Das Rückrunden-Manifest
20 Sebastian Rode
Wichtigste Aufgabe: Gegner nerven.
Zwei Startelf-Einsätze. 248 magere Minuten. Fast zwei Monate verpasste er mit einer Sehnenreizung. Und auch wenn er fit war, blieb er meist nur zweite oder dritte Wahl. Sebastian Rode ist in einer vertrackten Situation beim FC Bayern. Jeder im Verein weiß, dass er mehr Einsatzzeit verdient hätte. Rode würde in 16 von 18 Bundesliga-Mannschaften fast immer in der Startelf stehen. Bei Bayern sind Spieler vor ihm, die besser sind. Thiago, Alonso, Vidal, Martinez sind besser. Das ist die Situation.
Im Prinzip wäre Rode ideal als zweiter oder dritter Einwechselspieler von der Bank. Er kann der Mannschaft ab der 60., 65. Minute neue Energie geben. Egal, ob um einen Rückstand zu halten oder ein Spiel zu drehen. Im Vorjahr füllte er genau diese Rolle mit insgesamt 19 Einwechslungen exzellent aus. Die Frage ist, ob ihm das auf Dauer ausreicht.
Rode spielt gegen den Ball wie ein junger Arturo Vidal mit normalerer Frisur. Er nervt Gegner mit seiner Hartnäckigkeit und ist läuferisch stets einer der besten. Rode wird mehr spielen als in der Hinrunde. Sollte Bayern in Pokal und Champions League weit kommen, könnte er in der Bundesliga wichtige Spielzeit übernehmen und den Etablierten Atempausen verschaffen.
An seiner grundsätzlichen Situation in München wird sich allerdings nichts ändern. Gut möglich also, dass es das letzte halbe Jahr für den 25-Jährigen beim Rekordmeister ist.
23 Arturo Vidal
Wichtigste Aufgabe: Torgefahr aus dem Mittelfeld.
Es ist schon merkwürdig. Arturo Vidal hat in der Hinrunde die drittmeisten Minuten aller Bayern-Feldspieler in der Bundesliga gesammelt und trotzdem vergisst man manchmal ein wenig, dass er auch noch da ist. Er ist bisher eher ein Mitläufer. Was nicht heißen soll, dass er schlecht spielt. 3,5 Balleroberungen durch direkte Zweikämpfe verbucht die Statistik für ihn pro 90 Minuten. Platz 6 in der Bundesliga und dafür, dass Bayerns Gegner nur selten den Ball haben durchaus bemerkenswert. Bayern ist laut Whoscored Ligaschlusslicht bei den Tackles pro Partie (14,5).
Vielleicht wurde Bayern bisher defensiv zu wenig gefordert, um Vidals wahren Wert herauszufinden. Mit den Duellen gegen seinen ex-Club Juventus Turin in der Champions League wird sich das möglicherweise schon ändern. Erst dann wird auch ein besseres Urteil über den Transfer möglich sein – wenn er denn spielt. In der Königsklasse stand Vidal nur in drei der sechs Partien in der Startelf.
Angedeutet hat Vidal, wie wichtig seine Torgefahr für die Münchner werden kann. Vidal ist nach Pascal Groß und Zlatko Junuzovic der zentrale Mittelfeldspieler mit den meisten Torschussbeteiligungen (4,7/90 Minuten) Er ist ist dabei mit 2,4 Torschussvorlagen und 2,3 eigenen Schüssen jeweils unter den Top 5 auf seiner Position. An insgesamt 8 Pflichtspieltreffern war er direkt beteiligt. Darunter zwei Mal am 1:0 (Darmstadt, Piräus).
Es ist eine Qualität, die Bayerns zentralen Spielern sonst etwas abgeht. Thiago und Xabi Alonso kommen zusammen auf einen Treffer in fast 3000 Pflichtspielminuten. Auch wenn Thiago viele Chancen vorbereitet, ist die zusätzliche Gefahr aus der Tiefe, die in den Vorjahren von Bastian Schweinsteiger ausgestrahlt wurde – gerade in engen Spielen ein wichtiger zusätzlicher Faktor. Vidal muss hier in der Rückrunde seine Qualität beweisen.
