Vorschau: Pokalfinale gegen RB Leipzig
Wenn die Bundesliga der ehrlichste Titel Deutschlands ist, ist der DFB-Pokal womöglich der spektakulärste. Wer einmal in Berlin am Finale teilgenommen hat, wird süchtig danach. Selbst der FC Bayern, der an 11 der 19 Endspiele dieses Jahrtausends teilnahm und den Pokal dabei 9 Mal in den Nachthimmel stemmen konnte, wird nicht satt.
Nun also das 12. Finale aus 20 möglichen Teilnahmen. Erstmals geht es dort gegen RB Leipzig. Ein Klub, mit dem der FC Bayern erst kürzlich eine kleine, durchaus spannende und ansehnliche Fehde startete. Auf der sportlichen Ebene bot dieses Duell viel Spektakel.
5:4 in einem Bundesliga-Spiel, Sieg im Elfmeterschießen in der 2. Runde des DFB-Pokals 2017/18, einige Platzverweise für RaBa – meistens verlief die Spielgeschichte zu Gunsten des FC Bayern. Doch darauf sollten sich die Münchner am Samstagabend nicht verlassen.
RB Leipzig: Zwischen Unterhaltung und Marketingprodukt
In diesem Jahr feierte RB Leipzig zehnjähriges Bestehen. Zehn Jahre, in denen sich der Klub mit den Geldern von Red Bull in die erste Liga kaufte, aber auch spielte. Bei aller berechtigten Kritik am Marketingkonstrukt wird nämlich häufig vergessen, dass RB das Geld in den meisten Fällen klug investiert und einsetzt.
Nicht nur die den ganzen Klub durchdringende Spielphilosophie ist hier zu nennen, sondern auch eine clevere Transferstrategie, bei der die Ausbildung junger Spieler auf höchstem Niveau fokussiert wird. Illsanker und Kampl (beide zum Zeitpunkt des Wechsels 26) waren die ältesten Neuzugänge in den letzten Jahren. Davor gab es mit Rodnei (29), Compper (29), Mrowiec (28) und ein paar anderen Spielern wenige Ausnahmen, die das Durchschnittsalter hoben.
Doch Leipzig hat offensichtlich Erfolg mit seinem Konzept. Das gilt es neidlos anzuerkennen. Woher das Geld und einige Spieler (Stichwort RB Salzburg oder andere Zweigvereine) kommen und wie sympathisch der Klub für viele Fans ist, ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass Leipzig klüger agiert als viele Bundesligisten mit ähnlichem Etat. Und das führt nicht zuletzt dazu, dass Leipzig auf fußballerischer Ebene seit Jahren unterhalten kann.
Das wichtigste Spiel der jungen Vereinsgeschichte
Das wollen sie auch im Pokalfinale umsetzen. Gegen den FC Bayern konnten sie vor zwei Wochen bereits in Ansätzen zeigen, dass Berlin sich auf ein tolles Fußballspiel freuen darf. Flexibles und in der Höhe variiertes Anlaufen, schnelle Kombinationen bei Ballgewinnen, Tempo und Zug zum Tor in der Offensive – RaBa bringt alles mit, um Bayern wehzutun.
Doch im Finale wird Rangnicks Elf noch mindestens zwei Schippen oben drauf legen. Sah es in vielen Phasen der ersten Halbzeit noch so aus, als könnten sie Bayern das Tempo diktieren und die Kontrolle auch ohne Ball übernehmen, so verloren sie im zweiten Durchgang den Zugriff auf die Partie.
Bayern konnte das nicht für sich nutzen, weil sie selbst Probleme haben, gut organisierte Abwehrreihen zu bespielen und die wenigen guten Chancen nicht genutzt wurden. Es ist beinahe bezeichnend, dass es für Leipzig zum 0:0 reichte, obwohl sie nicht annähernd an ihr Leistungsmaximum kamen. Doch für den kommenden Samstag hat dieses Spiel kaum noch Aussagekraft. Für Leipzig ist es das bisher wichtigste Spiel der Vereinsgeschichte. Sie werden definitiv ein anderes Gesicht zeigen (müssen).
Von der Raute zur Fünferkette?
