Vorschau: FC Bayern München – Ajax Amsterdam
Als Uli Hoeneß davon sprach, dass es ihm wichtig sei, dass ein Trainer den Klub kenne, verdrehten viele Beobachter die Augen. Wieder dieses Geschwafel vom Stallgeruch. Doch spätestens jetzt zeigt sich, dass er einen Punkt hat. Wie Kovač mit dem ersten kleinen Lüftchen umgeht, das ihm ins Gesicht weht, ist nicht zuletzt souverän. Es ist vor allem beeindruckend. Die Dramatisierung der letzten Ergebnisse moderiert er locker weg.
Falls Ihr es verpasst habt:
Die Woche war wahrlich keine gute für den Trainer. Gegen Augsburg wollte er die Rotationsmaschine so richtig anwerfen. Nicht verwunderlich also, dass die Mannschaft in der Anfangsphase kaum ins Spiel fand. Doch nach rund 20 Minuten wurde das hohe Pressing der Gäste zunehmend häufiger überspielt.
Obwohl die Münchner kein richtig gutes Spiel machten, schienen sie alles unter Kontrolle zu haben. Dem 1:0 hätten gut und gerne noch ein zweites oder drittes Tor folgen können. Doch sie folgten nicht. Was folgte, war der späte Ausgleich starker Augsburger, die ihren Möglichkeiten entsprechend am Limit spielten. Es war die erste kleine Watschn für Kovač, der mit seiner Rotation vieles richtig machte und letztlich doch alles falsch. Weil das Ergebnis nicht stimmte.
Am Freitagabend wollte der FC Bayern den Normalzustand wiederherstellen. Sehr starke Berliner, die nicht nur mit viel Einsatz, sondern vor allem auch mit Köpfchen spielten, machten der Mannschaft aber das Leben schwer. Ein von den Bayern höchstpersönlich übergebenes Elfmeter-Geschenk sowie ein toll herausgespielter Treffer besiegelten früh das Schicksal der bisher unglücklichsten Kovač-Woche.
Bayern verlor die Tabellenführung an Borussia Dortmund und geht nun angeschlagen in den zweiten Spieltag der Champions League. Plötzlich sind die hohen Achter kein probates taktisches Mittel mehr, kein Beweis dafür, dass Kovač taktisch kluge Entscheidungen treffen kann. Sie werden vielerorts als Fehlentscheidung gesehen, die Hertha zu viele Räume zum Kontern bot.
Plötzlich nahm der Hype um den ruhigen Kovač etwas ab. Erste Stimmen machten sich breit, dass die Meisterschaft vielleicht ja doch spannender wird, als viele dachten. Die Bayern zeigten Angriffsfläche. Es sind erste Züge einer konstruierten Krise, die in München die Runde machen. Jetzt wird es richtig spannend. Weil Kovač genau jetzt beweisen kann, dass er für diesen Klub gemacht ist.
4 Dinge, die auffallen:
1. Die Ruhe im Windchen
Nüchtern, ruhig, sachlich – Eigenschaften, die Bayern-Fans an ihrem neuen Trainer früh in der Saison zu schätzen lernten. Auch jetzt, wo es erstmals nicht nach Plan läuft, strahlt Kovač eine unfassbare Ruhe aus, die sich auf den gesamten Klub überträgt.
Aber er zeigt in dieser Ruhe auch Lust und Gier. „Das werden wir uns nicht gefallen lassen“, sagte er in unnachahmlicher Art und Weise auf der Pressekonferenz in Berlin. Den Blick richtete er in diesen Momenten schon nach vorn.
Es gibt keinerlei Grund für Panik. Das weiß auch Kovač. Er hätte draufhauen können und seine Spieler in die Pflicht nehmen können. Doch er beließ es bei der sachliche Analyse, dass die allgemeine Bewertung mit einer besseren Chancenverwertung anders ausgefallen wäre. Dann müsste das Wort „Krise“ noch im Schrank bleiben.
