Vorschau: FC Augsburg – FC Bayern München

Justin Trenner 17.10.2019

Niko Kovač war nach der 1:2-Niederlage daheim gegen Hoffenheim sichtlich enttäuscht. „Der letzte Eindruck ist immer der, der bleibt“, sagte er nach dem Abpfiff und fügte hinzu: „Wir haben jetzt diese Niederlage, die wir erst einmal verdauen müssen.“

Viel Zeit zum Verdauen gab es aber nicht. Der Großteil des Kaders war mit den Nationalmannschaften unterwegs. Anders ist die Situation beim kommenden Gegner. In Augsburg ist die Lage zwar aufgrund des schwachen Saisonstarts und der kommenden schweren Spiele angespannt, doch die Länderspielpause schien gelegen zu kommen.

„Wir werden alles ansprechen und hinterfragen. Ich, mich, unsere Herangehensweise, haben wir zu hoch spielen lassen, waren wir zu offen?“ – So kündigte Trainer Martin Schmidt Veränderungen und Analysen für die zwei Wochen an. Im Gegensatz zu den Bayern fehlten ihm nur fünf Spieler, die in dieser Saison mehr als 100 Minuten Einsatzzeit vorweisen können.

FC Augsburg: Enttäuschender Fehlstart

Doch was ist eigentlich das Problem seiner Mannschaft? Auf dem Papier ist der Kader gut aufgestellt, mit Schmidt steht jemand an der Seitenlinie, der im Abstiegskampf mittlerweile erfahren ist und ohnehin hat sich der Klub seit seinem Aufstieg 2011 im Oberhaus etabliert.

Doch der Trend zeigt nach unten. Schon in der abgelaufenen Saison kam der FCA nur auf 32 Punkte. Ein Ergebnis, mit dem sie in den letzten 10 Jahren nur vier weitere Male die Klasse gehalten hätten. Vielleicht gab es zu viele Ausreden für diesen Ausrutscher nach unten: Verletzungspech, Spielpech, Chancenverwertung – allein unsere statistische Analyse im Februar des vergangenen Jahres zeigte, dass die Mannschaft gar nicht so schlecht unterwegs war.

Und doch stehen nach sieben Spielen erst fünf Punkte bei nur einem Sieg und zwei Unentschieden auf dem Konto des FCA. Gemeinsam mit Paderborn kassierte die Mannschaft von Martin Schmidt die meisten Gegentore (19). Eine Hochrechnung des aktuellen Schnitts würde auf nur 24 Punkte und 92 Gegentreffer am Saisonende hinauslaufen – wohl der sichere Abstieg.

Baier als Hoffnungsträger?

Soweit ist es zwar längst nicht, doch die ersten Spiele sind mindestens als Warnung zu betrachten. Man wolle eine ruhigere Saison als im letzten Jahr spielen und den Klassenerhalt frühzeitig perfekt machen, ließ Reuter noch im Mai verlauten. Aktuell läuft es auf Abstiegskampf bis zum Schluss hinaus.

Eines der großen Probleme: Fehlende Kompaktheit. Sowohl vertikal als auch horizontal ist die Mannschaft nicht in der Lage, die wichtigen Räume zwischen den eigenen Linien zu verteidigen. Schiebt der FCA hoch, sind die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen nicht selten zu groß. Die zwei anlaufenden Stürmer hängen dann in der Luft, weil sie ohne Probleme überspielt werden können.

Das Mittelfeld schafft es aktuell nicht, das Spiel zwischen Abwehr und Angriff auszubalancieren, was wiederum zu vielen Fehlentscheidungen führt. Mit Daniel Baier steht nun aber immerhin Augsburgs wichtigster Stratege vor der Rückkehr in die Startelf. Baier ist jemand, der strukturiert, ordnet und beruhigt. Qualitäten, die dem FCA zuletzt sehr fehlten.

Anfällig gegen Verlagerungen

Auch horizontal haben die Augsburger Probleme, das Spielfeld nicht zu breit und gleichzeitig nicht zu eng zu verteidigen. Das heißt, dass sie als Mannschaft zu stark verschieben. Befindet sich der Ball auf der eigenen rechten Abwehrseite, ist die ballferne linke Seite manchmal zu offen. Genauso ist die Formation oft zu eng, wenn der Gegner durchs Zentrum spielt. Hier fehlen zwar oft nur wenige Meter, die dem Gegner aber zu viel Raum und Zeit in ballfernen Räumen geben.

