Vorschau auf das Pokal-Halbfinale: FC Bayern München – Eintracht Frankfurt

Justin Trenner 09.06.2020

Es war eine deutliche Geschichte, als Eintracht Frankfurt vor wenigen Tagen letztmals in der Münchner Allianz Arena antrat. Bis auf eine kurze Phase, in der zwei Standardtore die Hoffnungen der Eintracht-Fans auf einen anderen Spielverlauf weckten, agierten die Bayern sehr souverän und abgeklärt.

Frankfurts Pressing lief mehrfach ins Leere, die Bayern behielten ihre Nerven im Spielaufbau sowie vor dem Tor und auch Einladungen des Gegners wie bei Alphonso Davies‘ Treffer passten in einen runden Abend.

Nun ist die große Frage, was sich innerhalb nur weniger Tage geändert haben soll. Frankfurt dümpelt in der Liga weiterhin von Spieltag zu Spieltag in dem Wissen, dass der Klassenerhalt feststeht und nach oben wenig geht. Auf der anderen Seite marschieren die Bayern vorne mit einer immer breiteren Brust. Selbst ein früher Rückstand wie am vergangenen Wochenende konnte den Serienmeister nicht aus dem Konzept bringen.

Ein anderes Spiel als beim letzten Mal?

Doch ganz so einfach ist die Rechnung vor dem Halbfinale dann wohl doch nicht. Selbst wenn die Bayern klarer Favorit auf den Einzug ins Endspiel sind, so steht die Partie unter ganz anderen Vorzeichen als zuletzt in der Bundesliga.

Im Gegensatz zu damals steht für Frankfurt einiges mehr auf dem Spiel. Der DFB-Pokal ist für die Hessen die letzte realistische Chance auf ein Europapokal-Ticket. Schlagen sie die Bayern, winkt eine weitere Saison mit Teilnahme an der Europa League. Jenem Wettbewerb, in dem die Frankfurter in den letzten Jahren für viel Furore sorgten.

Dass neben der emotionalen Komponente aber auch finanzielle Aspekte dranhängen, die wiederum die Kaderplanung und die Ambitionen des ganzen Klubs beeinflussen könnten, macht dieses Halbfinale fast schon zu einem Endspiel für die Frankfurter. Umso bitterer ist es für die Eintracht, dass Schlüsselspieler Kostic gesperrt fehlen wird.

Rückt Thiago schon in die Startelf?

Wie unangenehm die SGE sein kann, wenn sie nicht selbst das Spiel machen muss, hat sie in den letzten Monaten und Jahren mehrfach bewiesen. Für den FC Bayern wird es deshalb entscheidend sein, im Vergleich zum Bundesliga-Alltag einen Gang hochzuschalten. Das mag auf den ersten Blick absurd wirken, haben die Münchner ihre letzten Gegner doch recht locker hergespielt. Aber im Pokal ist mit einer nochmal höheren Intensität zu rechnen – erst recht unter diesen Ausgangsbedingungen.

Personell wird es bei den Bayern vermutlich erneut keine größeren Veränderungen geben. Flick möchte nichts riskieren, muss gleichzeitig aber auch die Zufriedenheit des restlichen Kaders im Blick behalten. Die einzig spannende Frage ist, ob Thiago bereit für sein Startelf-Comeback ist und ob Flick mit ihm in dieser Partie plant. Sowohl Frankfurt als auch Gladbach sind Mannschaften, die im Mittelfeldzentrum den Druck hochhalten (wollen). Thiago wäre möglicherweise die Komponente, um dem Druck Ruhe und Sicherheit entgegenzusetzen. Am kommenden Wochenende werden Lewandowski und Müller gesperrt fehlen. Spätestens dann wird Thiago die Chance bekommen, seinen Stammplatz zurückzuerobern. Einfach wird das trotz seiner enormen Wichtigkeit für das Team nicht, hat doch gerade Goretzka zuletzt einige Schritte nach vorn gemacht.

Er und Müller sind eher Spieler, die für Vertikalität und viele (Gegen-)Pressingmomente stehen. Verzichtbarer als die beiden scheinen trotz guter Leistung in Leverkusen die Flügelspieler zu sein. Vielleicht baut Flick deshalb sogar etwas mehr um und bringt eine asymmetrische Formation zurück, in der Müller von rechts stark einrückt und so das Mittelfeld verstärkt. Dann könnten er, Thiago, Goretzka und Kimmich gemeinsam auflaufen, während Coman und Gnabry sich um den Platz auf der linken Seite streiten.

Auf diese drei Aspekte könnte es am Mittwochabend ankommen

Erfolgreich waren alle dieser Varianten zuletzt. Das macht es für Flick paradoxerweise eher schwerer als leichter. Gerade mit Blick auf den Saisonendspurt wird diese Diskussion noch an Fahrt aufnehmen. Doch beim FC Bayern ist die Konkurrenzsituation eben im Idealfall so, dass es immer unzufriedene Stars auf der Bank geben muss. Es ist die Aufgabe und Pflicht des Trainers, damit zurechtzukommen und Einzelschicksale den gemeinsamen Zielen unterzuordnen. Bisher gelang ihm das sehr gut. Auch wenn es noch keine richtige Krise unter Flick gab.

Aus taktischer Perspektive wird es gegen Frankfurt vor allem auf drei Aspekte ankommen: Das Pressing der Hessen ins Leere laufen zu lassen, sich selbst viel zu bewegen und so Gegenspieler aus den Positionen zu ziehen sowie die Ruhe am Ball zu bewahren. In unserer achten Folge von „Mia san Rotstift“ erklären wir, was damit im Detail gemeint ist:

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Ob es wieder eine deutliche Angelegenheit wird, liegt wohl ganz bei den Bayern. Machen sie den Fehler, im Alltagsmodus der Bundesliga zu bleiben, könnte Frankfurt sie kalt erwischen. Nehmen sie die Intensität des Pokalspiels aber an und setzen ihr Spiel letztendlich durch, steht einem souveränen Einzug ins Endspiel nur wenig im Weg.

Flick ist im Moment vor allem in einem Bereich sehr gefordert: Er muss die Konzentration und den Fokus der Mannschaft aufrecht erhalten. Er muss seiner Mannschaft, die seit 20 Pflichtspielen ungeschlagen ist (19 Siege), erklären und vermitteln, dass ihr eine Mannschaft, die aus den letzten 20 Pflichtspielen nur fünf Siege geholt hat, gefährlich werden kann. Und er muss sie daran glauben lassen, dass ein so deutlicher Sieg wie zuletzt beim 5:2 nur dann möglich ist, wenn alle Spieler ihre Aufgabe mit der größtmöglichen Konzentration angehen. Bei den Bayern wirkt im Moment alles so einfach. Doch das ist nur möglich, wenn sie selbst die Bescheidenheit und Demut nicht verlieren.


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