Vorschau: FC Energie Cottbus – FC Bayern München

Justin Trenner 11.08.2019

Und nun zum Sport. So heißt nicht nur ein bekannter Sketch aus der guten, alten RTL Samstag Nacht und ein Podcast der Süddeutschen Zeitung. Das dürfte auch das Motto an der Säbener Straße sein. Niko Kovač und der FC Bayern starten am Montag in ihre zweite gemeinsame Saison und es soll sich einiges ändern, was nicht zuletzt durch die Geschehnisse auf dem Transfermarkt sowie die Umstrukturierung des Trainerteams deutlich wird.

Ein paar mehr Transfers wären für diese Veränderungen sicherlich schon in der Vorbereitung hilfreich gewesen. Doch es ist, wie es ist, und Kovač muss mal wieder mit dem arbeiten, was er hat und Kompromisse eingehen. Optimal ist diese Situation für ihn sicher nicht. Doch die Qualität der 17 vorhandenen Feldspieler und selbst die der möglichen Ergänzungen aus dem Jugendbereich ist ausreichend, um zumindest erfolgreich in die Saison zu starten.

In Cottbus wird der FC Bayern nun sein zweites Pflichtspiel der neuen Saison bestreiten. Im Gegensatz zur Supercup-Niederlage in Dortmund dürften dem Trainerteam hierbei fast alle Spieler wieder zur Verfügung stehen. Die einzigen Ausnahmen sind Lucas Hernández, für den ein Startelf-Einsatz noch zu früh käme, und Javi Martínez, der einen Schlag aufs Knie bekommen hat und deshalb für unbestimmte Zeit ausfällt.

Fahrstuhlmannschaft und Landespokal-Dominator

Selbst mit der vermeintlich besten Startelf sollte der FC Bayern aber die Situation nicht unterschätzen. Gegner Energie Cottbus steht voll im Saft und hat bereits drei Pflichtspiele in dieser Saison absolviert. Letztes Jahr noch aus der 3. Liga abgestiegen, wollen die Lausitzer in diesem Jahr wieder hoch.

Der ehemalige Bundesligist war vor einiger Zeit noch regelmäßig unter den besten 20-25 Mannschaften Deutschlands vertreten. Mittlerweile ist Cottbus aber eine Fahrstuhlmannschaft an der Grenze zum Amateurfußball. 2009 stiegen sie aus dem Oberhaus ab, um fünf Jahre später auch aus der 2. Bundesliga zu verschwinden. Im ersten Drittligajahr erreichten sie nur den 7. Platz, ein Jahr später ging es runter in die Regionalliga, wo sie bis 2018 verweilten.

Das Glücksgefühl, das der Aufstieg in der Saison 2017/18 entfachte, sollte jedoch nicht allzu lange anhalten. Durch ein Unentschieden am letzten Spieltag bei Konkurrent Eintracht Braunschweig stieg Cottbus wegen eines Tores Unterschied erneut ab. Erfolge erlebte Energie zuletzt vor allem im Landespokal. In Brandenburg sind sie die Pokal-Dominatoren: Seit 2015 gewannen sie den Wettbewerb viermal, seit 2017 sogar dreimal in Serie.

Als Duelle mit den Bayern noch normal waren …

Für den Klub ist das schon deshalb wichtig, weil so die regelmäßige Teilnahme am DFB-Pokal gesichert wurde. Dort scheiterten sie zwar zuletzt viermal in der ersten Runde, doch das meist sehr knapp. Gegen Hamburg (2014), Stuttgart (2017) und Freiburg (2018) verloren sie jeweils im Elfmeterschießen. Nur Mainz (2015) konnte Cottbus mit 3:0 relativ deutlich besiegen.

2013 erreichte Energie die zweite Runde mit einem 1:0-Erfolg beim 1. FC Magdeburg. Dort verloren sie gegen Hoffenheim erst in der Verlängerung (0:3). In der Saison 2010/11 erreichte der Klub sogar das Halbfinale. Gegen Freiburg (2:1), Hoffenheim (1:0) und auswärts beim VfL Wolfsburg (3:1) gelangen große Überraschungen. Das Finale verpassten sie dann beim MSV Duisburg nur knapp (1:2). Etwas überspitzt dargestellt könnte man Cottbus also als Pokalmannschaft bezeichnen, die in den K.O.-Runden eine besondere Energie aufbringen kann.

Trotzdem erinnern sich viele Fans in der Lausitz gern an andere Zeiten zurück. Zeiten, in denen Duelle mit dem FC Bayern München nicht so besonders wie in dieser Saison, sondern die Regelmäßigkeit waren. 12 Duelle gab es zwischen diesen beiden Mannschaften – allesamt in der Bundesliga. Das erste davon im Jahr 2000 konnte Cottbus sogar für sich entscheiden (1:0). Selbiges gelang ihnen nur noch im Jahr 2008, als sie den Rekordmeister mit 2:0 besiegten. Die restlichen zehn Spiele gewannen die Münchner.