Augsburg zeigt sich deshalb auch anfällig bei schnellen Spielverlagerungen. Ob hoch und lang oder flach und schnell: Die Wege sind für den FCA zu weit, um diese Situationen anständig zuschieben zu können. Sowohl ballnah als auch ballfern kommen sie deshalb oft in Schwierigkeiten.

Das Statistik-Portal WhoScored charakterisiert und bewertet auf Basis ihrer Daten die Stärken und Schwächen der dort geführten Mannschaften. Beim FC Augsburg wird die Verteidigung von Flügelangriffen als „sehr schwach“ beschrieben. Ein Resultat aus der fehlenden Kompaktheit und zu großen Abständen. Besonders eklatant ist die Halbraumverteidigung. Regelmäßig gelingt es Mannschaften, durch schnelle Verlagerungen große Räume zwischen den Außenverteidigern und den Innenverteidigern beim FCA zu finden.

Hinten pfui und vorne so lala

WhoScored charakterisiert darüber hinaus nur noch einen weiteren Aspekt des Augsburger Spiels als „sehr schwach“: Den Ball in den eigenen Reihen halten. Natürlich ist es typisch für eine auf Umschaltmomente ausgelegte Mannschaft, dass nicht viele Ballbesitzphasen entstehen. Doch Augsburg fehlt die Ruhe, um einerseits das Spiel selbst beruhigen zu können und andererseits in Kontersituationen gelassen und abgezockt Nadelstiche setzen zu können. Die Folge: Dem eigenen Spiel gehen Entlastungsphasen ab.

Immerhin: Acht Tore in sieben Spielen sind zwar ausbaufähig, aber kein schlechter Wert und mit Florian Niederlechner hat Augsburg vorne jemanden, der sehr zuverlässig trifft. Der Angreifer war an sechs der acht Tore direkt beteiligt. Wenn beim FCA etwas funktioniert, dann ist es seine Einbindung.

Schmidt wird in den kommenden Wochen zunächst daran arbeiten müssen, die Kompaktheit zu verbessern, um die Defensive zu stabilisieren. Dies hat er auch schon als seine oberste Priorität ausgegeben: „Wir müssen wieder an die Basics ran“, sagte er und sprach vor allem von der Arbeit gegen den Ball. Gleichzeitig muss der FCA aber mehr gefährliche Situationen herausspielen. Die Ruhe am Ball, ein zielstrebigeres Spiel nach vorn und besserer Zugriff im Gegenpressing – all das sind Baustellen, die es zu schließen gilt.

Liegt das Problem beim Trainer?

Mit 10,1 Abschlüssen pro Spiel hat Augsburg den schlechtesten Wert der Liga. Gleichzeitig misst Understat.com aber 0,12 Expected Goals1 pro Abschluss aus dem Spiel heraus, was im Vergleich zur direkten Konkurrenz im Abstiegskampf ein guter Wert ist. Es wird also maßgeblich darauf ankommen, die Quantität bei gleichbleibender Qualität zu erhöhen.

Die strukturellen Schwächen sind beim FC Augsburg aber nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen stehen die vielen individuellen Fehler, die nicht ausschließlich auf den Trainer zurückzuführen sind. Allein der 7,5-Millionen-Euro-Neuzugang Tomáš Koubek patzte bereits mehrfach. Bei der Ursachenforschung sollten deshalb mehrere Aspekte einbezogen werden: Sind es tatsächlich die taktischen Vorgaben des Trainers, die individuelle Fehler provozieren? Oder sind es die Spieler, die aktuell verunsichert nach ihrer Form suchen?

Wie so oft dürfte die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen. Doch eins scheint auch klar zu sein: Findet Schmidt keine schnelle Lösung für die Probleme, wird es für ihn bald eng. Saisonübergreifend gab es in 14 Pflichtspielen unter ihm nur drei Siege. Acht Niederlagen und 38 Gegentore sprechen eine klare Sprache.

