Die Königstransfers: Episode 2006-2010

Maurice Trenner 28.04.2020

In dieser Serie sollen die besten Transfers einer jeden Saison herausgearbeitet werden, die sogenannten Königstransfers. Dazu blicken wir auf vier Kriterien: Vereinszugehörigkeit, Erfolge, Ablösesumme, It-Faktor. Diese wurden im ersten Artikel der Serie, der die Jahre 2011-2015 behandelte, genauer erläutert.

Außerdem gibt es noch einige wenige Rahmenbedingungen. Leihspieler, wie Coman, die später verpflichtet werden, gehen zu Beginn ihrer Leihe in die Wertung ein. Wintertransfers werden ebenfalls berücksichtigt. Es zählen zudem nur Spieler, die verpflichtet worden sind. Rückkehrer von einer Leihe werden ebenso nicht berücksichtigt wie Jugendspieler.

Der in diesem Artikel behandelte Zeitraum ist besonders interessant, da an der Seitenlinie mit Magath, Hitzfeld, Klinsmann und van Gaal vier sehr unterschiedliche Trainer mit unterschiedlichen Philosophien standen. Damit stellt sich zwangsläufig die Frage: Wie wirkten sich die Konzepte auf die Verpflichtungen unter den jeweiligen Übungsleitern aus?

Saison 2005/06: Valérien Ismaël

8,5 Millionen Euro von Werder Bremen, 2005-2008, 46 Spiele, 2 Tore, 2 Titel, Höchster Marktwert: 9 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Julio dos Santos für 2,7 Millionen Euro von Cerro Porteño, Ali Karimi ablösefrei von Al-Ahli

Im Sommer nach der ersten Magath-Saison sah der FC Bayern keinen großen Grund auf dem Transfermarkt aktiv zu werden. Aus diesem Grund ist die Transferperiode sicherlich die schwächste in der jüngeren Vergangenheit. Es ist das einzige Transferfenster seit 1976 aus dem kein Neuzugang mehr als 50 Spiele für die Roten absolviert. Neben der jungen Wundertüte dos Santos sowie dem Magath-Kuriosum Karimi war dieses Mal Ismaël der einzige nennenswerte Neuzugang. Sein Transfer war zudem außergewöhnlich, kam er doch im Tausch für Frings, den es zurück an die Nordsee zog.

Valerien Ismaël an alter Wirkungstette gegen Tim Borowski, der 2008 nach München wechselt.
(Foto: Friedemann Vogel/Bongarts/Getty Images)

Der Franzose kam als Stammspieler nach zwei erfolgreichen Jahren, in denen er 2004 auch Meister wurde, von der Weser an die Isar. Dort ersetzte der 29-Jährige in der Abwehr die gealterten Linke, Kuffour und Kovač, die alle den Verein verließen. In München spielte er in der ersten Saison in 44 von 48 möglichen Spielen. Zumeist stand er an der Seite von Lucío. Vollkommen überzeugen konnte er allerdings zu selten. Zur nächsten Saison nahm ihm van Buyten den Stammplatz weg, Ismaël brach sich im Oktober 2006 zudem das Schien- und Wadenbein. Er sollte nur noch ein Spiel für die Münchner machen. Hitzfeld fehlte das Vertrauen in den langzeitverletzten 32-Jährigen, der im Winter 2008 nach Hannover wechselte.

