Vorschau: FC Bayern München – Borussia Dortmund

Justin Trenner 18.12.2017

Unter Bosz waren die Dortmunder defensiv mehr als nur anfällig. In unserer Vorschau auf das Bundesliga-Duell analysierten wir die Schwachstellen. Nun soll Stöger die taktische Organisation des Teams retten.

Wenngleich ihm das nicht sofort gelingen wird, so hat er in den vergangenen Jahren gezeigt, dass seine Teams hinten gut stehen können. Es wird in jedem Fall spannend, wie sich der BVB in der Rückrunde entwickeln wird.

Stöger ist der defensivere Peter

Der FC Bayern darf sich kurzfristig jedenfalls auf einen BVB einstellen, der nicht so sehr ins offene Messer läuft wie es die Mannschaft unter Bosz noch häufig tat. In Mainz kam die Borussia zwar auf rund 60% Ballbesitz, doch über weite Phasen der Partie agierten sie eher passiv und tief gestaffelt. Aggressives Herausrücken war gerade zu Beginn eher die Seltenheit. Stöger wollte Stabilität erzeugen, indem seine Spieler ihre Positionen hielten.

Das funktionierte letztendlich dahingehend gut, dass Mainz nur drei gefährliche Abschlüsse innerhalb des Sechzehners bekam. Einer von außerhalb segelte zudem an die Latte und der Rest war entweder ungefährlich oder wurde in letzter Sekunde geblockt. Die Null stand am Ende nach längerer Zeit wieder. Auch die gängigen Expected-Goal-Modelle bescheinigten eine gute Defensivleistung der Borussen.

Allerdings muss auch gesagt sein, dass Mainz nicht der Gegner war, der für das Pokalspiel am Mittwoch relevant ist, weil sie selbst sehr passiv spielten. Das tiefe Spiel der Dortmunder führte dazu, dass die Borussia selbst nicht so viel Entfaltung nach vorne fand und doch sehr abhängig von der individuellen Klasse war. Dennoch bleibt ein Spiel zurück, das nicht viele Hinweise auf den BVB liefert, den die Bayern im Pokal erwarten.

Da bietet der 2:1-Sieg gegen die TSG Hoffenheim schon mehr Aussagekraft. Acht Abschlüsse hatten die Hoffenheimer im Strafraum der Stöger-Elf und drei davon in sehr aussichtsreicher Position. Ein Wert, der gegen offensiv flexible Hoffenheimer okay ist, aber auch zeigt, dass Dortmund hinten weiterhin Räume bietet. Geht man auch hier nach Expected Goals, so ist das 2:1 letztendlich aber gerechtfertigt und der subjektive Eindruck war ebenfalls, dass Dortmund das leicht bessere Team war.

Es lässt sich deshalb durchaus sagen, dass Stöger bereits erste Erfolge in der Defensive erreicht hat. Nur 45,8% Ballbesitz hatte sein Team gegen die Nagelsmänner, dafür aber mehr Abschlüsse, mehr gefährliche Aktionen und mehr Tore, wenngleich das Siegtor erst spät fiel. Im Gegensatz zur Bosz-Zeit war das Team in den letzten beiden Spielen schon deutlich weniger anfällig. Zumal viele Gegentore vorher aus zu schlecht abgesichertem Pressing resultierten. Dieses Risiko scheint es unter Stöger gar nicht mehr zu geben, wobei abzuwarten bleibt, ob dieses deutlich tiefere System nur zum Übergang dient.

Stöger stand schon in Köln für eine sehr gute Defensivorganisation. Dass eine Mannschaft mit so schnellen Spielern Tore schießen kann, steht gar nicht zur Debatte. Die Endgeschwindigkeit wird das Team auch in München auf den Rasen bringen wollen.

Endlich jemand, der die Fanshop-Artikel trägt. An Peter Stöger in Dortmund-Kleidung muss man sich erst noch gewöhnen.
(Foto: Lars Baron / Bongarts / Getty Images)

Worauf die Bayern achten sollten

Mit Köln scheiterte Stöger regelmäßig mit der Idee, gegen den FC Bayern tief zu stehen und dann durch Nadelstiche erfolgreich zu sein. In sechs Aufeinandertreffen hagelte es 16 Gegentore. Nur zwei Treffer erzielte sein Effzeh. Immerhin reichte das zu einem 1:1 am 6. Spieltag der vergangenen Saison, doch die restlichen fünf Partien gingen verloren.

