Vorschau: 1. FSV Mainz 05 – FC Bayern München

Justin Trenner 31.01.2020

Eine Analyse dessen, was der 1. FSV Mainz 05 besser machen muss, um die Klasse zu halten, fällt eigentlich nicht so schwer. Bereits in unserer Vorschau auf das Hinspiel machten wir die Hektik im Spiel als einen der größten Schwachpunkte aus.

Obwohl Trainer Sandro Schwarz intensiv an einer Verbesserung arbeitete, gelang es ihm nicht. Und so wurde er im November entlassen. Sein Nachfolger kam unmittelbar aus Köln. Achim Beierlorzer wurde dort nur einen Tag vor Schwarz beurlaubt. Es folgte der Sprung zu Mainz 05.

11 Spiele, 8 Niederlagen, 3 Siege – diese schwarze Bilanz hatte sein Vorgänger hinterlassen. Unter Beierlorzer gab es dann in acht Spielen drei Siege, aber eben auch fünf Niederlagen – zuletzt sogar drei in Folge. Die Frage danach, was sich überhaupt verbessert hat, ist deshalb nur schwer zu beantworten.

Mainz 05: Mit der Ruhe kommt der Erfolg

Man könnte das Spielglück anführen. Unter Sandro Schwarz fehlte dieses sehr oft. Beispiele gefällig? Am zweiten Spieltag der Bundesliga-Saison verloren die Mainzer gegen Gladbach mit 1:3 – das Expected-Goals-Modell von fbref.com1 wertete die Partie mit 1,2 zu 1,5. An Spieltag 5 gewann Schalke daheim gegen die Nullfünfer mit 2:1 – xG: 1,2 zu 1,1. Es folgten Niederlagen gegen Wolfsburg (xG: 0,7 zu 0,5) und Union (xG: 2,0 zu 0,9). Auf der anderen Seite gab es natürlich auch etwas glücklichere Siege wie gegen Hertha BSC (xG: 1,8 zu 2,2) oder Köln (xG: 1,3 zu 1,9). Insgesamt bleibt aber viel von dem, was man als Pech bezeichnen könnte.

Unter Beierlorzer schien sich dieses Blatt zunächst zu wenden. Bereits im ersten Spiel unter ihm gelang den Mainzern ein 5:1-Erfolg über Hoffenheim – Expected Goals: 2,1 zu 2,2. Lediglich die Niederlagen gegen Leverkusen und Freiburg zeigten in ihrer Tendenz (Sieg / Unentschieden / Niederlage) noch klarere Abweichungen zu den Expected Goals.

In allen bisher absolvierten Spielen der Saison kassiert der FSV vor allem deutlich mehr Gegentore, als erwartbar wäre. 33,4 Expected Goals Against stehen hier 44 tatsächlichen Gegentreffern gegenüber. Die Ursachenforschung führt aber weniger zum Argument des Spielglücks, sondern mehr zur bereits angesprochenen Hektik.

Unausgeschöpftes Potenzial

Denn hier fand auch Beierlorzer noch keine adäquate Lösung. Noch vor Weihnachten sprach er offen über die Baustellen seiner Mannschaft: „Wir brauchen Konstanz, mehr Aggressivität, besseres Zweikampfverhalten. Und auch mehr Klarheit und Entschlossenheit im Umgang mit dem Ball.“ Zu zaghaft, zu zögerlich, zu wenig entschlossen – das fasst es in Kurzform gut zusammen. Die Mannschaft wirkt im Offensivspiel verunsichert, obwohl sie nach Augsburg (31) die zweitmeisten Tore in der unteren Tabellenhälfte erzielt hat (27).

14,6 Abschlüsse pro Spiel sind darüber hinaus der fünftbeste Wert der Liga. Mit etwas weniger Datengrundlage haben wir aber schon zum Hinspiel einen Trend festgestellt, der sich nun auch auf längerer Strecke bestätigt hat: 46 % aller Abschlüsse kommen von außerhalb des Strafraums. Nur Düsseldorf hat einen höheren Anteil (49 %). Der Liga-Schnitt beträgt 37,1 %.