„Wir waren in der ersten Halbzeit nicht ganz so präsent wie in der zweiten. Da haben Kleinigkeiten gefehlt, und das macht den Unterschied“, schlussfolgerte Kovač. Und er hat Recht damit. Ein 0:2 in Berlin klingt fürchterlich. Doch die Leistung des FC Bayern war keine Katastrophe. Kovač weiß genau, dass Nuancen fehlten. Dass es solche Spiele noch häufiger geben wird. Und dass Hertha BSC nicht nur einen großartigen Tag hatte, sondern auch das nötige Glück.
Umso wichtiger ist ein Trainer, der jetzt die Ruhe bewahren kann. Andernfalls droht das leichte Windchen zu einem Sturm zu werden.
2. Die Qualitätsfrage
Und doch ist nicht automatisch alles Pech für die Bayern. Individuelle Fehler hat Kovač ebenso bemerkt wie Joshua Kimmich, der seiner Mannschaft in diesem Punkt die Qualitätsfrage stellte.
Es zeugt von großer Selbstreflexion, dass Trainer und Mannschaft diese Fehler sehr genau einschätzen und einordnen können. Nur mit ehrlicher Selbstkritik wird es möglich sein, Fortschritte zu erzielen. Es ist in der Tat eine Frage der Qualität, wenn die Chancenverwertung ausgerechnet dann nicht passt, wenn man sie am dringendsten benötigt.
Robben hätte mit seiner Großchance den Ausgleich erzielen können. Schon vorher gab es viele gute Möglichkeiten, die teils nicht richtig zu Ende gespielt wurden. Stattdessen ging Hertha kurz nach der Robben-Chance mit der dritten Chance 2:0 in Führung. „Die Chancenverwertung ist ein großes Thema. Wir müssen die Dinger rein machen, das hat wieder gefehlt“, sagte Kovač.
Es klingt brutal, wenn die Qualität einer solchen Mannschaft nach zwei schlechten Ergebnissen in Frage gestellt wird. Doch es kommt darauf an, wie diese Frage gestellt wird. Kimmich stellte sie im richtigen Kontext. Nämlich mit dem Blick nach vorn und dem Bewusstsein darüber, dass die Qualität nicht generell fehlt, sondern nur in einigen Momenten. Und daran kann man arbeiten.
3. Die Achter-bahnfahrt
Gegen Stuttgart und Leverkusen feierten wir die Idee des Trainers, dass die Achter gegen tiefstehende Mannschaften ja durchaus höher stehen können. Thiago, Hummels und Boateng haben die Qualität, um die weiten Wege nach vorne zu bespielen. Allerdings stellten wir auch fest, dass sich dadurch Lücken im Halbraum ergeben, die bei Ballverlusten ausgenutzt werden können.
Hertha nutzte diese Lücken am Freitagabend aus. Bayern fehlten Absicherung und Sicherheit im eigenen Passspiel. Fehlpässe wurden durch die hohen Achter nur begünstigt und so entwickelte sich ein Spiel, das zu schnell auf die Flügel gelenkt wurde.
Möglichkeiten hat Kovač genug, um seine Idee weiterhin umzusetzen. So funktionierte Tolisso als Zwischenspieler sehr gut. Der Franzose ließ sich gegen Leverkusen immer wieder mal fallen und unterstützte damit Thiago. Diese Rolle kann im Prinzip auch James übernehmen, der in Berlin – wahrscheinlich auf Anweisung – eher in höheren Zonen blieb.
Eine weitere Alternative sind die einrückenden Außenverteidiger. Sie können im Spielaufbau die Wege zu den Achtern verkürzen und gleichzeitig Konter absichern. Steil und Klatsch ist ein sehr beliebtes Mittel, um schnell ins letzte Drittel zu kommen. Das ginge auch mit Zuspielen auf die Achter, die dann auf die eingerückten Außenverteidiger klatschen lassen.
In jedem Fall müssen aber mehr Wege gefunden werden, um die Zwischenlinienräume mit einer gesunden Balance aus Risiko und Sicherheit zu finden. Andernfalls entwickeln sich die hohen Achter zu einer gefährlichen Achterbahnfahrt, die zwangsweise aus Höhen und Tiefen besteht.
