Vorschau: FC Bayern München – TSG Hoffenheim

Justin Trenner 03.10.2019

Bereits 22 Mal traf der FC Bayern auf Hoffenheim. 15 Siege, 50 Tore und nur 2 Niederlagen sprechen dabei eine klare Sprache. Doch viele dieser Begegnungen waren sehr eng. Auch wenn die letzten beiden Heimsiege auf dem Papier deutlich aussehen (3:1 und 5:2), taten sich die Münchner regelmäßig schwer gegen die TSG.

Nun hat Hoffenheim aber einen Umbruch zu bewältigen. In den ersten sechs Bundesliga-Spielen holte die Mannschaft nur fünf Punkte. Nur gegen ein bisher durchwachsen auftretendes Werder Bremen gelang ein 3:2-Sieg. Ansonsten gab es deutliche 0:3-Niederlagen gegen Freiburg und Gladbach sowie Unentschieden gegen Leverkusen und Wolfsburg. Die 0:1-Auftaktniederlage gegen Frankfurt und der knappe Sieg im Elfmeterschießen gegen die Würzburger Kickers komplettieren einen komplizierten Start ins neue Spieljahr.

Wirklich überraschend kommt das nicht. Mit Joelinton, Kerem Demirbay, Nico Schulz und Nadiem Amiri verließen vier Spieler die TSG, die in der jüngeren Vergangenheit sehr wichtig für das Team waren. Auf der Habenseite stehen immerhin kluge Transfers wie der von Diadie Samassékou oder die Rückkehr von Sebastian Rudy. Mit Robert Skov und Ihlas Bebou kamen zwei weitere Spieler, die verhältnismäßig teuer waren und dementsprechend Erwartungen schüren.

Hoffenheim: Eigentlich ein Mittelklasse-Klub?

Auf dem Papier macht es schon Sinn, was die TSG in diesem Sommer machte. Es war klar, dass ein schweres Jahr bevorsteht. Der Verlust von Schlüsselspielern ist dabei der eine Faktor. Der andere ist, dass mit Julian Nagelsmann der Erfolgscoach der letzten Jahre weg ist. Nagelsmann führte die TSG an die Grenzen der aktuellen Möglichkeiten. Als er damals als jüngster Trainer der Bundesliga-Geschichte im Jahr 2016 übernahm, schaffte er mit einem klaren Abstiegskandidaten noch den Klassenerhalt. Ganz große Investitionen blieben in der Folge zwar aus, aber Nagelsmann entwickelte seine Spieler so weiter, dass das auch gar nicht notwendig war.

Er machte aus einem Mittelklasseteam eine Mannschaft, die regelmäßig um die europäischen Plätze spielte. Damit setzte er die Messlatte natürlich hoch. Mit einem Transferplus von 135,08 Millionen Euro seit der Saison 2015/16 zeigt sich, dass Hoffenheim eher ein Sprungbrett für talentierte Fußballer ist. Die jungen Talente werden entwickelt und später für viel Geld verkauft. Größere Reinvestitionen gibt es nur selten. Mit 12 Millionen Euro war Samassékou in diesem Sommer der Rekordtransfer der TSG.

Mit Gesamtausgaben von 130,39 Millionen Euro seit Sommer 2015 stehen sie auf Platz 9 der Bundesliga. Zum Vergleich: Mainz 05 (121,66 Millionen Euro Ausgaben), Eintracht Frankfurt (121,27 Millionen Euro Ausgaben) und der VfB Stuttgart (133,92 Millionen Euro) sind hier in Reichweite. Ab Platz 7 (Gladbach / 185,55 Millionen Euro) geht es steil bergauf.

Schreuder: Von Nagelsmann und ten Hag gelernt

Das wird häufig vergessen, wenn die zweifelsohne streitbaren finanziellen Möglichkeiten des Klubs kritisiert werden. Hoffenheim macht mit relativ wenig Ausgaben einen guten Job. 115 Spieler kamen seit Sommer 2015 für im Schnitt 1,13 Millionen Euro pro Transfer. 109 Spieler verließen den Klub seitdem für 2,43 Millionen Euro pro Transfer.

Die Frage, die sich in der nun 12. Bundesliga-Saison Hoffenheims stellt, ist: Geht da auch noch mehr oder gibt man sich in Sinsheim mit der Rolle als mittelklassiger Entwicklungsverein zufrieden? Hoffenheim stand unter Ralf Rangnick und spätestens seit der Nagelsmann-Ära für Innovation. Auf und neben dem Platz will sich der Klub immer weiterentwickeln.

