Douglas Costa: Ungeschliffen oder unschleifbar?

Justin Trenner 04.05.2016

Douglas Costa verkörpert diese Ernüchterung vielleicht wie kein Zweiter. Stand er im Herbst des letzten Jahres noch für den großen Umbruch und die bevorstehende Ablösung des alternden Duos Robben und Ribéry, so steht er nun für einige Gründe, weshalb in der Rückrunde beim FC Bayern nicht immer alles so zusammen lief, wie man es sich gewünscht hatte. Eben jener Costa zeigte am Dienstag-Abend, aber auch in vielen anderen Spielen in der Rückrunde, dass er noch nicht für die großen Spiele gemacht ist.

Es gilt herauszufinden, ob Costa diesen Sprung in Zukunft schaffen kann. Der Brasilianer ist jetzt 25 Jahre alt. Seine fußballerische Entwicklung ist also längst nicht abgeschlossen. Seine Makel sind aber stellenweise so gravierend, dass es schwer fällt an eine Zukunft auf allerhöchstem Niveau zu glauben. Doch wovon sprechen wir überhaupt, wenn wir einen Spieler kritisieren der in 11 Champions-League-Partien an fünf Toren und in 26 Bundesliga-Auftritten an 13 Toren beteiligt war?

Engstirnig, berechenbar und ineffektiv

Wir sprechen da vor allem von einer Rückrunde, die einer Achterbahnfahrt gleicht. Überspitzt formuliert: Douglas Costa macht pro Spiel ungefähr 30 fragwürdige Dinge, hat dann aber zwei Momente in denen er für eine Entscheidung sorgen kann. Nach der Winterpause war der Brasilianer in 21 Spielen nur an fünf Toren direkt beteiligt. Seine Qualität – das Eins-Gegen-Eins – hat sich seither eher verschlechtert als verbessert. Zu Beginn seiner Bayern-Zeit war er die große Unbekannte im Spiel der Münchner. Mittlerweile haben sich die Gegner deutlich besser auf ihn eingestellt.

Auch bei Kingsley Coman ist etwas Ähnliches zu beobachten. Die Abwehrspieler stellen gegen beide konsequent die Außenbahn zu, während ein zweiter Spieler die Innenbahn abdeckt. Nur selten gelang es Costa in der Rückrunde am Flügel so durchzubrechen, dass er eine kontrollierte Aktion folgen lassen konnte. Der größte Unterschied zu Coman ist aber die fehlende Geduld. Während der Franzose gern noch fünf Mal abbricht, um dann im richtigen Augenblick vorzustoßen, versucht Costa zu häufig mit dem Kopf durch die Wand zu laufen.

Eine Momentaufnahme vom 12. November 2015 zeigt, dass Costa zum damaligen Zeitpunkt 2,8 Torschussvorlagen, 3,5 Schüsse und 4,3 erfolgreiche Dribblings pro 90 Minuten in der Bundesliga liefern konnte. Inzwischen ist der Schnitt auf 2,3 Torschussvorlagen, 3 Schüsse und 4,1 erfolgreiche Dribblings leicht gesunken. Diese Statistik sagt aber nur halb so viel aus, wie der subjektive Eindruck den derzeit Viele gewinnen. Die Effektivität des Brasilianers hat gelitten. Die Schwächen in seinem Spiel treten deutlicher zutage.

Besonders die fehlende Spielintelligenz wird ihm auf höchstem Niveau zum Verhängnis. Das Spiel am Dienstag gegen Atlético Madrid war dafür das beste Beispiel. Costa läuft viel, er ist präsent und er versucht die Mannschaft immer wieder in Robben-Manier anzupeitschen. Manchmal will er dabei zu viel. Er dribbelt sich fest, verliert den Ball und leitet einen Konter des Gegners ein. Ein weiteres gravierendes Beispiel gab es in Lissabon zu beobachten, als der Flügeldribbler von seiner rechten Seite parallel zur Mittellinie nach innen zieht und anschließend einen total misslungenen Ball ins Seitenaus spielt. Eine komplett unnötige Aktion, die schlussendlich ein Gegentor zur Folge hatte. Gerade wenn Costa wie gegen Madrid in zentraleren Räumen agiert und die Zeit für Entscheidungen kürzer wird, häufen sich strategische Fehler oder Ungenauigkeiten.

