Vorschau: Supercup in Dortmund

Justin Trenner 03.08.2017
(Foto: Christof Koepsel / Bongarts / Getty Images)

Mit Borussia Dortmund haben die Bayern in den letzten Jahren sehr viele unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Nachdem Thomas Tuchel sich im Sommer mit dem Gewinn des DFB-Pokals verabschieden musste, steht nun Peter Bosz an der Seitenlinie der Schwarz-Gelben. Der Niederländer trainierte zuvor Ajax Amsterdam und erreichte in der vergangenen Saison das Finale der UEFA Europa League, das sein Team jedoch gegen Manchester United verlor. Jetzt will er seine Philosophie in Dortmund umsetzen.

Gegnervorschau

Doch wofür steht der 53-Jährige? Zunächst mal für ein Offensivfeuerwerk, wie sein zweiter Vorname „Sylvester“ schon andeutet. Die Entscheidung des BVB, nach dem Ballbesitztrainer Tuchel einen zu holen, der in Amsterdam nicht sehr weit vom eigenen Stil entfernt war, ist schlüssig.

Ajax spielte vor allem in der heimischen Liga Fußball mit und nur selten gegen den Ball. Zum kreativen Kombinationsspiel, das die Elf so erfolgreich machte, kamen aber auch gefährliche Umschaltmomente hinzu. Ein Profil, das auf den Kader der Dortmunder passen dürfte.

Die Vorbereitung lief aus diversen Gründen dennoch holprig. Zum einen werden am Wochenende im Supercup einige Stammspieler fehlen, auf die Bosz auch in den vergangenen Wochen kaum zurückgreifen konnte. Dazu zählen Guerreiro, Schmelzer, Reus, Weigl, aber auch Schürrle und Durm. Gerade der Ausfall einiger Außenverteidiger ist sehr schmerzhaft, weil diese Position eine zentrale Rolle im neuen System einnimmt, um Offensivdruck zu entfalten, aber auch das Spiel aufzubauen.

Schmelzer wird diesen Aufgaben noch am ehesten gerecht, während bei Piszcek die Frage erlaubt sein darf, wann er zuletzt im Passspiel überzeugen konnte. Die Alternativen, alles sehr junge Spieler, wie Felix Passlack oder Jan-Niklas Beste, lieferten in der Vorbereitung auch noch keine vielversprechenden Leistungen ab. Bei Durm wird sich nach der Rückkehr ebenfalls erst zeigen müssen, ob er den Ansprüchen gerecht werden kann. In der Vergangenheit waren seine Auftritte wenig konstant.

Eine weitere Änderung beim BVB ist der erneute Wechsel zum Kloppschen Gegenpressing. Der BVB attackiert wieder offensiver, versucht den Gegnern kaum Raum zu lassen und spielt selbst sehr vertikal. Diese Beobachtungen haben sich in den ersten Tests immer wieder bestätigt. Inwiefern dieser kleine Rückschritt in alte Zeiten erfolgreich sein wird, ist noch nicht abzusehen.

Peter Bosz hat in Dortmund noch einige Aufgaben zu lösen.
(Foto: Lintao Zhang / Getty Images)

Von Auftritten, die die komplette Gewalt der Offensive zeigten, bis hin zu jenen, die eine große Instabilität offenbarten, war bis jetzt alles dabei. Bosz ist noch auf der Suche nach Balance. Dies könnte sich erübrigen, wenn Weigl und Guerreiro zurückkehren, die nicht nur sicher mit dem Spielgerät sind, sondern auch schnell denken können. Gerade Weigl ist als Taktgeber im Zentrum weiterhin nicht zu ersetzen.

Ein Ziel des Trainers muss es daher sein, den tiefen Spielmacher zu entlasten, um die Tuchel-Probleme der letzten Saison zu lösen. Dahoud könnte hier eine zentrale Rolle zukommen, aber auch der zurückgekehrte Götze wird wieder angreifen wollen. Beides sind Spielertypen, die Struktur geben können und das Spielgerät nur selten verlieren. Im Mittelfeld haben die Dortmunder also großes Potential.

