Vorschau: FC Bayern München – TSG Hoffenheim
Das letzte Aufeinandertreffen des FC Bayern mit der TSG Hoffenheim ist gar nicht so lange her. Anfang Oktober gelang den Sinsheimern ein 2:1-Erfolg in der Allianz Arena. Es war eines dieser Spiele, in dem die Bayern abwesend und geradezu lethargisch wirkten. Gleichzeitig war es aber auch eine jener Partien, die man keinesfalls hätte verlieren dürfen.
Zu deutlich war im Prinzip der Qualitätsunterschied auf dem Platz. Auf der einen Seite die Bayern, die mit viel Ballbesitz anrannten, zugleich aber keine Lücke in der kompakten Defensive der Gäste fanden. Andererseits Hoffenheim. Eine Mannschaft, die wohl letztmals unter Huub Stevens so defensiv gegen den FC Bayern eingestellt war. In der durchschnittlichen Positionierung schafften es nur zwei Spieler über die Mittellinie.
Bei der 1:3-Niederlage zum Auftakt der Saison 2018/19 stand die Mannschaft beispielsweise im Schnitt mindestens zehn Meter höher. Eigentlich ist die Herangehensweise von Trainer Alfred Schreuder nicht unbedingt eine, mit der man in der Allianz Arena punktet. An diesem Nachmittag reichte es aber zu einem Sieg.
TSG Hoffenheim: Wie leistungsfähig ist der Schreudergang?
Ohnehin sind die Hoffenheimer unter Schreuder ein Mysterium. 31 Tore, 31 Gegentore und 27,5 Expected Goals zu 29,7 Expected Goals Against. Der Top-Torschütze ist Andrej Kramaric mit sechs Toren. Alles an dieser Mannschaft schreit eigentlich nach grauem Mittelmaß, aber auf Platz 7 ist der Sprung nach Europa weiterhin realistisch.
An besagtem Nachmittag im Oktober war es vor allem die individuelle Klasse des Mittelfelds, das Hoffenheim den Sieg bescherte. Florian Grillitsch, Dennis Geiger und Sebastian Rudy konnten aus fast jedem Ballgewinn eine gefährliche Situation kreieren. Rudy gewann sieben seiner elf Duelle am Boden, Grillitsch immerhin sechs von neun. Alle drei zusammen kamen auf eine durchschnittliche Passquote von rund 82 %. Gerade Geiger war mit seinen vier Torschussvorlagen (darunter ein Assist) extrem wichtig für die Entlastung nach vorn.
Dort agierten mit Ihlas Bebou und Sargis Adamyan zwei schnelle Spieler, die insbesondere Jérôme Boateng ins Schwitzen bringen sollten. Der Matchplan war alles in allem also ebenso simpel wie eigentlich auch vorhersehbar. Doch die Bayern schafften es nicht, aus ihrer vermeintlichen Spielkontrolle heraus Chancen und vor allem auch Tore zu erzielen. Und so ging der Sieg letztendlich auch in Ordnung.
Anfällig auf der linken Abwehrseite
Es ist nicht damit zu rechnen, dass die TSG ihren Plan für das Pokalspiel am Mittwochabend ändern wird. Gerade gegen spielstarke Mannschaften haben sie damit außerordentlichen Erfolg: Auch Leverkusen und Dortmund verloren jeweils mit 1:2 – aber in Sinsheim. Bayer 04 kam zusätzlich im eigenen Stadion nicht über ein 0:0 hinaus. Andererseits haben Leipzig (3:1 daheim) und Gladbach (3:0 in Sinsheim) die Schwächen der TSG gnadenlos offenbart. Dazu zählt vor allem die linke Abwehrseite, die wir in unserer letzten Vorschau bereits als wunden Punkt ausmachten.
Wir haben zur Veranschaulichung dieser These vier Spiele exemplarisch herausgearbeitet. Dargestellt werden in diesen Grafiken die Torschussvorlagen. In allen vier Partien ließen die Hoffenheimer viel über die eigene linke Seite zu. Dort spielte meist Robert Skov – mal als Flügelverteidiger, mal als klassischer Linksverteidiger. Der Däne kommt bereits auf drei Treffer und vier Torvorlagen (eine gegen die Bayern) in 17 Partien, hinterlässt mit seinen Offensivläufen aber auch Lücken.
Auch bei der 1:2-Niederlage der Bayern in der Liga wurde deutlich: Wenn etwas ging, dann gegen Hoffenheims linke Abwehrseite.
Bayerns starker Start in die Rückrunde
Hier könnte also wieder ein Fokus der Bayern liegen. Im Gegensatz zum ersten Aufeinandertreffen werden sie aber mehr Tempo und Variationen benötigen, um die Schwachstelle des Gegners auch als solche zu offenbaren. Gleichzeitig wird die Konterabsicherung eine zentrale Rolle spielen.
Die bisherigen Gegner hatte man zuletzt bis auf Kleinigkeiten alle im Griff. Rund 0,5 Expected Goals Against betrug der Durchschnittswert der letzten drei Pflichtspiele. Gleichzeitig haben sie vorn genug Chancen herausgespielt, um auf durchschnittlich 2,4 Expected Goals zu kommen.
Gerade gegen Mainz fiel aber auf, dass den Bayern ohne echten Tempodribbler auf den Flügeln ein wichtiges Element fehlt. Dass sie es dennoch geschafft haben, viele Tore zu erzielen und qualitativ hochwertige Chancen herauszuspielen, spricht für sie. Gegen Leipzig wird es aber womöglich die Qualität eines Serge Gnabrys brauchen.
