Top 15 der Klubgeschichte: Plätze 15 bis 12

Maurice Trenner 28.12.2018
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Einleitung
Plätze 15 bis 12
Plätze 11 bis 8
Plätze 7 & 6
Plätze 5 & 4
Platz 3
Platz 2
Platz 1

Platz 15: Mehmet Scholl

von Maurice Hauß

Ein Dribbelkönig aus den eigenen Reihen war Mehmet Scholl. Ein Teenie-Idol und Fan-Liebling war er natürlich auch. Ein Spieler, dessen Karriere auch immer wieder unter Verletzungen litt, leider auch.

Zeitsprung ins Jahr 2003 zum Derby im Olympiastadion. Die Bayern waren zu dem Zeitpunkt bereits aus der Champions League ausgeschieden, daher wird das Lokalduell kurzerhand zum Europapokal-Ersatz ernannt. Nach einer knappen Stunde stand es torlos Remis, als sich Scholl den Ball zum Freistoß zurecht legte. Freistöße konnte der gebürtige Badener schon immer: Innenseite, über die Mauer und in den Winkel. So auch damals. Was folgte war eine der härtesten Derby-Niederlagen für die Blauen. Scholl lupfte nur kurz später zum 2:0 über Keeper Jentzsch und nach zwei Toren durch Lizarazu und Pizarro erzielte er selbst noch den 5:0-Endstand. Die Champions League ist in dem Moment weit weg. Der FC Bayern ist Derbysieger nach einer Machtdemonstration und einer Ausnahmeleistung von Scholl.

All das ist noch weit weg, als im Sommer 1992 der 22-jährige Scholl aus dem beschaulichen Karlsruhe nach München wechselt. Lange Zeit schon war er der Wunschspieler von Uli Hoeneß gewesen, so ist es den Medien zu vernehmen, hatte er doch für Karlsruhe elf Tore in 58 Liga-Spielen geschossen. Scholl, der junge Wirbelwind auf der Außenbahn, war in aller Munde.

Im sich im Umbruch befindenden Bayern-Team findet Scholl schnell Anschluss. In seiner ersten Saison bestreitet er bereits 33 Spiele. Insgesamt sollen es 334 Spiele werden, in denen er 87 Tore selbst erzielt und 78 weitere seinen Mitspielern auflegt. Als er 2007 seine Karriere beendet, ist er der erste Spieler, der acht Deutsche Meisterschaften gewinnen konnte.

Während Scholl in der ersten Amtszeit von Trapattoni langsam in die Rolle des Spielmachers und Regisseurs wächst, werden ihm vor der Saison 1995/96 die beiden Neuzugänge Herzog und Sforza vor die Nase gesetzt. Bis zum Ende der Saison erarbeitet er sich, jedoch mühsam, wieder den Status der Nummer Eins im Bayern-Mittelfeld.

In der Schlussphase der Saison zeigt Scholl vielleicht seinen besten Fußball. Eine absolute Sternstunde erlebt er auf der größtmöglichen Bühne im Camp Nou vor 115.000 Zuschauern im Rückspiel des UEFA-Pokal-Halbfinals. Nach einem späten 2:2 im Hinspiel fährt Bayern mit einer jungen Mannschaft als Außenseiter nach Katalonien. Doch Scholl überragt im linken Mittelfeld und zeigt, welchen Einfluss er auf ein ganzes Spiel haben kann. Sein Dribbling und Abschluss leiten unter anderem den 1:0-Führungstreffer durch Babbel ein. Bayern siegt 2:1 und zieht ins Finale ein.

In den folgenden Jahren hat Scholl mit Verletzungen und privaten Problemen zu kämpfen. In der zweiten Amtsperiode von Trapattoni kommt er mit dessen Defensiv-Fußball nur schwer zurecht. Die Verpflichtung von Effenberg als Chef im Mittelfeld nimmt Scholl zähneknirschend zur Kenntnis, aber findet sich unter Hitzfeld immer besser mit seiner Rolle als Indianer zurecht.

Unter Magath wird Scholl dann zunehmend zum Edel-Joker im Mittelfeld, das um die Stars Ballack und Zé Roberto aufgebaut ist. Die vielen kürzeren Einsätze verlängerten in Anbetracht seiner Verletztenhistorie seine Karriere jedoch letztendlich.

