Vorschau: FC Bayern München – 1. FC Köln

Justin Trenner 25.02.2021

Champions-League-Modus. So in etwa könnte man die Leistung des FC Bayern in Rom zusammenfassen. Von Beginn an waren die Münchner voll da, gingen jeden Sprint und absolvierten jeden Meter mit 100 %. Anders als in den Anfangsphasen gegen Bielefeld und Frankfurt ließen sie keinen Zweifel daran, wer diesen Platz als Sieger verlassen würde.

Hinzu kam die nötige Effizienz, um die Dominanz schnell mit den entsprechenden Toren zu festigen. Viele Bayern-Fans stellten sich anschließend die Frage: Warum nicht in der Bundesliga?

Dieser Frage wird nun auch Hansi Flick nachgehen. Allerdings dürfte das keine einfache Aufgabe sein. Das „Problem“ liegt womöglich in der Psychologie verborgen – und vielleicht gibt es nicht mal eine richtige Lösung dafür. Im Leistungssport wie auch in vielen anderen Bereichen des Lebens brauchen Menschen Ziele, um Bestleistungen zu erbringen – authentische und erreichbare Ziele.

FC Bayern: Auf der Suche nach Konstanz

Nun hat der FC Bayern im vergangenen Jahr alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Eine Situation, die selbst bei jenen Spielern, die gern als „Mentalitätsmonster“ bezeichnet werden, zu einer Art Alltagstrott führen kann. Es dürfte kein Zufall sein, dass selbst herausragenden Mannschaften wie Ajax (1972), Barcelona (2009) und den Bayern (2013) keine Triple-Verteidigung gelang. Selbst wenn sie alle gewissermaßen weiterhin erfolgreich waren, so gab es in den Folgejahren mehr oder weniger Momente, in denen sie plötzlich Schwächen offenbarten.

Dabei waren gerade die Bayern im Jahr 2014 zumindest nah dran, dem Problem der Sattheit eine Lösung gegenüberzustellen. Es war eine Ausnahmesituation. Direkt nach einem Triple braucht es neue Impulse. Die können durch einen Umbruch im Kader oder eben durch einen neuen Trainer gesetzt werden. In München griffen damals viele neue Rädchen gut ineinander – bis dann Real Madrid aus vielerlei Gründen zu stark war. Womöglich wäre die Saison mit Jupp Heynckes aber schlechter ausgegangen.

Es braucht bereits eine kaum in Worte zu fassende Konstanz, um ein Triple zu gewinnen. Von Spiel zu Spiel, von Woche zu Woche, von Monat zu Monat muss das Team mental an der obersten Grenze agieren, um nicht in vermeintlich einfachen Spielen ins Stolpern zu geraten. Ist das große Ziel dann erreicht, kommt es zu einem plötzlichen Druck- und Spannungsabfall und es braucht neue Ziele, die das Team wieder packen sowie motivieren. Doch welche Ziele will man sich setzen, wenn bereits alles gewonnen ist?

Thomas Müller beschrieb in einem Interview mit dem Kicker anhand der Meisterschale, wie das beim FC Bayern in etwa abläuft: „Denn kaum ist [die Meisterschale] gewonnen, geht es schon wieder darum, wer [sie] im kommenden Jahr gewinnt.“ Neuer Fokus und das neue Ziel: Wieder alles gewinnen. Aber so einfach scheint es nicht zu sein, wenn in der Champions League Real Madrid bisher das einzige Team ist, das den Titel verteidigen konnte. Irgendwann erwischt selbst die größten Mannschaften eine Phase, in der die Sattheit mindestens kurz und mindestens unterbewusst siegt. In der dann Kleinigkeiten nicht mehr wie selbstverständlich funktionieren.

Kampf gegen die Sattheit

Die Niederlage gegen Kiel im Pokal, die schläfrigen Anfangsphasen gegen Bielefeld und Frankfurt sowie einige weitere Auftritte deuten darauf hin, dass sich hier und da zumindest ein bisschen Sattheit eingeschlichen hat. Es wäre nur verständlich.

Beim FC Bayern bewegen sich die vielleicht auch dadurch entstehenden Leistungsschwankungen aber immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Von offensichtlicher Auswirkung kann jedenfalls nicht die Rede sein. Die Bayern laufen nach wie vor viel, sie geben spürbar viel für den Erfolg und wirken immer noch hungrig auf Erfolg. Aber auch mit der exakt gleichen Gier wie noch im letzten Sommer, als sie gefühlt jeden Gegner ohne Probleme überrannten?

Aktuell scheint es so, als bräuchte es die Champions-League-Hymne, um in diesen Modus zu kommen. Im Bundesliga-Alltag kommen die Bayern meist erst nach schwierigen Anfangsphasen in die Partie und kämpfen nicht nur gegen engagiert aufspielende Mannschaften, sondern auch gegen ihren inneren Schweinehund.

