Servus, Niko!

Justin Trenner 04.11.2019

Es ist der 25. Mai 2019. Spät am Abend befindet sich Niko Kovač mit seiner Mannschaft feiernd vor den Fans des FC Bayern, die ihm in der Ostkurve des Berliner Olympiastadions zujubeln. Unter diesen Fans sind einige der treuesten Anhänger des Klubs. Ihre Grundsatzeinstellung: Der Trainer ist einer von uns und so behandeln wir ihn auch. Allein deshalb waren sie eine große und wichtige Stütze für ihn.

Gerade hatte der FC Bayern eines seiner besten Saisonspiele abgerufen. Im Finale des DFB-Pokals schlugen die Münchner RB Leipzig mit 3:0. Ein tolles und packendes Endspiel. Niko Kovač komplettierte damit seine Titelsammlung und erreichte im ersten Jahr gleich das Double. Alle Diskussionen, Probleme und Sorgen waren mindestens für eine Nacht, eher sogar für einen Großteil der Rückrunde überschattet.

Überschattet deshalb, weil sie nie so ganz weg waren. Doch Kovač ist eine Kämpfernatur. Schon als Spieler tickte er so. Nun stand er also vor diesen besonders loyalen Fans, die ihn bei sich haben wollten, die immer wieder seinen Namen riefen und ihm schließlich das Megafon in die Hand drückten. „Ohne euch wäre es nicht möglich gewesen“, rief er ihnen zurück. Kovač kamen sogar die Tränen.

Niko Kovač: Ein Missverständnis, aber …

Es war der emotionale Höhepunkt seiner Zeit, die letztendlich sehr schnelllebig war. Auf den großen Tiefpunkt im Herbst 2018 folgte ein langes Hoch, an dem auch Kovač großen Anteil hatte. Klar, in der Champions League reichte es nicht. Zu groß waren weiterhin die taktischen und strategischen Defizite. Nicht, weil Kovač fachlich kein guter Trainer wäre, sondern weil seine Vorstellungen von Fußball mit denen des Klubs auseinandergingen.

Ein Trainer müsse sich an den Klub anpassen, sagte Rummenigge diesen Sommer. Das, wofür Kovač in seiner bisherigen Trainerlaufbahn stand, passte aber nicht zum FC Bayern und der durchaus angestrebte Anpassungsprozess funktionierte nicht. „Schlaumeier“, wie Hoeneß sie betiteln würde, haben das vorher geahnt. Doch im Kern hat der Präsident ja damit recht: Nachher ist man immer klüger. Dass der Klub Kovač eine Chance gab, muss nicht zwangsläufig als Fehler, sondern kann auch als lehrreiche Erfahrung und mutige Entscheidung betrachtet werden.

Doch zurück zur Wende in der vergangenen Saison. Kovač nahm sich selbst und sein Ego damals nach dem 3:3 gegen Düsseldorf zurück. Er veränderte seinen Führungsstil. Aus Spielerkreisen ist zu vernehmen, dass es bei der Mannschaft gut ankam, dass der Trainer sich in dieser Zeit auf Augenhöhe begab und auf Wünsche des Teams reagierte. Es sei nicht als Schwäche, sondern als Stärke honoriert worden. Und es wurde ihm auf dem Platz gedankt.

Höhepunkt Dortmund

Den Höhepunkt erreichte das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer aber nicht erst im Pokalfinale gegen Leipzig. Vielmehr war dieses Spiel ein Resultat aus der wohl besten Phase der Zusammenarbeit. Den Ursprung fand diese Phase in der Vorbereitung auf das Bundesliga-Spiel gegen Borussia Dortmund.

Kovač habe damals, rund eine Woche vor dem Duell, das Wort „Krieg“ in der Kabine für alle sichtbar inszeniert. So wurde es uns von jemandem zugetragen, der im Spielerumfeld gut vernetzt ist. In der gesamten Woche soll Kovač es mit entsprechender Rhetorik und auch taktisch guter Analyse geschafft haben, die Mannschaft mit dem Messer zwischen den Zähnen auflaufen zu lassen. Was auch immer man von dieser starken Überspitzung halten mag: Es funktionierte. Bayern schoss den BVB mit 5:0 aus dem Stadion.

Die Mannschaft hatte erstmals das Vertrauen in den Trainer, dass er jemand für die großen Spiele sein könnte. Auch im Klub wuchs die Überzeugung, dass der Anpassungsprozess erfolgreich abgeschlossen werden könnte. Zurecht. Denn das gewonnene Vertrauen bei den Spielern sowie das spätere Double ließen diese Hoffnung zu und machten eine Entlassung unmöglich. Kovačs Standing war intern auf dem Höhepunkt.

Servus, Niko!

Doch die Geschichte nahm in dieser Saison einen anderen Verlauf. Zu groß waren die Differenzen auf unterschiedlichen Ebenen. Taktisch analysierten wir viele davon im Blog. Retrospektiv lässt sich aber mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass es nicht primär das fehlende taktische Fachwissen des Trainers war, das für ein Scheitern sorgte. Viel mehr war es die strategische Uneinigkeit, die ihm das Leben schwer machte.

Kovač fand die taktischen Mittel für einen dominanten, ballbesitzorientierten Spielstil nicht, weil er selbst eine andere Vorstellung vom Fußball zu haben scheint. Auf Dauer konnte das kaum gut gehen. Hinzu kamen Probleme in der Kadermoderation, die maßgeblich dafür verantwortlich waren, dass die neu zusammengestellte Mannschaft ein mindestens kleines Hierarchieproblem hatte.

Die Missverständnisse zwischen Kovač und Klub waren letztendlich zu groß. Und doch wird dem Trainer keiner den Erfolg der letzten Saison nehmen können. Dafür, dass er nie so richtig zu seinem Arbeitgeber passte, ist es umso beachtlicher, dass der FC Bayern unter ihm das Double holte. Der Moment, in dem Kovač mit feuchten Augen vor den Bayern-Fans stand und alles rausließ, was sich über die ganze Saison ansammelte, wird unvergessen bleiben.

Er mag als Trainer am falschen Ort gewesen sein und auf seine Zeit in München wird er nicht nur mit dieser positiven Erinnerung zurückblicken. Zu schwer war sein Stand, zu unsachlich mitunter die Kritik, die ihm entgegengebracht wurde. Doch er wird bei einem anderen Klub schnell wieder Fuß fassen und seine Qualitäten zeigen können. Und er wird aus seinen Erfahrungen die richtigen Schlüsse ziehen.

Servus, Niko! Und viel Erfolg bei deinen kommenden Aufgaben.



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