In Scholls Zeit bei Bayern fallen alle Höhen und Tiefen der jüngeren Geschichte. Die turbulenten 90er-Jahre mit vielen Trainern erlebt Scholl genauso mit wie den UEFA-Cup-Triumph 1996. Im Finale in Barcelona 1999 wird der Europameister eingewechselt, trifft den Pfosten und muss am Ende dennoch mit ansehen wie die Red Devils jubelnd über den Platz stürmen. Zwei Jahre später in Mailand gegen Valencia fasst er sich ein Herz und schießt den Elfmeter in der siebten Minute beim Stand von 0:1. Cañizares hält. Scholl spielt bis in die Verlängerung. Das große Finale in dem sich Oliver Kahn unsterblich macht, verfolgt er von der Bank aus.

Wenn man Scholl nach seinen drei Lieblings-Meisterschaften fragt, fallen ihm sein erster Titel 1994, das Leverkusen-Waterloo von 2000 sowie die Last-Minute-Feier nach indirektem Freistoß von Patrick Andersson 2001 ein.

Der einzige Traum, der Scholl verwehrt bleibt, ist eine Teilnahme an einer Weltmeisterschaft. 1994 und 1998 wird Scholl nicht berücksichtigt. Vor der WM 2002 muss er verletzungsbedingt absagen. Auch bei der Heim-WM ist im Jahr seines Karriereendes kein Platz für Bayerns Edel-Joker im Kader von Jürgen Klinsmann.

Platz 14: Hans-Georg Schwarzenbeck

von Maurice Hauß

Still, heimatverbunden und natürlich Madrid 1974. Wenn man an den Vorstopper Hans-Georg “Katsche” Schwarzenbeck denkt, kommen einem zwangsläufig diese Begriffe in den Kopf.

“Zwei Beine, ohne Interesse an Genialität, vereinfachter Mechanismus, nichts Brasilianisches” so dichtete Wolf Wondratschek einst über Katsche, wie er seit jeher von allen gerufen wurde. Auch Comedian Atze Schröder schlug in eine ähnliche Kerbe, als er sagte: „Früher, da gab es noch einen wie Katsche Schwarzenbeck. 460 Bundesligaspiele, kein Ballkontakt. Der dachte 20 Jahre lang, so ein Bein wächst nach“.

Schwarzenbeck ist Münchner durch und durch. Ab seinem dreizehnten Lebensjahr spielt er bei den Roten an der Säbener Straße. Kurz nach seinem 18. Geburtstag holt ihn Čajkovski aus der Jugendmannschaft zu den Profis. Er trifft auf eine junge Truppe in ihrem zweiten Bundesligajahr. Die anderen heißen Sepp, Gerd und Franz. Von Anfang an ordnet sich Katsche dem Mannschaftsgedanken unter – führen und sprechen sollen doch die anderen.

Besonders mit Franz Beckenbauer verbindet Katsche ein besonderes Band. Während der Kaiser als Libero alle Freiheiten in der Offensive hat und das Spiel der Bayern grazil diktiert, muss ihm der Vorstopper Schwarzenbeck den Rücken frei halten. Auch deshalb hat er sich selbst die Regel auferlegt, nie über die Mittellinie zu gehen. Der Putzer des Kaisers etabliert sich als Spitzname.

Doch dieser Name ist nicht despektierlich gemeint. Er steht für all das, was Katsche eben auch ist: ein unermüdlicher Arbeiter, der sich nie über die ausbleibende Würdigung oder das geringe öffentliche Interesse beschwert; ein rigoroser Verteidiger, bei dessen Anblick den gegnerischen Stürmern die Beine zitterten; ein gewissenhafter Ausputzer, der Zweikämpfe mit der benötigten Härte, aber eben auch der angebrachten Sorgfalt durchführt. Wenn der Kaiser der Star-Chirurg an der Charité war, so war Katsche der Fleischer in der lokalen Metzgerei um die Ecke.

Unser Blog-Historiker Tobias Günther erklärt das Zusammenspiel von Beckenbauer und Schwarzenbeck wie folgt: “Beckenbauer als Inkarnation der Pressingresistenz ließ sich ja liebend gern von Stürmern anlaufen und spitzelte den Ball dann aufreizend lässig im letzten Moment am Gegner vorbei. Diese Bälle landeten nicht selten bei Schwarzenbeck, der deshalb immer hellwach sein musste, wenn Beckenbauer den Ball hatte. Insofern war er mehr als nur der Sicherungsposten für den Kaiser.

