FC Bayern München – Besiktas Istanbul 5:0 (1:0)

Tobi Trenner 20.02.2018

Nachdem man sich in der Gruppenphase Paris geschlagen geben musste, landete man lediglich im Lostopf der Gruppenzweiten. Hier erwischte man jedoch mit Besiktas eines der vermeintlich leichtesten Lose.

Falls ihr es verpasst habt:

Jupp Heynckes rotierte wie erwartet kräftig im Vergleich zum zähen Sieg über Wolfsburg, wenngleich die tatsächliche Startelf einige überrascht haben dürfte. So verzichtete man nicht nur auf Franck Ribery, sondern auch auf den zuletzt glücklosen Arjen Robben.

Stattdessen starteten Kingsley Coman sowie Thomas Müller auf den Flügeln. Das Mittelfeldtrio ergab sich aus Javi Martinez, Arturo Vidal und James Rodriguez. Für Rückkehrer Thiago Alcantara reichten Form und Fitness noch nicht. Dank der aktuellen Kadertiefe durfte er sogar auf der Tribüne Platz nehmen.

Grundformationen Bayern BesiktasGrundformationen Champions League: FC Bayern München – Besiktas Istanbul

Auch beim Gegner gab es einige leichte Überraschungen. Trainer Günes entschied sich für Domagoj Vida als Verteidigungspartner von Pepe. Gary Medel durfte im Mittelfeld agieren und zusammen mit Atiba Hutchinson das Zentrum dicht machen. Als Zehner durfte mit Talisca die kreativste und mutigste Lösung starten. Der Dreiersturm bildete sich wie erwartet aus Quaresma, Babel und Vagner Love.

Schon in den ersten Minuten wurde der Matchplan der Gäste deutlich. Eine aggressive 4-4-2-Staffelung gegen den Ball sollte den Bayern keinen Raum für Kombinationen geben. Mit dem Ball waren insbesondere Dribblings der drei Kreativen (Quaresma, Babel, Talisca) gefragt, um Vagner Love in den gefährlichen Zonen zu bedienen. Dies machte den Münchnern zunächst sehr zu schaffen. Das Aufbauspiel war wild und endete meist nach drei Pässen.

Dennoch waren es die Bayern, die zu den ersten Torchancen der Partie kamen. Nach acht Minuten war es zunächst Kimmich, der einen Abpraller mit dem schwächeren linken Fuß nicht kraftvoll genug aufs Tor bringen konnte. Wenige Sekunden später zog Coman in Strafraumnähe nach innen, doch der Distanzschuss wurde pariert.

In der 16. Minute dann der Schock für die Gäste. Ein völlig unnötiger Ballverlust durch Hutchinson führte zur Notbremse von Vida gegen den frei aufs Tor laufenden Lewandowski – folgerichtig wurde der Kroate vom Platz gestellt. Den daraus resultierenden Freistoß aus zentraler Position löffelte James aus dem Stand knapp neben das Tor. Nahezu im Gegenzug setzte Vagner Love zum Dribbling an. Er ließ Hummels wie Boateng stehen, schoss aber über das Tor.

Die Anfangsphase war auf beiden Seiten unfassbar chaotisch. Erst der Platzverweis von Vida brachte eine gewisse Kontrolle ins Bayernspiel, da die Gäste nun nicht mehr so aggressiv agieren konnten. Arturo Vidal war in Ballbesitzphasen sehr hoch positioniert, was der Kreativität doppelt schadete: Nicht nur, weil Vidal zunächst wenig gelang, sondern auch, weil James Rodriguez recht tief agieren musste und damit als Schaltstation im Zehnerraum fehlte. Selbst in Überzahl konnte man sich nicht vollends von der Hektik lösen.

In der 30. Minute wäre es fast passiert. Doch nach scharfer Halbfeldflanke von James scheiterte Mats Hummels mit dem Kopf am Torhüter der Gäste. Einige Minuten später gab es ein Durcheinander im Strafraum. Vidals Schuss aus kurzer Distanz wurde noch geblockt. Man wurde das Gefühl nicht los, dass irgendwie der Führungstreffer erzwungen werden musste, bevor die Mannschaft gelöster auftreten kann. Zugegebenermaßen war dies nicht völlig unverständlich, schließlich waren die Offensivkräfte der Gäste stets für einen genialen Moment bereit.

Fünf Minuten vor dem Pausenpfiff musste Sven Ulreich ins Spiel eingreifen. Quaresma düpierte Hummels im direkten Duell mit Ansage und haute aus spitzem Winkel aufs Tor. Ulreich konnte den Ball aber zur Ecke wegfausten. Dies läutete eine urplötzliche Drangperiode der Gäste ein, welche auch das Stadion aufwecken ließ – mit klaren Vorteilen für die Gästefans.