In Dortmund findet er nun eine höhere individuelle Qualität vor. Der BVB war zudem immer am gefährlichsten gegen den Rekordmeister, wenn er aus Umschaltsituationen Gefahr erzeugen konnte. Das wird am Mittwoch vor allem über die Flügel geschehen.

Pulisic und Yarmolenko starteten dort zuletzt. Während Letzterer auf der rechten Seite eher die Rolle eines Freigeists ausfüllte, harmonierte Pulisic sehr gut mit Guerreiro und Schmelzer. Dieses kombinative Dreieck sollte von den Bayern die größte Aufmerksamkeit erhalten. Von dort erzeugte Dortmund gegen Hoffenheim immer mal wieder einen diagonalen Zugang zu Aubameyang, den die Heynckes-Elf verhindern muss.

Kimmich schwächelte zuletzt etwas unter Druck und machte auch gegen den Ball nicht immer den sichersten Eindruck. Der junge Rechtsverteidiger muss deshalb vom Mittelfeld und dem rechten Innenverteidiger unterstützt werden, wenn Dortmund über links oder halblinks attackiert.

Auf der anderen Seite haben die Münchner aber auch selbst große Möglichkeiten, Lücken zu nutzen, die Yarmolenko – insofern er denn spielt – hinterlässt. Der Ukrainer ist kein guter Verteidiger und könnte somit zum Risiko für den BVB werden. Zumal das Spiel der Dortmunder gegen Hoffenheim sehr linkslastig war. Schaffen die Bayern es, dort Bälle zu erobern, kann man mit schnellen Seitenverlagerungen auf die eigene linke Seite gute Raumgewinne erzeugen. Es wäre vielleicht nicht unklug, Comans Tempo auf dieser Seite zu nutzen und Ribéry entweder von der Bank zu bringen oder ihn zentraler einzusetzen.

Im Zentrum erwartet die Bayern eine kompaktere Dreierstaffelung als beim letzten Duell. Weigl orientiert sich gegen den Ball sehr an den eigenen Achtern und sichert die Beiden aus etwas tieferer Position ab. Mit den Abständen hat der BVB dort aber weiter seine Probleme. Hoffenheim kam mehrfach mit Steilpässen zwischen die Linien, die die Angreifer klatschen ließen.

Bayern könnte dies über Hummels und/oder Boateng sehr gut ausnutzen. Die Innenverteidiger haben in ihrem Passspiel die Reichweite, um die vorderste Linie der Dortmunder zu überspielen und Lewandowski oder den eingerückten Coman zu finden. Die könnten wiederum zu James klatschen lassen, der das Geschehen dann in aussichtsreicher Position vor sich hat.

Dortmund bietet genau da einige Räume an. Müller als Freigeist einzusetzen wäre stimmig, um genau diese Passwege für die Innenverteidiger zu öffnen. Allerdings müssen die Münchner auch aufpassen, dass sie nicht zu sehr in vertikale Muster verfallen. Gegen Stuttgart wurde genau das irgendwann zum Problem. Im Mittelfeld gab es keine Zwischenstationen und die Wege ins letzte Drittel wurden selbst für Boateng und Hummels zu lang. Das führte dann zu leichtfertigen Fehlern.

Ballverluste kann die Borussia mit ihren technischen Fähigkeiten immer bestrafen. Gerade mit einem Weigl in der Schaltzentrale, der jetzt endlich wieder in alle Richtungen ausweichen darf, um sich dem Druck des Gegners zu entziehen. Seine Spielintelligenz ist hoch genug, um das Heynckes-Pressing der Bayern auf die Probe zu stellen.

Hier müssen die Münchner aufpassen, dass Weigl den Achtern der Dortmunder keine Räume öffnet. Martínez kommt als absichernder Sechser eine große Verantwortung zu. Er muss seine Achter coachen. Neben James wird sehr wahrscheinlich Vidal agieren, der sich nicht von Weigl herausziehen lassen darf.

James wiederum muss Thiago noch mehr ersetzen, als er es ohnehin schon macht. Auf der einen Seite muss er im Spielaufbau die verlässliche Anspielstation im Achterraum sein, auf der anderen Seite ist er der wichtigste Spielmacher im Zehnerraum. Diesen Balanceakt muss er meistern. Eine gute Variante im Spielaufbau wäre zudem, wenn Kimmich vermehrt einrückt, um das spielerisch derzeit limitierte Mittelfeld der Bayern zu entlasten.