FC Bayern: Rückfall in alte Zeiten

Eine klare Sprache sollte deshalb auch der FC Bayern am Wochenende sprechen. Die Schwächen der Augsburger können am ehesten ausgenutzt werden, wenn der Rekordmeister sein Tempo wieder erhöhen kann. Gegen Hoffenheim fehlte es den Münchnern an Präsenz im Zentrum. Immer wieder spielten sie den Ball quer und langsam auf die Flügel.

Die TSG kontrollierte das Zentrum, konnte leicht verschieben und zwang den Gegner damit zu vorhersehbaren Angriffen. Es war aus Sicht der Bayern ein klarer Rückschritt in alte Zeiten. Ein nicht unwesentlicher Faktor war Joshua Kimmich, der in jeder Position sehr dominant auftritt. Als Rechtsverteidiger hatte er bis zur Umstellung genauso viele Ballkontakte wie Corentin Tolisso als Sechser (66). Das Problem dabei ist, dass Kimmich auf der rechten Bahn durch die Seitenauslinie eingeschränkt wird. Bekommt er den Ball nun im Spielaufbau, verschiebt der Gegner auf seine Seite. Es wird nun erheblich schwerer, einen Angriff vorzubereiten, der den Flügelstürmern (zuletzt Serge Gnabry und Kingsley Coman) Räume öffnet.

Bekommt Kimmich den Ball im Mittelfeldzentrum, fokussiert sich der Gegner zunächst auf die Spielfeldmitte. Er, Thiago und Coutinho haben dann die technischen Qualitäten, um das Spiel in die ballfernen Flügelräume zu verlagern, was wiederum dazu führt, dass die Flügelstürmer der Bayern mit mehr Raum angreifen können. Corentin Tolisso kann im tiefen Mittelfeldzentrum nicht das anbieten, was Kimmich zuletzt zeigte. Der Franzose hat seine Stärken in höheren Spielfeldzonen, neigt im Sechserraum aber zu Fehlern und Hektik. Ein berechenbares und langsames Spiel wie zuletzt gegen Hoffenheim ist in dieser Konstellation deshalb keine große Überraschung.

Mit gutem Eindruck nach Piräus

Ohnehin ist die Hektik im Spiel ein großer Störfaktor. Als Kimmich gegen Hoffenheim ins Mittelfeldzentrum wechselte und Kovač auf eine Dreierkette umstellte, gab es eine kurze Phase der Kontrolle, die sofort zum Ausgleich führte. Danach wollten sie die Entscheidung aber zu schnell erzwingen und spielten den Gästen somit in die Karten.

Fasst man nun alle Erkenntnisse aus der Gegneranalyse des FC Augsburg und der Niederlage gegen Hoffenheim zusammen, gibt es für die Bayern vor allem drei wichtige Schlussfolgerungen: Erstens sollten die Bayern um einen engeren Spielaufbau bemüht sein, um das Spiel zugunsten der Flügelstürmer spät breit zu machen. Augsburg hatte zuletzt große Probleme mit solchen Verlagerungen.

Das Konzept mit einem von außen einrückenden Kimmich stellten wir in der Vorschau auf den SC Paderborn vor. Die Vorteile: Absicherung durch drei echte Innenverteidiger, hohe Präsenz im Mittelfeldzentrum, mehr Raum für die Flügelspieler. Außerdem wäre dieses System eine Möglichkeit, Müller, Coutinho und Lewandowski spielen zu lassen, ohne zwangsweise die defensive Stabilität zu verlieren.
Eine weitere Möglichkeit, die von den Bayern so auch bereits mehrfach umgesetzt wurde: Ein Flügelstürmer gibt Breite, der andere rückt ein und macht so den Raum für den nachrückenden Außenverteidiger auf. Hier wäre Alaba womöglich besser geeignet als Hernández. Diese Variante folgt aber demselben Prinzip: Erst eng, dann breit.

Die zweite Schlussfolgerung: Schmidt wird um die Stärken der Bayern wissen, wenn sie ihre Flügelangriffe aus dem Zentrum heraus vorbereiten können. Denkbar ist deshalb ein tieferes Mittelfeldpressing des FCA, bei dem die beiden Angreifer den Aktionsradius der bayerischen Doppelsechs einschränken sollen. Für die aufbauenden Verteidiger der Bayern wird es darauf ankommen, die richtigen Passwinkel zu finden. Die Offensivspieler hingegen müssen sich so positionieren, dass es aus dem Mittelfeldzentrum heraus die Möglichkeit für schnelle Anschlussaktionen gibt.

