Vorschau: FC Bayern München – TSG Hoffenheim
Im Prinzip war am Samstag im Pokal nach einer Halbzeit längst alles klar. Der Favorit hatte mit drei schnellen Treffern dafür gesorgt, dass der unterklassige Underdog keine Chance mehr haben würde.
In der 51., 53. und 63. Spielminute legte man jeweils nochmal nach. Weil man es konnte und weil die Spieler es wollten. Es war eine Machtdemonstration. Der Bizeps wurde kurz angespannt und brachte klare Verhältnisse – 6:1.
Diese Einleitung zur Vorschau hätten wir gerne zum FC Bayern geschrieben. Sie schildert aber die Geschehnisse in Kaiserslautern, wo die TSG Hoffenheim eine durchaus beeindruckende Frühform zeigte.
Nun muss man die erste Pokal-Runde nicht überbewerten. Allein die Umstände erlauben es nicht wirklich, die Leistung des Rekordmeisters mit anderen Bundesligisten zu vergleichen.
Trotzdem zeigte die TSG früh Tugenden, die sie in der letzten Saison zu einer der besten Mannschaften gemacht hat.
Der Nagelsmann-Effekt
Der Kader, den Julian Nagelsmann zur Verfügung hat, hebt sich in der Bundesliga nicht von vielen Mannschaften ab. Viele Spieler waren vor wenigen Jahren noch regelmäßig mit dem Kampf um den Klassenerhalt beschäftigt.
Nagelsmann machte fast jeden von ihnen besser. Die Entwicklung der TSG lässt sich zwar am Kollektiv sehen, liegt aber vorwiegend an der Verbesserung der Individuen.
Kevin Vogt, der mit Bochum, Augsburg und Köln beispielsweise Erfahrungen in den unteren beiden Dritteln der Tabelle sammelte, erlebte unter Nagelsmann einen so großen Aufschwung, dass in diesem Sommer selbst ein Interesse des FC Bayern kolportiert wurde und nicht völlig abwegig erschien.
Der Trainer machte zudem auch Wagner, Rudy, Süle, Demirbay und viele weitere Spieler so stark, dass sie in ihrer Nationalmannschaft eine Rolle spielen oder spielten.
Als solider Innenverteidiger nach Hoffenheim gekommen, entwickelte Vogt sich zwar noch nicht zum Nationalspieler, aber zum Abwehrchef, Organisator und Spielgestalter seiner Mannschaft.
Nur wenige Teams spielen so konsequent flach im Spielaufbau wie die Hoffenheimer. Das führte anfangs zu Fehlern. Je länger die Mannschaft aber unter Nagelsmann trainierte, umso besser wurde sie. Positionsspiel, Passgenauigkeit, Passschärfe, Bewegungsabläufe – Hoffenheims Spieler treffen selbst unter größtem Druck richtige Entscheidungen.
Nagelsmann fordert bereits im Training höchste Konzentration und Aufmerksamkeit. Er nutzt dafür modernste Technik wie den „Footbonaut“. Hoffenheim geht nicht erst seit Nagelsmann mit der Zeit und sorgt somit für perfekte Bedingungen.
Die Fortschritte, die sein Team dadurch erzielt, führen zu großer Sicherheit in Ballbesitz. Kombiniert mit ihrem Positionsspiel ist die TSG an guten Tagen nur schwer zu schlagen. Nagelsmann orientiert sich dabei an Guardiolas Ansätzen, bringt aber viele eigene Ideen ein.
Geduld und Konzentration sind eine große Stärke der Hoffenheimer. In einigen Zonen sollen die Spieler den Ball möglichst schnell weiterspielen, in anderen spürt man, dass die Anweisungen klar auf Ruhe basieren. Eine gute Entscheidungsfindung ist für den Trainer enorm wichtig und je höher das Tempo und der Druck sind, umso schwieriger wird das.
Nicht immer gelang es ihm in der Vergangenheit, eine Balance aus Tempo und Geduld zu finden. Doch je länger Nagelsmann die TSG trainierte, umso besser wurde diese Mischung. Im Training liebt der Trainer es, seine Spieler zu überfordern, ihnen ständig detailreiche und neue Herausforderungen zu stellen, sie weiterzuentwickeln.
Nagelsmann legt dabei mit seiner Spielidee längst nicht nur Wert auf Ballbesitzphasen. Kaum jemand in Deutschland spielt gemessen an seinen Möglichkeiten einen so variablen und kompletten Fußball wie die TSG. Es geht nicht darum, einen Stil richtig gut zu können, sondern darum, möglichst komplett zu sein und die eigenen Ideen gut umzusetzen.
Im Pressing variieren sie nicht nur in ihrer Höhe oder Breite, sondern auch in der Diagonalen. Das macht es Gegnern extrem schwer, den eigenen Spielaufbau konzentriert durchzuziehen und Wege von außen ins Zentrum zu finden. Das führt zu vielen Ballgewinnen in der gegnerischen Hälfte.
Die Grundformation variierte zu Beginn der Nagelsmann-Zeit noch sehr häufig. Hier hat der 31-Jährige aber mit dem 5-3-2 eine Ausrichtung gefunden, auf die er meistens zurückgreift. Variiert wird da nur noch im Detail – das Positionsspiel wird also hin und wieder an den Gegner angepasst.
Nagelsmann ist bereit für eine weitere große Saison. Es ist bemerkenswert, wie die TSG sich unter die Top-Teams der Liga gemausert hat. Trotz des Kaders, trotz des vergleichsweise geringen Etats. Die Mannschaft ist der größte Beweis dafür, welch hohen Stellenwert eine flexible, aber stets mit hoher Genauigkeit ausgeführte Strategie haben kann.