Saison 2006/07: Mark van Bommel

Für 6 Millionen Euro vom FC Barcelona, 2006-2011, 187 Spiele, 16 Tore, 20 Vorlagen, 4 Titel, Höchster Marktwert: 15 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Lukas Podolski für 10 Millionen Euro vom 1. FC Köln, Daniel van Buyten für 8 Millionen Euro vom Hamburger SV

Van Bommel ist einer der vielen August-Transfers, die den FC Bayern nachhaltig prägten – wie auch Robben, Martínez und Alonso nach ihm. Der Holländer war eine Verpflichtung, die in den deutschen Medien als Coup gefeiert wurde. Erst im Jahr zuvor hatte der damals 29-Jährige mit dem großen FC Barcelona die Champions League gewonnen und bei der gerade vergangenen WM einen Stammplatz im Mittelfeld der Niederlanden gehabt. Auch wenn van Bommel in Katalonien immer etwas fehl am Platz wirkte und vor der Saison seinen Stammplatz unter Trainer Rijkaard verlor, war er in der damaligen Zeit einer der wenigen Münchner Transfers, der international Wellen schlug.

Der defensive Mittelfeldspieler wurde bei den Bayern direkt unangefochtener Stammspieler. Die für ihn geschaffene Rolle des “Aggressive Leader” (O-Ton Hitzfeld) füllte er mit Bravour aus. Ligaweit wurde er geschätzt – und gefürchtet. Highlights reihten sich an weniger ruhmvolle Momente. Keine Aktion zeigt dies besser als sein spätes Anschlusstor zum 2:3 im Achtelfinale der Champions League 2007 gegen Real Madrid, das den Münchner im Rückspiel das Weiterkommen rettete. Und das van Bommel mit einer obszönen Geste feierte, die in den nächsten Wochen die spanischen Medien in Atem hielt. Dennoch wurde er nach dem Karriereende von Oliver Kahn der erste ausländische Kapitän der Vereinsgeschichte. 

Sein Erbe ist ein interessantes: Er ist das Gesicht der Mannschaft, die den FC Bayern international wieder auf Tuchfühlung bringt. Er spielt eine wichtige Rolle bei der Verpflichtung von Arjen Robben, wie dieser häufiger bekräftigte. Und doch ist er auch der Unvollendete, als er im Januar 2011 quasi durch das Hintertürchen und im Clinch mit Coach van Gaal München in Richtung Mailand verließ.

Saison 2007/08: Franck Ribéry

Für 30 Millionen Euro von Olympique Marseille, 2007-2019, 425 Spiele, 124 Tore, 182 Vorlagen, 16 Titel, 1x Europas Fußballer des Jahres, 1x Deutscher Fußballer des Jahres, Höchster Marktwert: 50 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Miroslav Klose für 15 Millionen Euro von Werder Bremen, Marcell Jansen für 14 Millionen Euro von Borussia Mönchengladbach, Breno für 12 Millionen Euro vom FC São Paolo, Luca Toni für 11 Millionen Euro von AC Florenz, José Sosa für 9 Millionen Euro von Estudiantes, Jan Schlaudraff für 1,2 Millionen Euro von Alemannia Aachen, Zé Roberto für 1 Million Euro von Nacional, Hamit Altintop ablösefrei vom FC Schalke 04

Nach einer enttäuschenden Saison, in der man die Qualifikation zur Champions League verpasste, griff der FC Bayern tief in die Tasche. Top-Transfer Franck Ribéry wurde der teuerste Spieler der Liga-Geschichte und kostete alleine mehr Geld als jede einzelne bisherige Transferperiode der Münchner zusammen. Dennoch hat sich nur selten eine Verpflichtung so bezahlt gemacht wie die des Franzosen.

Vom ersten Tag an hob Ribéry die Münchner auf ein anderes Niveau. Der damals 24-Jährige war ein Flügelstürmer, wie ihn die Bayern lange nicht mehr in ihren Reihen hatten. Mit Spielwitz, Torgefahr und dem Auge für seine Mitspieler spielte er sich in die Herzen der Fans. Aus dem anfänglich unbekümmerten Ribéry wird über die Jahre ein Spieler von Weltformat. Auf seinem Zenit in den Jahren 2011-2014 schoss er in vier Saisons 39 Tore und bereitete 65 Treffer vor. Doch bis in den Spätherbst seiner Karriere blieb er ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft. Leider holten ihn immer wieder Verletzungen ein, die ihn zum Beispiel fast die gesamte Saison 2014/15 kosteten. Die wenigen Zeilen hier werden dem Lebenswerk von Ribéry nicht gerecht, daher sei auf seine größten Momente und seinen Platz in unserer Blog-eigenen Top-15 der Klubgeschichte hingewiesen.

