Vorschau: DFB-Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund

Justin Trenner 24.04.2017

Die Vorzeichen für die Partie sind allerdings auf beiden Seiten eher negativ, wenngleich auf komplett unterschiedlichen Ebenen. Während bei den Münchnern nach dem Ausscheiden in der Champions League eine Art Kater eingesetzt hat, sind die Umstände beim BVB anderer Natur.

Spielvorschau

Die Spieler der Borussia haben einen Angriff auf ihr Leben zu verarbeiten und liefern dafür eine Leistung ab, die bemerkenswert ist. Es ist schwer den Rest der Saison für die Tuchel-Elf zu bewerten, weil man nicht sagen kann, inwiefern die individuellen Fehler in den vergangenen Partien unter normalen Umständen passiert wären.

Umso beeindruckender ist es, welchen Willen der BVB gegen Monaco, aber auch gegen Borussia Mönchengladbach gezeigt hat. Beim FC Bayern wird es jedoch mehr brauchen, um sich ein Happy End in einer schwierigen Saison zu erarbeiten.

Zuletzt stellte Thomas Tuchel seine Mannschaft gegen die Bayern regelmäßig sehr defensiv ein. Attackiert wurde erst ab der Mittellinie und anschließend gab es den Versuch über Konter gefährlich zu werden. Das funktionierte allerdings nur selten, weil die Wege immer noch zu weit waren.

Die stärksten Spiele machte die Borussia, wenn sie den Rekordmeister hoch anlief und unter Druck setzte. Natürlich gilt es dabei die Geschlossenheit zu wahren und kompakt zu pressen, aber die anfällige Abwehrreihe der Dortmunder wurde so meist am besten kaschiert.

Außerdem können Reus, Aubameyang und Co. ihre Schnelligkeit am effektivsten ausspielen, wenn sie den Ball in des Gegners Hälfte gewinnen.

Zumal der FC Bayern in dieser Spielzeit gegen gut organisiertes Pressing oft schlecht aussah. Es ist ein Pokalspiel in dem der BVB seine letzte Chance auf einen Titel suchen wird. Tuchel gilt als taktisch flexibler Trainer, der die Schwächen des Gegners erkennen und ausspielen kann. Gerade in den Duellen mit Guardiola und im Rückspiel gegen Ancelotti wirkte er aber meist hilflos oder mutlos.

Durch die Rückkehr von Marco Reus hat der 43-Jährige alle Karten in der Hand, um die Münchner in der eigenen Arena ordentlich unter Druck zu setzen. Hinzu kommt die Offensivpower von Aubameyang, Dembélé und Kagawa, der sich seit einigen Wochen in guter Verfassung präsentiert. Bitter ist aus Dortmunder Sicht aber, dass nun mit Sahin ein Spieler ausfällt, der das Spiel zuletzt etwas überraschend beleben konnte.

Für die Bayern wird es darauf ankommen, die Bälle in die Tiefe zu verhindern. Weigl wird versuchen mit seinen Pässen zwischen Mittelfeld- und Abwehrreihe des Rekordmeisters zu kommen, während die Offensive der Gäste genau in diesen Zonen lauern wird.

Die Verteidigung des Rekordpokalsiegers wäre deshalb gut beraten, sowohl Passgeber als auch die Laufwege der schnellen BVB-Angreifer einzuschränken. Vor einigen Wochen hat der FC Bayern in der Bundesliga gezeigt, wie man den BVB bespielen muss. Allerdings sollte diese Partie nicht überbewertet werden.

Tuchel musste auf wichtige Akteure verzichten und schickte sein Team mit einer extrem passiven Ausrichtung auf den Rasen. Es ist durchaus zu erwarten, dass Einstellung und Aggressivität eine andere sein werden.

Die Münchner hingegen werden ihr Spiel über ihre Achse der letzten Monate aufziehen. Diese besteht aus Hummels, Thiago und Lewandowski. Ersterer spielt eine überragende Saison und ist die Konstante im Münchner Aufbauspiel. Wie wichtig er für Ancelotti ist, zeigte sich nicht zuletzt in den beiden Begegnungen mit Real Madrid, in denen er ein Mal fehlte und ein Mal herausragte.

Mats Hummels zählt zu den besten Akteuren der Saison.
(Foto: Matthias Hangst / Bongarts / Getty Images)

Mit der Rückkehr des Nationalspielers haben die Münchner alles richtig gemacht. Er übernimmt Verantwortung auf und neben dem Platz, ruft seine Leistung konstant ab und erhöht die Gefahr bei eigenen Standards, auch wenn sich das noch nicht in den Toren wiederspiegelt.