Hier wurde er vom Franz öfter mehr oder weniger zu Vorstößen und Aktionen „genötigt“, die er sich von alleine wahrscheinlich gar nicht zugemutet hätte. Beckenbauer wusste zudem genau, wen er wie anspielen kann. Chipbälle in Schulterhöhe mutete er Schwarzenbeck nicht zu. Der Kaiser nahm das Risiko auf sich selbst, ließ sich quasi bereitwillig in die Falle locken, um ihm den Ball dann durch zu stecken. So hatte Schwarzenbeck oft zehn Meter freien Raum vor sich und stand nicht so unter Druck.

Insgesamt kann man das Verhältnis als perfekte Symbiose beschreiben. Schwarzenbeck machte all das, was der Kaiser nur notgedrungen zeigen wollte. Kopfball, hinterherlaufen, Zweikämpfe …, das war Schwarzenbecks Metier. Für die Zeit hat es mehr als nur gereicht.“

Lokal und um die Ecke – so war Schwarzenbeck auch. Während es Beckenbauer in die USA und Breitner nach Madrid zieht, bleibt Katsche den Bayern treu. Warum soll er auch weggehen? Wo soll er überhaupt hingehen? In Interviews berichtet der Verteidiger heute augenzwinkernd von Angeboten aus Berlin und Manchester. Wirklich Gedanken habe er sich aber nie darüber gemacht.

Bis zu seinem Karriereende 1981 hält es Katsche beim FC Bayern. In den knapp fünfzehn Jahren läuft er 416-mal in der Bundesliga auf. Titel sammelt er noch und nöcher. Alleine die Meisterschaft gewinnt er sechs Mal, den Pokal dreifach. Außerdem gewinnt er vier Europapokale, inklusive dem Titel-Hattrick im Landesmeister-Wettbewerb.

Und ausgerechnet in diesem Wettbewerb gibt es ihn dann doch. Diesen einen Moment in dem Katsche aus dem Schatten von Beckenbauer, Müller und Co. hervortritt und ins Rampenlicht rückt. Ohne diesen Moment wäre die Geschichte von Schwarzenbeck nicht vollständig. Jede interessante Biografie braucht diesen einen speziellen Augenblick in der die Hauptfigur kurz aus der eigentlichen Rolle fällt.

Für Katsche ist dies der 15. Mai 1974. Im Heysel-Stadion in Brügge laufen die letzten Sekunden der Partie Bayern München gegen Atlético Madrid. Es ist das erste Finale in der Königsklasse für die Bayern-Mannschaft, die in der Liga zuletzt drei Titel in Folge geholt hatte. Doch ausgerechnet dieses Finale läuft nicht. Der spätere spanische Nationaltrainer Luis Aragones hatte Madrid in der 114. Minute per Freistoß in Führung gebracht und nun läuft den Roten die Zeit weg.

Schwarzenbeck bekommt den Ball an der Mittellinie zugespielt und läuft in Richtung Tor von Atlético. Niemand greift ihn an. Warum auch? Hätte es damals einen ausführlichen Scouting-Report gegeben, wäre darin vermutlich vermerkt gewesen, dass man diesen großen Deutschen aus der Abwehr ruhig an den Ball lassen kann. Lieber den Beckenbauer decken, Hauptsache der Müller bekommt keinen Ball.

Doch Katsche fasst sich einfach ein Herz und schließt aus knapp dreißig Metern ab. Später wird Beckenbauer ihn aufziehen und sagen, dass Schwarzenbeck nur deswegen schoss, weil sonst niemand frei war und er nicht wusste wohin mit dem Ball. Doch so fliegt der Ball nun zwischen den spanischen Verteidiger hindurch in Richtung Tor, wo sich Keeper Reina streckt, aber nicht an das Leder kommt. Das Runde schlägt unten links ein.

In den Aufzeichnungen sieht man Katsche danach kaum jubeln. Im bis dahin vielleicht größten Spiel seiner Karriere macht er quasi mit dem Abpfiff den Ausgleich, beschert Bayern somit ein Wiederholungsspiel und freut sich nicht. Die Gedanken waren schon beim Rückspiel, so sagt er später. Vielleicht aber auch schon bei den Interviews nach dem Spiel, die er nun geben sicher geben muss. „Hätt‘ doch bloß der Gerd das Tor geschossen“, so sagt der Torschütze dort später in die Mikrophone.