Bereits in der Vorschau auf das Bundesliga-Spiel beschäftigten wir uns mit den taktischen Möglichkeiten, die Rangnick in dieser Saison etablierte. Wir tendierten mit unseren Spekulationen eher in Richtung 5-3-2, doch Rangnick entschied sich letztlich für die Raute.
Gerade zu Beginn des Spiels schien sich diese Variante als richtig zu beweisen. Leipzig konnte aus einem tieferen Mittelfeldpressing im 4-4-2 stets in ein offensives 4-3-3 herausschieben, wenn der Zehner zwischen die Stürmer schob. Als Zwischenlösung war die Grundformation des 4-3-1-2 zudem gut, um Thiago aus dem Spiel zu nehmen.
Der Spanier war es dann aber, der mit Klugen Ausweichbewegungen das Leipziger Pressing durcheinander brachte und so Passwege zwischen die Linien ermöglichte. Bayern kam dann besser in die natürlichen Schwachpunkte eines 4-1-3-2: die Halbräume neben dem Sechser. Weil es dort immer wieder Gleich- oder gar Überzahlsituationen für Müller und Goretzka gab, stellte Rangnick im zweiten Durchgang etwas um. Ohne großen Erfolg. Vielleicht setzt er aus dieser Erfahrung heraus ja in Berlin auf die von uns für das Bundesliga-Spiel prophezeite Fünferkette.
Leipzigs Ziel: Bayern ins Zögern bringen
Damit würde RaBa zwar nominell einen Spieler in der Offensive verlieren, doch insgesamt gäbe es viele Möglichkeiten zum Herausschieben. Die Flügelverteidiger hätten eine bessere Absicherung, wenn sie Kimmich oder Alaba pressen und die Halbverteidiger könnten die beiden Achter – insbesondere Müller – aggressiver stören, ohne hinter sich große Räume zu öffnen.
Demme hätte so auf der Sechs eine bessere Defensivunterstützung und seine beiden Partner auf der Acht weniger Sorgen in höheren Zonen. Lediglich der Zehner-Raum wäre gegen Thiago in dieser Variante unbesetzt. Leipzig müsste also viel mit den Deckungsschatten der beiden Angreifer arbeiten und gerade die Dreier-Mittelfeldreihe müsste das Pressing noch intensiver organisieren und koordinieren.
Dass Leipzig das kann, steht jedoch außer Frage. Der Anreiz des ersten Pokalfinals sollte zudem den Motivationsschub geben, den es für die letzten Prozentpunkte braucht. Raba wird es sich zum Ziel setzen, Bayerns Spieler in Ballbesitz ins Zögern zu bringen. Gehen ihnen die Anspieloptionen aus, machen sie Fehler – so war es zumindest im Saisonverlauf. Gerade wenn die Viererkette vom Mittelfeld durch geschicktes Anlaufen getrennt wird, haben die Münchner ihre Probleme. Bleibt nur die Frage, mit welcher Grundformation Rangnick dieses Ziel umsetzen möchte.
Wie sehen Bayerns Gegenmittel aus?
Für den Rekordmeister muss es oberste Priorität haben, Thiago ins Spiel zu bringen. Nicht zuletzt in Leipzig war er der Spieler, der das gegnerische Pressing in einer unruhigen Anfangsphase lesen und aushebeln konnte. Seine natürliche Spielintelligenz könnte in Berlin den Unterschied machen.
Etwas weiter vorn wird Kovač Goretzka vermissen. Gegen RB konnte er zwischen den Linien neben Müller für Unruhe sorgen. Nun ist ein Einsatz von Javi Martínez wahrscheinlich. Der Spanier kann bei Leipziger Kontern und langen Bällen zwar eine höhere Stabilität garantieren als Goretzka, doch im Offensivspiel könnte er abermals zum Nachteil werden.
Viel wird in dieser Konstellation nämlich von Müller abhängen, der zwischen den Linien wie schon gegen Dortmund für zwei Spieler arbeiten und die richtigen Räume finden muss. Goretzka hätte ihm diese Arbeit erleichtern können. Schiebt Thiago nun allerdings auf dessen Position, ist Martínez in der Rolle des Aufbauspielers und das wäre gegen Leipzig ein Missmatch, das es zu vermeiden gilt. Ein Einsatz von James, Müller und Thiago wäre in Kovačs System, das vor allem im Positionsspiel und in der Absicherung Probleme hat, ein großes Risiko, wenngleich die Möglichkeiten dieses Trios verlockend klingen.