Seine manchmal zu beobachtende Ballverliebtheit führt dazu, dass auch die ihn unterstützenden Spieler am Flügel überflüssig werden. Häufig verbaut er sich mit seinen Dribblings die Möglichkeit auch andere Spieler einzubinden. Diese Fähigkeit hat zum Beispiel Franck Ribéry, aber auch Coman zeigt dort schon sehr gute Ansätze. Costas Bewegungen sind nicht variabel genug und er scheint für die Verteidiger zu berechenbar geworden zu sein. Lieber geht er in ein Duell mit drei Gegenspielern, als den besser postierten Mitspieler zu sehen. Seine meisten Vorlagen resultierten aus Hereingaben, aber auch die sind eigentlich eher schlecht als recht. In der Liga kommen durchschnittlich 1,6 von 7 Flanken an, während es in der Champions League nur 1,5 von 9,5 sind. Zu viele Flanken, zu wenig Ertrag.

Arjen Robben fehlt überall

Speziell an Costa kann man gut erklären, warum dem FC Bayern Arjen Robben so sehr fehlt. Die Aktionen des Niederländers wirken sicher, durchdacht und effektiv. Und zwar fast jede seiner Aktionen. Nur ganz selten verliert er den Ball und noch seltener trifft er eine falsche Entscheidung, die den Rhythmus stört und einen komplett neuen Spielaufbau erforderlich macht. Er reißt mit seinen klugen Dribblings die Mannschaft mit, sorgt selbst für gefährliche Abschlüsse und hat sein Zusammenspiel mit Philipp Lahm perfektioniert. Costa ist davon noch etwas entfernt und ob er dort jemals hinkommen kann, ist zumindest fraglich.

Es wird spannend wie der FC Bayern im Sommer auf die Eindrücke der Rückrunde reagiert. Franck Ribéry zeigt jetzt schon in Ansätzen, dass er sein Niveau nicht konstant abrufen kann und auf Arjen Robbens Fitness kann man sich über eine ganze Saison gesehen nicht verlassen. Kingsley Coman ist auf einem sehr guten Weg, braucht aber mit seinen erst 19 Jahren noch Zeit, um konstant den Unterschied ausmachen zu können. Costa ist ein sehr guter Spieler für die nationalen Aufgaben, aber auch nicht in der Lage die Offensive in die eigene Hand zu nehmen. Dieser Typ Spieler fehlt dem FC Bayern ohne Arjen Robben sehr und diese Abhängigkeit gilt es zu lösen.

Carlo Ancelotti hat dafür im Sommer zwei Optionen. Die erste wäre, dass er den Flügelfokus, der die Bayern seit van Gaal so stark macht, auflöst. Die zweite würde auf einen Transfer eines Spielers hinauslaufen, der bereits auf Weltklasseniveau agiert. Dafür müsste man jedoch tief in die Tasche greifen und mit Mats Hummels sowie Miralem Pjanic kursieren bereits zwei sehr teure Spieler im Umfeld der Bayern. Es könnte also vieles darauf hinauslaufen, dass Carlo Ancelotti eine taktische Lösung finden muss, um den Rekordmeister auch über das Zentrum wieder erfolgreicher zu machen.

Die Bayern müssen diese Situation nach der Saison analysieren und sich genau überlegen, welche der Optionen die beste wäre. Ist Arjen Robben verletzt, kann Costa ihn auf allerhöchstem Niveau zumindest nach den letzten Eindrücken eher nicht ersetzen. Trotz eines Trainers wie Pep Guardiola, der seinen Spielern für jede Situation viele Lösungen mitgibt, trifft er zu oft die falschen Entscheidungen. Die große Frage ist also, ob es wirklich möglich ist die Spielintelligenz eines 25-jährigen innerhalb der nächsten Jahre so zu entwickeln, dass er diese Defizite ablegt und auch in einem Champions-League-Halbfinale der perfekte Ersatz für “Robbery” ist. Kann Ancelotti den Rohdiamanten Douglas Costa so schleifen, dass er in Zukunft diesen Sprung schafft, oder ist er Unschleifbar? Mit diesem Thema werden die Bayern sich auseinandersetzen müssen.