14 Xabi Alonso
Wichtigste Aufgabe: Timing nicht verlieren.
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Der Spanier hat seine Kritiker (also auch mich) mit einer insgesamt tadellosen und phasenweise glänzenden Hinrunde eines besseren belehrt. Es ist schon bemerkenswert wie stark Alonso sein Spiel trotz seines vergleichsweise hohen Fußballalters im Vergleich zum Vorjahr weiterentwickelt hat. Nach seiner Ankunft wurde der erfahrene Stratege für Ballbesitz und Passrekorde gefeiert. Dass sein Spiel selbst in der noch guten Hinrunde der Saison 2014/2015 phasenweise umständlich war und Bayerns Spiel zu häufig das Tempo nahm, fiel dabei zu wenigen auf. In der Rückrunde des Vorjahrs als Alonso merklich die Luft ausging wurde das sichtbarer.
Alonsos Spiel ist in dieser Saison zielstrebiger und schneller. Er spielt immer noch die meisten Pässe aller Münchner, aber im Schnitt über 10 weniger pro Partie also noch in der Vorsaison. Gleichzeitig ist er in der Bundesliga und vor allem in Champions League (über fünf pro 90 Minuten) an deutlich mehr Torschüssen beteiligt als noch im Vorjahr. Seine präzisen Diagonalbälle auf Douglas Costa waren ein wesentliches Stilmittel des ersten Saisondrittels. Alonso spielt höher als noch in der Vorsaison. Im Schnitt spielt er seine Pässe laut Opta einige Meter jenseits der Mittellinie nachdem er im Vorjahr im Schnitt aus der eigenen Hälfte agierte. Während damals das tiefe Abkippen zwischen die Verteidigungslinie ein dauerhaftes Mittel war, ist es im bisherigen Saisonverlauf eher ein sporadisches, beispielsweise um gegen Pressing-Teams eine Druckperiode abzufedern. Insgesamt hat das seinem Spiel geholfen.
Noch viel wichtiger ist aber, dass sich sein Timing im Gegenpressing wieder etwas verbessert hat. In Phasen der Rückrunde der Vorsaison war dies das größte Problem in seinem Spiel. Die Statistik bestätigt das. Alonso geht im Schnitt etwas seltener ins Tackling, hat dabei seine Erfolgsquote dabei aber merklich erhöht. Alonso muss den ersten Ball im ersten Versuch gewinnen. Ist der Gegner einmal vorbei, entstehen in seinem Rücken Räume, die er im Laufduell nicht schließen kann. Insgesamt sind seine Defensivstatistiken auf dem niedrigsten Niveau seit 2009 und schon in Madrid Jahr für Jahr gesunken. 2009/2010 fing er für Real noch über 3 Bälle pro Partie ab. 2013/2014 waren es nur noch 1,8. Beim FC Bayern liegt die Zahl in beiden Jahren nochmals drunter. Der Umfang seiner Defensivaktionen ist aber nicht entscheidend, sondern die Genauigkeit.
Alonso darf in der Rückrunde sein Timing nicht verlieren. Wie erwähnt könnte ihm gerade in den entscheidenden Spielen der Champions League die Präsenz von Arturo Vidal zusätzlich helfen. Guardiola wird in den wichtigen Spielen bis auf weiteres auf Alonso setzen. Das hat sich der 35-Jährige durch seine Auftritte in der Hinrunde auch verdient. Dass die im Vorjahr auch an Alonso festgemachte Konteranfälligkeit in dieser Saison so gut wie kein Thema war, lag auch an ihm. Dabei muss es bleiben, wenn die Münchner ihre Ziele erreichen wollen.
32 Joshua Kimmich
Wichtigste Aufgabe: Einfach weiterarbeiten.
Der 20-Jährige hat die Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden, bisher voll erfüllt. Guardiola hat Kimmich mit sieben Startelf-Einsätzen viel Vertrauen entgegen gebracht und wurde nicht enttäuscht. Kimmich macht wenig Fehler (über 92% Passquote in allen Wettbewerben), spielt einen feinen Ball und traute sich im Verlauf der Saison auch offensiv immer mehr zu. Er war gegen Ende der Hinrunde an mehr Torschüssen direkt beteiligt und überraschte mit der ein oder anderen klugen Idee am Strafraum.