Bayern im Endspielmodus
Hummels, Thiago, Müller – diese Achse muss es ohne Goretzka richten. Zwei herausragende Aufbauspieler und ein Läufer, der Lewandowski und die Flügelspieler in die Partie holt. Es wird mitentscheidend für den Ausgang des Finals sein, wie sehr die Bayern diese drei Spieler ins Laufen kriegen.
Die taktisch-strategische Entwicklung macht den Bayern-Fans dahingehend weniger Hoffnung. Was aber durchaus Hoffnung machen sollte, ist die einzigartige Mentalität dieser Mannschaft. Wie sie in der Bundesliga nach 9 Punkten Rückstand zurückkamen. Wie sie Dortmund in nur einer Halbzeit überrannten. Wie sie auch gegen Frankfurt wieder zeigten, dass sie da sein können, wenn es drauf ankommt. Das mag längst nicht mehr reichen, wenn es gegen die Schwergewichte Europas geht. Aber es kann auf nationaler Ebene immer noch genug sein.
Nach der bitteren Niederlage im letzten Jahr wollen die Bayern es nun wieder besser machen. Überspitzt formuliert ist es am Wochenende das Duell „Herz gegen Kopf“. Rangnick ist das Gehirn in Leipzig. Er wird bereits seit Wochen daran tüfteln, wie er das (Gegen-)Pressing seiner Mannschaft auf die Bayern in Berlin ausrichtet. Das Bundesliga-Spiel war dabei nur ein Test. Die Münchner hingegen werden auf taktischer Ebene all ihre individuelle Klasse brauchen, um die Schwachpunkte zu kaschieren.
Nur wenn der FC Bayern mit aller Leidenschaft sein Herz auf dem Rasen des Olympiastadions in Berlin lässt, hat er gute Karten. Die Geister, die Niko Kovač in dieser Saison rief. Doch all diese Geschichten sind jetzt egal. Es ist noch ein Spiel. Es ist die Chance auf das Double. Es geht ein letztes Mal um alles. Es ist ein Setting, das wie gemacht ist für einen weiteren großen Abend der Bayern.
Das Thesen-Duell
Die Regeln findet ihr hier.
Ergebnisse der letzten Vorschau: Justin 3 – 3,6 Fatbardh
Zwischenstand insgesamt: Justin 127,4 – 117,6 Fatbardh
Justins Tipps
- Torschütze: Serge Gnabry
- Freie These: Es geht mindestens in die Verlängerung
- Über/Unter nach 90 oder 120 Minuten 3,5: Unter!
- Aufstellung: Neuer – Kimmich, Süle, Hummels, Alaba – Thiago, Martínez – Müller – Gnabry, Lewandowski, Ribéry
Fatbardhs Tipps
- Torschütze: Lewandowski
- Freie These: Bayern holt den Pokal.
- Über/Unter 3,5: Unter
- Aufstellung: Neuer, Kimmich, Süle, Hummels, Alaba, Thiago, Martínez, Müller, Gnabry, Lewandowski, Coman
Hinweis in eigener Sache: Da mich einige Menschen fragten, ob ich mal im Stadion sei, um das eine oder andere Buch „Generation Lahmsteiger“ zu signieren, möchte ich darauf hinweisen, dass ich beim Pokalfinale im Stadion bin. Tatsächlich werde ich aber erst so zwischen 18 und 19 Uhr dort sein und ich kann nichts genau planen. Wenn Interesse besteht, schreibt mir doch bitte bei Twitter und wir versuchen eine Lösung zu finden.
An der Stelle auch ein ganz großes Dankeschön an alle Leser*innen. Wieder geht eine Saison mit vielen Spielvorschauen zu Ende und ich freue mich sehr über die lebhaften Diskussionen unter den Artikeln. Auf hoffentlich noch ein paar weitere Spielvorschauen mehr und bis bald!