Verrechnet man den Expected-Goals-Wert von 26 mit den total abgegebenen Schüssen (278), kommt man auf eine Trefferwahrscheinlichkeit von rund 9 %. Zur Einordnung: Düsseldorf (7,6 %), Paderborn (10 %), Bremen (9,6 %), Köln (9,9 %), Hertha (10,7 %) und Union (9,9 %) bewegen sich in ähnlichen Regionen. Nur Augsburg (13,2 %) ist hier ein klarer Ausreißer nach oben im Tabellenkeller.

Zeit für den nächsten Schritt

Diese Statistiken zeigen also nicht, dass Mainz eine katastrophale Offensive hat. Im Gegenteil: Trotz so vieler Distanzschüsse auf einen ähnlichen Wert zu kommen wie die direkte Konkurrenz, beweist eher noch, dass die restlichen Abschlüsse qualitativ hochwertig sind. Düsseldorf hat beispielsweise eine ähnliche Verteilung wie der FSV und kommt auf möglicherweise entscheidende 1,4 % weniger in der Berechnung der Wahrscheinlichkeit pro Schuss.

Die Auswertung deutet also ein ungenutztes Potenzial an. Eines, das womöglich durch weniger Hektik und Unruhe ausgeschöpft werden könnte. Wenn das aber so einfach wäre, hätte es ja einer der beiden Trainer längst hinbekommen. Nervosität, Hektik und eine Entscheidungsfindung, die bereits zu vielen individuellen Fehlern und Gegentoren führte, prägen das Mainzer Spiel.

Taktisch wird sich Beierlorzer auch mit der Negativerfahrung der Schalker am vergangenen Samstag auseinandergesetzt haben. Zuletzt etablierte er ein System mit Viererkette – gegen den Ball häufig in einem 4-4-1-1-Mittelfeldpressing. Das könnte gegen die Bayern wie folgt aussehen:

Aus dem 4-4-1-1 könnte Mainz auch mal etwas mutiger herausschieben, müsste dann aber auf Seitenverlagerungen der Bayern achten.

Die Frage ist dann allerdings, wie man die spielstarken Aufbauspieler der Bayern unter Druck setzen möchte. Eine Möglichkeit wäre es, aus dem 4-4-1-1 heraus durch die ballnahen Flügelspieler nach vorn zu schieben. Hier läuft der linke Mittelfeldspieler an und die drei verbleibenden Akteure der Viererkette schieben nach. Ähnlich wie Schalke könnte Mainz dann aber Probleme bei Seitenverlagerungen bekommen.

Ein klassisches 4-4-2 mit Fokus darauf, die Mitte zu verdichten.

Vorstellbar ist deshalb auch der Klassiker: Ein 4-4-2, das vor allem die Wege in die Mitte verschließt, aber wenig Druck auf die aufbauenden Verteidiger ausübt. Klar, Mainz könnte auch aus dieser kompakten Formation heraus nach vorn schieben, doch agieren die Bayern wieder wie gegen Schalke, wird es schwer, Zugriff auf deren Mittelfeld zu bekommen. Hier wäre also die Devise: Bayern aufbauen lassen und auf die Flügel lenken, um ihnen Tempo und Variationen zu nehmen.

Selbstverständlich gibt es auch noch die Fünferkette als Möglichkeit. Beierlorzer verwarf sie zuletzt allerdings nach wenigen Spielen.

Die destruktivste Variante wäre die Fünferkette. Destruktiv muss sie nicht sein, wenn die Flügelverteidiger aktiv Druck auf die Außenspieler ausüben, doch in vielen vergleichbaren Fällen haben die Bayern es geschafft, diese Ausrichtung passiv und destruktiv aussehen zu lassen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Kompaktes Zentrum und gute Breitenverteidigung. Große Nachteile gibt es aber auch: Es ist schwerer, das defensive Mittelfeld der Bayern zu stören und das in der Grafik gekennzeichnete Abkippen eines Sechsers wäre für die Münchner nicht mehr von Nöten. Sprich: Die Verbindungen nach vorn würden automatisch kürzer werden. Fraglich, ob Mainz die Energie und Disziplin mitbringt, aus dieser Formation heraus konstant aggressiv nach vorn zu verteidigen. 2016 schafften sie das mal in der Allianz Arena mit einer herausragenden Leistung in einer 5-2-3 bzw. 3-4-3-Grundausrichtung – allerdings ist das auch schon etwas her.