Mit Alfred Schreuder kam nun ein Trainer, der bereits unter Nagelsmann als Co-Trainer und dann im Team von Erik ten Hag bei Ajax arbeitete. Eine insgesamt nachvollziehbare Entscheidung, weil Schreuder bei beiden Trainern viele wertvolle Einblicke erhalten hat und maßgeblich durch sie geprägt wurde, was seine eigene Philosophie anbelangt. Taktisch dürfte der abermalige Umbruch in Sinsheim also deutlich kleiner ausfallen, als man das bei einem solch bedeutenden Trainerwechsel annehmen könnte.

Wo sind die Überraschungsmomente?

Und doch merkt auch Schreuder schon nach wenigen Wochen, wie groß die Fußstapfen seines Vorgängers tatsächlich sind. Einen Klub wie Hoffenheim konstant im oberen Drittel der Tabelle zu halten, schaffte selbst Nagelsmann in seinem letzten Jahr nicht mehr.

Im Detail will Schreuder bei Hoffenheim dennoch etwas verändern. Der Niederländer will noch mehr auf kontrollierten Ballbesitz setzen und das Tempo insgesamt bewusst verringern. Womöglich ist da der Einfluss ten Hags zu spüren. So richtig gelingt es seiner Mannschaft aber noch nicht, die Ideen umzusetzen. Zwar hatte sie mit Ausnahme des Leverkusen-Spiels immer mehr Ballbesitz als der Gegner, doch insgesamt gehen dem eigenen Spiel die Überraschungsmomente ab.

Auch Formationswechsel halfen nicht: Setzte Schreuder zu Beginn noch auf das bereits eingespielte 3-4-2-1, testete er zuletzt auch ein 3-5-2, ein 4-2-3-1 und ein 4-1-4-1. Das Ergebnis ist jeweils ernüchternd, zeigt aber auch den Stellenwert von Formationen, wenn sich an den Abläufen sonst wenig ändert.

Wenig Tempo und Gefahr

Trotz der individuell starken Besetzung im Mittelfeld gelingt es nämlich zu selten, die Kontrolle über ein Spiel zu behalten und gleichzeitig Chancen herauszuspielen. Mit nur 12,5 Abschlüssen pro Spiel steht Hoffenheim in der Bundesliga auf Platz 12. 5,29 Expected Goals sind darüber hinaus der schlechteste Wert der Liga (nach understat.com). Gemeinsam mit Köln erzielte Hoffenheim die wenigsten Tore (4). Das liegt auch daran, dass die Halbräume im Spiel der TSG nicht mehr so gut besetzt sind wie noch unter Nagelsmann. Dennis Geiger muss unter Schreuder offensiver agieren und dabei einen großen Raum bespielen. Durch die vielen Lücken im Mittelfeld ist das Tempo dann zu monoton. Hoffenheim kann das Spiel nicht beschleunigen und verliert den Ball in Ballbesitzphasen im Verhältnis zu den Abschlüssen zu häufig.

Es ist ein langer Weg, den Schreuder und seine neu zusammengesetzte Mannschaft gehen müssen. Das langsamere Angriffstempo sollte die Anfälligkeit für Kontersituationen verringern. Das Gegenpressing greift durch die unpräzisen Positionierungen der Spieler aber noch nicht richtig. Und so entstehen reihenweise Kontersituationen für Mannschaften wie Frankfurt und Freiburg.

Etwas wohler schien sich die TSG in den Spielen zu fühlen, wo der Gegner aktiv mitspielte. Der 3:2-Erfolg gegen Bremen, das 0:0 gegen Leverkusen und das 1:1 gegen Wolfsburg unterstreichen diese Beobachtung. Gegen den FC Bayern wird Hoffenheim ebenfalls weniger Ballbesitz haben und sich auf Konter fokussieren können.

Bayerns Chance: Hoffenheims linke Seite

Unter Schreuder scheint das Pressing nicht mehr ganz so aggressiv und druckvoll sein wie noch in den Vorjahren. Er setzt auf ein klassisches Mittelfeldpressing und auf eine sortierte Grundordnung, sobald das Gegenpressing nicht greift. Gegen Leverkusen artete das in langen Phasen ohne Ball aus, in denen die Hoffenheimer tief am eigenen Strafraum verteidigten. Dass sie letztendlich ein 0:0 mitnahmen, war eine Mischung aus konzentrierter Defensivleistung und Unvermögen des Gegners.