Gegen den Ball ist er jetzt schon besser als Alonso und deutete an, dass er einmal in der Lage sein wird ein Spiel im Mittelfeldzentrum zu dominieren. Seine Spielanteile werden sich in der Rückrunde so lange größere Verletzungen im zentralen Mittelfeld ausbleiben nicht dramatisch erhöhen. Das ist aber auch nicht schlimm. Seine Zeit wird kommen. Kimmich muss einfach weiterarbeiten, lernen und da sein, wenn er gebraucht wird. Alles andere kommt von alleine.
6 Thiago
Wichtigste Aufgabe: Den Champions League-Modus zur Regel werden lassen
Thiago hat eine verhältnismäßig gesunde Hinrunde hinter sich. Bis zu seiner Bänderverletzung Mitte November sammelte der Spanier über 1000 Einsatzminuten und damit mehr als in der gesamten Vorsaison und fast so viel wie in der gesamten Spielzeit 2013/2014. Bei Thiago wechselten sich herausragende Leistungen mit durchschnittlichen ab. Vor allem in der Champions League drehte der 24-Jährige richtig auf. Während er sich in der Bundesliga häufig darauf konzentrierte Struktur zu geben und Angriffe vorzubereiten, übernahm er in seinen vier Auftritten in der Champions League viel mehr Verantwortung im Offensivspiel.
Die Unterschiede sind bemerkenswert. In der Königsklasse spielte er pro Spiel 109 statt 90 Pässe, schloss doppelt so häufig selbst im Strafraum ab und bereitete fast doppelt so viele Schüsse vor (4/2,2). Beim 5:1 gegen den FC Arsenal spielte er unglaublich. Übrigens nicht nur nach vorne. Bemerkenswerte 13 Balleroberungen verbuchte Thiago im wohl besten Münchner Spiel der Hinrunde.
Thiago terrorisierte das Londoner Mittelfeld mit ungeahnter Giftigkeit und einer für den Gegner frustrierenden Ballsicherheit. Ohnehin werden seine Fähigkeiten gegen den Ball unterschätzt. Pro 90 Minuten erobert Thiago genau so oft den Ball wie Arturo Vidal. Wenn Bayerns Gegenpressing gut funktioniert, hängt das stark mit Thiago zusammen. Unter den zentralen Mittelfeldspielern der Bundesliga verbucht nur Lars Bender pro 90 Minuten mehr erfolgreiche Tacklings als Thiago. In der Champions League liegt er hier ebenfalls in den Top-10.
Insgesamt war Thiago in vier Champions League-Spielen an vier Treffern beteiligt. In 13 Bundesliga-Spielen an drei. Dass zwei davon aus dem Spitzenspiel gegen Dortmund stammen, zeigt, dass Guardiolas Liebling in der Lage ist, unterschiedliche Geschwindigkeiten zu gehen.
Thiago verpasste in den beiden Vorjahren weite Teile der Rückrunde verletzungsbedingt. Im Vorjahr sollte ausgerechnet er das so verletzungsgebeutelte Team kurz nach seiner Rückkehr in den entscheidenen K.O.-Duellen gegen Dortmund und Barcelona tragen. Er spielte ok, aber war körperlich spürbar nicht auf der Höhe. Bayern hat vier oder fünf Spieler, deren Ausfall in den entscheidenden Spielen der Rückrunde trotz des breiten Kaders einen richtigen Qualitätsverlust bedeuten würden. Thiago gehört dazu.
11 Douglas Costa
Wichtigste Aufgabe: Torgefährlicher werden.
Der brasilianische Neuzugang hat eine exzellente erste Halbserie hinter sich. Costa schlug so spektakulär ein, wie vor ihm nur Franck Ribéry und Arjen Robben nach ihren Wechseln nach München. Trotz des anspruchsvollen Spiels in München hatte der 25-Jährige kaum Anpassungsprobleme. Hier und da hatte er im Kombinationsspiel nicht die richtige Lösung parat aber das machte er mit seiner Explosivität, die eins gegen eins nicht zu verteidigen ist, wett.
