Ein Weiser Schachzug?
Das gelebte Missverständnis
Die Beziehung »Mitchell Weiser« hatte viele Tiefs, aber zuletzt auch einige Höhen. Weiser hatte sichtlich Probleme in München Fuß zu fassen. Missverständnisse und Selbstüberschätzung prägten die ersten beiden Jahren. Eine Leihe nach Kaiserslautern brachte keine Besserung. Auch das erste Jahr unter Pep Guardiola war ein verlorenes Jahr. Nicht gut genug für die erste Mannschaft, zugleich nicht motiviert genug für die FC Bayern Amateure, verstrich viel Zeit und Potential. In der Bundesliga spielte er erst nach der gewonnen Meisterschaft gegen Augsburg, Braunschweig und Bremen. Immerhin stand er noch sechs Mal im Kader. Die überwiegende Zeit spielte er allerdings in der Regionalliga Bayern. 19 Einsätze, 3 Tore und 7 Assists bei knapp 1458 Minuten sind Beleg ordentlicher Leistung, die aber von einer oftmals etwas schlampigen Einstellung überstrahlt wurden. Negativer Höhepunkt war dann aber für viele eingefleischte Bayern-Fans sein Urlaubsantritt, obwohl die Bayern Amateure seine Dienste in der Aufstiegsrelegation gegen Fortuna Köln wohl gebraucht hätten.
In der abgelaufen Saison lief es vom Start weg her nicht besser. Weiser spielte in der Hinrunde nur 18 Minuten Champions League gegen Moskau und eine Minute in Mainz, sowie ein paar Mal bei den Amateuren. Allerdings legte Mitchell Weiser den berüchtigten Schalter in der Wintervorbereitung um. Er galt als einer der wenigen Gewinner der Vorbereitung für die Rückrunde. In dieser spielte Weiser in der Bundesliga 12 von 17 Spiele. Natürlich profitierte er dabei von den vielen Verletzungen und den Rotationsplänen Guardiolas, allerdings überzeugte er auch durch seine Leistungen. Vier Vorlagen und ein direktes Tor sind ein mehr als ordentlicher Arbeitsnachweis für einen Spieler, der nahezu alle Positionen auf der rechten Seite beim spanischen Trainer begleiten durfte. Teilweise steuerte er einige wichtige Vorlagen für den Rekordmeister bei, wie sein Dribbling durch vier Gegner und sein Rückpass auf Schweinsteiger gegen seinen neuen Arbeitgeber Hertha BSC. Aber auch in Stuttgart war es Weiser, der den FC Bayern durch seine Torvorlage auf die Siegerstraße brachte.
Vergleicht man die Zahlen mit seinem wohl direkten Konkurrenten Rafinha, so lassen sich nur wenige Unterschiede ausmachen. Für eine bessere Vergleichbarkeit werden die Werte auf 90 Minuten umgerechnet, da Rafinha ungefähr drei Mal so viel Spielzeit hatte wie Weiser. In der Torvorlagen Statistik führt Weiser mit 0.46 klar im Vergleich zu 0.1 Vorlagen pro 90 Minuten. Allerdings hat Rafinha pro Partie 1.4 Key Passes – Weiser nur 0.69. In der Defensive zeichnet sich ein ähnlich ausgeglichenes Bild. Weiser führt in der Zweikampfführung (57,1% zu 48,6%), dafür hat Rafinha deutlich mehr Klärungen (0,5 pro Spiel mehr). Hingegen fast ausgeglichen sind die Anzahl der abgefangen Bälle (Weiser 1,3 und Rafinha 1,7). In der Summe jedenfalls fällt Weiser nicht hinter Rafinha ab. Zumindest rein von den Zahlen her. Für eine Rolle als Kaderspieler 13-16 sind seine Werte sogar außerordentlich gut.
Die Folgen für den Kader der Münchner
Ein weiteres Argument für Weiser ist seine Flexibilität. Er kann überdurchschnittlich gut dribbeln, was viele andere Spieler im aktuellen Bayern Kader nicht können. So war es in der Rückrunde fast alleine Weiser, der in der Bundesliga versuchte Gegner auszudribbeln und Lücken in den gegnerischen Abwehrverbund zu reißen. Fehlen Ribery und/oder Robben war das Bayern-Spiel oftmals sehr statisch und hatte große Probleme gegen kompakt agierende Gegner, die das Hauptaugenmerk auf die Defensivarbeit und Verschieben von Abwehrketten gelegt haben. Durch den Abgang Weisers verschärft sich die fehlende Dribblingfähigkeit im Kader der Münchner nochmals. Zudem verstärkt sich die ungleiche Verteilung von Spielerrollen im Kader. So stehen Pep Guardiola aktuell 8 zentrale Mittelfeldspieler zur Verfügung. Götze, Martínez und Alaba nicht mal mitgezählt. Hingegen fehlt nun eine Alternative für die Rolle des rechten Verteidigers, sollte Rafinha ausfallen. Zudem fällt eine weitere Alternative für Robben weg, nachdem schon Shaqiri im Winter abgegeben wurde. Ein Sinan Kurt besitzt zweifelsohne das Talent in diese Lücke zu stoßen, muss sicher allerdings noch deutlich weiterentwickeln. Zuletzt stand eine Leihe im Raum. Dies könnte sich durch den Wechsel von Weiser jetzt nochmals ändern. Er könnte ein Gewinner seines Abgangs werden.
Es muss sich also zeigen, ob die Nicht-Verlängerung von Weiser ein kluger Schachzug des FC Bayern war. De facto verstärken sich zunächst einmal die Baustellen im Kader. Sowohl in der Abwehr als auch in der Offensive fehlt der Allround-Spieler Weiser. Allerdings stehen auch Alternativen vor der Tür. Unlängst analysierten wir Matteo Darmian, der sicherlich nun stärker in den Fokus der Betrachtung rücken wird. Darüber hinaus wird die Erbnachfolge von Ribery und Robben nochmals dringlicher, zumal der Saisonstart von Ribery durch seine Verletzung in Frage gestellt ist.
Bestätigt: Weiser wechselt nach Berlin
Update 18.06.2015, 15 Uhr: Der Wechsel von Mitchell Weiser vom FC Bayern zu Hertha BSC ist perfekt, wie der Rekordmeister auf seiner Webseite bekannt gab. Der 21-Jährige wechselt ablösefrei (FCB-Vertragsende 30.06.2015) und unterschreibt für drei Jahre bis 2018 bei den Berlinern.
Alles Gute in Berlin, @mitch23elijah! Weiser wechselt zur kommenden Saison zu Hertha BSC: http://t.co/wG6BkrW06C pic.twitter.com/bOyhO83EfH
— FC Bayern München (@FCBayern) 18. Juni 2015