Gerade in den Phasen, wo die TSG sich passiv zurückfallen lässt, ist sie aber immer mal wieder anfällig. Das erste Gegentor gegen Gladbach entstand über die ohnehin anfällige linke Abwehrseite. Die Mannschaft blieb in der Rückwärtsbewegung beinahe ohnmächtig und kam so immer einen Schritt zu spät.

Eine wichtige Erkenntnis für den FC Bayern dürfte sein, dass der kommende Gegner weder mit Konstantinos Stafylidis in einer Viererkette, noch mit Robert Skov als offensiverem Flügelverteidiger die Lücke schließen konnte, die Schulz hinterließ. Hier gibt es für die Münchner die Chance, durch kluge Läufe und Überladungen Spieler aus ihren Positionen zu ziehen und Chancen herauszuspielen oder über schnelle Verlagerungen den Raum auf der eigenen rechten Seite zu nutzen.

Rückblick: Klare Angelegenheit gegen die Spurs?

Gerade nach dem 7:2 gegen Tottenham dürfte das Selbstvertrauen der Münchner groß sein. Doch Vorsicht ist geboten: Das hohe Ergebnis spiegelt nicht im Ansatz den Spielverlauf wider. In den ersten 30 Minuten der Partie offenbarten die Bayern eklatante Schwächen im Aufbauspiel. Ohne Thiago gelang es der Mannschaft nicht, das Zentrum einzubinden und so lief man reihenweise in die Pressingfallen des Gegners.

Nicht nur dieses, sondern alle bekannten Expected-Goals-Modelle sahen Tottenham am Ende vorn. Auch wenn hier zu beachten ist, dass sie einen Elfmeter bekamen und die Bayern nicht, zeigt es, wie knapp das Spiel eigentlich war.

Erst als sich Tottenham nach einer halben Stunde Powerfußball eine Verschnaufpause gönnte und Bayern ruhiger aufbauen ließ, kamen die Münchner in Ansätzen zu Spielkontrolle. Wirklich druckvoll agierte die Elf von Niko Kovač hier aber auch nicht. Beide Tore entstanden jeweils aus starken Einzelaktionen.

Kovač hatte sich erstmals seit längerer Zeit in seiner Aufstellung verzockt. Tolisso und Kimmich harmonierten nicht miteinander und Coutinho fehlte dadurch ebenfalls die Anbindung. Thiago fehlte dem Spiel an allen Ecken und Enden. Auch wenn der Spanier zuletzt ein paar leichtsinnige Fehler in seinem Spiel hatte, zeigte sich in dieser ersten Halbzeit, was dem Bayern-Spiel abgeht, wenn er nicht spielt.

Wird Tolisso zum Problem?

Tolisso wirkt im Mittelfeld weiterhin wie ein Fremdkörper, obwohl er auch gute Momente in seinem Spiel hat. Zunächst kann das daran liegen, dass er nach seiner schweren Verletzung weiterhin Zeit braucht. Das dürfte aber nicht rechtfertigen, warum er in seiner Positionierung im Spielaufbau oft zu hoch, zu breit oder zu tief steht. Für Tottenham war es so ein leichtes Spiel, sich auf Kimmich zu fokussieren und Tolisso als etwas freieren Mann unter Druck zu setzen.

Vielleicht sollte sich Kovač ganz grundsätzlich überlegen, ob Tolisso als Sechser brauchbar ist. Der Franzose ist eigentlich eher ein sehr offensiver Achter, der aus der Tiefe Torgefahr erzeugen kann und im Gegenpressing starke Momente hat. In tieferen Zonen hat er Schwächen, die den Bayern auf diesem Niveau wehtun.

Der Trainer begründete seine Entscheidung mit dem taktischen Grund, dass Tolisso ein offensiverer Spieler ist als Thiago. Letztendlich war das aber eine verhängnisvolle Entscheidung. Statt der zuletzt überzeugenden 3-2-Staffelung im Spielaufbau (Pavard – Süle – Boateng / Kimmich-Thiago) entstand häufig eine 3-1-Staffelung oder gar eine 4-1-Staffelung, wenn einer der Mittelfeldspieler zu tief stand. Tottenhams 3-2-Staffelung im Angriff passte perfekt, um das Mittelfeld zu kontrollieren.

