Vorschau: FC Bayern München – Hertha BSC

Justin Trenner 21.02.2019

Beinahe überschwänglich und ausgelassen feierten die Bayern das zweifelsohne gute Ergebnis gegen den Liverpool FC, das sie sich an der Anfield Road erarbeiteten. Ging man nach der Mimik und Gestik der verschiedenen Akteure, war die Mannschaft von Niko Kovač der gefühlte Sieger. Während die Engländer mit sich und der Chancenverwertung haderten, gab das torlose Unentschieden den Gästen ein richtig gutes Gefühl.

Zurecht. Doch gewonnen ist noch lange nichts. Bei aller Freude ist das 0:0 allenfalls eine ordentliche Ausgangsposition für das Rückspiel. Auch das zweite 0:0 der Woche, das die Bayern erfreute, hat im Prinzip noch nicht viel zu bedeuten: Natürlich ist es ein wichtiges Zeichen dafür, dass dem Konkurrenten aus Dortmund eine ähnliche Phase droht, wie sie der FCB in der Hinrunde hatte. Aber der Abstand beträgt weiterhin 3 Punkte und einige Tore.

Wirklich was wert ist dieses Unentschieden der Borussia erst, wenn die Pflichtaufgabe am Samstag gegen Hertha erfüllt wird. Wenn diese Saison nämlich eines gezeigt hat, dann ist es die Tatsache, dass auch die Bayern nicht unbedingt mit Stabilität zu glänzen wussten. Elf Siege, zwei Unentschieden, eine Niederlage – die Bilanz der letzten 14 Pflichtspiele liest sich immerhin anders. Doch wer sich an die Spiele in Augsburg, Berlin oder gegen Leipzig erinnert, der weiß, dass es auch anders hätte laufen können. Die Münchner sind anfällig für Patzer.

Mentalität und Psyche

Umso bedeutender ist es für die Bayern, sich mit dieser Phase nicht zufrieden zu geben. In Liverpool konnten sie seit längerer Zeit mal wieder die Erwartungen übertrumpfen. Das lag nicht zuletzt daran, dass diese vielerorts nicht allzu hoch waren. Es lag aber auch daran, dass die Begegnung mindestens auf Augenhöhe, eher sogar aus der Außenseiter-Rolle heraus angegangen werden konnte.

Kovač fühlte sich erstmals so richtig wohl auf der Trainerbank, konnte er doch endlich all das umsetzen, was ihn bei Eintracht Frankfurt so stark machte. Er ist ein Trainer, der Mannschaften darauf einstellen kann, den Kampf anzunehmen und die spielstärkere Mannschaft auf das eigene Niveau zu ziehen. Es ist sicherlich eine Überspitzung, wenn die Leistung vom Dienstag auf die Einstellung und den Kampf beschränkt wird.

Aber das war nun mal die Basis des Erfolgs. Die Grundlage dafür, dass die Bayern oft in letzter Sekunde einen Rückschlag vereiteln konnten. Vor allem dann, als die Kraft zunehmend verschwand. Es war ein Spiel, das der FC Bayern in den letzten Jahren vor allem aus Liverpools Perspektive erlebte. Der Favorit in den roten Trikots, der gegen Ende nochmal die Schlagzahl erhöhen konnte, biss sich die Zähne am mintgrünen Underdog aus, der an diesem Abend das scheinbar Unmögliche ermöglichte. Wieder eine Überspitzung. Aber eine, die den Rahmen der aktuellen Situation ganz gut steckt.

Underdogisierung des FCB

In dieser Partie mussten die Bayern nicht den tiefstehenden Gegner auseinander spielen oder sonderlich kreative Lösungen nach vorn finden. Sie mussten also genau das nicht tun, was Kovač ihnen bisher nicht vermittelt hat oder vermitteln konnte. Die Defensivarbeit sowie der Spielaufbau standen im Fokus. Hinten wurde mit Ball etwas gezockt, um Liverpool herauszulocken und dann kam ein mittellanger oder langer Ball. Umgangssprachlich kann man auch sagen: „Bruder, schlag den Ball lang!“ Anschließend erfolgten der Kampf um die zweiten und dritten Bälle oder eine mindestens ordentliche Ausgangsposition für einen Angriff. Wirklich viele Großchancen gab es damit nicht, aber mit noch mehr Glück hätte ein Auswärtstor dabei rausspringen können.

Es erinnerte alles ein wenig an Frankfurts Leistung im Pokalfinale der letzten Saison. Letztendlich gehen solche Spiele aus zehn Versuchen mindestens fünf- bis sechsmal verloren. Aber Kovač hat die Chance auf ein positives Ergebnis mit dieser Spielweise sogar noch maximiert, weshalb ein Vorwurf in der aktuellen Situation sinnlos wäre.

