Vor der Wiederwahl: Fünf Dinge, die Hainer besser machen muss
Seit 2019 steht Herbert Hainer als Präsident an der Spitze des FC Bayern München e.V. Am 2. November kandidiert er erneut für das nominell höchste Amt im Staate FC Bayern.
Nominiert für die Wahl wurde er wie üblich vom Verwaltungsbeirat des FC Bayern, jenes Gremiums, das Hainer und sein Präsidium berufen haben. Nach der Wahl wird das Präsidium erneut den Verwaltungsbeirat berufen. Und dieser Verwaltungsbeirat wird dann wiederum entscheiden, wer bei der nächsten Präsidiumswahl kandidieren darf.
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Vor seiner Zeit beim FC Bayern war Hainer lange Jahre als CEO von Adidas, wo er über 50.000 Mitarbeitende führte und Milliardenumsätze verantwortete und ein großes Netzwerk in der Sportbranche aufbaute.
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Sportlich begann seine Amtszeit beim FC Bayern intensiv: mit Corona-Pandemie und dem Triple 2020. Danach lief es sportlich einige Jahre durchwachsen. Auch neben dem Platz gab es kontroverse Themen, wie etwa die Diskussion um das Katar-Sponsoring und eine chaotische Mitgliederversammlung 2021.
Hainers Wiederwahl gilt als sicher, nicht zuletzt mangels Gegenkandidat*innen. Bequem zurücklehnen sollte er sich nicht. Miasanrot nennt fünf Dinge, die Hainer in seiner nächsten Amtszeit besser als bisher lösen sollte.
1. Ein besseres Händchen und langfristige Planung bei der Besetzung der Vorstandsposten der FC Bayern AG
Die Liste an Vorständen, die unter Herbert Hainers Aufsicht das Amt wieder verlassen haben, ist inzwischen länger als jene der aktuell tätigen. Mit Oliver Kahn, Hasan Salihamidžić und zuletzt Michael Diederich sind zuletzt drei Vorstände nach vergleichsweise kurzer Amtszeit ausgeschieden. Kurz davor verließen auch die langjährigen Vorstände Jörg Wacker und Andreas Jung den Club. Und der aktuelle CEO Jan-Christian Dreesen verabschiedete sich erst als Finanzvorstand, nur um dann als Kahn-Nachfolger als CEO einzuspringen.
Dass Hoeneß und Rummenigge jenen Kahn als Rummenigge-Nachfolger vorsahen, ist mit Blick auf ihren eigenen Lebensweg erklärbar. Genau an der Stelle hätte Hainer als erfahrener Wirtschaftslenker einschreiten müssen und für den im Top-Management gänzlich unerfahrenen Kahn erst einige Lehrjahre in einer anderen Rolle beim FC Bayern nahelegen müssen.
FC Bayern hat sich geschwächt
Mit der personellen Fluktuation der letzten Jahre geht eine starke inhaltliche Schwankung einher:
- Mit Jung und Wacker waren Themen wie Internationalisierung, Vermarktung und Marketing im Vorstand stark präsentiert.
- Mit Kahn und Salihamidžić lag der Fokus auf Ex-Profierfahrung.
- Mit Dreesen und Diederich dominierte Finanzfachwissen.
Die inhaltliche Aufstellung des Vorstands folgte eher einer Reaktion auf kurzfristige Vakanzen als einem strategischen Gesamtkonzept mit klarem Plan, welche Kompetenzen und Zuschnitte im Vorstand besetzt sein sollten.
Mit der Berufung von Rouven Kasper als neuem Vorstand für Marketing und Vertrieb zeichnet sich nun erstmals seit Längerem wieder eine stringente Ressortaufteilung ab. Sein Profil könnte eine wertvolle Ergänzung zu Eberl und Dreesen darstellen. Doch auch wenn diese Besetzung ein Schritt in die richtige Richtung ist, bleiben grundsätzliche Fragen: Ist ein dreiköpfiger Vorstand für ein global agierendes Unternehmen dieser Größenordnung ausreichend? Sind die drei die Richtigen für Impulse bei Zukunftsthemen wie Innovation, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Internationalisierung?