Eine längere Pause und der damit verbundene Abstand zum Fußball hätten im Sommer 2020 sicher dabei geholfen, sich auch auf die nationalen Wettbewerbe neu zu fokussieren. So aber sind die Bayern vom größten Erfolg seit 2013 in eine neue Saison gerutscht, die kaum Raum dafür lässt, die Stellschrauben neu zu drehen. Umso beachtlicher ist es, wie es bisher läuft. Denn bei aller Kritik: In Europa gibt es weitaus mehr Top-Teams, die größere Probleme haben als der FC Bayern und mit Manchester City vielleicht nur eines, das aktuell beeindruckendere Leistungen erbringt. Das relativiert nicht das eine oder andere Problem, das die Münchner im Moment haben. Aber es unterstreicht immer wieder, auf welchem Niveau diese angesiedelt sind.

1. FC Köln: Viel Chaos, wenig Substanz

Gegen Köln ist es für Flick daher die größte Herausforderung, das Team wieder für jenen Alltag zu motivieren, der aktuell so schwer fällt. Die Tabellensituation dürfte dabei helfen: Durch den Sieg gegen Hertha BSC ist Leipzig auf zwei Punkte an die Bayern herangekommen. Der Druck ist für die Münchner also durchaus da. Gewinnen sie nicht gegen Köln, kann Leipzig noch am selben Abend gegen schwächelnde Gladbacher nachlegen und den Meisterschaftskampf so richtig anheizen.

Köln scheint mit 21 Punkten auf dem 14. Tabellenplatz erstmal keine große Bedrohung für den FC Bayern darzustellen. Gerade in der Offensive hat die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol große Probleme. 9,2 Abschlüsse pro Spiel (Platz 16), 21,5 Expected Goals (Platz 14, StatsBomb) und 20 Tore (Platz 16) zeigen: Köln ist in der Offensive eigentlich nur knapp oder gar nicht Bundesliga-tauglich. Aus dem Spiel heraus geht für den FC so gut wie nichts – noch weniger, wenn Gegner hinten dicht machen.

Trainer Gisdol begründet dies gern mit der fehlenden Qualität der Sturmspitzen. Ein Fingerzeig auf die Kaderplanung, die in den letzten Jahren recht willkürlich erschien. In Köln vermissen Fans einen klaren sportlichen Plan, eine erkennbare fußballerische Identität und Spieler, die zumindest vom Profil her dazu passen. Stattdessen wurden eher Namen als zum Team passende Spielertypen verpflichtet.

Kritik wird abgeblockt

Aus der Position des FC heraus kluge Transferentscheidungen zu treffen, mag angesichts vieler Faktoren kompliziert sein – darunter sicher auch die Corona-Krise. Allerdings ist der Umgang mit berechtigten Nachfragen hinsichtlich der sportlichen Situationen nicht gerade vorbildlich. Horst Heldt bügelt Kritik oft damit ab, dass die Situation eben zu akzeptieren sei, er schon wisse, was er tue und er generell mehr Ahnung habe als alle Kritiker:innen zusammen.

Ein für viele FC-Fans frustrierender Umgang, weil Heldt damit nicht gerade den Eindruck verstärkt, dass er wirklich weiß, was er tut. Konfrontation statt glaubhafte Erklärungen. Auch Gisdol wirkt in den allermeisten Fällen eher ratlos und resigniert als optimistisch oder voller Ideen. Die Neuzugänge funktionieren nicht und die Verantwortung dafür wird – teils öffentlich – hin- und hergeschoben.

Und doch scheint das große Ziel in Reichweite zu sein. Aktuell sind es drei Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz und gerade in der Defensive konnte Gisdol einige Fortschritte erzielen. In der Hinrunde hat er auf eine Grundordnung mit Dreier- beziehungsweise Fünferkette umgestellt. Köln hat weniger Gegentreffer kassiert als die Konkurrenz hinter ihnen in der Tabelle (36). Im Schnitt müssen sie nur 12,7 Abschlüsse des Gegners pro Spiel hinnehmen (Platz 10), 36,1 Expected Goals against sind immerhin Platz 15 in der Bundesliga (StatsBomb).

Ist Gisdol der richtige Trainer?

Defensiv ist man also durchaus Bundesliga-tauglich. Die große Frage wird es sein, wie man im Spiel nach vorn effizienter und besser wird, um die nötigen Punkte für den Klassenerhalt zu holen. Seit er beim 1. FC Köln den Trainerstuhl übernommen hat, konnte Gisdol keine nennenswerten Verbesserungen erzielen. Das Argument der Kaderplanung zieht hier auch nur bedingt. Zwar legt ihm die Zusammenstellung der Mannschaft durchaus Steine in den Weg, aber seine Arbeit trägt andererseits einfach keine Handschrift. Anders als bei anderen Stationen, wo zumindest zu erkennen war, wo Gisdol hinmöchte, ist hier kaum zu entschlüsseln, was eigentlich die Idee hinter den letzten Monaten war und ist.

Wenn es am Wochenende gegen den FC Bayern geht, wird das sicher nicht so stark ins Gewicht fallen wie sonst, aber in Köln muss trotzdem die Frage erlaubt sein, ob und, wenn ja, warum Gisdol der richtige Mann ist. Mut machen dürfte den Kölnern immerhin, dass sie in dieser Saison schon Dortmund (2:1) und Gladbach (2:1) jeweils auswärts schlagen konnten. Auch das 2:2 daheim gegen Wolfsburg sowie das 0:0 in Leipzig zeigen, dass die Kölner sich ganz wohl fühlen, wenn sie selbst nicht allzu oft den Ball haben müssen.