Luca Toni und Miroslav Klose kamen zusammen im Sommer 2007 an die Isar.
(Foto: Francisco Leong/AFP via Getty Images)

Den Platz als Prinz an der Seite von König Ribéry kommt Luca Toni zu. Der Italiener kam mit dem It-Faktor im Jahr zuvor Weltmeister mit Italien und Torschützenkönig der Serie A geworden zu sein nach München. Sein Markenzeichen, der Ohrenschrauber, wurde in kürzester Zeit zum bekanntesten Torjubel Deutschlands. Denn er hatte viele Gelegenheiten ihn zu zeigen: In nur 89 Spielen traf Toni 58-mal. Er war der eiskalte Vollstrecker, der von seinem genialen Gegenstück Ribéry profitierte. Doch das Spiel entwickelte sich weg vom Italiener, der am Ball immer besonders schlacksig wirkte. Als Luis van Gaal den Ballbesitzfußball an der Säbener Straße einführte, hatte er keine Verwendung mehr für den großen Italiener, zumal im darauffolgenden Sommer mit Mario Gomez sein Nachfolger verpflichtet wurde. Was bleibt, ist ein außergewöhnlicher Spieler, der in der Champions League jedoch wie die gesamte damalige Bayern-Elf an seine Grenzen stößt.

Saison 2008/09: Hans-Jörg Butt

Ablösefrei von Benfica Lissabon, 2008-2012, 91 Spiele, 1 Tor, 88 Gegentore, 30 Weiße Westen, 2 Titel, Höchster Marktwert: 2,5 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Tim Borowski ablösefrei von Werder Bremen, Massimo Oddo per Leihe vom AC Mailand, Landon Donovan per Leihe von LA Galaxy

Nach dem Double-Sieg im Vorjahr verstärkte man sich zur Saison 2008/09 nur punktuell. Nach dem Karriereende von Oliver Kahn holte man Bundesliga-Veteran Hans-Jörg Butt als zweiten Mann hinter dem designierten Kahn-Nachfolger Michael Rensing. Doch nach dem 1:5-Debakel gegen Wolfsburg und der 0:4-Schmach in Barcelona wurde Trainer Klinsmann entlassen. Sein Nachfolger Heynckes setzte von Beginn an auf Butt, der in einer kontroversen Entscheidung von Klinsmann bereits gegen Barcelona den Vorzug vor Rensing erhalten hatte.

Der Routinier erlebte in München seinen zweiten Frühling. Bis zur Ankunft von Manuel Neuer war er quasi durchgehend Stammspieler und konnte sich in der letzten van-Gaal-Saison sogar gegen dessen Lieblings-Talent Thomas Kraft durchsetzen. Als Belohnung für seine starke Saison 2009/10 durfte er auf den letzten Drücker sogar zur WM in Südafrika mitfahren. Gegen Juventus Turin gelang ihm 2009 das, was weder Vereins-Ikonen Kahn und Maier noch Neuer vergönnt war: Er schoss ein Tor. Der Ex-Elfmeterschütze des HSV und Leverkusen (insgesamt 29 Tore) trat beim Stand von 0:1 zum Elfmeter an und verwandelte gegen Buffon eiskalt zum 1:1. Endstand in Turin an jenem Abend 4:1 für die Roten. Für die Nerds unter unseren Lesern: Es war nicht sein erster Treffer im Bayern-Dress. In seiner ersten Saison lief er viermal für die Münchner Amateure in der dritten Liga auf. Am 25. Spieltag traf er gegen den VfR Aalen zum 3:0. Die beiden vorherigen Tore erzielte übrigens ein gewisser Thomas Müller.