Thomas Müller erzielt kurz vor dem Halbzeitpfiff das 1:0.
(Foto: Alex Grimm / Bongarts / Getty Images)

Während James Rodriguez verletzt am Seitenrand stand und die Bayern nur zu zehnt agierten, passierte es dann doch. Coman setzte sich nicht zum ersten Mal stark gegen Adriano durch, die Hereingabe landete schlussendlich bei Thomas Müller, der den Ball aus zwei Metern über die Linie drückte. Die verdiente wie wichtige Führung für die Roten (44.). In den Torjubel hinein fiel dann der unfreiwillige Wechsel: Arjen Robben ersetzte den verletzten James.

Der Halbzeitpfiff glich einer Erleichterung – trotz Überzahl ab der 15. Minute, trotz später Führung durch Müller. Zwar waren die Bayern überlegen, aber offensiv lief alles über Flanken oder Coman, während man defensiv durchaus Probleme mit den dribbelstarken Gästen hatte.

Alle drei Parteien – Bayern, Besiktas und der Schiedsrichter – brachten eine Unruhe in die Partie, die dem deutschen Rekordmeister eigentlich nicht schmecken konnte.

Die zweite Halbzeit begann mit seichtem Druck der Bayern. Den ersten Aufreger gab es nach vier Minuten, als Lewandowski noch im Strafraum umgerissen wurde, doch der Schiedsrichter entschied nur auf Freistoß. Diesen setzte der Pole selbst an den Pfosten.

In der 52. Minute war es erneut der polnische Stürmer, der zum Hauptakteur wurde. Im Zusammenspiel mit Müller kombinierte sich Lewandowski in den Strafraum, wo er überlegt den Ball in die Mitte legte. Kingsley Coman erreichte die Kugel zuerst und schob überlegt ein. 2:0 für die Bayern!

Bei den Gästen fokussierte man sich nun vermehrt auf die Defensivarbeit, während die Münchner etwas kontrollierter mit dem Ball agierten, was nicht zuletzt an der strukturellen Umstellung durch die Einwechslung von Arjen Robben lag. Es ergaben sich nun klarere und vertrautere Passwege. Ein gewisses Grundmaß an Chaos blieb jedoch weiter bestehen.

In der Phase ab der 60. Minute herum war deutlich, dass sich die Begegnung nun entscheiden könnte. Würde es dem FCB gelingen, noch ein oder zwei Tore draufzusetzen, müsste im Rückspiel schon viel schieflaufen.

Und erneut war es der Müller. Robben legte rechts auf Kimmich, der an den kurzen Pfosten flankte. Müller nahm ihn direkt und zielte so gnadenlos auf den Torhüter, dass dieser den Ball nur ins Tor klatschen lassen konnte. Der gute, alte Müller in Reinform (66.).

Nach dem 3:0 plätscherte das Spiel über zehn Minuten etwas vor sich hin. Dann fiel plötzlich das vierte Tor. Hummels hielt aus der Distanz einfach mal rauf, den Abpraller verwertete Lewandowski mit Leichtigkeit (79.). Eine großartige Ausgangsposition für das hitzige Rückspiel. Kingsley Coman wurde daraufhin mit einem verfrühten Feierabend belohnt, für ihn kam Franck Ribery zum Auslaufen.

In der 85. Minute hätte Martinez fast Tor Nummer fünf erzielt, doch sein satter Fernschuss konnte noch zur Ecke abgewehrt werden. Die Bayern drängten weiterhin auf ein Tor – und bekamen es. Robben schickte Müller, der legte quer auf Lewandowski. Das folgerichtige 5:0 und die endgültige Vorentscheidung im Achtelfinale (88.).

Bei diesem Ergebnis blieb es dann auch. Durch eine souveräne zweite Halbzeit gegen ein dezimiertes Besiktas konnte sich der FC Bayern ein Polster erarbeiten, das locker zum Einzug ins Viertelfinale reichen sollte.

3 Dinge, die auffielen:

1. Alles auf rot

In der Anfangsphase der Partie sah sich der FC Bayern einem aggressiven, hoch pressenden Gegner ausgesetzt. Besiktas ließ den Gastgebern keine Chance zum geordneten Aufbau. Wie gewohnt in dieser Saison hatten die Münchner große Probleme gegen einen früh anlaufenden Gegner, das Chancenplus schien eher auf Zufall basierend zu sein.