Auf den Flügeln müssen die Bayern je nach Position des Balls die gegnerischen Außenverteidiger binden, damit die Halbräume frei sind. Hummels und Boateng haben die Qualität, um lange Wege dorthin oder zu Lewandowski zu finden. Von da kann James dann Abklatscher erhalten und wiederum den Ball in die Schnittstellen verteilen. Kimmichs Rolle ist ebenfalls zentral. Er kann das wichtige zweite Drittel im Mittelfeld situativ entlasten, um James mehr Freiheiten nach vorn zu geben und den eigenen Aufbau abzusichern. Müller würde in dieser Formation alle Angriffsoptionen mit seinen typischen Läufen unterstützen. Viel Bewegung ist gegen Dortmund unabdingbar.

Für den FC Bayern steht am Mittwochabend in jedem Fall eine sehr gefährliche Partie an, die eigentlich nur verloren werden kann. Gewinnen die Münchner gegen durchschnittliche Dortmunder, ist alles normal. Verlieren sie, ist ein Wettbewerb bereits gelaufen und man gibt dem BVB trotz durchwachsener Hinrunde ein gutes Gefühl für die Winterpause.

Die Borussia hat sich in den ersten beiden Spielen unter Peter Stöger Selbstvertrauen zurückgeholt und wird mit positiven Gefühlen nach München reisen. Auf der anderen Seite stehen beim FC Bayern zuletzt zwar gute Ergebnisse, doch die Leistungen waren eher uninspiriert und behäbig.

Trotzdem sind sie klarer Favorit. Wie 2015, als sie nach dominanter Leistung im Elfmeterschießen ausschieden und der BVB gar nicht wusste, wie sie gewannen. Oder wie in der letzten Saison, als Bayern auf der Siegerstraße war und plötzlich aufhörte, Fußball zu spielen.

Das darf im letzten Heimspiel des Kalenderjahres 2017 nicht passieren. Egal wie der Spielstand ist und egal ob es zuletzt spielerisch nicht lief: am Mittwochabend brauchen die Bayern noch mal 90 Minuten ihres aktuell besten Jupp-Heynckes-Fußballs. Nur dann wird der Herbstmeister auch ohne Verlängerung, Elfmeterschießen oder Enttäuschung den Rasen der Allianz Arena verlassen können. Denn die fußballerisch bessere Mannschaft kommt im direkten Vergleich so deutlich aus München wie schon lange nicht mehr.

Fantipp

Im Fantipp tippt einer unserer Leser den Spielausgang. Für den richtigen Tipp gibt es drei Punkte und für die richtige Tendenz (Sieg, Unentschieden, Niederlage) einen Punkt. Verglichen wird dies dann mit einem Tipp aus der Miasanrot-Redaktion. Am Ende der Saison wird sich zeigen, ob die eingeladenen Fans mehr Punkte erreicht haben, als die Redaktion.

Ich war nah dran, aber das zweite Tor wollte nicht fallen. So kriegen beide von letzter Woche einen Punkt und es steht 26:17 für die Miasanrot-Redaktion.

In dieser Woche habe ich mir den Fan mal wieder auf Twitter rausgesucht. Maurice reagierte am schnellsten und ist somit heute unser Gast. Er ist BVB-Fan und Redakteur bei schwatzgelb.de.

Maurice: Durch das Drehen an kleinen Stellschrauben konnte Stöger den BVB in der Defensive relativ stabilisieren. Die Offensive der Bayern wird allerdings längst nicht so viele Chancen wie die TSG Hoffenheim auslassen. Es dürfte kein Kantersieg werden, aber die Bayern werden sich souverän durchsetzen und der BVB darf endlich in die Winterpause gehen. Mein Tipp: 3-0.

Justin: Die Bayern kommen behäbig ins Spiel und Dortmund geht vielleicht sogar in Führung. Allerdings kann auch Stöger die Defensivschwächen des BVB nicht gänzlich kaschieren – erst recht nicht in München. Deshalb werden die Bayern im Laufe der Partie zu einigen Chancen kommen und letztendlich souverän mit 3:1 gewinnen.