Uli Hoeneß: Wer ist hier der Boss?

Florian Trenner 19.05.2024

Uli Hoeneß hat auf dem Papier kein offizielles Amt beim FC Bayern München mehr inne. Der ehemalige Spieler, Manager und Präsident ist als Ehrenpräsident Mitglied des Aufsichtsrat. Eine Rolle, mit der er sich nicht zufrieden zugeben scheint. Ein Problem, das schon länger existiert und dem FC Bayern schadet. Ganz aktuell in der Trainersuche und mit der Absage von Thomas Tuchel.

Der FC Hollywood ist zurück

US-Sitcoms erfreuen sich in Deutschland seit jeher großer Beliebtheit. Dabei ist das Konzept dieser Sendungen eigentlich immer dasselbe: Verschiedene Charaktere werden, gerne überzeichnet, in eine Story gepackt, die sich wahlweise in einer WG, in einem großen Freundeskreis oder in einem Einfamilien-Haus in einer Kleinstadt abspielen.

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Die einzelnen Folgen handeln von alltäglichen Problemen und Absurditäten, Konflikte und Lacher also vorprogrammiert. Der FC Bayern München, früher gerne „FC Hollywood“ genannt, ist dank der grotesken Trainersuche und der endgültigen Absage von Thomas Tuchel auf dem besten Weg ein preisgekröntes Drehbuch zu liefern und ein grandioses Comeback im Showbusiness zu feiern. Es müsste sich nur noch Jemand an die Verfilmung wagen.

Doch wer sind die Hauptdarsteller unserer Geschichte? Natürlich kann die Geschichte des FC Bayern nicht ohne Uli Hoeneß erzählt werden. Uli Hoeneß gehört zum FC Bayern. Und der FC Bayern gehört zu Uli Hoeneß. Das war, ist und wird so lange der Fall sein, bis der liebe Gott den Uli in den Fußballhimmel holt.

Die Verdienste von Hoeneß für „seinen“ FC Bayern sind dabei unbestritten: Er hat als Spieler mit diesem Verein alles gewonnen, was es zu gewinnen gab und führte den Klub als Manager von der sportlichen Bedeutungslosigkeit zur europäischen Spitze und Finanzmacht.

Wer hat eigentlich das Sagen beim FC Bayern?

Doch lassen mir die Vergangenheit mal beiseite. Auf dem Papier ist Uli Hoeneß heute Ehrenpräsident des FC Bayern München e.V. und somit eines der neun Mitglieder des Aufsichtrats der FC Bayern München AG.

Nur noch einmal zur Verdeutlichung: Ein Aufsichtsrat hat eine kontrollierende und beratende Funktion, d.h. er schaut dem Vorstand, also Jan-Christian Dreesen, Dr. Michael Diederich, Max Eberl und Andreas Jung auf die Finger.

Mit Blick auf die Zusammenstellung des Vorstands der FC Bayern AG fällt schnell auf, dass der Fokus bei der Besetzung nicht ausschließlich auf sportlicher Kompetenz lag. Nur allzu verständlich bei einem Unternehmen, das mehrere Millionen Euro im Jahr erwirtschaftet und mehrere hunderte Angestellte beschäftigt.

Doch, und das wusste schon Alfred Preißler, „entscheidend ist auf dem Platz“: Der FC Bayern ist nur dann auch in den Bilanzen erfolgreich, wenn auf dem Fußballplatz die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Und hier liegt der Hund begraben.

Ein Machtvakuum entsteht: FC Bayern ist führungslos

Als Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic am letzten Spieltag der vergangenen Saison entlassen werden, stehen die Bayern zwar mit der Meisterschale aber ohne Führung da. Thomas Tuchel, von Kahn und Salihamidzic verpflichtet, hat keinen Sportdirektor und keinen Vorstand an seiner Seite.

Die Suche nach einem Hoeneß-Nachfolger, sie beginnt erneut. Oder war sie jemals abgeschlossen? Schon damals geisterte der Name „Eberl“ durch die Gänge der Säbener Straße, alleine Vollzug melden konnte man noch nicht.

Wie gut, dass mit Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß im Aufsichtsrat des FC Bayern zwei ausgewiesene Experten sitzen, die jahrzehntelang erfolgreich die (Transfer-)Geschäfte des Rekordmeisters wuppten. Die Planung der Saison 2023/2024 fällt nun wieder in die Hände zweier Männer, die sich schon einige Zeit aus dem Daily Business verabschiedet haben. Oder doch nicht?

