Sorgenkind Xabi Alonso
Es ist ein fast schon trauriges Bild, das man von Xabi Alonso in den letzten Tagen und Wochen in aller Öffentlichkeit gezeichnet bekommt, aber auch selbst sehen kann. Der 34-Jährige wirkt teilweise hilflos und macht Fehler, die ihm überhaupt nicht ähnlich sind. Doch die Schuld für diese Situation liegt nicht nur beim Spanier. Ein Kommentar.
Eben jenes Spiel gegen die TSG Hoffenheim, das in der ersten Halbzeit offenbarte, dass die Bayern große Probleme mit hohem Druck haben, zeigte die Schwächen des Xabi Alonso eindeutig auf. Es ist allerdings keine großartige Neuigkeit, dass der Mittelfeldmann langsam ist.
Dass er mit Pressingsituationen nicht immer gut zurecht kommt, ist ebenfalls nicht neu. Auch die Tatsache, dass Alonso oft schlecht aussieht, wenn er alleine auf der Sechs gegen den Ball arbeiten muss, ist keine bahnbrechende Erkenntnis.
Doch weshalb konnte ein Spieler, der offensichtlich so viele Schwächen hat, in den letzten zwei Jahren eine solch große Rolle spielen? Und wieso spielt er diese jetzt nicht mehr? Zwei Fragen, die man mit weitaus mehr beantworten muss, als der Form des Spielers.
Alonso muss richtig eingebunden werden
Der ehemalige Nationalspieler hat fast alles gewonnen. Er spielte sowohl bei Liverpool, Real Madrid und Spanien, als auch jetzt bei den Bayern eine dominante wie auffällige Rolle. Früher konnte er diese Dominanz auch alleine ausüben, ein Spiel kontrollieren und den Takt bestimmen, obwohl die Gegner ihn unter Druck setzten. Das hat sich mit dem Alter geändert. Der 34-Jährige war nie der Schnellste. Umso mehr fällt es auf, wenn er im Endspurt seiner Karriere nochmal an Geschwindigkeit verliert.
Alonso hat aber Fähigkeiten, die man nur bei wenigen Spielern in Europa findet: Er kann ein Spiel dominieren, es kontrollieren und vertikal sowie diagonal auf höchstem Niveau eröffnen.
Wieder Samstagnachmittag. Wieder München. Alonso bekommt, ohne Druck, den Ball im Mittelkreis und sieht den sich freilaufenden Thomas Müller. Bayerns Nummer 14 spielt einen Pass durch fast alle Hoffenheimer auf den Angreifer, der wiederum Hummels bedient. Pfosten. Fast die entscheidende Szene im Spiel. Es ist diese Genialität des Regisseurs im Mittelfeld, die auch in schlechteren Spielen immer wieder aufblitzt.
Übersicht, wichtige Seitenverlagerungen, Vertikalität. All das sind Eigenschaften, die Alonso in den letzten zwei Jahren ausgezeichnet haben.
Allerdings hat sich im Bayern-Spiel einiges getan. Die Spieler positionieren sich anders und besetzten die Zonen nicht immer so sauber wie in der Vergangenheit. Guardiola wusste natürlich um die Schwächen des Spaniers. Er hat sie jedoch kaschieren können. Alonso wurde so eingebunden, dass er immer mindestens vier Optionen um sich herum hatte.
Der einrückende Lahm und ein bis zwei Achter sorgten dafür, dass das hohe Pressing des Gegners auseinander gezogen wurde. Auf der einen Seite gab es so immer eine Anspielstation, auf der anderen war der Druck nicht allzu hoch. Das Spiel des Rekordmeisters war im ersten und zweiten Drittel also unter anderem darauf ausgelegt, Alonso den Druck zu nehmen.
Es wird oft vergessen, aber in den Halbfinal–Spielen gegen Atlético Madrid war der 34-Jährige einer der besten Spieler auf Seiten der Bayern. Er gewann viele Zweikämpfe, konnte das Spiel der Münchner kontrollieren und vor allem vertikalisieren. Gegen eine Mannschaft, die speziell im Zentrum sehr effektiv, eng und hoch verteidigt. Alonso war dort eine Gegenpressing-Waffe und das war kein Zufall. Er hat in den vergangenen zwei Jahren oftmals eine solche Leistung erbracht.