Dabei gibt das Rückspiel kein Grund zur Sorge. Bayern gewinnt nur zwei Tage nach der ersten Schlacht deutlich mit 4:0 und wird erstmals Sieger im Europapokal der Landesmeister. Der Beginn einer dreijährigen Regentschaft im europäischen Fußball.

Neben dem FC Bayern, der natürlich sein Ein und Alles ist, läuft Schwarzenbeck auch für die Nationalmannschaft auf. Dort wird er an der Seite seiner Münchner Kollegen Europameister und Weltmeister. Darf insgesamt 44-mal den Adler auf der Brust tragen. Als Schattenmann ist er auch hier wichtiger Stabilisator und ermöglicht dem Kaiser seinen Spielstil zu leben.

1981 im jungen Alter von 32 Jahren muss Schwarzenbeck jedoch seine Karriere beenden. Ein Achillissehnenriss zwingt ihn die komplette Saison 1980/81 auszusetzen. Nach dem Jahr entscheidet er sich für das Ende seiner aktiven Zeit. Passend zu seinem Charakter wird Katsche nicht Trainer oder Manager, sondern übernimmt den Schreibwarenladen seiner Tante. Bis heute beliefert er die Büros des FC Bayern mit Büromaterialien und Zeitschriften. Katsche ist halt doch beim FC Bayern geblieben.

Zum Abschluss klingen einem die Worte von Dichter Wondratschek im Ohr: “Und trotzdem einer, dessen die Menschen, die ihn spielen sahen, gedenken.”


Die Miasanrot-Redaktion, ergänzt durch fünf Experten, hat die 15 besten Bayern-Spieler gewählt. Den Anfang machen heute die Plätze 12 – 15. Wir präsentieren: einen Dribbler aus Karlsruhe, einen kantigen Verteidiger direkt von der Isar, einen Welttorhüter aus dem Pott und einen Sonnenkönig aus Frankreich.

Platz 13: Manuel Neuer

von Tobias Hahn

Weltmeister, Champions-League-Sieger, Deutscher Meister, Pokalsieger, Welttorhüter. Dies sind nur die wichtigsten Auszeichnungen und Pokale, die Manuel Neuer in seiner Karriere bereits sammeln konnte. Alleine diese Auflistung reicht, um seinen Platz in dieser Liste zu rechtfertigen. Ihn nur auf seine Titel zu reduzieren, würde dem in Gelsenkirchen geborenen Torhüter aber nicht gerecht werden.

Der ehemalige Schalker ist vielmehr als nur ein Titelsammler. Nach außen wirkt er ruhig und gelassen. Selten kann man ihn übermäßig emotional nach Niederlagen sehen, Manuel Neuer ist Vollprofi. Doch wer den Torhüter genauer verfolgt, kann erahnen welcher Ehrgeiz in ihm steckt. Selbst als er bereits ganz oben war, versuchte er sich immer weiter in allen Aspekten zu verbessern. Gerade sein Spiel mit dem Ball machte einen weiteren Sprung nachdem er die Champions League und den Weltmeistertitel gewinnen konnte. Ohne verbissenen Ehrgeiz und den Hang zur Perfektion ist dies wahrscheinlich nicht möglich. Nicht umsonst beschreibt sich Neuer selbst als einen „erfolgshungrigen Spieler“.

Doch in seiner langen Karriere beim FC Bayern war es nicht immer einfach für ihn. Als die Gerüchte um einen Wechsel nach München in der Saison 2010-11 kursierten, gab es reichlich Gegenwind für den damaligen Schalker. Nicht nur von den eigenen Fans, sondern auch von vielen Bayern-Fans. Ein eingefleischter Schalker, sein Vorbild war nicht Oliver Kahn, sondern dessen Dauerkonkurrent Jens Lehmann, dazu spielte mit Thomas Kraft ein junger Torwart aus dem eigenen Nachwuchs groß auf. Dies alles führte zur Geburtsstunde der Kampagne „Koan Neuer“. Beim DFB-Pokalhalbfinale 2011 in München bekam Neuer die volle Breitseite ab. „Koan Neuer“-Plakate, Spruchbänder, Pfiffe und Beleidigungen. Teile der Fans zeigten sich an diesem Tag von ihrer schlechtesten Seite. Doch Neuer blieb cool, hatte seinen Anteil am Sieg seines Teams und brachte das ganze Spiel professionell über die Bühne.