Abteilung Attacke: Uli Hoeneß gegen den Rest der Welt

In seiner Zeit als Manager scheute Hoeneß keine Auseinandersetzungen mit anderen Klubverantwortlichen, er verteidigte als Einzelkämpfer seine Spieler und den Klub als Ganzes wie ein Vater seine Kinder. Unvergessen seine Auseinandersetzung mit Christoph Daum im Sportstudio oder seine Scharmützel mit Werder Bremens Willi Lemke.

Als Visionär sorgte er zudem früh für neue Einnahmequellen im Merchandising und er war maßgeblich am Bau der Allianz Arena im Münchner Norden beteiligt. All sein Tun immer mit einem Ziel: Zum Wohle des FC Bayern.

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Uli Hoeneß liefert sich einen verbalen Schlagabtausch mit Christoph Daum

Wenn man wie Hoeneß eine solche starke Position, bei einem solch prominenten Verein innehat, fliegen einem jedoch nicht nur die Herzen der Fans zu. Hoeneß polarisiert. Und sein Wort hat Gewicht. Mit diesem Wissen greift Hoeneß gerne mal zum Hörer und lässt sich in den „Doppelpass“ schalten, wenn ihm eine Aussage eines Gastes nicht passt. Sehr zur Erheiterung der Fans.

Doch nicht nur extern, auch intern weiß sich Hoeneß Gehör zu schaffen. Sehr zum Leidwesen von Thomas Tuchel, der im vergangenen Sommer immer wieder eine „Holding Six“, einen defensiv deckenden Sechser fordert und diesen nicht erhält.

Forderungen und Ideen, die in einer normalen Konstellation, von einem Sportdirektor oder Sportvorstand moderiert worden wären, landen nun ungefiltert auf dem Tisch von Hoeneß und Co. Ideal ist das mit Sicherheit nicht.

Schon damals wurde jede Personalie öffentlichkeitswirksam diskutiert und Tuchel, immer noch ohne direkten Vorgesetzten, durfte und musste vor der Presse dazu Stellung nehmen. So entstanden früh in der Saison Nebenschauplätze die auf ein Machtvakuum trafen. Weil Niemand da war, der die Situation moderieren konnte oder wollte.

Uli Hoeneß: die Haft und die Folgen

Der FC Bayern ohne einen starken Mann. Diese Situation gab es schon einmal, allerdings mit anderem Ausgang. Als im Jahr 2013 die Steuerhinterziehung von Hoeneß, mittlerweile Präsident des FC Bayern, publik wird und er ein Jahr später in Haft muss, wird er für viele Fans vom sozialen Unternehmer und Fußballfunktionär zum Verbrecher. Das Denkmal Hoeneß wackelt.

Und gleichermaßen muss Hoeneß miterleben, dass er beim FC Bayern, und das ist eigentlich das unvorstellbare, austauschbar geworden ist. Die Geschicke an der Säbener Straße laufen ohne den Schwaben sportlich hervorragend und ziemlich geräuschlos von Statten.

Eigentlich so, wie Hoeneß es sich selbst immer gewünscht hat. Im November 2018 gibt er zu Protokoll „Ewig am Stuhl kleben“ sei keine Option für ihn. „Irgendwann ist Ende. Je eher, desto besser.“ Und als im November 2019 Herbert Hainer das Präsidenten-Amt von Hoeneß übernimmt, denken viele in und um München, dass es ruhig um den einstigen Weltmeister wird. Doch weit gefehlt.

Hoeneß hat immer noch das Sagen

Hoeneß hat nach wie vor seine Augen und Ohren im Verein. Und in Person von Hasan Salihamidzic zu dieser Zeit einen Vertrauten in der sportlichen Führungsebene installiert. Hoeneß kann und will nicht loslassen. Und die Medien wissen um diese Situation.

Als sich der FC Bayern in einer etwas unruhigen Phase befindet lässt sich Hoeneß, damals noch Präsident, zu einer unrühmlichen Pressekonferenz hinreißen. Zusammen mit Karl-Heinz Rummenigge faltet er die anwesenden Journalisten und Ex-Spieler Juan Bernat zusammen. Ein kommunikatives Desaster und ein No-Go.

