Vorschau: FC Bayern München – FC Schalke 04

Justin Trenner 24.01.2020

„Wer von euch hat schon mal gegen Bayern München gewonnen?“ Diese Frage stellte David Wagner seinen Spielern unter der Woche im Training. Die Antwort schob der 48-Jährige auf der Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel in München direkt nach: „Das waren nicht viele.“

Omar Mascarell schlug die Bayern im Pokalfinale 2018 mit Eintracht Frankfurt und Daniel Caligiuri hatte sogar zwei Erfolgserlebnisse gegen die Münchner: 2015 stand er für Wolfsburg in der Startelf, als der Rekordmeister mit 1:4 in der Autostadt verlor. Außerdem gewann er mit den Wölfen im selben Jahr den Supercup nach Elfmeterschießen.

Vielleicht hat sich noch Suat Serdar gemeldet, der 2014 sogar mal in München mit 4:2 gewonnen hat. Allerdings mit der U19 des 1. FSV Mainz 05. Dass im Kader nicht so viele Bayern-Besieger stehen, hat zwei offensichtliche Gründe. Nummer 1: Der durchschnittliche Schalke-Spieler ist 24,6 Jahre jung (Platz 3 in der Liga). Viel Erfahrung haben die Knappen also nicht vorzuweisen. Und wenn doch mal Spieler dabei sind, die schon häufiger gegen die Bayern gespielt haben, dann waren sie nicht sonderlich erfolgreich (Grund Nummer 2).

Schalke selbst ist seit dem Jahr 2011 ohne Sieg gegen die Bayern. Damals gewannen sie im Halbfinale des DFB-Pokals in der Allianz Arena mit 1:0. Seitdem holten die Münchner 16 Mal den Sieg bei nur drei Unentschieden. Um die Bilanz etwas aufzufrischen, hat Wagner eine klare Forderung: „Unsere Art des Fußballs“ wolle er von seiner Mannschaft sehen.

FC Schalke 04: Der erste echte Prüfstein in 2020 für die Bayern?

Doch wie sieht diese Art des Fußballs aus? Wer sich mit der Personalie Wagner vor der Saison auseinandergesetzt hat, dürfte viele Artikel gelesen haben, in denen vor allem eine Information überdurchschnittlich oft zentral war: Der Schalke-Trainer war der Trauzeuge von Jürgen Klopp.

Die Verbindung zum Liverpool-Coach ist tatsächlich interessant. Jedoch nur aus fußballtaktischer Perspektive. Denn schaut man sich die Entwicklung der Schalker im vergangenen halben Jahr an, fiel vor allem der Spielmacher von Königsblau ins Auge: Das Gegenpressing.

Fünf Tore hat Schalke bereits nach Kontersituationen erzielt (Platz 2 hinter RaBa Leipzig mit 6). Sie haben den siebthöchsten Ballbesitzwert in der Bundesliga (50,4 %), kommen gleichzeitig aber trotzdem auf die neuntmeisten Interceptions (11,3) und die siebtmeisten Tacklings pro Spiel (17,3). Zum Vergleich: Borussia Mönchengladbach ist eine Mannschaft, die bei ähnlichem Ballbesitzwert und sehr aggressivem Pressing auf 12,7 Interceptions und 16,8 Tacklings pro Partie kommt.

Aggressivität, Tempo und Risiko

Diese Statistiken untermauern die These, dass Wagner sehr viel Wert auf das Pressing legt. Schalke agiert hier aus einem 4-4-2 heraus sehr flexibel. Gegen eine Dreierkette schiebt beispielsweise der ballnahe Flügelspieler der Mittelfeldkette mit nach vorn, während die anderen drei Spieler die Lücke schließen. Zwischen 4-4-2- und 4-3-3-Variationen gab es bereits alles zu sehen.

Im Schnitt erlaubt Schalke seinen Gegnern nur 9,02 Pässe, bis eine Defensivaktion erfolgt. Das ist hinter den Bayern (7,15), Leverkusen (7,37) und dem VfL Wolfsburg (8,71) ein absoluter Spitzenwert in der Bundesliga. Gladbach (9,36), RaBa Leipzig (10,07) und der BVB (10,42) sind hier etwas ineffizienter.

Das Spiel der Schalker ist sehr vertikal ausgelegt. Nach Ballgewinnen geht es nicht darum, den Ball möglichst lange zu halten, sondern sofort Tempo aufzunehmen. Mit 77,1 % Passquote stehen die Knappen auch nur auf Platz 9 der Liga. Außerdem spielen sie im Schnitt lediglich 9,28 Pässe, bis der Gegner sie unterbricht (Platz 14).1

Wagner verlangt seinen Spielern ein gutes und mutiges Positionsspiel ab, das bei Ballverlusten eine gute Ausgangssituation fürs Gegenpressing bietet. Wird der Ball dann nicht innerhalb weniger Sekunden gewonnen, lassen sich die Schalker auch gern mal etwas fallen, ohne dabei aber die Aggressivität zu verlieren.