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Costa prägte das Spiel der Mannschaft von der ersten Saisonminute an. Mit über 3,5 Torschüssen, über 4 erfolgreichen Dribblings und fast drei Torschussvorlagen pro 90 Minuten bewegt er sich statistisch in Bundesliga und Champions League genau auf dem Niveau von Ribéry und Robben in den Jahren zuvor. Vor allem die neun Assists in 19 Pflichtspielen beeindruckten. Costa war auf beiden Flügeln effektiv und hat auch in einer hybriden Rolle als eine Art offensiver Achter überzeugt.
Dass Bayerns Spiel gegen Ende der Hinrunde ein wenig Esprit im Spiel nach vorne fehlte, lag vor allem daran, dass er verletzungsbedingt fehlte. Costa muss in der Rückrunde an seiner eigenen Torgefahr arbeiten. Fünf Pflichtspieltreffer sind etwas wenig, wenn man bedenkt, wie viele Szenen Costa im Strafraum hat und wie oft er auch selbst abschließt. 19 Abschlüsse benötigte Costa in der Bundesliga für einen Treffer. Von 14 Abschlüssen im Strafraum fand nur einer den Weg ins Tor. DC verlässt sich hier häufig zu sehr auf seine gewaltige Schusskraft, anstatt den Ball überlegt in eine Ecke zu schieben. Das ist eine vergleichsweise kleine Korrektur, die schon in dieser Rückrunde möglich sein sollte.
Costa ist ein absoluter Schlüsselspieler in der anstehenden Rückrunde.
19 Mario Götze
Wichtigste Aufgabe: Relevant werden.
Die bisherige Saison bedeutete für Mario Götze einen Schritt nach vorn und zwei zurück. Meint man es gut mit dem hoch veranlagten Offensivspieler, dann waren seine 10 Pflichtspiel-Auftritte eine Verbesserung im Vergleich zu einer ganz schwachen Rückrunde der Vorsaison. Die ganz großen Bäume ausgerissen hat Götze jedoch nicht. Und als er nach guten Auftritten gegen den BVB und Zagreb richtig in Tritt zu kommen schien, stoppte ihn eine langwierige Verletzung. Noch bis in den Februar hinein wird Götze den Münchnern fehlen. Im Wintertrainingslager in Katar sagte er (mal wieder) die falschen Dinge und eröffnete erneut Spekulationen um seine Zukunft. Einen Tag nachdem Matthias Sammer die Mannschaft aufgefordert hatte, Nebengeräusche komplett auszublenden und alles dem Erfolg unterzuordnen. Seine Zukunft in München scheint offener denn je.
Statistisch ist er der schwächste der Münchner Offensivspieler. Er ist insgesamt an den wenigsten Torschüssen beteiligt (3,3 pro 90 Minuten). Dass er in Bundesliga und Champions League trotzdem an 6 Toren beteiligt war, zeigt eine seiner größten Stärken. Götze hat eine beneidenswerte Ruhe im Strafraum und vor dem Tor. Costa und auch Robert Lewandowski könnten sich davon eine Scheibe abschneiden. Götze schießt immer überlegt und hat auch unter Druck stets den Kopf oben, um einen besser postierten Mitspieler zu suchen. In diesen Momenten ist er richtig gut. Ob das reicht, um sich in der Rückrunde in wichtigen Spielen gegen die starke Konkurrenz in der Offensive zu behaupten, bleibt abzuwarten.
Auffällig ist auch, dass Guardiola immer noch keinen richtigen Platz für ihn gefunden hat. In seinen fünf Startelf-Einsätzen begann er auf fünf verschiedenen Positionen. Es bleibt das Gefühl, dass Götzes Fähigkeiten auf der Position von Thiago am besten aufgehoben wären. Einmal ließ ihn Guardiola dort auflaufen, beim 5:0 gegen Zagreb. Er schoss ein Tor und spielte gut. Götze muss relevant für diese Mannschaft werden, wenn er dauerhaft spielen möchte. Gut möglich, dass ihm der Trainerwechsel zum „Players Coach“ Ancelotti im Sommer gut tun wird. Davor steht jedoch eine Rückrunde, die maßgeblich für den weiteren Karriereverlauf von Götze sein könnte.
Zwei alte Herren, ein junger Hüpfer und die beiden Torgaranten auf der dritten Seite.