Auf der anderen Seite ist in Köln niemandem entgangen, dass sich die Bayern in dieser Saison gern mal schwer tun mit Mannschaften aus dem Tabellenkeller. Allein im Jahr 2021 gab es einige schwache erste Halbzeiten gegen Abstiegskandidaten: 0:2 zur Pause gegen Mainz (am Ende noch 5:2), 0:2 zur Pause gegen Bielefeld (am Ende 3:3), ein knappes 1:0 gegen Hertha BSC – die Bayern sind nicht unantastbar.

All diese Teams einte eine kompakte Defensivarbeit. Bielefeld und Mainz wussten zudem mit überdurchschnittlich guter Effizienz vor dem Tor zu überzeugen. Dass Köln einen solchen Plan umsetzen kann, zeigten die letzten beiden Aufeinandertreffen mit den Münchnern. Im Februar 2020 verloren sie zwar mit 1:4, hatten aufgrund einer guten zweiten Halbzeit aber ausgeglichene Expected-Goals-Werte: 2,5 zu 2,6. Das Hinspiel dieser Saison ging 1:2 für die Bayern aus, hatte aber ebenfalls ausgeglichene Expected-Goals-Werte: 1,0 zu 1,0.

Was erwartet die Bayern?

Die Bayern dürfen sich gerade in der Anfangsphase auf eine sehr aggressive Kölner Mannschaft einstellen, die das Mittelfeldzentrum kompakt halten möchte. Im Mittelfeld variierte Gisdol zuletzt die Staffelung je nach Gegner. Gegen die Bayern könnte er auf eine flache Vier vor der Fünferkette setzen, um die Zwischenlinienräume möglichst eng zu halten. Andererseits wäre es aus dieser Grundordnung heraus schwieriger, mit drei oder vier Spielern schnell hinter die hochstehende Abwehr der Bayern zu kommen.

Vielleicht lässt sich Gisdol deshalb auch ein Stück weit von den Frankfurtern inspirieren. Zwar ist kaum damit zu rechnen, dass Köln das so umsetzt wie die Eintracht in der ersten Halbzeit, aber mit zwei leicht vorgeschobenen Halbraumspielern wäre es womöglich einfacher für den FC, gegen den Ball den Sechserraum der Bayern zu attackieren, das Mittelfeld trotzdem kompakt zu halten und bei Ballgewinnen direkt Tiefe zu erzeugen.

Auch eine Doppelspitze in einem 3-1-4-2 oder 3-5-2 wäre denkbar, wenngleich Gisdol hier eine hohe Verantwortung auf die Flügelverteidiger legen und möglicherweise Räume für Seitenverlagerungen der Bayern öffnen würde. Dass die Bayern ein Dreier-Mittelfeld leicht auseinander spielen können, zeigten sie gegen Lazio.

Viele lange Bälle, noch mehr Hoffnung auf Glück

Der Matchplan der Kölner dürfte sich stark an jenem der Bielefelder orientieren: Zwei kompakt verteidigende Ketten, die bei Gelegenheit auch mal mutig rausschieben, um Bayerns Spielaufbau zumindest im Mittelfeld zu stören und sich selbst ein bisschen zu entlasten. Denn lassen sich die Kölner so hinten reindrücken wie Lazio am Dienstagabend, dürften sie es schwer haben, zu nennenswerten Chancen zu kommen.

Wenn sie mal Raum zum Kontern haben, sind sie auch durchaus in der Lage, diese Szenen auszuspielen. Ein immer wieder auftretendes Muster ist dabei die Seitenverlagerung mit anschließender Flanke. Geht es doch mal durch die Mitte, werden sie wohl schnell den Abschluss suchen. Köln kombiniert nicht viel, spielt mit die wenigsten kurzen Pässe (332) und mit die meisten langen Pässe (69) pro Spiel in der Bundesliga. Schon gegen Schalke und Bielefeld gab es die eine oder andere Situation, in denen sich die Bayern von schnellen (halb-)langen Schlägen überraschen ließen, weil sie nicht schnell genug Druck auf den Ball bekamen. Gegen Köln können sie sich demnach auf viele Diagonalbälle einstellen, die insbesondere den jeweils ballfernen Außenverteidiger fordern werden.

Die Qualitäten der Kölner sind in der Theorie sicher nichts, was den FC Bayern ins Schwitzen bringen dürfte. Es ist mal wieder eine Pflichtaufgabe des Alltags für den amtierenden Meister. Eine, die vor dem Knüller gegen Borussia Dortmund in der Woche darauf von hoher Bedeutung ist. Vor allem aber eine, die erneut eine mentale Topleistung erfordert. Die Bayern müssen sich nach der Kür gegen Lazio wieder mal für den Alltag motivieren. Und so sind sie gegen Köln abermals selbst ihr größter Stolperstein.

Empfehlung zum Gegner: effzeh.com