Die Krux an der Sache ist nur, dass er mitverantwortlich dafür ist, dass eine andere Spielweise nicht so erfolgversprechend gewesen wäre. Er ist Teil (nicht Hauptschuldiger) der Underdogisierung des FC Bayern. Weil er kein Konzept entwickeln kann, das attraktiven Offensivfußball mit defensiver Absicherung kombiniert. Und so resultiert das Lob für die Partie in Liverpool vornehmlich aus allem, was in der Bundesliga zurecht kritisiert wird. Das Lob wird dadurch aber sicher nicht wertlos. Zwar ist Kovač taktisch nach vorn limitiert, aber er hat erstmals Anpassungsfähigkeit gezeigt und im Rahmen seiner Möglichkeiten eine kluge Entscheidung getroffen.

Zurück in den Alltag gegen Hertha BSC

Nun ist der Alltag aber wieder zurück. Mit Hertha kommt eine Mannschaft nach München, die in dieser Saison sechs Punkte gegen Gladbach, drei Punkte gegen Bayern und immerhin einen Punkt in Dortmund holen konnte. Eine Mannschaft, die einerseits gut darin ist, das Zentrum zu verschließen und Beton anzurühren. Aber auch eine, die bei Ballgewinnen schnell und attraktiv umschalten kann. Oder anders: Eine Mannschaft, mit der Niko Kovač Probleme hat. Weil seine Qualität nicht darin liegt, den Spielern Lösungen an die Hand zu geben, um eine kompakte und gut pressende Mannschaft zu bespielen. Anders als in Liverpool wäre ein torloses 0:0 und ein uninspirierter Auftritt nach vorn gegen Hertha nämlich eine Enttäuschung.

Auch beim Pokalspiel in Berlin kamen die Bayern nicht über ein 2:2 nach 90 Minuten hinaus. Wenn man so will, ist Hertha in beiden Pflichtspielen gegen den amtierenden Meister mit vier Punkten vom Platz gegangen. Sicherlich deshalb, weil der Rekordmeister seine Chancen nicht nutzte. Aber auch deshalb, weil Hertha die Anzahl dieser Chancen auf einem überschaubaren Level hielt. Wie ein Underdog eben, der das Glück aber auch die Qualität hat, an einem Spieltag den Favoriten zu ärgern, wenn der es zulässt.

Quasi wie der FC Bayern in Liverpool. Es ist schon bemerkenswert, dass Niko Kovač der vermeintlich schwerste Wettbewerb einfacher von der Hand zu gehen scheint als das Kerngeschäft. Denn obwohl er noch nichts erreicht hat, muss man ihm zugestehen, dass er das Potential hat, dem Wortspiel K.O.-vač gerecht zu werden. Wenn es dann trotz aller Defizite am Ende für den ganz großen Wurf reicht und die erhebliche Distanz zur nationalen Konkurrenz ein weiteres Mal für den Bundesliga-Titel sorgt, obwohl man selbst mehrfach strauchelte, wird sich der FC Bayern die Hände reiben.

Nur braucht es dazu noch viele solcher Spiele im Europapokal, wo der Underdog die Mischung aus viel Glück und viel Engagement ein gutes Ergebnis mitnimmt. Es braucht eine Serie an Spielen, die die Wahrscheinlichkeitsrechnung außer Kraft setzen. Aber auch in der Bundesliga ist der Weg noch weit für einen FC Bayern, der bis jetzt von Woche zu Woche gut reagieren, dafür aber kaum agieren kann. Und die Frage darf erlaubt sein, ob das die Erkenntnis ist, die der Klub aus den letzten zehn Jahren gewonnen hat und ob das den eigenen Ansprüchen gerecht wird.

Das Thesen-Duell

Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Fatbardh

Ergebnis des letzten Spieltags: Justin 1,8 : 3 Fatbardh

Zwischenstand insgesamt: Justin 87,0 : 76,6 Fatbardh

Justins Tipps

  1. Torschütze: Robert Lewandowski
  2. Freie These: Hertha trifft.
  3. Über/Unter tba: tba!
  4. Aufstellung: Neuer – Rafinha, Süle, Boateng, Alaba – Thiago, Sanches – Müller – Gnabry, Lewandowski, Ribéry

Fatbardhs Tipps

  1. Torschütze: Serge Gnabry
  2. Freie These: Bayern spielt nicht zu Null
  3. Über/Unter tba: tba!
  4. Aufstellung: Neuer, Rafinha, Süle, Boateng, Alaba, Martinez, Thiago, Müller, Gnabry, Lewandowski, Coman