4. Die positiven Ansätze mitnehmen
Nun war diese letzte Woche keine, an die man später im Saisonrückblick zurückdenken möchte. Doch warum eigentlich nicht? Vielleicht war sie das richtige Zeichen zur richtigen Zeit. Vielleicht nehmen die Bayern diese Rückschläge und ziehen daraus die richtigen Schlüsse.
Hinzu kommt, dass beileibe nicht alles schlecht war. So schafften es die Bayern in Berlin gegen eine herausragende Defensive, sich mehrfach hinter die Abwehrreihe zu kombinieren. Ribéry und Alaba waren sehr flexibel in ihrer Positionierung und liefen immer wieder in unterschiedlichen Konstellationen hinter die Kette der Berliner. Unterstützt wurden sie dabei oft von James oder Lewandowski.
Diese Tempodurchbrüche waren mehr als sehenswert und obwohl Hertha immer direkt am Mann war, schafften die Bayern es, sich in eine gute Ausgangslage im Strafraum zu bringen.
Auf der anderen Seite sah das ähnlich aus, wenn Robben mit Kimmich und später Müller kombinierte. Auch hier wurde viel rochiert und mehrfach kam es zu Durchbrüchen. Gerade weil Robben und Ribéry nicht mehr so oft alleine durchkommen, brauchen sie diese Unterstützung. Früher war es das Ziel, sie zu isolieren. Jetzt geht es darum, sie möglichst gewinnbringend einzubinden. Dann bringen sie auch weiterhin einen Mehrwert. Sind sie allerdings darauf angewiesen, ins Dribbling zu gehen, drohen schlimme Ballverluste. Das wird nicht zuletzt an Ribéry deutlich.
Dass aus den guten Kombinationen kaum Chancen resultierten, lag aber nicht an den Außenspielern. Im Zentrum fehlte es an Bewegung und Dynamik. Die Bayern vermissten an diesem Abend Goretzka oder Tolisso. Beide können aus der Tiefe klug in den Strafraum stoßen und so Räume für Lewandowski oder sich selbst öffnen. So war es für Berlin aber meist einfach, die Hereingaben zu verteidigen.
Kovač konnte aus den Spielen gegen Augsburg und Hertha trotzdem viele gute Sachen mitnehmen, auf die er nun aufbauen kann. Ajax ist eine Mannschaft, die Fußball spielen will. Mit ihrem teils wilden, aber aggressiven Pressing werden sie den Bayern möglicherweise ähnliche Probleme bereiten wie die Berliner.
Doch diesmal ist es ein Heimspiel. Kovač und die Mannschaft brennen darauf, dieses absurde Wort „Krise“ direkt wieder zu verbannen. Einstellung, Wille und Ehrgeiz passen. Jetzt muss im eigenen Ballbesitzspiel noch die Feinjustierung folgen. Dann dürfte der FC Bayern auch wieder auf Kurs sein. Ein Drama sieht jedenfalls anders aus.
Vor dem Spiel gegen Ajax wird es um 20:15 Uhr einen Livestream auf YouTube geben. Abonniert uns dort oder folgt dem Link, den wir rechtzeitig auf unseren sozialen Kanälen posten werden.
Das Thesen-Duell
Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Fatbardh gewählt. Kurzfristige Änderungen sind bis zum Spieltag noch möglich.
Ergebnis des letzten Spieltags: Justin 2,4 : 1,6 Fatbardh
Zwischenstand insgesamt: Justin 25,4 : 18,2 Fatbardh
Justins Tipps
- Torschütze: Thomas Müller
- Freie These: Ajax trifft nicht.
- Über/Unter 2,5: Über!
- Aufstellung: Neuer – Kimmich, Boateng, Hummels, Alaba – Thiago – James, Müller – Robben, Lewandowski, Ribéry
Fatbardhs Tipps
- Torschütze: James Rodríguez
- Freie These: Bayern erzielt ein Tor nach einem Standard.
- Über/Unter 2,5: Über!
- Aufstellung: Neuer – Kimmich, Boateng, Hummels, Alaba – Thiago – Goretzka, James – Robben, Lewandowski, Ribéry