung überzeugt, doch das könnte womöglich wieder nicht reichen. Corentin Tolisso, Leon Goretzka, Thomas Müller und womöglich noch kommende Neuzugänge – sie alle haben einen höheren Stellenwert als Sanches. In der Vorbereitung hat der 21-Jährige zwar mit guten Bewegungen, einem ordentlichen Positionsspiel und viel Dynamik nach vorn überzeugen können, doch richtig Vertrauen scheint er leider nicht zu genießen. Dabei ist sein Potenzial riesig. Wenn ein Trainer es schaffen würde, ihm die kleineren Konzentrationsschwächen während eines Spiels auszutreiben, dann wäre er eine echte Bereicherung für die Stammelf. Denn auch wenn er Tolisso und Goretzka mit seinem Spielstil ähnelt, hat er in der Vorbereitung durchaus strategische Qualitäten aufblitzen lassen, die ihn für diese Saison wertvoll machen könnten. Das Trainerteam sieht das aber womöglich anders. Sanches wird mehr spielen als in der letzten Saison, insgesamt aber unter 1200 Minuten bleiben. Ob ihm das reicht, muss er dann selbst entscheiden.

12. Martínez auf dem Abstellgleis*

Kaum ein Spieler aus dem Ausland hat sich in den letzten Jahren so in die Herzen der Fans gespielt wie Javi Martínez. Doch die ganz große Zeit des Basken scheint vorbei zu sein. Schon in der vergangenen Saison kam der 29-Jährige auf nur 2257 Pflichtspielminuten. Kovač hat immer wieder durchblicken lassen, dass er speziell gegen tief verteidigende Mannschaften andere Spielertypen braucht und in der Innenverteidigung ist die Konkurrenz einfach zu groß. In dieser Saison wird Martínez deshalb weniger spielen als in der vergangenen. Sollte es so kommen, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen, was dieser Umstand für seine Zukunft bei den Bayern bedeuten wird, aber die wäre dann wohl unsicherer denn je.

13. Kimmich bleibt Top-Torvorlagengeber

Setzen sich die Trends der Vorbereitung fort, schlagen die Bayern weniger hohe Flanken aus dem Spiel heraus. Wer daraus die Schlussfolgerung zieht, dass Joshua Kimmich deutlich weniger Torvorlagen haben wird, könnte irren. Der Nationalspieler wird weiterhin an sehr vielen Angriffen beteiligt sein und dazu einige Standards ausführen. Kimmich bleibt der Mann mit den Meisten Assists im Kader.

14. Lewandowski bleibt Weltklasse

Gut, diese These ist jetzt kein großes Risiko, aber gerade weil Robert Lewandowski in der jüngeren Vergangenheit gerne mal die Schuld bekam, ist es wichtig, folgendes noch einmal zu betonen: Der Pole ist absolute Weltklasse und wird das auch in der kommenden Saison bleiben. Wenn er von seiner Mannschaft mal einen ordentlichen Pass bekommt, wird er vielleicht sogar in einem K.O.-Spiel der Champions League treffen. In jedem Fall schießt er in allen Wettbewerben aber erneut mindestens 40 Tore. Auch wenn noch jemand wie Mandžukić kommt.

15. Kovač bleibt Trainer des FC Bayern

Die Meinungen gehen auch bei Niko Kovač weit auseinander. Trotzdem wird er über die gesamte Saison hinweg Trainer des FC Bayern bleiben. Warum? Weil er sich in dieser Spielzeit lernfähig zeigt und auch durch die Neuzugänge im Trainerteam (Hansi Flick und Danny Röhl) an Kompetenzen gewinnt. Bayern verbessert sich taktisch und fußballerisch, wird in den entscheidenden Spielen der Champions League aber noch seine Grenzen aufgezeigt bekommen. Der Abstand zur Konkurrenz wird jedoch erheblich kleiner sein als im Vorjahr. Auch in der Saison 2020/21 wird Kovač deshalb auf der Münchner Bank sitzen. Einzige Ausnahme: Für den Klub bietet sich überraschend die Möglichkeit, eine Alternative zu verpflichten, die ein deutlicher Fortschritt wäre und bei der man einfach nicht absagen kann.

*Prämisse: Es kommt noch mindestens ein Spieler für das Mittelfeld.