Herbert Hainer muss hier künftig stärker in seiner Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender agieren: mit Weitblick, Struktur und einem klaren Verständnis davon, welche Kompetenzen der FC Bayern im Vorstand auf wie viele und welche Schultern verteilt werden sollten.
2. Hainer muss den Aufsichtsrat in den Griff bekommen
Ob bei Trainersuche oder während des Transfersommers: Der Aufsichtsrat ist stets omnipräsent in den Medien. Oft. Zu oft. Viel zu oft. Meist in Person von Uli Hoeneß, der sich nicht scheut, seinen Vorständen mediale Ratschläge oder Aufträge zu erteilen.
Aber es sind nicht nur die expliziten Interviews und Stellungnahmen von Hoeneß. Auch wenn er schweigt, zirkulieren Tagesordnungen und geplante Beschlüsse von Aufsichtsratssitzungen vorab in Medien. Und während der vertraulichen Sitzungen wirkt es fast, als säßen Report zum Livetickern mit im Sitzungsraum.
Neben der Kommunikation scheinen auch die Kompetenzen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand nicht immer eindeutig geregelt und den Verantwortlichen klar zu sein. Aufsichtsräte führen ihre Vorstände heute enger und aktiver als es vielleicht noch in den 1980ern der Fall war. Die Mitsprache des Aufsichtsrates bei strategischen Themen und bei Transaktionen im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich ist angemessen. Die Art und Weise, wie dies in den letzten Jahren geschah, ist es nicht.
Hainer kommt hier eine entscheidende Rolle zu. Als Präsident des FC Bayern e.V. vertritt er den Mehrheitsgesellschafter der AG. Er ist der nominell wichtigste Entscheider. Als Chef des Aufsichtsrats kommt ihm diese Rolle explizit zu. Bisher hat Hainer sich in seiner Rolle nicht von Uli Hoeneß emanzipiert. Er scheint Hoeneß und dem restlichen Aufsichtsrat eine lange Leine zu gewähren. Kann oder will er den Aufsichtsrat bisher nicht enger führen?
3. Hainer muss die Gremien des FC Bayern diverser besetzen
Der aktuelle Aufsichtsrat des FC Bayern besteht aus neun Männern, der Vorstand aus drei weiteren. Frauen in Top-Gremien? Fehlanzeige. Damit hängt der Rekordmeister in puncto Diversität im vergangenen Jahrhundert fest. Die Besetzung der Gremien wirkt wie eine Persiflage auf Mad Men.
Die Initiative “Fußball kann mehr” hat die Gremien der 36 deutschen Profifußballvereine der Saison 2024/25 analysiert: Mit dem Frauen-zu-Männer-Verhältnis von 0:12 gehört der FC Bayern im nicht vor Diversität strotzenden Profifußball zu den Vereinen mit der größten Männerdominanz.
Vereine wie der FC St. Pauli mit drei von sieben weiblichen Vorständen und vier von sieben weiblichen Aufsichtsrätinnen zeigen, dass es auch anders geht. Diversität erweitert den Pool an Erfahrungen, Netzwerken und Perspektiven. Das hilft auch bei strategischen Entscheidungen.
Die Floskel “es geht um Kompetenz, nicht um Geschlecht” verfehlt beim FC Bayern den Punkt. Dafür sind die Fluktuation im Vorstand und die Arbeitsweise des Aufsichtsrates zu unglücklich. Es ist überfällig, dass Hainer schrittweise Positionen in Aufsichtsrat und Vorstand der FC Bayern AG mit Frauen besetzt.
4. Als Präsident den Willen der Mitglieder vertreten
Ob Debatte ums Katar-Sponsoring, DFL-Investoreneinstieg, Jérôme Boateng oder das Thema 50+1: Wenn es Fans und Mitglieder des FC Bayern um grundsätzliche Wertefragen ging, hält sich Herbert Hainer in der Öffentlichkeit oft zurück.
Bei der Debatte ums Katar-Sponsoring etwa bügelte er den Antrag von Vereinsmitglied Michael Ott mit dem Verweis auf die formale Zuständigkeit der AG ab. Als könne Hainer als Mehrheitsgesellschafter und Aufsichtsrat nicht auf den Vorstand dieser AG einwirken. Dass Hainer als Vereinspräsident nicht immer dem Mehrheitswillen der Mitglieder Folge leistet, ist normal. Zumal es unter mittlerweile 410.000 Mitgliedern naturgemäß unterschiedliche Meinungen zu den meisten Themen gibt und die lauten Meinungen nicht immer die Mehrheitsmeinungen sind.