Die alltägliche Arbeit im Training, der ständige Fortschritt und die ständige Anpassung an Trends, ohne dabei von den eigenen Prinzipen abzuweichen, machen die TSG dank Nagelsmann zu einer Mannschaft, die wieder mit den Großen mithalten kann, wenn alles passt.
Der schwerstmögliche Gegner
Auch Niko Kovač sprach in seinen ersten Wochen beim FC Bayern sehr oft von Flexibilität. Viel konnte oder wollte der gebürtige Berliner davon aber noch nicht zeigen. Bisher blieb sehr viel beim Alten. Auch bei der Auswahl von Spielern für die erste Elf.
Schon gegen Hoffenheim muss sich seine Mannschaft extrem steigern. Frankfurt und Drochtersen/Assel waren nicht die Gradmesser, die eine Standortbestimmung zulassen. Erst jetzt wird eine Mannschaft kommen, die dem FC Bayern mit großer Sicherheit Grenzen aufzeigen wird.
Hoffenheim hatte eine fast reibungslose Vorbereitung, die Mannschaft ist eingespielt und aus taktisch-strategischer Perspektive viel weiter als die Münchner. Für die Bayern spricht hingegen die individuelle Qualität des Kaders.
Kovač wird es wichtig sein, dass sein Team sich nicht überrennen lässt. Es ist zu erwarten, dass Hoffenheim in der Anfangsphase testen wird, wie sicher der Meister in der aktuellen Phase mit dem Ball ist.
Aufgrund der Fitness und ihrer hohen Vertrautheit mit dem eigenen System sind die Hoffenheimer das stärkste Team, auf das der FCB in der Bundesliga am ersten Spieltag treffen kann.
Schon früh in der Saison muss der Rekordmeister also zeigen, dass er sein eigenes Niveau an dem des Gegners hochziehen kann. Das war in den vergangenen Jahren eine Qualität, die sie mehrfach zu Titeln brachte. Auch in schweren Saisonphasen gelang es plötzlich, einen guten Gegner mit einer starken Leistung zu besiegen.
Aktuell ist nicht abzusehen, wo der FC Bayern steht. Am Freitagabend wäre aber ein guter Zeitpunkt, um ein erstes Signal an die Konkurrenz zu schicken.
Dafür braucht es eine hohe Passgenauigkeit, die richtige Passschärfe, viel Tempo, Variabilität, eine gut organisierte Defensive sowie hohen Druck im eigenen Pressing – quasi eine alles umfassende Top-Leistung. Gerade im Mittelfeld wird es deshalb wichtig sein, Thiagos gestalterische Fähigkeiten zu fokussieren. Mit Müller als zweitem Achter und Martínez als Sechser gelang das höchstens, wenn der Gegner sehr tief verteidigte.
Es ist ein Dilemma, das jeder Bayern-Trainer in der jüngeren Vergangenheit hatte. Mit zwei kreativen Achtern und nur einem Defensivspieler wird der Verlust der Stabilität gefürchtet, mit einem kreativen Achter und zwei eher robusten Spielern drohen der Verlust der Durchschlagskraft nach vorn und – viel wichtiger – der Kontrollverlust.
Seit Alonso gab es keinen natürlichen Ersatz auf der Sechser-Position, der den Takt und den Rhythmus vorgeben kann. Thiago konnte das in Ansätzen zeigen, wird vom Klub aber eher als Achter gesehen. So wird – sollte es bei einem 4-1-4-1 in der Grundausrichtung bleiben – auch in dieser Saison die große Frage sein, wer diese entscheidende, zuletzt fehlende Rolle bekleiden soll und überhaupt kann.
Vorne sollte Kovač wiederum gemerkt haben, dass es mehr Tempo für Durchbrüche braucht. Coman wusste zu überzeugen, während Ribéry sich mehrfach verrannte und von Robben so gut wie gar nichts zu sehen war. Es wäre fast schon irritierend, wenn Kovač wieder das Risiko einer späten Einwechslung Comans geht. Bisher führte das immer zu einer zähen Anfangsphase, die gegen Hoffenheim hart bestraft werden könnte.
Es braucht eine konzentrierte, strukturierte und gut organisierte Leistung mit und gegen den Ball. Bisher fehlte den Bayern ein Positionsspiel, das genau das gewährleistet. Zugleich ist das einer der größten Kritikpunkte an Niko Kovač. Kann er der dem Team diese notwendige Struktur geben? Gibt es sowas wie ein Positionsspiel überhaupt noch? Die Zukunft wird es zeigen.
Ob der FC Bayern nach einer durchwachsenen Vorbereitung schon in der Lage ist, ein Heimspiel gegen eine Top-Mannschaft zu kontrollieren, wird sich schon am Freitagabend zeigen. Ein Sieg wäre für den weiteren Saisonverlauf jedenfalls sehr wichtig – egal wie.
Das Thesen-Duell
Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Justin gewählt. Kurzfristige Änderungen sind bis zum Spieltag noch möglich.
Zwischenstand nach dem letzten Spieltag: Justin 3,4 : 2 Fatbardh
Justins Tipps
- Torschütze: Kingsley Coman
- Freie These: Hoffenheim trifft mindestens einmal.
- Über/Unter 3,5: Über!
- Aufstellung: Neuer – Kimmich, Boateng, Hummels, Alaba – Martínez – Müller, Thiago – Coman, Lewandowski, Ribéry
Fatbardhs Tipps
- Torschütze: Robert Lewandowski
- Freie These: In der ersten Halbzeit fällt kein Tor.
- Über/Unter 3,5: Unter!
- Aufstellung: Neuer, Kimmich, Boateng, Hummels, Alaba, Tolisso, Thiago, Müller, Robben, Lewandowski, Ribéry