Gerade im Gegenpressing wirkt er in dieser Spielzeit jedoch verloren. Oftmals rückt er heraus und wird dann einfach überspielt. “Wenn Alonso hinterherlaufen muss, ist das nicht sein Spiel”, sagte Guardiola einst. Auch hier spielt aber das mannschaftstaktische Verhalten eine übergeordnete Rolle. In den letzten Jahren hat die Mannschaft sehr hoch verteidigt.
Das Gegenpressing war der Schlüssel für den Erfolg und Alonso war im Mittelfeld unfassbar wichtig, weil er es steuerte. Aktuell wirkt er damit jedoch überfordert. Bayern hat bei hohen Ballverlusten nur selten effektiven Zugriff. Speziell Vidal und Thiago attackieren gerne früh und rücken trotz unvorteilhafter Positionierung heraus. Es entsteht ein großes Loch, das nur noch vom Sechser besetzt wird.
Auch Thiago und Kimmich haben dort in dieser Saison ihre Probleme gehabt – nicht nur Alonso.
3-2- oder 3-3-Staffelung für einen besseren Aufbau
Um den Spanier besser einbinden zu können, braucht es eine andere Struktur. Im aktuellen System ist er überfordert und auch einfach überflüssig. Es entsteht ein Viereck, das aus den Innenverteidigern und den beiden Achtern besteht. Mittendrin Alonso, aber oftmals so alleingelassen, dass es für den Gegner einfach wird ihn herauszunehmen.
Die Lösung ist dann das Abkippen zwischen die Verteidiger. Dadurch entsteht dann eine 3-2-Staffelung, die auch gegen Hoffenheim, wenn sie denn mal zufällig entstand, wirksam war.
Alonso ist dann aber dennoch außen vor. Boateng und Hummels suchen ohnehin den direkteren Weg nach vorne. Die eigentliche Lösung des Problems wäre also, dass Alonso weiter vorn positioniert bleibt, einer der Außenverteidiger zur Unterstützung einrückt und der andere in die Dreierkette kippt, um das Pressing des Gegners zu entkräften.

Die Achter positionieren sich dann in den vorhandenen Zwischenräumen und bilden Dreiecke mit den anderen Akteuren. So funktionierte das Spiel mit Alonso in der Vergangenheit deutlich besser.
Man muss den 34-Jährigen etwas an die Hand nehmen, ihn richtig einbinden und vor allem seine Stärken forcieren. Aktuell wirkt es eher so, als würden zu viele Aufgaben im Mittelfeld auf ihm lasten. Seine Schwächen werden nicht mehr kaschiert. Auch die wenigen Pausen (13 von 17 Spielen absolviert) kommen ihm sicher nicht zu Gute. Gerade in mehreren aufeinanderfolgenden Spielen häufen sich die individuellen Fehler des ehemaligen Weltmeisters.
Alonso ist ein Spezialist, der einen vollen Akku benötigt, um seine volle Leistung abrufen zu können.
Es ist keine Frage, dass Xabi Alonso das im Augenblick auch deshalb nicht tun kann, weil er seiner Form hinterherläuft. Das soll auch dieser Kommentar nicht kaschieren. Allerdings liegen die Ursachen dafür in fehlender Unterstützung, einem veränderten System, das ihm nicht so entgegen kommt und einem überspitzten Fokus der Öffentlichkeit, der sich gerne mal gegen ihn richtet. Das Spiel gegen die TSG zeigte im ersten Durchgang einen überforderten Sechser, der sich dem Druck nicht entziehen konnte und gefährliche Konter des Gegners einleitete. Dem es an Optionen mangelte und der von seinen Mitspielern kaum Rückendeckung erhielt.
Im zweiten Durchgang zeigte sich aber ein Taktgeber, der sich trotz aller Schwierigkeiten nicht versteckt. Einer, der weiterhin Bälle fordert, sich aber im richtigen Augenblick auch mit klugen Bewegungen dem Spiel entzieht.
Aber vor allem jemand, der mit Pässen, wie dem auf Thomas Müller kurz vor Ende, weiterhin eine große Rolle für den FC Bayern spielen kann.