Mit der Balance und dem offensiven Stil ist aber auch erneut die Defensive gefragt. Hier hatten die Schwarz-Gelben in der Vergangenheit regelmäßig ihre größten Probleme. Das extrem offensive Bosz-(Gegen-)Pressing führte zu einigen Situationen, in denen ganze Mannschaftsteile der Borussen mit nur einem Zuspiel rausgenommen wurden.

Bereits am Wochenende wird man einen ersten kleinen Gradmesser bekommen, der den aktuellen Stand aufzeigen könnte. Die fehlende Balance, die Verletzungssorgen und der Übergang vom ruhigen, geduldigen Ballbesitzspiel hin zum vertikaleren Fußball könnten der Mannschaft am Anfang der Saison wichtige Punkte kosten.

Wie kann der FC Bayern auftreten?

Doch auch beim Rekordmeister ist nicht alles Sorgenfrei. Die Vorbereitung der Münchner steht den Problemen der Dortmunder in nichts nach. Angefangen bei den Verletzungen, die Thiago, James, Robben, Bernat, Boateng, Neuer und sehr wahrscheinlich auch Alaba eine Teilnahme am Supercup kosten werden. Doch auch strukturell war das bisher sehr wenig von den Bayern.

Dafür kann es mehrere Gründe geben. Einer ist, dass die Asienreise den Spielern arg zugesetzt hat. Vier Spiele in zehn Tagen und die vielen Reisestrapazen führten zu Auftritten, die lustlos und platt wirkten. Demgegenüber stand eine herausragende Frühform beim Telekomcup, mit der die Münchner noch zu überzeugen wussten.

An der Strategie wird sich unter Ancelotti wenig verändern. Ein positiver Faktor der Vorbereitung war Thomas Müller, der sowohl im Zusammenspiel mit dem einrückenden James, als auch in der gewohnten Freigeist-Rolle um Lewandowski eine gute Figur machte. Die Diskussionen um ihn dürften abnehmen, wenn er diese Leistungen bestätigt und ausbaut.

Am Wochenende kommt eine Mannschaft, die das Aufbauspiel der Bayern unter Druck setzen wird. Damit hatte die Ancelotti-Elf in Teilen der vergangenen Saison, aber auch in der jetzigen Phase ihre Probleme. Klopps Liverpool zeigte einigen Spielern, aber speziell der gesamten Struktur ihre Schwächen auf.

Tolisso muss sich erst noch umgewöhnen und bekommt jetzt weniger Zeit zum Nachdenken als in der Ligue 1. Sein Fehler gegen Liverpool, aber auch einige andere Szenen zeigten, dass er dafür noch nicht bereit ist. Doch der Franzose zeigte auch das Talent, das in ihm steckt. Mit etwas Geduld und Gewöhnung kann er viele Probleme lösen.

Neuzugang Tolisso hängt sich voll rein, braucht aber noch Eingewöhnungszeit.
(Foto: Martin Rose / Bongarts / Getty Images)

Grundsätzlich ist aber die Struktur viel entscheidender. So wie beim BVB Weigl entlastet werden muss, ist bei den Münchnern Thiago der Fixpunkt, von dem alles ausgeht. Ancelotti und das Team werden Lösungen finden müssen, um den Spanier situativ zu ersetzen. Rudy zeigte hier für die TSG Hoffenheim interessante Ansätze, die den Münchnern auf diesem Weg helfen könnten.

Das Aufbauspiel war in der Vorbereitung vor allem deshalb eine Katastrophe, weil die Mittelfeldkontrolle komplett abging. Am Wochenende muss man genau diese haben, um dem Pressing des Gegners etwas entgegenzusetzen. Ohne Thiago wird dies eine echte Herausforderung.

Vidal dürfte gesetzt sein. Neben ihm bleiben nur Tolisso und Rudy, wobei letzterer die spielstärkere Variante ist, während es für den Franzosen zumindest ein wichtiger Test wäre. Sanches ist natürlich auch eine Option, dürfte mit seiner unzuverlässigen Entscheidungsfindung und Hektik jedoch kein guter Spielertyp gegen Boszs BVB sein.