In Phasen, in denen der Ball länger in den eigenen Reihen bleibt, variiert Wagner die Grundordnung oft im Detail. Ein stabiles Element bilden aber die hochstehenden Außenverteidiger, die durch einen herauskippenden Sechser aufgefangen werden. Dann baut Schalke das Spiel mit einer Dreierkette auf.

Mehr Selbstvertrauen und mehr Mut gegen die Bayern?

Durch den veränderten Stil hat die Mannschaft eine sehr erfolgreiche Hinrunde gespielt. Gleichzeitig muss aber erwähnt sein, dass die Expected-Goals-Werte2 auf eine Überperformance hindeuten. Das bedeutet, dass sie einerseits erheblich häufiger getroffen haben, als es durch die vorhandenen Chancen erwartbar gewesen wäre: 23,7 Expected Goals (Platz 11) zu 31 tatsächlichen Treffern. Andererseits haben sie auch weniger Gegentreffer kassiert, als durch die Chancen des Gegners erwartbar gewesen wäre: 26,2 Expected Goals Against (Platz 8) zu 21 tatsächlichen Gegentoren.

Schalke lässt sich also als eine Mannschaft definieren, die leistungstechnisch aus dem oberen Mittelfeld der Bundesliga kommt. Gleichzeitig agieren sie aber mit einer Geschwindigkeit und einer Intensität, die den Bayern Probleme machen könnte. Hinzu kommt eine Effizienz vor dem Tor, die paradoxerweise nicht durch die Stürmer geprägt wird. Serdar (7), Amine Harit (6), Benito Raman (4) und Kabak (3) sind die Toptorschützen des Teams. Ahmed Kutucu ist der erste richtige Mittelstürmer auf dieser Liste – mit 2 Toren.

Spannend zu beobachten dürfte sein, wie mutig Schalke in der Allianz Arena auftritt. Schon im Hinspiel merkte man der Mannschaft einen gewissen Grundrespekt an. Schalke agierte mitunter zwar aggressiv und auch in einem höheren Mittelfeldpressing, kam aber kaum zu den für das eigene Spiel so wichtigen hohen Ballgewinnen. Der Weg zu Manuel Neuers Tor war meist zu weit. Erst als man bereits mit 0:2 hinten lag, gab es eine Drangphase, in der man das Spiel nochmal hätte kippen können.

FC Bayern München: Im Mittelfeld liegt der Schlüssel zum Erfolg

Mittlerweile dürfte Schalke aber mehr Selbstbewusstsein getankt haben. Und schon damals hielten sie die Bayern bei nur 1,6 Expected Goals. Aus dieser defensiven Stabilität heraus und mit etwas mehr Mut wird sich Wagner in der Allianz Arena etwas ausrechnen.

Die Bayern wiederum erwarten ihren ersten richtigen Prüfstein. Hertha war am vergangenen Wochenende nicht in der Lage dazu, dem Rekordmeister auch nur ansatzweise wehzutun. Schalke hat aber mehr Ambitionen nach vorn.

Insbesondere die Konterabsicherung der Bayern wird deshalb erstmals im neuen Jahr auf die Probe gestellt. Konnten Hansi Flick und das Team die entsprechenden Lücken aus dem Vorjahr verkleinern oder sogar schon beheben? Neuverpflichtung Álvaro Odriozola ist möglicherweise eine Hilfe. Der schnelle Rechtsverteidiger könnte, sollte er bereits am Samstag debütieren, Benjamin Pavard ins Zentrum rücken lassen und so das Tempodefizit von Jérôme Boateng etwas ausgleichen.

Bessere Verbindungen im Positionsspiel

Darüber hinaus sind aber vor allem die taktischen Aspekte in Ballbesitz entscheidend. Schalke hat eine hohe Präsenz im Mittelfeldzentrum. Die Bayern zeigten in Berlin zwei unterschiedliche Gesichter gegen eine ebenfalls sehr kompakt verteidigende Mannschaft. Gerade die Achter blieben aber insgesamt zu blass.