Es brodelt im Verein. Und in Hoeneß. Als er auf der Jahreshauptversammlung 2019 von einem Fan kritisiert wird, vermutet er im Nachhinein einen Komplott der Medien. Hoeneß scheint es nicht gewohnt zu sein für seine Arbeit Kritik aus den eigenen Reihen zu erfahren. Doch auch er kritisiert in der Folge den eigenen Verein und die handelnden Personen.

Hoeneß und das Spiel mit dem Feuer

Oliver Kahns Einstellung zum Vorstandsvorsitzenden kritisiert Hoeneß als „ein großer Fehler“ und wirft dem ehemaligen Torwart dabei noch eine schlechte Arbeitseinstellung vor. Kahns Antwort lässt nicht lange warten. Hoeneß erinnere ihn an die Serie Succession: „Eine grandiose Serie über einen Patriarchen und mächtigen Medienmogul, der keinen für fähig hält, ihn zu beerben.“ Treffer, versenkt.

Uli Hoeneß ist auch heute noch ein gefragter Interview-Partner. Vermutlich gibt er sogar mehr Interviews als die eigentlich leitenden Personen Max Eberl, Christoph Freund und Herbert Hainer. Zumindest haben Hoeneß‘ Worte noch immer eine solche Tragweite, dass sie über Tage hinweg diskutiert werden. Ein Umstand, den Hoeneß selbst einmal kritisierte, da durch die sozialen Medien und das Internet seine Aussagen nicht in Vergessenheit geraten würden. Gelernt hat er aber daraus nicht.

Wenn Hoeneß also Thomas Tuchel kritisiert oder sich zu Transfers und Trainer-Entscheidungen äußert, schadet er dem Verein. Warum? Weil er es nicht ist, der diese Punkte kommentieren sollte. Weil er im Zweifel nicht alle Details kennt („Ich bin überzeugt, mit dem (Zidane) hat kein Mensch gesprochen“). Weil der Verein in der aktuellen Phase keine öffentlichen Diskussionen gebrauchen kann.

Details aus Verhandlungen gehören genau dorthin, wo sie stattfinden: dem Verhandlungstisch. Und eben nicht in die Öffentlichkeit. Hoeneß titulierte Ralf Rangnick öffentlich als Trainerkandidat Nummer 3. Der Ausgang ist bekannt.

Wer trifft die Entscheidungen beim FC Bayern?

Die Vertragsverlängerung mit Tuchel scheitert. Weil Hoeneß dagegen war? Der Verdacht liegt nahe. Die Süddeutsche Zeitung berichtet davon, dass Eberl und Freund wohl das OK vom Aufsichtsrat für eine Vertragsverlängerung mit Thomas Tuchel hatten, allerdings soll das mündlich unterbreitete Angebot (ein Dreijahresvertrag für Tuchel) so nie verschriftlicht worden sein.

Hat also der Aufsichtsrat selbst hier in das Tagesgeschäft eingegriffen?

Bei „Wer ist hier der Boss“ streiten sich die Protagonisten um die Frage, wer im Haus eigentlich das Sagen hat. Es geht um Rollenbilder und Verantwortlichkeiten. In der Sitcom auf der einen Seite der Hausmann und die berufstätige Frau.

Beim FC Bayern haben wir ein ähnliches Szenario: Einen Vorstand, dem vor der Installierung von Max Eberl, die sportliche Kompetenz fehlt. Einen Sportdirektor Freund, der sich beim FC Bayern und in der Bundesliga erst noch beweisen muss. Und Uli Hoeneß.

Die Bewährungsprobe für Eberl und Freund

Max Eberl und Christoph Freund stehen vor einer Herkulesaufgabe. Sie müssen nun an mehreren Fronten kämpfen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Zum einen muss schnellstens ein Trainer gefunden werden, der nun bereits vor der Installation geschwächt ist. Dann muss eine schlagkräftige Mannschaft aufgebaut werden. Und zu guter Letzt muss dies alles intern moderiert und nach außen kommuniziert werden.

Max Eberl und Christoph Freund brauchen dafür Vertrauen und Entscheidungsbefugnisse. Sie benötigen einen Ehrenpräsidenten der sich zurücknimmt und ihnen das Feld überlässt. Nur so können sie sich und den Verein weiterentwickeln.



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