Und doch: Die Mitglieder sind der Verein. Gerade das ist die Besonderheit der deutschen Vereinsstruktur. Beim FC Bayern wirkt es oft als störten die Mitglieder das Management am Durchregieren. Dabei haben die Mitglieder nicht nur ein gutes Gespür, sondern legitime Interessen, wenn es um zentrale Werte des Vereins oder wegweisende, strukturelle Entscheidungen zur Zukunft des deutschen Profifußballs geht.
Warum hat sich der Verein auf der Mitgliederversammlung kein Mandat geholt, bevor er bei der DFL-Generalversammlung pro Investorendeal abstimmte? Warum wird die aktuelle 50+1-Frage nicht mit den Mitgliedern geführt? Die Südkurve hat sich mehrfach klar positioniert.
Als Präsident sollte Hainer den Willen der Mitglieder vertreten oder sie von unbequemen, aber notwendigen Entscheidungen überzeugen. Was nicht geht: Themen aussitzen, in Hinterzimmern entscheiden und sich hinter formalen Zuständigkeiten verstecken. Wer so führt, führt am Souverän des Vereins, an der Mitgliederversammlung und den Mitgliedern vorbei.
5. Strukturen ändern und Mitsprache für Mitglieder verankern
Der FC Bayern ist kein politisches Parlament und kein Ort für populistische Grabenkämpfe. Es gibt gute Gründe für Kontinuität und Stabilität in der Führung des Clubs. Aber das darf kein Freifahrtschein für ein System sein, das auf faktischer Alternativlosigkeit beruht.
Ein Blick in die Satzung des FC Bayern offenbart jedoch eine tatsächliche Machtlosigkeit für die Mitglieder, wenn es um die Wahl von Vereinsgremien geht. Das Präsidium beruft den Verwaltungsbeirat. Der Verwaltungsbeirat wiederum bestimmt, wer für das Präsidium kandidieren darf. Das Ergebnis: ein geschlossener Zirkel und die De-Facto-Entscheidung über Führungspositionen in Hinterzimmern.
Gehört werden Mitglieder und Fans bisher dann, wenn sie sich Luft machen, in der Südkurve, per Petition oder auf der Mitgliederversammlung. Zusätzlich gibt es beim FC Bayern Initiativen wie den Arbeitskreis Fandialog. Das ist löblich, aber weit weg von formaler Mitbestimmung für Mitglieder.
Es wäre an der Zeit, über neue Wege nachzudenken. Warum besteht der Verwaltungsbeirat nicht zumindest teilweise aus Vertretern aus der Mitte der Mitgliedschaft? Warum keine theoretische Möglichkeit, mit einem Quorum an Unterschriften Kandidatinnen fürs Präsidium außerhalb der Vorschläge des Verwaltungsbeirats aufzustellen?
Die Satzung des FC Bayern braucht ein Update. Teilhabe bedeutet mehr als Applaus und Anwesenheit. Die Mitglieder verdienen Strukturen, die ihnen nicht nur zuhören, sondern auch Verantwortung übergeben.
Fazit: Hainer hat noch unerledigte Hausaufgaben beim FC Bayern
Herbert Hainer ist ein erfahrener, besonnener Präsident. Mit Herzblut, Einsatz und wirtschaftlicher Expertise führte er den FC Bayern durch herausfordernde Zeiten wie die Corona-Pandemie. Der Klub ist sportlich wie wirtschaftlich hervorragend aufgestellt und in vielen Bereichen top geführt.
Und doch bleiben zentrale Aufgaben offen. Vor allem dort, wo es über Bilanzen und Tabellenstände hinausgeht: bei Fragen von Führungskultur, Werten, Diversität und echter Mitbestimmung. Hier wurde Hainer den Erwartungen an ihn noch nicht vollends gerecht. Hier kann er in der nächsten Amtszeit nachlegen. An seiner Eignung für die Aufgaben bestehen keine Zweifel. Und an seiner Wiederwahl ebenfalls nicht.
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