In Mainz will man mittelfristig wieder dazu in der Lage sein. Ein klareres Pressing mit mehr höheren Ballgewinnen und vor allem das einst gefürchtete Umschaltspiel, das aufgrund der gut definierten Lauf- und Passwege fast immer Gefahr ausstrahlt – da wollen sie hin. Beierlorzer ist jemand, dem dieser Schritt zugetraut wird. Doch dafür braucht er offensichtlich Zeit. Zeit, die die Mission Klassenerhalt gefährden könnte. Allerdings kommen die Spiele gegen die direkte Konkurrenz auch erst noch. Ab Ende Februar geht es unter anderem gegen Paderborn, Düsseldorf, Köln und Union. Dann sollte die Entwicklung bestenfalls einen Schritt weiter sein als zum jetzigen Zeitpunkt.

FC Bayern: Beim Aufwärmen bloß nicht verletzen

Bei den Bayern ist das mit den Entwicklungsschritten ein bisschen anders. Auch sie sind längst nicht da, wo sie sich gern sehen würden. Aber auf einem deutlich anderen Niveau. In der Bundesliga reichen oft Leistungen aus, die nicht das Potenzial der Mannschaft widerspiegeln. Beispielsweise im Hinspiel gegen jene Mainzer, als ein 6:1 letztlich deutlicher war, als es der Spielverlauf lange Zeit hergab.

Schritt für Schritt wollen sich die Münchner unter Flick aber ihrer Leistungsgrenze nähern, um auch in der Champions League wieder eine gewichtigere Rolle spielen zu können. Hilfreich sind dabei die bevorstehenden Comebacks von Lucas Hernández und Kingsley Coman. Für Mainz wird es zwar noch nicht reichen, doch mit Blick auf das folgende Programm ist die Rückkehr ein Segen für Hansi Flick.

Und dieser Blick fokussiert sich vor allem auf das Top-Spiel daheim gegen RaBa Leipzig am 21. Spieltag. Dort müssen sich die Bayern erstmals in dieser Saison der besagten Leistungsgrenze mindestens annähern. In diesem Kontext sind die Spiele gegen Mainz und Hoffenheim als Aufwärmprogramm zu sehen. Doch die Bayern müssen aufpassen, dass sie sich da nicht bereits verletzen.

Bestbesetzung im Mittelfeld gefunden?

Gerade auswärts taten sich die Bayern gegen Mainz 05 schon häufiger schwer. Der knappe 2:1-Sieg aus der letzten Saison ist dafür ein gutes Beispiel. Die Bilanz ist trotzdem positiv: 10 Siege, 1 Unentschieden und nur 2 Niederlagen sprechen für sich.

Am Wochenende liegt die größte Gefahr darin, dass man gedanklich bereits zu weit ist. Mainz wird mit einer hohen Intensität antreten und abtasten, wie viel die Bayern zulassen. Je tiefer die Münchner ihren Gegner in die eigene Hälfte drücken könnten, umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit auf einen ruhigen Nachmittag.

Dafür brauchen sie eine ähnlich gute Leistung im Mittelfeld wie gegen Schalke. Es ist durchaus damit zu rechnen, dass Flick erneut auf Leon Goretzka, Joshua Kimmich und Thiago Alcántara in der Schaltzentrale setzt. Die drei harmonierten gut miteinander und sorgten für einen effizienteren Ballvortrag. Gleichzeitig haben sie aber auch noch das ein oder andere Steigerungspotenzial.