Entwicklungen brauchen Zeit

Den Bayern ist aber auch in diesem Spiel positiv anzumerken, dass sie ihr Spiel mit dem Ball grundsätzlich umstellen wollen. Nur 14 Flanken schlugen die Münchner gegen die Spurs, obwohl sie in einigen Phasen Probleme hatten, den Ball nach vorn zu bringen.

Die herausgespielten Chancen der Münchner zeigen die angestrebte Variabilität im Offensivbereich.

Allein die Visualisierung der herausgespielten Chancen zeigt, dass die Bayern eine neue Variabilität im Aufbauspiel anstreben – auch wenn viele der Abschlüsse zu weit außerhalb der eigentlichen Gefahrenzone entstanden. Ein wichtiger Faktor für diese neue Variabilität ist Philippe Coutinho, der einen viel strukturierenderen Charakter hat als Thomas Müller und perfekt mit Thiago und eigentlich auch Kimmich harmoniert. Auch wenn der Brasilianer noch nicht perfekt eingebunden ist und gerade am Dienstagabend etwas unterging, kann er ein entscheidendes Puzzleteil für die Bayern auf ihrem Weg sein.

Dass Kimmich häufig im Mittelfeld aufläuft ist ebenfalls in diesem Kontext zu sehen. Bayern will weniger Zufallsprodukte durch Flanken und ein geordneteres Offensivspiel. Das macht die Angriffe der Münchner schon jetzt sehenswerter und attraktiver als in der letzten Saison. Dieser Wandel wird aber auch Zeit brauchen. Denn auf Champions-League-Niveau zeigte sich, dass die Abstimmungsschwächen im veränderten Spiel nach vorn mitunter noch zu groß sind. Umso wichtiger, dass ein solches Spiel früh in der Saison stattgefunden hat. Auch wenn das Ergebnis viele dieser Schwierigkeiten zu überdecken droht.

Gegen Hoffenheim wartet auf die Bayern ein Gegner, der nicht ganz so druckvoll agieren wird wie die Spurs. Spannend ist zudem, wie viel Niko Kovač vor der Länderspielpause rotieren wird. Denkbar ist eine kleine und moderate Rotation auf maximal 3-4 Positionen. Sie wird nicht nur aus Gründen der Fitness, sondern gerade aus Gründen der Stimmung sehr wichtig sein. Mindestens genauso wichtig wie ein Erfolg über Hoffenheim, um die Tabellenführung zu verteidigen.

Vorschau-Tippspiel

Im Vorschau-Tippspiel tippe ich den gesamten Bundesliga-Spieltag. In unserer Kicktipp-Gruppe könnt ihr euch mit mir und allen anderen messen. Der oder die GewinnerIn der Kicktipp-Runde bekommt von mir ein signiertes Exemplar Generation Lahmsteiger.

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Spieltagssieger

20 Punkte hat Georg geholt. Da zeigt sich doch glatt wieder, wer keine Ahnung hat. So einen Spieltag tippt doch keiner! Mit 8 Punkten habe ich echte Expertise bewiesen. Nun ja. Spaß bei Seite, hier die Top 5:

  1. Olorin – 101 Punkte (0,33 Spieltagssiege)
  2. ElbersErben – 97 Punkte (0 Spieltagssiege)
  3. Beltiboy – 96 Punkte (0 Spieltagssiege)
  4. Suppenkasper – 95 Punkte (0 Spieltagssiege)
  5. Nitram_ßiew – 94 Punkte (0 Spieltagssiege)

Lahmetippssteiger: Platz 132 – 69 Punkte (0 Spieltagssiege, kurz vorm Rage Quit)

So läuft es gegen Hoffenheim …

Kovač wird moderat rotieren und seine Mannschaft das Spiel nach einer kurzen Eingewöhnungsphase souverän gewinnen. 3:0.

So könnte Bayern spielen …

4-2-3-1: Neuer – Kimmich, Süle, Pavard, Davies – Thiago, Tolisso – Müller – Gnabry, Lewandowski, Perišić

Es fehlen: Leon Goretzka, Fiete Arp, Hernández; Alaba und Boateng dürften nach ihren Auswechslungen unklar sein, Müller rotiert vielleicht wieder rein

So läuft der Spieltag …

Hertha 2:1 Düsseldorf
Freiburg 1:1 Dortmund
Paderborn 2:1 Mainz
Bayern 3:0 Hoffenheim
Leverkusen 1:2 Leipzig
Schalke 2:1 Köln
Gladbach 1:0 Augsburg
Wolfsburg 2:1 Union
Frankfurt 1:1 Bremen