Ein typischer Neuer, ruhig, professionell und stets fokussiert auf seine Leistung und die seines Teams. Einzig beim letzten Gastspiel vor seinem Wechsel nach München brannten auch beim damals 25-Jährigen einmal die Sicherungen durch. Nach dem Sieg rannte er, wie Oliver Kahn 2001, zur Eckfahne und jubelte mit jener. 2001 litt er als damaliger Fan noch mit seinen Schalkern, als ihnen die Meisterschale in der letzten Sekunde aus der Hand gerissen wurde.

Entsprechend hatte Neuer zu Beginn seiner Zeit in München nicht den leichtesten Stand. Dies blieb auch über weite Strecken seiner ersten Saison der Fall. Große Spiele aber auch Patzer, die Punkte kosteten, gehörten beim Neuzugang dazu. Die Umstellung plötzlich nur noch zwei oder drei Schüsse aufs Tor zu bekommen, aber diese dann auch immer abwehren zu müssen, viel Neuer schwer. Allerdings verbesserte er sich diesbezüglich in seiner ersten Saison. Denn letztlich waren auch seine starken Leistungen in der Champions League ausschlaggebend für den Finaleinzug und das damit verbundene „Finale dahoam“. Das Spiel gegen Chelsea wird wohl bei jedem Bayern-Fan immer noch präsent sein. Die Ekstase nach Müllers Führungstor, die Ernüchterung nach dem Tor von Drogba und dem verschossenen Elfmeter von Arjen Robben.

Rückblickend wurde sehr viel über den verschossenen Elfmeter von Arjen Robben und das Nicht-Antreten vieler wichtiger Spieler im Elfmeterschießen diskutiert. Die Frage nach den Leadern im Team stellte sich. Allerdings zeigte Manuel Neuer an diesem Abend Führungsqualitäten. Sein Team fand keinen Schützen, so dass Neuer sich den Ball schnappte und verwandelte, ein nach außen eher stiller Leader wie seine Teamkollegen Lahm und Schweinsteiger.

Auch nach dem verlorenen Finale 2012 hinterfragte sich der Torhüter und zeigte im Jahr danach noch konstantere Leistungen. Allein Neuer ist es zu verdanken, dass man 2013 im Finale gegen Dortmund nicht in Rückstand geriet. Seine Paraden ließen Dortmund verzweifeln und halfen den Bayern damals die schwierige Anfangsphase zu überstehen.
In den Jahren danach war Neuer fester Bestandteil einer Mannschaft, die eine Ära bei den Bayern prägte und auch mit der Nationalmannschaft große Erfolge feierte. Mittlerweile ist er sogar Kapitän, und Anführer, der durch Professionalität und Ehrgeiz ein Vorbild sein kann. Zwar wird auch Manuel Neuer mal laut, doch der Reklamierarm nach fast jedem Gegentor ist offensichtlicher als laute Anweisungen.

Neuer besticht durch konstante Leistungen auf Weltklasse-Niveau, nicht umsonst ist er für Gianluigi Buffon einer der besten Keeper. Die italienische Legende fasst den Typ Neuer eigentlich perfekt zusammen: „Er verleiht dem Team mit seiner Ausstrahlung Ruhe, ist stark am Ball und pariert auch die unmöglichen Dinger.“ Ein Spieler, der fester Bestandteil einer der erfolgreichsten Ären in der Geschichte des FC Bayerns war und immer noch ist. Es bleibt zu hoffen, dass sich Manuel Neuer nach seiner schweren Verletzung wieder zurück zu seinem alten Leistungsniveau kämpfen kann. Dies wird ein schwieriger Weg, doch wenn es einem Spieler zuzutrauen ist, dann dem Torhüter aus Gelsenkirchen.

Platz 12: Franck Ribéry

Der entscheidende Moment, der aus dem Bayernspieler Franck Ribéry die Bayern-Legende Franck Ribéry werden ließ, ereignete sich vermutlich am 23. Mai 2010. Am Abend zuvor hatte der FC Bayern in Madrid das Champions-League-Finale gegen Inter Mailand verloren, möglicherweise auch, weil Ribéry gesperrt fehlte. Die Europapokal-Saison war ein Ausflug in lang nicht gesehene Höhen des internationalen Fußballs gewesen, mit Arjen Robben, Ribéry, Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm und dem jungen Thomas Müller hatte man in München eine zukunftsfähige Mannschaft, doch irgendwie fühlte sich das eben in der Entstehung etwas nach Ausflug an und nicht nach dauerhaftem Aufstieg zum internationalen Top-Verein.