Ohnehin sollte die Hoffnung der Fans nicht zu sehr in die Richtung gehen, dass diese strukturellen und konzeptuellen Baustellen vom Trainerteam behoben werden. Der Fokus wird wiedermal darauf gerichtet sein, die Mannschaft zum bestmöglichen Zeitpunkt auf eine sehr gute Form zu bringen. Letzte Saison scheiterte dies vor allem an mangelnder Rotation.

Coman, der nun leider verletzte Bernat und selbst der so verunsicherte Sanches zeigten in der Vorbereitung gute Auftritte, weil sie regelmäßig spielen durften. Diese Balance wird es brauchen. Am Wochenende könnte sich die erste Chance für die jungen Spieler und Talente bieten, den Trainer wieder ein Stück weit mehr zu überzeugen.

Das Duell der beiden Mannschaften ist jedoch fast ein Krisentreffen, wenngleich man bedenken muss, dass es auf beiden Seiten nachvollziehbare Gründe für die Ergebnisse gibt. Letztlich werden Mittelfeldkontrolle und individuelle Klasse entscheiden. Wer den einen Fehler weniger im Passspiel macht und sich vom Druck des Gegners besser befreien kann, wird vermutlich den ersten Pflichtspiel-Titel der Saison holen.

Wissenswertes zum Spiel

  • Borussia Dortmund (5) und Bayern München (5) sind die Rekordsieger des Wettbewerbs. Der Gewinner vom Wochenende wird alleiniger Spitzenreiter.
  • Seit der Neuausrichtung des Wettbewerbs (2010) gewannen die Münchner 3-Mal den Pokal, der BVB 2-Mal.
  • Robert Lewandowski und Thomas Müller können Philipp Lahm (allesamt 6 Spiele) am Samstag als Rekordspieler des Wettbewerbs ablösen.
  • Von den aktiven Spielern hat Müller gemeinsam mit Robben (beide 3) die meisten Treffer im Supercup erzielt. Spitzenreiter ist allerdings Wynton Rufer (4 Treffer), der für Werder Bremen auf Torejagd ging.
  • Seit 2011 findet das Spiel im Stadion des Pokalsiegers bzw. des Vizemeisters statt. Seitdem gewann nur einmal die Auswärtsmannschaft (FC Bayern – 2016).

Expertentipp

Der Expertentipp ist eine Neuerung im Vorschauformat. In Zukunft wird ein externer Experte seine Meinung zum Spiel in wenigen Sätzen ausformulieren und das Ergebnis tippen. Für den richtigen Tipp gibt es drei Punkte und für die richtige Tendenz (Sieg, Unentschieden, Niederlage) einen Punkt. Verglichen wird dies dann mit einem zweiten Expertentipp, der vom Autorenteam von Miasanrot.de kommen wird. Am Ende der Saison wird sich zeigen, ob die eingeladenen Experten mehr Punkte erreicht haben, als die Miasanrot-Redaktion.

Unser erster Experte in dieser Saison ist Luca Gierl vom Yellowwallpod. Dort gibt es regelmäßig die wichtigsten Informationen rund um Borussia Dortmund.

Luca: Dortmund hat in der Vorbereitung offensiv wie defensiv größere Schwächen offenbart und speziell Zagadou, der Verlegenheitslinksverteidiger, dürfte eine Schwachstelle sein. Viel wird auf Dortmunder Seite von Dembélés Tagesform abhängen und wie konstant sich Bayern aus dem hohen Pressing befreien kann. Ich rechne damit, dass Bayern dies zu oft gelingen wird und sie 2:0 gewinnen.

Justin: Ich denke, dass das Spiel unstrukturiert und zerfahren wird. Beide werden sich bemühen müssen, ihre eigenen Fehler einzudämmen. Am Ende werden die Münchner aufgrund ihrer suboptimalen Vorbereitung größere Probleme mit den offensiven Dortmundern haben als andersherum und 2:1 verlieren.