SINSHEIM, GERMANY - AUGUST 22: Jerome Boateng of Muenchen blocks a free kick with his hand during the Bundesliga match between 1899 Hoffenheim and FC Bayern Muenchen at Wirsol Rhein-Neckar-Arena on August 22, 2015 in Sinsheim, Germany. (Photo by Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Baustelle Abwehr: Was Benatias Ausfall & Boatengs Sperre bedeuten

Christopher Trenner 23.08.2015

Nicht einmal 36 Minuten waren in Sinsheim gespielt, als die medizinische Abteilung des FC Bayern auf den Platz eilen musste. Medhi Benatia griff sich an den Oberschenkel und es ging nicht mehr weiter. Pep Guardiola reagierte sofort und brachte Rafinha. Taktisch veränderte sich wenig. Das Konzept der Dreierkette konnte aufrechterhalten werden. Selbst dann, als der FC Bayern nach der Gelb-Roten Karte für Jerome Boateng in Unterzahl spielte. Xabi Alonso rückte für den deutschen Nationalspieler in die Dreierkette. Hoffenheim konnte die nummerische Überzahl nicht nutzen. Die TSG erspielte sich keinerlei Torchancen mehr.

Benatia weckt Sorgen

Trotz des mit sechs Punkten geglückten Saisonstarts gibt es nun eine Baustelle in den Reihen des FC Bayern, die ein wenig Sorgen macht. Medhi Benatias erneute Muskelverletzung (Verdacht auf Muskelfaserriss) könnte je nach Schwere der Blessur ein herber Rückschlag sein. Es ist bereits die fünfte Muskelverletzung von Benatia im Trikot des FC Bayern. Weil Boateng aufgrund seiner Gelb-Roten Karte in der kommenden Woche gegen Leverkusen gesperrt sein wird, muss Guardiola ohnehin improvisieren. Das zuletzt gut harmonierende Pärchen Boateng und Benatia ist für das Spitzenspiel nicht einsatzfähig. Gerade der mögliche längere Ausfall des Marokkaners schmerzt, hatte er doch reichlich Pluspunkte in der noch jungen Saison sammeln können. Nicht nur wegen des 1. Treffers der laufenden Spielzeit. Auch gegen Hoffenheim überzeugte er mit guten Zweikampfwerten (83%) und stabilisierte so die rechte Abwehrseite egal ob in der Dreier- oder Viererkette. So ließ sich der Marokkaner beispielsweise nicht von dem deutlich schnelleren Kim überlaufen und konnte so einen Konter noch zur Ecke klären (14.). Durch die erneute Verletzung wird Benatia weiterhin nicht konstant über mehrere Spiele auf dem Platz mitwirken können. Sein Talent kann er so in den nun fast 14 Monaten FC Bayern immer nur punktuell andeuten. Zu oft warfen ihn zwei bis vier Wochen Verletzungspause zurück.

Hinzu kommt der Platzverweis von Jerome Boateng. Die erste gelbe Karte war notwendig, da nach einem Ballverlust von Rafinha Volland eine gute Torchance gehabt hätte. Das anschließende Handspiel (und der fällige Strafstoß) passen ins Bild von Jerome Boateng, der sich seinen Status als „Weltklasse-Abwehrspieler“ durch mutige und oftmals richtige Zweikampfentscheidungen erarbeitet hat. In dieses Muster passen aber auch die ein oder andere Laissez-faire Aktion, die meist noch mal gut geht, aber hin und wieder teuer bezahlt werden muss. In machen Situationen fehlt es Boateng schlichtweg an der nötigen Konzentration. Der Platzverweis gegen Hoffenheim war bereits sein vierter im Trikot des FC Bayern.

Der Platzverweis hat das Spiel gegen Hoffenheim nicht mehr nachträglich verändert, da der FC Bayern so dominant war, dass er das Spiel auch mit zehn Spielern noch drehen konnte. Dafür fehlt Boateng nun gegen die taktisch gefährlichste Mannschaft – Bayer 04 Leverkusen. Ausgerechnet Leverkusen, gegen die Jerome Boateng schon seine letzte Partie in der Bundesliga (Saison 2014/15) verpasste. Die Elf von Roger Schmidt gewann verdient im Frühjahr mit 2:0. Leverkusen setzt auf ein radikales Pressingkonzept mit einer 4-2-2-2 Grundformation, bei dem bis zu 5-6 Spieler versuchen den Spielaufbau der Gegner zu unterbinden. Da viele Abwehrspieler und Torhüter solche Situationen nicht gewohnt sind bzw. nicht gut auflösen können, kreiert die Werksfelf viele Chancen bereits im letzten Drittel. Ein Mittel gegen diese Spielweise sind lange – diagonale Seitenverlagerungen. Ein Spieler, der diese Bälle perfekt beherrscht, wäre Jerome Boateng. Gegen die TSG Hoffenheim kamen 8 seiner 11 langen Pässe an. Costa konnte durch diese Verlagerungen immer wieder viel Raum bekommen. Gerade in der ersten Halbzeit erspielte sich der FC Bayern die meisten Tormöglichkeiten nach langen Bällen auf die Außenspieler.