Dieser Artikel kommt zur rechten Zeit und bringt die Situation auf den Punkt, danke dafür !
Mehrfach wird darauf hingewiesen, dass man Alonso richtig einbinden müsste. Das ist so richtig wie problematisch, denn:
1. Es ist wirklich ein Meisterstück, Alonso gegen ein korrekt pressendes Team gut einzubinden. (Nicht umsonst mussten dafür regelmäßig ein Sahnetag von Pep Guardiola und Alonso selbst zusammen kommen.) Alle naheliegenden Varianten, in denen Alonso höher schiebt und der Spielaufbau allein von den Innenverteidigern+Neuer getragen wird, sind gegen korrektes hohes Pressing nicht durchzubringen.
2. Justin verweist auf die Möglichkeit eines tiefen Außenverteidigers. Auch wenn ich das sehr begrüßen würde (auch ohne Alonso), würden damit jegliche Elemente konterkariert werden, die Ancelotti eingebracht hat. Man spielt vom ersten Tag an mit hohen Außenverteidigern, die sich, wenn eine Asymmetrie auftritt, nur geringfügig in der Höhe und nicht in der Breite voneinander unterscheiden. Die Flügelstürmer rücken in die Räume ein, die von den 8ern besetzt werden müssten, die jedoch (mittlerweile situativ) herauskippen. Ich glaube nicht, dass man das alles umwirft, denn im zweiten Drittel agiert man, wenn man den Übergang vernünftig gestaltet, ja durchaus gut. Der (mögliche) tiefe Außenverteidiger müsste ja auch etwas einrücken, womit man großflächig umstellen müsste. Tiefer Lahm + breiter Robben + Müller auf der 8/10 würde ich natürlich sehr sehr gerne sehen.
3. Ancelotti hat es schon in Madrid nicht geschafft, Alonso gegen hohes Pressing zu schützen. Und Xabi seinerseits hat auch damals gezeigt, dass er – auch wenn er ansonsten ein intelligenter Spieler zu sein scheint – nicht in der Lage ist, sich durch ein angepasstes Bewegungsspiel selbst zu helfen.
Feiner Artikel, der sich nicht der simplifizierenden Polemik anderer Kommentatoren (Quintessenz derselben: “Alonso ist schlecht, weil zu alt oder zu langsam.”) verschreibt, sondern die Komplexität des Themas gut aufarbeitet.
Ja, genau so.
Alonso muss nicht besser eingebunden werden, sondern für die Spiele gegen Top-Gegner endlich ein für alle Mal aus der Startelf fliegen. Bei dem reicht es für das höchste Niveau schon länger nicht mehr. Thiago-Vidal-Kimmich ist die derzeit beste Mittelfeldreihe.
Selbst im Idealfall kann man Alonso gegen hoch pressende Gegner bestenfalls so einbinden, dass er keinen Schaden anrichtet aber auch keinen Mehrwert hat, ähnlich wie im Halbfinalrückspiel gegen Atletico wo er höher positioniert war und einfach nur Bälle weitergeleitet hat. Die Rolle hätte aber auch jeder andere so bzw. besser spielen können, da kann man besser gleich auf Kimmich in der Startelf bauen, der daneben noch weitere Stärken einbringen kann wie seine Torgefahr und seine höhere Laufstärke.
Ich habe im Sommer ja schon geschrieben, dass das Mittelfeld die größte Baustelle ist während der Blog hier eher in der Offensive Bedarf sah. Im kommenden Sommer muss da dringend was passieren. Dass Ancelotti sich gezwungen sieht einen Spieler, dessen 3 Jahre jüngere Version er in Madrid noch aussortiert hat, bei uns dennoch aufzustellen zeigt ganz gut die schlechte Personalpolitik der Bayern in Bezug auf das zentrale Mittelfeld in den letzten Jahren.
Ich würde das so grundsätzlich schon unterschreiben … aber ist wirklich davon auszugehen, dass Ancelotti ein weiterer/anderer Sechser verweigert worden ist, obwohl er gern einen gehabt hätte?
Nein, das glaube ich auch nicht. Ancelotti scheint ein “genügsamer” Trainer zu sein, der nicht groß neue Spieler fordert, sondern mit dem vorhandenen Material arbeitet. In Madrid hätte er auch lieber di Maria behalten statt James zu holen, aber dort hat Perez nun mal das letzte Wort.