Leon Goretzka und Philippe Coutinho gelang es nur selten, Verbindungen nach außen oder nach hinten zu knüpfen. Stattdessen lief Coutinho mitunter sogar noch Räume von Thiago oder Goretzka zu. Hier stimmte die Balance lange Zeit nicht. Erst als das Positionsspiel in der zweiten Hälfte etwas besser wurde (Coutinho bewegte sich mehr und öffnete so Räume für Müller und Goretzka), gelangen den Bayern auch mal mehrere sehenswerte Spielzüge am Stück. Vornehmlich waren diese durch diagonale Pässe zwischen die Linien oder Steil-Klatsch-Kombinationen geprägt. Das kann gegen Schalke ein guter Lösungsansatz sein:

Schalke wird den Sechserraum der Bayern vor allem über den Deckungsschatten und nachrückende Viererketten verteidigen, um ihn möglichst eng zu halten. In diesem ausgedachten Beispiel lässt sich Müller fallen, um einen Pass von Pavard zu empfangen und direkt auf Thiago klatschen zu lassen. Das sogenannte „Steil-Klatsch-Spiel“. Der Vorteil: Müller muss sich nicht mit dem Ball drehen und Thiago hat das Spiel direkt vor sich. Bayern ist nicht dazu gezwungen, den Weg nach vorn sofort über die Außenpositionen zu gehen.

Schalke wird sich wahrscheinlich stärker auf das spielstarke Zentrum der Bayern fokussieren und Thiago (und/oder Kimmich) stärker ins Visier nehmen. Ein kluger Schachzug von Flick wäre es also, die Achter und die Außenverteidiger noch konsequenter mit den Aufbauspielern zu verbinden, um das Pressing des Gegners zu provozieren, gleichzeitig aber auch Optionen anzubieten, um nicht in die ineffiziente U-Form zu geraten. Dabei könnten die Rückkehrer Joshua Kimmich und Serge Gnabry eine wichtige Rolle einnehmen.

Wer wird schon mal gegen Bayern München gewonnen haben?

Zusammenfassen lässt sich das Spiel am Wochenende aus Bayern-Perspektive als eines, das den nächsten Entwicklungsschritt einfordert. Im Spiel mit dem Ball müssen die Ansätze aus der zweiten Halbzeit in Berlin Kontinuität bekommen. Andernfalls ist Schalke eine Mannschaft, die Panikflanken nach vorhersehbaren Flügelangriffen sehr einfach verteidigen kann.

Das Spiel gegen den Ball resultiert dann aus dem Positionsspiel in Ballbesitz. Stehen die Bayern gut, werden sie ihrerseits schnell den Ball (zurück)erobern können. Zu vermeiden gilt es Situationen wie in der Hinrunde, als die Außenverteidiger manchmal ins Leere liefen und der Gegner über eine freie Anspielstation im Zentrum den Weg in die Defensivlücke der Bayern fand.

Schalke will genau das tun: Den Ball von den Bayern erobern und dem Gegenpressing durch schnelles Spiel nach vorn widerstehen. Gelingt ihnen das, könnte Wagner womöglich schon nächste Woche erheblich mehr Meldungen von seinen Spielern erhalten, wenn er danach fragt, wer denn schon gegen Bayern München gewonnen hat. Die Bayern müssen sich im Vergleich zur letzten Woche ordentlich strecken, wenn sie wollen, dass sich wieder nur Caligiuri und Mascarell melden.

1 Daten von understat.com
2 Daten von fbref.com

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Spieltagssieger

Suppenkasper gewann den letzten Spieltag mit 22 Punkten. Die Top 5:

  1. Edlan – 233 Punkte (0 Spieltagssiege)
  2. Dominik – 231 Punkte (0,33 Spieltagssiege)
  3. Isarläufer – 230 Punkte (0 Spieltagssiege)
  4. dain – 227 Punkte (0 Spieltagssiege)
  5. Andreas, Beltiboy, CH1310, Rheinberg – 225 Punkte (0 Spieltagssiege)

Lahmsteiger: Platz 68 – 201 Punkte (0 Spieltagssiege)

So läuft es gegen Schalke …

Schalke hält gut mit und die Partie damit lange offen. Zur Pause stehts 1:1, am Ende aber 3:1 für die Bayern.

So könnte Bayern spielen …

4-3-3: Neuer – Odriozola, Pavard, Alaba, Davies – Thiago, Kimmich, Müller – Gnabry, Lewandowski, Coutinho

Es fehlen: Hernández, Süle, Coman, Martínez (alle verletzt)

So läuft der Spieltag …

Dortmund 3:1 Köln
Union 2:1 Augsburg
Gladbach 2:0 Mainz
Wolfsburg 2:1 Hertha
Frankfurt 1:1 Leipzig
Freiburg 2:1 Paderborn
Bayern 3:1 Schalke
Bremen 1:1 Hoffenheim
Leverkusen 2:1 Düsseldorf