Drittens – und das ist womöglich der entscheidende Punkt – braucht die Elf von Niko Kovač mehr Ruhe in der eigenen Ballzirkulation. Wenn sie sich ihren Gegner etwas geduldiger zurechtlegen und nicht die erstbeste, sondern eine sehr gute Lücke nutzen, würden sie einerseits in weniger Kontersituationen laufen und andererseits würde das wohl zu hochwertigeren Abschlüssen führen. Zu viel Hektik spielt Mannschaften wie Augsburg in die Karten. „Der letzte Eindruck ist immer der, der bleibt.“ Es liegt nun an den Bayern, nächste Woche mit einem guten Eindruck nach Piräus zu fahren.

1 Expected Goals ist eine Metrik, die versucht Qualität von Torabschlüssen zu messen, indem sie jedem Abschluss eine Wahrscheinlichkeit zuordnet. Die Modelle funktionieren jeweils unterschiedlich, weshalb es zu starken Abweichungen zwischen ihnen kommen kann. Im Verbund mit anderen Statistiken und dem subjektiven Eindruck können sie aber eine Annäherung an Objektivität ermöglichen.

Vorschau-Tippspiel

Im Vorschau-Tippspiel tippe ich den gesamten Bundesliga-Spieltag. In unserer Kicktipp-Gruppe könnt ihr euch mit mir und allen anderen messen. Der oder die GewinnerIn der Kicktipp-Runde bekommt von mir ein signiertes Exemplar Generation Lahmsteiger.

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Spieltagssieger

Die drei Spieltagssieger mit 17 Punkten: elias089, Ludinho und Lahmste… Spaß! Als ob ich Spieltagssieger wäre, ha ha! SP4 ist der Dritte und rutscht damit auch in die Top 5:

  1. Olorin – 112 Punkte (0,33 Spieltagssiege)
  2. Beltiboy – 107 Punkte (0 Spieltagssiege)
  3. Suppenkasper – 106 Punkte (0 Spieltagssiege)
  4. ElbersErben – 105 Punkte (0 Spieltagssiege)
  5. SP4 – 103 Punkte (0,33 Spieltagssiege)

Lahmsteiger: Platz 109 – 80 Punkte (0 Spieltagssiege)

So läuft es gegen Augsburg …

Tja. Eigentlich war das Gefühl vor dem Hoffenheim-Spiel gut. Die Probleme waren zwar offensichtlich, der Trend zeigte aber nach oben. Jetzt fängt man nach der Länderspielpause neu an. Auch Augsburg wird neu anfangen und es den Bayern dementsprechend schwer machen. Einen deutlichen Sieg erwarte ich nur, wenn ein frühes Tor für die Gäste fällt. Das passiert aber nicht und Bayern erkämpft sich einen wichtigen 1:2-Auswärtssieg bei einem sehr unangenehmen Gegner.

So könnte Bayern spielen …

4-2-3-1: Neuer – Pavard, Süle, Boateng (Martínez), Hernández (Davies?) – Thiago, Kimmich – Coutinho – Gnabry, Lewandowski, Perišić

Es fehlen: Für Goretzka könnte ein Einsatz gegen Augsburg noch zu früh kommen; Hernández ist nach dem Hin und Her über seinen Fitnesszustand wohl einsatzfähig, nachdem er für Frankreich gegen die Türkei durchspielte (trotzdem noch fraglich); Fiete Arp fehlt weiterhin verletzt (Kahnbeinbruch); Alaba scheint noch nicht so weit zu sein

So läuft der Spieltag …

Frankfurt 1:1 Leverkusen
Augsburg 1:2 Bayern
Union 2:1 Freiburg
Leipzig 2:0 Wolfsburg
Bremen 2:1 Hertha
Düsseldorf 2:2 Mainz
Dortmund 3:1 Gladbach
Köln 1:1 Paderborn
Hoffenheim 1:2 Schalke