Wenn das so ist: Ist überliefert, dass Ancelotti Alonso tatsächlich aussortiert hat? Ich meine mich zu erinnern, dass zumindest öffentlich kommuniziert wurde, Alonso suche noch einmal eine neue Herausforderung.
Aussortiert im Sinne von Stammplatzverlust. In den ersten Spielen bildeten Kroos, Modric und James die Stammbesetzung und Alonso ging zurecht davon aus, dass er nur noch Ersatz sein würde, daher sein Wechselwunsch.
Laut seinem Buch war die Trennung die Entscheidung von Perez.
Sein Kommentar: Wollte ich Alonso verlieren? Nein, natürlich nicht.
Ja, für die Ersatzbank hätte er ihn gerne behalten. Aus der Startelf hat ihn Kroos verdrängt und das habe ich gemeint.
Klar ist er mt 34 zu langsam, deswegen verliert er leider zu viele, auch spielentscheidende Zweikämpfe. Die überwiegen mittlerweile seine Genialität im Passspiel und die Kunst des Sonntags-Volley aus 25 Meter-tors.
Aber genau das ist das Problem, dass er zu unfelxibel für den heutigen Hurra Fussball, a la Hoffenheim, Frankfurt, Köln oder Atletico ist. Er kann halt nur auf der 6 brillieren. Alonso auf die 8 oder gar auf einer anderen Positio ist undenkbar.
Wenn die Alternative leider keine andere Position ist, bleit nur ein anderer 6er; so Leid es mir für diesen großartigen Fussballer, mit seiner Erfahrung und dem zweistellgen Briefkopf an Titel tut. Aber früher oder später muss diese Emtscheidung eh getroffen werden.
Ich weiß nicht, was ihr aus nostalgischen Gründen immer mit “Martinez auf die 6” habt …
Aktuell ist er in der IV vor Hummels und Boateng. Wir werden ihn leider nicht mehr auf der 6 sehen. Daran müssen wir uns wohl ein für alle mal gewöhnen.
Muss ich auch immer schmunzeln.
Ausgerechnet Martinez der keine 5 Spiele am Stück als IV machen kann, ohne dass irgendein Muskel oder was auch immer bei ihm streikt. Der soll dann 90 Minuten im Mittelfeld laufen, sprinten und zweikämpfen.
Viel Spaß allen Beteiligten dabei.
Es wäre natürlich sehr geistreich, von einer sowieso schon dünn besetzten Position, für die in den meisten Spielen kein gesunder Spieler mehr auf der Bank sitzt, noch einen auf eine andere Position zu ziehen. Zumal ja hier schon mehrmals unterstrichen wurde, dass es bei Alonso eher am Spiel mit Ball als im Spiel gegen den Ball krankt. Martinez ist ebenfalls langsam und unter Druck nicht der Sicherste, wäre also mit Ball kein Upgrade.
Dem würde ich gleich doppelt widersprechen, Martinez ist deutlich pressingresistenter als Alonso. Dazu braucht man sich nur die Spiele der beiden gegen Klopps Dortmund anschauen. Alonso war da immer DIE Schwachstelle Reals während Javi einer der Hauptgründe war wieso wir 2012/13 so viel besser mit den Dortmundern zurecht kamen als in den Jahren zuvor als noch der bei starkem Pressing überforderte Gustavo spielte.
Außerdem stellt Alonso eben nicht nur bei eigenem Ballbesitz ein Problem dar sondern erst Recht bei gegnerischem, man denke bloß mal an sein vogelwildes Frankfurtspiel zurück, wo die Gegenspieler wie Düsenjäger an ihm vorbeigezogen sind.
Bin aber auch keiner der Martinez im Mittelfeld fordert. Für meine Begriffe hat Thiago die 6 in den Spielen ohne Alonso sehr gut ausgefüllt, daher wäre er meine Wunschoption mit Vidal und Kimmich davor.
[…] darin die Frage “Ist das Fass halb voll oder halb leer?”. Justin ging auf die Kritik an Xabi Alonso ein und bemängelte dabei vor allem dessen aktuelle Einbindung ins Bayern-Spiel. Den ersten Teil […]