Doch es war Franck Ribéry, der diesen Eindruck veränderte. Am Rathausbalkon verkündete er, dass er seinen Vertrag um fünf Jahre verlängert hatte. Der wichtigste Spieler des Vereins, umworben von Chelsea, Real und anderen großen Klubs, entschloss sich, in München zu bleiben – das war ein Zeichen mit Strahlkraft und hatte enormen Einfluss auf die kommenden Jahre. Und es war nicht das erste Mal, dass der Franzose eine Symbolfigur für den Fußball des FC Bayern darstellte.

Im Frühjahr 2007, in der recht dunklen Endphase der Ära Magath, deutete sich ein Periodenwechsel an. Zum ersten Mal würden die Bayern wirklich Geld in die Hand nehmen, um die Mannschaft zu verstärken. Luca Toni kam, Miroslav Klose auch und über allem stand die Verpflichtung eines als schwierig geltenden, aber überaus talentierten Talents aus Boulogne-sur-Mer an der französischen Nordseeküste, das zwischendurch schon mal seine Karriere beendet hatte, um als Bauarbeiter zu arbeiten.

Die Frühgeschichte des Franck Ribéry in München ist recht schnell erzählt, sie handelt von einer der deutlichsten Meisterschaften der Bundesligageschichte unter Ottmar Hitzfeld. Eine Saison, die so gut war, dass ein Sportartikelhersteller irgendwann beschloss, am Münchner Odeonsplatz ein etwa 40 Meter hohes Plakat aufzuhängen, das Ribéry mit wallendem Nerzumhang und Krone zeigte. Unterschrift: „Bayern hat wieder einen König“.

Die Geschichte handelt aber auch vom Abschied von der Generation Kahn und einem schwierigen Umbau unter Jürgen Klinsmann, unter dem auch Ribéry zu leiden hatte und möglicherweise bereits über einen Wechsel nachdachte. Und sie handelt von einem Prozess, in dem Ribéry sich gegen den Vorwurf verteidigen musste, Geschlechtsverkehr mit einer minderjährigen Prostituierten gehabt zu haben.

Inwiefern die verständnisvolle und familiäre Reaktion des FC Bayern (bzw. Uli Hoeneß) auf diese private Eskapade später Einfluss auf seine weitere Karriere nahm, ist schwer zu sagen. Doch unter Louis van Gaal zeigte sich, dass man in München nicht nur familiär beieinanderstand, sondern auch einen Plan hatte und dass der französische Linksaußen darin eine eminent wichtige Rolle spielte.

Er blieb also, er durchlebte eine weitere schwierige Phase mit van Gaals Ende und er lernte in Jupp Heynckes einen Trainer kennen, der ihm genau das gab, was er brauchte: Zuneigung und Freude. Das alles trug dazu bei, dass Ribéry im Jahr 2013 die Champions League gewann und nach Gerd Müller, Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge und Lothar Matthäus der fünfte Spieler des FC Bayern wurde, der eine Einzelauszeichnung erhielt. Ribéry wurde Europas Fußballer des Jahres vor Lionel Messi und Cristiano Ronaldo, er wurde zudem Dritter bei der Wahl zum Weltfußballer.

Die Rolle, die Ribéry in den Jahren nach seinem Karrierehöhepunkt in München einnahm war ein wenig unbedeutender. Unter Pep Guardiola wurde er Teil des Systems, er musste nicht mehr alles alleine machen, wie noch in den Jahren zuvor. Er verletzte sich ein ums andere Mal und ab und an erhob sich auch eine Stimme, die den hitzköpfigen, unerwachsenen Ribéry kritisierte, der sich weiterhin häufig nicht unter Kontrolle hatte und der auch deshalb stets einen kompletten Gegenentwurf zu seinem Partner Arjen Robben darstellte, mit dem er sich anfangs gut, dann eine Zeit lang gar nicht und schließlich herausragend verstand. Ribéry stand und steht für den Spielwitz, das leichte Leben und eine naturgegebene, unprofessionelle Haltung zum Fußballer-Dasein.

Irgendwann, wenn Franck Ribéry den FC Bayern verlassen wird, vermutlich im kommenden Sommer, auch wenn das weiterhin nicht hundertprozentig festzustehen scheint, wird sich ein Fußballer verabschieden, der diesen Verein entscheidend geprägt hat, der eine Zeit lang der König Bayerns war und der eine Symbolfigur darstellte, an die man sich immer erinnern wird. Auch wenn das Plakat am Odeonsplatz längst nicht mehr hängt.