Defensivprobleme und Spielermangel

Seitdem kam Cottbus außerhalb des Pokals nie wieder so richtig in Fahrt. Kontinuität gab es zuletzt nur auf der Trainerposition. Mit Claus-Dieter Wollitz besetzt den Posten seit 2016 jemand, der schon zwischen 2009 und 2011 für spektakulären Offensiv-Fußball in der Lausitz sorgen konnte. Sein Problem in der ersten Amtszeit: Die Defensive. 49 Gegentore gab es in der Saison 2009/10 und 52 eine Saison später.

In den beiden Regionalliga-Jahren von 2016 bis 2018 schien Wollitz dieses Problem in den Griff zu bekommen (26 und 14 Gegentreffer), doch auf dem deutlich höheren Niveau der 3. Liga hagelte es im vergangenen Jahr wieder 58 Gegentore.

Auch in der bereits laufenden Regionalliga-Saison kassierte Energie bei zehn eigenen Treffern schon neun Tore gegen sich. Zur Verteidigung des Trainers soll nicht unerwähnt bleiben, dass mit Ibrahim Hajtic und Robert Müller zwei wichtige Innenverteidiger ausfallen und Wollitz derzeit nur auf 15 Spieler zurückgreifen kann. Dagegen dürften die Kaderprobleme in München auch relativ gesehen noch purer Luxus sein.

Fehlende Kontinuität und finanzielle Sorgen

Trotzdem schafft es der Trainer nicht wirklich, der Mannschaft die nötige Balance zu vermitteln. Ende April analysierte Wollitz die Situation wie folgt:

Wir haben […] gute Phasen im Spiel. […] Du darfst die Zweikämpfe nicht so einfach verlieren. […] Es wird nach dem Spiel immer gefragt, warum die Mannschaft da unten steht, da sie doch so guten Fußball spielt. Es ist nicht nur Fußball in dieser Liga. Du brauchst andere physische Voraussetzungen. Du musst mit Ball vorausschauend verteidigen, und das machen wir zu wenig.Claus-Dieter Wollitz auf der Pressekonferenz nach der 1:2-Niederlage gegen den VfL Osnabrück am 27. April 2019

Schaut man sich die vergangene Saison und die Anfangsphase der diesjährigen Spielzeit an, kann man dieses Fazit durchaus teilen. „Um Ziele zu erreichen, brauchst du Qualität – und Qualität hat ihren Preis“, wird der Trainer zudem bei rbb zitiert. Der finanzielle Aspekt ist ein entscheidender Punkt dafür, dass Cottbus nicht mehr nach oben kommt. Zu groß ist der Abstand zur Konkurrenz geworden.

Schon 2016 gab es mit der privaten Initiative WIR – jetzt erst recht den Versuch, Mitglieder und Sponsoren anzulocken. Die Kontinuität, die Energie auf der Trainerposition hat, fehlt durch die sportlichen Achterbahnfahrten und die überschaubaren finanziellen Mittel im Kader.

Der nächste „Kaderumbruch“

13 Zugänge gab es allein vor dieser Saison. Ganze fünf davon sind 18- bzw. 19-Jährige Spieler aus der eigenen U19. Die anderen kamen per Leihe, ablösefrei oder für ganz kleines Geld aus der Region. Mehr ist in Cottbus in diesen Tagen nicht drin.

Auf der Seite der Abgänge hat der FC Energie quasi einen ganzen Kader verloren: 22 Spieler haben den Verein verlassen. Auf transfermarkt.de wird der Gesamtmarktwert dieser auf rund 4 Millionen Euro geschätzt. 16 von ihnen wechselten jedoch ablösefrei. Lediglich Leon Schneider (225.000 €) und Avdo Spahic (100.000 €) brachten etwas Geld ein.

Es ist das Schicksal eines Klubs, der im letzten Jahrzehnt durchgereicht wurde. Doch in Cottbus ist man nicht nur Opfer, wie Wollitz dies gern immer wieder verkaufen möchte. Wo Misserfolg ist, gibt es in der Regel auch hausgemachte Gründe.

Jugendarbeit als Mittel?

Will man in Zukunft den Schritt zurück in den etablierten Profifußball schaffen, wird man neben besseren Finanzen auch in allen anderen Bereichen wieder besser arbeiten müssen. Cottbus hat zumindest in Brandenburg noch einen ordentlichen Stellenwert. Zwar gibt es mit Union Berlin, Hertha und RB Leipzig gleich drei Bundesligisten, die ihnen das Leben schwer machen. Doch gerade im Jugend- und Scoutingbereich könnte eine große Chance für den FC Energie liegen.

Nils Petersen ist das bekannteste Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit – aber auch das ist schon wieder einige Jahre her. Über die Ausbildung von guten Talenten und deren Weiterverkauf könnte ein Teil des nötigen Aufschwungs gelingen. Cottbus ist zwar mittlerweile ohnehin auf junge Spieler angewiesen, doch es gibt in der Ausbildung der Talente Luft nach oben. Der Klub schafft es nicht, sich als Sprungbrett für höhere Ligen so zu etablieren, dass man davon profitiert.