Thiago wird hingegen das tun müssen, was er in der Champions League nicht tun konnte: Das Spiel strukturieren. Auf hohem Niveau zeigte sich, dass es tatsächlich möglich ist, den Spanier zu isolieren und das Spiel des Deutschen Meisters somit stark zu limitieren. Dortmund ist an guten Tagen durchaus in der Lage ähnliches zu schaffen.

Die Frage wird dann sein, wie sehr der Spielgestalter der Bayern unterstützt werden kann. Dafür sind der abkippende Lewandowski, der einrückende Ribéry, aber vor allem die beiden Mittelfeldspieler äußerst wichtig. Hier wird sich Ancelotti zwischen Müller und Vidal entscheiden, während Alonso gesetzt sein dürfte. Thiago hat das Mittelfeld der Münchner quasi durch die ganze Saison getragen und strukturiert. Schöner wäre es, wenn diese Last am Mittwoch nicht nur an ihm hängen würde. Es ist aber wahrscheinlich, dass erneut sehr viel über ihn entschieden wird.

Natürlich sind im selben Atemzug auch Robert Lewandowski, Arjen Robben und Franck Ribéry zu nennen, die mit Toren und Vorlagen dann im letzten Drittel die wichtigsten Aufgaben übernehmen werden. Die Effizienz ist auch deshalb so wichtig geworden, weil die Münchner in dieser Saison mehr zulassen.

Ein Trainer hat die besseren Spieler und vertraut darauf, dass diese es auch auf den Rasen bringen werden, während der andere dieses Loch mit taktischer und mannschaftlicher Geschlossenheit füllen möchte. Am Ende ist in dieser Partie alles denkbar. Von einem deutlichen Bayern-Sieg bis hin zum Verspielen des nächsten Titels.

Bereits beim letzten und bisher einzigen Duell zwischen Bayern München und Borussia Dortmund in einem Pokal-Halbfinale ging es kurios zu. Damals rutschte der Rekordmeister wortwörtlich aus. Vielleicht wäre es Philipp Lahm auch deshalb lieber, ein Elfmeterschießen zu vermeiden.

Alles Kopfsache?

Die Vorzeichen sprechen dafür, dass wir keines der beiden Teams auf dem Niveau erleben werden, das es in den vergangenen Spielzeiten zu sehen gab. Bereits in den beiden Bundesliga-Duellen war das zu beobachten.

Jetzt kommen allerdings weitere Umstände dazu, die erschwerend wirken. Für ein Team wird es das letzte große Spiel der Saison sein. Während die Bayern noch damit zu tun haben, dass sie ihr größtes Ziel der Saison knapp verpasst haben, versucht der BVB die letzten Kräfte zu bündeln, die nach dem schrecklichen Angriff auf den Mannschaftsbus noch verblieben sind.

Ab von den äußeren Faktoren eint die beiden Klubs aber vor allem, dass sich die Bewertung der Saison durch dieses Spiel erheblich ändern könnte. Bei den Gästen aus Dortmund wäre es eine positive Wende nach einer durchwachsenen Spielzeit und für den FC Bayern ist es fast schon das Minimalziel, das Pokalfinale zu erreichen. Schaffen sie dies nicht, dürfte der Umgangston rund um Kaderpolitik und Trainer noch rauer werden.

Die Frage wird sein, wer letztendlich den Kopf freier bekommt. Den Münchnern dürfte diese Aufgabe leichter fallen, denn bei ihnen ging es zuletzt nur um sportliche Dinge. Umso gespannter darf man aber sein, welche Art von Fußballspiel Deutschland erwartet, wenn am Mittwochabend zwei großartige Mannschaften aufeinander treffen, die jeweils versuchen, aus einer schwierigen Saison eine richtig gute zu machen.

Fünf Thesen zum Spiel:

  1. Der FC Bayern zieht ins Finale ein.
  2. Die Münchner schießen innerhalb der regulären 90 Minuten mindestens zwei Tore.
  3. Lewandowski wird wenigstens ein Mal treffen.
  4. Müller beginnt nicht.
  5. Dortmund trifft mindestens ein Mal.

Aus der Leverkusen-Vorschau waren drei Thesen richtig, für das Rückspiel gegen Real Madrid immerhin zwei. Gesamt: 104/195.