So müssen Kimmich und Thiago noch aufmerksamer darauf achten, dass sie nicht auf einer Linie stehen. Außerdem war das Nachrückverhalten in der nächsten Phase nach der Spieleröffnung noch nicht optimal. Hier wurde noch zu oft eine tatkräftige Unterstützung für Goretzka versäumt. Aber auch für das Gegenpressing ist es entscheidend, dass die Sechser schon in Ballbesitz möglichst schnell die Löcher nach vorn schließen.

All eyes on Leipzig? Lieber nicht.

Am Wochenende wird es vermutlich weniger auf diese Details ankommen, dafür umso mehr darauf, die eigenen Chancen möglichst schnell zu nutzen. Mainz 05 ist nicht ausschließlich wegen des fehlenden Spielglücks im Tabellenkeller. Ihnen fehlten bisher sowohl Ruhe als auch Cleverness, um sich von den Abstiegsplätzen klarer zu lösen.

Es ist deshalb keine gewagte These, dass sie neben einer leidenschaftlichen und taktisch disziplinierten Abwehrleistung auch einiges an Glück brauchen werden, um den Bayern Punkte abzunehmen.

Und so ist dieses Duell für beide Mannschaften auf dem Papier nicht wirklich richtungsweisend. Aber es kann für beide richtungsweisend werden. Für Mainz, indem es einen ordentlichen Schub für das Selbstvertrauen einbringt, sollten sie dem amtierenden Meister Punkte abnehmen können. Für die Bayern, wenn sie einen weiteren souveränen Sieg einfahren. Sie wären schlecht beraten, jetzt schon alle Augen auf das Spiel gegen RaBa Leipzig zu richten. Dafür sind die Stolpersteine Mainz und Hoffenheim zu gefährlich.

1 Expected Goals ist eine Metrik, die versucht Qualität von Torabschlüssen zu messen, indem sie jedem Abschluss eine Wahrscheinlichkeit zuordnet. Die Modelle funktionieren jeweils unterschiedlich, weshalb es zu starken Abweichungen zwischen ihnen kommen kann. Im Verbund mit anderen Statistiken und dem subjektiven Eindruck können sie aber eine Annäherung an Objektivität ermöglichen. Hier und folgend (außer es wird explizit anders angegeben) wurden die Daten von fbref.com verwendet, weil die ihre Werte von Statsbomb beziehen, die wiederum als Goldstandard in Sachen Expected Goals gelten.

Vorschau-Tippspiel

Im Vorschau-Tippspiel tippe ich den gesamten Bundesliga-Spieltag. In unserer Kicktipp-Gruppe könnt ihr euch mit mir und allen anderen messen. Der oder die GewinnerIn der Kicktipp-Runde bekommt von mir ein signiertes Exemplar Generation Lahmsteiger.

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Spieltagssieger

Mareike gewann den letzten Spieltag mit 18 Punkten. Die Top 5:

  1. Edlan – 241 Punkte (0 Spieltagssiege)
  2. Dominik – 240 Punkte (0,33 Spieltagssiege)
  3. CH1310 – 239 Punkte (0 Spieltagssiege)
  4. Beltiboy, Isarläufer – 238 Punkte (0 Spieltagssiege)

Lahmsteiger: Platz 73 – 212 Punkte (0 Spieltagssiege)

So läuft es gegen Mainz …

Mainz geht in Führung und Bayern schafft den Ausgleich noch vor der Pause. Es folgen zähe Minuten, ehe Gnabry die Münchner erlöst. Kurz vor Schluss fällt noch das dritte Tor für die Bayern.

So könnte Bayern spielen …

4-3-3: Neuer – Pavard, Boateng, Alaba, Davies – Thiago, Kimmich, Goretzka – Müller, Lewandowski, Gnabry

Es fehlen: Hernández, Süle, Coman, Martínez (alle verletzt oder noch nicht fit genug)

So läuft der Spieltag …

Hertha 1:1 Schalke
Mainz 1:3 Bayern
Düsseldorf 2:1 Frankfurt
Augsburg 2:1 Bremen
Hoffenheim 1:2 Leverkusen
Dortmund 3:0 Union
Leipzig 2:1 Gladbach
Köln 1:2 Freiburg
Paderborn 1:1 Wolfsburg