Immer mehr Druck für die Gegner
Dass der nach seiner Verletzung bisher nicht in Tritt kommt, ist ein Problem mit Blick auf das wichtige Spiel am Wochenende. Gegen Hoffenheim dürfte sich ihm die Chance bieten, einen Schritt nach vorn zu machen. Zumal Ivan Perišić nach einer Grätsche von Neuzugang Álvaro Odriozola das Abschlusstraining verletzt abbrechen musste. Der Kroate fällt wohl mindestens sechs Wochen mit einer Fraktur im Außenknöchel aus.
Mit einem fitten Gnabry dürfte das Spiel der Bayern in der Offensiver noch variabler werden. Variabel genug ist unterdessen das eigene Pressing aus einer geordneten Formation heraus. Diesem Druck konnten bisher weder Hertha, noch Schalke oder Mainz standhalten. Nicht allein deshalb, weil diese Mannschaften dafür nicht die Qualität hätten.
Flicks Grundidee wird von der Mannschaft immer besser umgesetzt. Bereits im Nachklapp zum Dortmund-Spiel analysierten wir, worauf es ihm ungefähr ankommt:
Im Mittelfeldzentrum wird mit Mannorientierungen gearbeitet, die nicht immer gleichbedeutend mit der hier dargestellten Manndeckung sein müssen. Wichtig ist aber, dass Initialpässe des Gegners ins Mittelfeldzentrum vermieden werden sollen.
Die offensiven Flügelspieler sind wiederum dafür verantwortlich, den ballführenden Spieler so anzulaufen, dass er keinen kontrollierten Flachpass auf den Außenverteidiger im Deckungsschatten spielen kann. Gerade Thomas Müller erfüllt diese Aufgabe exzellent.
Wird dennoch ein Pass nach außen gespielt, soll dies möglichst ein Chipball sein, der Zeit zum Verschieben einbringt. Dann wird der Außenspieler des Gegners isoliert, um einen Ballgewinn zu erzeugen. Schalke war mit dieser Spielweise derart überfordert, dass sie einen unkontrollierten langen Ball nach dem anderen nach vorn pöhlten – wie die Darstellung von StatsZone eindrucksvoll beweist.
Das Pressing ist gut, aber …
Seit Flick Trainer der Bayern ist, lassen sie ihre Gegner in der Liga im Schnitt nur noch 6,08 Pässe spielen, bis eine Defensivaktion erfolgt. Das ist ein absoluter Top-Wert, der im Kontext des FCB in den letzten Jahren nur durch Pep Guardiolas Mannschaft in der Saison 2014/15 getoppt werden kann (5,65). Allerdings ist das auch die erste Spielzeit, in der diese Statistik für die Bundesliga (auf understat.com) erfasst wurde.
Ausbaufähig ist die Arbeit gegen den Ball dennoch. Gerade wenn die Mannschaft den Ball gerade verloren hat, scheint sie noch einen Tick zu lang unsortiert zu sein. Mainz konnte dies bereits mit einigen schlecht ausgespielten Kontersituationen aufzeigen, Leipzig wird solche Situationen härter bestrafen.
Hier wurde auch deutlich, dass es aktuell noch zu viele Missverständnisse gibt. So waren sich Thiago und Joshua Kimmich nicht immer einig, wer herausrückt und wer absichert. Dadurch gab es Räume für den Gegner im Zentrum, die Flick eigentlich geschlossen sehen möchte. Abläufe, Gedankenschnelligkeit, noch mehr Kompaktheit – unter diesen drei Stichpunkten dürften sich all die Details zusammenfassen lassen, die im aktuell guten Pressing der Bayern noch ausbaufähig sind.
Erst die Pflicht und dann RaBa
Gegen Hoffenheim kann Flick nochmal schleifen, aber auch rotieren. Im Fokus steht neben einem positiven Ergebnis sicherlich die Form von Gnabry. Eine gute Leistung am Mittwochabend könnte ihm das nötige Selbstvertrauen für die Partie gegen RaBa Leipzig geben. Insbesondere mit der Perišić-Verletzung wird das von immenser Bedeutung sein. Ansonsten kehrt mit Kingsley Coman bald ein Flügelspieler zurück und auch Alphonso Davies könnte mit der Rückkehr von Lucas Hernández eine Alternative für die offensive Außenbahn sein. Ferner ist Odriozola zumindest nicht komplett abwegig, ist er als Außenverteidiger doch ohnehin sehr offensiv veranlagt.
Gegen Hoffenheim sind diese Gedankenspiele aber noch nicht von größter Bedeutung. Die größte Gefahr ist wohl die, dass man sich bereits zu sehr mit Leipzig beschäftigt. Sei es durch übertriebene Rotation oder Unkonzentriertheiten. Hoffenheim hat in dieser Saison nicht nur gegen die Bayern, sondern auch gegen andere Mannschaften bewiesen, dass sie aus einer kompakten Grundordnung heraus gefährlich umschalten können.
Bleiben die Bayern aber konzentriert und fokussieren sie sich voll auf ihre Aufgabe im Pokal, sollte am Ende das Weiterkommen stehen. Es liegt an den Münchnern, die Pflichtaufgabe zu lösen, bevor es am Wochenende zum richtungsweisenden Duell mit RaBa kommt.