Saison 2009/10: Arjen Robben

Für 25 Millionen Euro von Real Madrid, 2009-2019, 309 Spiele, 144 Tore, 101 Vorlagen, 14 Titel, 1x Deutscher Fußballer des Jahres, Höchster Marktwert: 40 Millionen Euro

Sonstige Transfers: Mario Gómez für 30 Millionen Euro vom VfB Stuttgart, Anatoliy Tymoshchuk für 11 Millionen Euro von Zenit, Danijel Pranjić für 7,7 Millionen Euro vom SC Heerenveen, Edson Braafheid für 2 Millionen Euro von Twente Enschede, Ivica Olić ablösefrei vom Hamburger SV, Alexander Baumjohann ablösefrei von Borussia Mönchengladbach

Arjen Robben ist nicht nur der Königstransfer dieses Sommers, sondern vielleicht der Königstransfer der letzten 20 Jahre. Kaum ein Spieler steht so für die markanten Eckpunkte auf dem Münchner Weg auf Europas Fußballthron. Matchwinner 2010. Buhmann 2012. Mr. Wembley 2013. Wenig überraschend wurde er auch in unsere blogeigene Top-15 der Klubgeschichte gewählt. 

Der König und der Prinz: Arjen Robben und Mario Gómez feiern das Triple.
(Foto: Joern Pollex/Bongarts/Getty Images)

Die Geschichte von Arjen Robben ist oft erzählt worden, auch bei uns im Blog. Im Spätsommer 2009 kam er von der Ersatzbank bei Real Madrid. Es reichte ein grandioser Fußballabend gegen Wolfsburg, um ganz Deutschland zu zeigen, was für ein feiner Fußballer er war. Mit seinem beispiellosen Arbeitsethos war er stets ein Vorbild für seine Mitspieler – auch wenn er denen manchmal durch seinen Ehrgeiz auf die Nerven ging. Auf dem Platz war er in den wichtigen Momenten stets da. Jeder Bayern-Fan könnte aus dem Stand fünf Tore des Holländers aufzählen. Und doch ist die Geschichte von Robben auch eine von Rückschlägen: Dortmund, Chelsea und seine Verletzungen. Rückschläge, die er jedoch überwindet, besiegt und stärker zurück kommt. Ohne Dortmund 2012 gibt es nicht den Robben, der in 12 späteren Spielen gegen die Schwarz-Gelben sieben Tore schießt. Ohne Chelsea 2012 gibt es nicht den Robben, der das Tor in Wembley schießt. Ohne Verletzungen gibt es nicht den Robben, der im Mai 2019 in seinem letzten Spiel sein letztes Tor schießt und Meister wird.

Für die Rolle des Prinzen hinter Robben gibt es zwei Kandidaten: Mario Gómez und Ivica Olić. Gómez spielte vier Jahre für die Roten, stand in 174 Spielen auf dem Platz und schoss 113 Tore. Olić hingegen hielt es drei Jahre in München, wo er bei 80 Auftritten 23 Treffer erzielte. Der Kroate hatte vor allem in der ersten Saison seine Highlights, als er sieben Tore in der Königsklasse erzielte. Das Wunder von Manchester, wäre ohne seinen Anschlusstreffer zum 1:3 vor der Halbzeit nicht möglich gewesen. Zwei Worte assoziiert man mit dem Stürmer: Fighter und Teamplayer. Bei Gómez denkt man zwangsläufig an seinen Last-Minute-Treffer gegen Real Madrid. Trotz seiner Tore könnte man jedoch den Eindruck gewinnen, dass er nie so richtig seinen Platz in München fand. Wenn ich mir die Kriterien anschaue, hat der deutsche Nationalspieler dennoch die Nase vorne. Vereinszugehörigkeit, Erfolge und It-Faktor sprechen klar für den Schwaben mit spanischen Wurzeln.