Und auch der Trainer selbst sollte sich womöglich stärker hinterfragen, warum er die Balance aus Offensive und Defensive immer noch nicht gefunden hat. Der ständige Umbruch sowie die fehlende individuelle Qualität machen es ihm zwar schwer, aber selbst unter diesen Prämissen ist es seine Aufgabe, das Maximum aus seiner Mannschaft herauszuholen. Das gelang ihm zuletzt nicht immer.

Das Nazi-Image

Genauso wie es ihm und dem Klub nicht immer gelang, sich klar gegen Rassismus zu positionieren. Erst 2018 setzte Wollitz genervt zur Medienschelte an, um seinen Arbeitgeber und dessen Fans in Schutz zu nehmen. Mit Worten wie „Unruhe“ und „Fanausschreitungen“ spielte er die Vorfälle damals runter.

Was war passiert? In Babelsberg kam es im April 2017 nicht etwa nur zu Ausschreitungen oder Unruhen, sondern zu einem Skandal: Nazi-Parolen sowie der Hitlergruß gingen im Fanblock von Cottbus nicht etwa nur von einer Minderheit aus, nein, eine große Zahl der mitgereisten Cottbusser ließen sich dazu hinreißen.

Nicht nur Wollitz, sondern der ganze Klub war zunächst eher darum bemüht, das Geschehen unter den Tisch zu kehren, als sich durch klare Aussagen zu positionieren. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass sich viele Energie-Fans deutlich aktiver gegen Nazis organisieren als es ihr Verein getan hat. Eine Seite auf Facebook mit mittlerweile rund 1.500 Abonnenten lebt das vor, was der Klub lange Zeit verpasst hat. Wie so oft gilt es also, Pauschalisierungen gegenüber Energie Cottbus zu vermeiden. Doch der Klub selbst hat nicht genug getan, um dem Nazi-Image etwas entgegenzusetzen.

Ein Moment der Besonderheit

Für den FC Energie Cottbus gibt es in den nächsten Jahren noch viel Arbeit, will man irgendwann an die erfolgreiche Vergangenheit anknüpfen. Das betrifft das Geschehen auf dem Platz sowie fast alle Prozesse daneben. Denn Cottbus steht mal wieder fast bei Null. Und auch die Aufgabe für Wollitz und sein sich erneut im Neuaufbau befindliches Team ist eher schwerer als einfacher geworden.

Aber immerhin bietet sich dem amtierenden Landespokalsieger am Montagabend für vielleicht zum letzten Mal in dieser Saison noch einmal die große Bühne und die Chance, sich selbst möglichst deutlich zu präsentieren. Und man soll ja die Feste feiern, wie sie fallen: Jetzt steht erstmal ein großes Highlight für die Region, die Fans und den ganzen Klub an. Die Bearbeitung der untergründigeren Probleme folgt danach.

Cottbus kann K.O.-Spiele. Und auch wenn Wollitz darum bemüht ist, nicht zu träumerisch zu werden, so wird er in seinem tiefsten Inneren wissen, dass es eine ganz kleine Mini-Chance gibt. Für den FC Bayern wird es wiederum darauf ankommen, sich nicht auf das sportliche Niveau der Heimmannschaft herunterziehen zu lassen.

Schon die knappen Siege gegen Drochtersen/Assel (1:0) und Rödinghausen (2:1) im vergangenen Jahr dürften als Warnung reichen. Trainer Wollitz hat das Talent, seine Spieler emotional perfekt auf einen besonderen Moment hin vorzubereiten. Dementsprechend darf erwartet werden, dass Cottbus sich vor rund 20.000 Zuschauern die Seele aus dem Leib rennen und spielen wird. Es ist die Aufgabe des Rekordmeisters, dem in aller Souveränität so schnell wie möglich ein Ende zu bereiten. Ein Selbstläufer wird das aber nicht.

Vorschau-Tippspiel

Das Thesen-Duell wird aus Gründen des Aufwands in dieser Saison wieder abgeschafft. Stattdessen wird es nun das Vorschau-Tippspiel für die Bundesliga geben. Ihr könnt euch dafür in unserer Kicktipp-Gruppe anmelden. Der oder die SpieltagssiegerInnen werden jeweils hier genannt.

Ich werde darüber hinaus in aller Kürze meine Vermutungen für den Spielverlauf kundtun und meine Tipps für alle Spiele vorm Spieltag teilen. Der oder die GewinnerIn der Kicktipp-Runde bekommt von mir ein signiertes Exemplar Generation Lahmsteiger.

Hier geht es zur Kicktipp-Runde!

Beispiel für die erste Pokalrunde:

Der FC Bayern wird sich in der Anfangsphase schwer tun. Nur ein frühes Tor könnte dafür sorgen, dass es richtig schlimm für Energie Cottbus wird. Stattdessen rechne ich mit einem fitten Gegner, der seinen Vorteil durch bisher schon drei Pflichtspiele einzubringen weiß. Bayern erzielt drei Tore. Das erste irgendwann um die Halbzeitpause herum und die anderen beiden relativ spät. Für Energie ein toller Fußballabend, für die Münchner die gelöste Pflichtaufgabe ohne ganz großen Glanz. Aber der ist in solchen Spielen sowieso kaum möglich. 0:3!



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