Da neben Medhi Benatia und Jerome Boateng auch noch Holger Badstuber und Javi Martinez weiterhin verletzt fehlen, steht mit Dante nur noch ein gelernter Innenverteidiger zur Verfügung. Dante selber war gegen den Hamburger SV leicht angeschlagen und stand deswegen nicht im Kader. Auch gegen Hoffenheim bekam er keine Chance. Viel mehr brachte Pep Gaurdiola besagten Rafinha. Immerhin konnte er während des Freundschaftsspiels in Dresden etwas Spielpraxis sammeln. Alaba und Rafinha dürften unabhängig von der taktischen Aufstellung gesetzt sein, allerdings müssen sich beide weiter steigern. Alaba leitete durch seinen Fehler das schnellste Tor der Bundesligageschichte ein. Auch gegen Wolfsburg und im DFB-Pokal hatte er seine Probleme. Der Formaufbau nach seiner Knieverletzung dauert immer noch an. Rafinhas individueller Fehler in der zweiten Halbzeit war der Dominostein für die Abwehrprobleme, da er den Platzverweis von Boateng einleitete. (Was im übrigen keine Entschuldigung sein sollte.)

Guardiolas Alternativen

Taktisch muss Pep Guardiola nun eine Grundsatzentscheidung treffen. Setzt er auf eine Dreier-/Fünferkette oder versucht er eine Viererkette gegen Leverkusen. Die naheliegende Variante wäre jene aus der Endphase gegen Hoffenheim: Eine Dreierkette mit Alaba, Alsono und Rafinha. Zumal Alonso sich nicht dem Pressing im Mittelkreis stellen müsste und so (zumindest theoretisch) etwas mehr Zeit zum Spielaufbau bekommen würde. Zudem kann er die langen Bälle in ähnlicher Qualität spielen wie Boateng. Gegen Hoffenheim fanden 9 von 15 langen Bällen ihr Ziel.


Mögliche Aufstellung gegen Leverkusen. Die Dreierkette könnte im Bedarfsfall zur Fünferkette werden.

Etwas mehr defensive Stabilität könnte das Konstrukt in einer 3-4-3 Grundformation mit Bernat und Lahm im Mittelfeld bekommen. So könnte im Bedarfsfall die Dreierkette zur Fünferkette werden. Was die Abstände untereinander verkürzt und den Spielaufbau aus dem letzten Drittel erleichtert. Auch defensiv wäre die Unterstützung von Bernat und Lahm gegen die schnellen Außenspieler Bellarabi und Brandt/Son sicherlich eine sinnvolle Variante. Natürlich könnte auch Dante den Part im Zentrum der Dreierkette übernehmen. Die Frage wird aber sein, ob Pep Guardiola ihm diese Rolle mit der bisher eher wenigen Spielpraxis zutraut. Des Weiteren wäre Alonso dann im Mittelfeld dem erhöhten Pressing der Mittelfeldspieler von Leverkusen ausgesetzt.

Eine mögliche Alternative wäre die Rückkehr zur Vierkette. Hier dürfte Dante gesetzt sein. Sein Partner wäre Alaba, wie bereits in einigen Testspielen gesehen. Das 4-1-4-1 könnte durch das Außenverteidiger-Pärchen Bernat und Rafinha ergänzt werden. Alonso würde wohl oftmals abkippen und sich zwischen die beiden Innenverteidiger fallen lassen, um das Winkelproblem zu lösen.


Alternativ wäre die Viererkette eine Option. Allerdings sind Dante und Alaba beide Linksfuß. Ein Problem im Spielaufbau.

Schließlich nutzen Alaba und Dante vorrangig den linken Fuß zum Spielaufbau. Leverkusen könnte dies durch geschicktes Anlaufen ausnutzen, weshalb ein zusätzlicher Spieler unumgänglich im Aufbau wäre. Ein Nachteil dieser Variante ist, dass durch das Abkippen von Alonso der Übergang vom Abwehr- ins Mittelfelddrittel erschwert wird, weil die vertikalen Abstände zu groß werden. Ein Problem, das vor allem gegen den Hamburger SV, aber auch im DFB-Pokal gegen Nöttingen zu sehen war.

Egal wie sich Pep Guardiola sich in der Abwehr entscheidet, durch die Sperre und die Verletzung wird einmal mehr offensichtlich, dass der FC Bayern auf einen großen Kader angewiesen ist. Ein Verkauf vom letzten einsatzfähigen Abwehrspieler – vielleicht sogar nach Leverkusen – dürfte damit zumindest bis zum Samstagabend vom Tisch ein. Anschließend folgt eine Länderspielpause in der Spieler wie Martinez, der wohl nah am Wiedereinstieg ins Mannschaftstraining ist, wieder zu Alternativen werden. Auch Badstuber und Kirchhoff stiegen unlängst ins Lauftraining ein.