Mit dem (völlig korrekten) Platzverweis von Domagoj Vida änderte sich die Situation nachhaltig. Die Gäste konnten die intensive, mannorientierte Defensivarbeit in Unterzahl einfach nicht mehr leisten. Der Spielverlauf entschied sich nun danach, wer das erste Tor erzielen konnte.

Die Bayern drückten mit wenig Kreativität, Besiktas setzte auf die individuellen Künste im Konter. Umso wichtiger war der Treffer von Müller kurz vor der Pause. Er gab den Gastgebern den dringend benötigten Schuss Sicherheit und Selbstbewusstsein.

Natürlich kann man den Bayern nicht vorwerfen, letztendlich souverän die Überzahl ausgespielt zu haben. In der zweiten Halbzeit ließ man den Gegner laufen und zeigte sich geduldig. Lobend sollte auch erwähnt werden, dass man bis zur letzten Minute auf weitere Tore drängte und so die vorzeitige Entscheidung erreichen konnte.

Dennoch sollte bei der Bewertung der Leistung und des Ergebnisses nicht vergessen werden, wie die Begegnung bei 11 gegen 11 aussah.

2. Stärkung durch Schwächung

Wenn der beste Kreativspieler der letzten Monate verletzungsbedingt den Platz verlassen muss, ist das nie eine gute Nachricht. Doch für die Struktur des FCB war es hilfreich, dass James Rodriguez durch Arjen Robben ersetzt werden musste.

In der ersten Halbzeit hatten die Bayern mit dem Ball große Probleme, da man nur schwer kontrolliert ins Angriffsdrittel eindringen konnte. Da Arturo Vidal, der sehr hoch positioniert war, einen eher schwachen Tag erwischte, und James Rodriguez als tiefe Anspielstation diente, verkümmerte der Zehnerraum völlig.

Die sinnvolle Anpassung zur Halbzeit wäre gewesen, Vidal nach hinten zu ziehen oder komplett zu ersetzen. Ob Heynckes diesen Eingriff auch getätigt hätte, werden wir nie erfahren. Da James aber den Platz verlassen musste, erübrigte sich diese Änderung.

Durch die Umstellung – Robben als echter Flügelspieler, Müller im Zehnerbereich, Vidal weiter zurück – ergab sich sofort eine stärkere und vertrautere Staffelung. Die Passwege waren offensichtlicher, das Spiel entzerrt, der dezimierte Gegner entschlüsselt.

Gegen den breit aufgestellten FCB mit Dribbelgefahr auf beiden Seiten hatte Besiktas in Halbzeit zwei keine Chance mehr.

3. Er ist wieder da

Was sich in den letzten Wochen schon kräftig angedeutet hatte, wurde heute wieder unterstrichen: Thomas Müller ist zurück. Nach einer unfassbar langen, für Fans wie Spieler frustrierenden Krise, passt beim gefürchteten Raumdeuter inzwischen wieder alles.

Er ist wieder da.
(Foto: THOMAS KIENZLE / AFP / Getty Images)

Zunächst wären da die beiden Tore. Einmal aus der Drehung über die Linie gestolpert, einmal am kurzen Pfosten reingedrückt – was heute simpel aussah, gelang Müller über viele Monate nicht. Aber auch darüber hinaus ist dies wieder der alte Müller. Ständig werden freie Räume bespielt und belaufen, zuverlässig ist er im Kombinationsspiel eingebunden und kann selbst schwere Bälle ordentlich verarbeiten.

Sollte Müller diese Form bis Saisonende halten können, so wird er nicht nur ein Teil der ersten Elf bleiben, sondern auch ein Schlüsselspieler auf dem Weg zum Erfolg sein.

Insbesondere aktuell, wo die alte Achse um Ribery und Robben wegbricht, sind seine Fähigkeiten bei der Einleitung wie Umsetzung von Angriffen wertvoll.

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FC Bayern – Besiktas Istanbul
FC Bayern Ulreich – Kimmich, Boateng, Hummels, Alaba – Martínez – Müller, Vidal (83. Tolisso), James (44. Robben), Coman (81. Ribéry) – Lewandowski
Bank Starke, Wagner, Süle, Rafinha
Besiktas Fabri – Adriano, Pepe, Vida, Erkin (69. Gönül) – Hutchinson, Medel (85. Arslan) – Quaresma, Talisca, Babel – Vágner Love (57. Tosic)
Bank Zengin, Negredo, Ozyakup, Lens
Tore 1:0 Müller (43.), 2:0 Coman (53.), 3:0 Müller (66.), 4:0 Lewandowski (79.), 5:0 Lewandowski (88.)
Karten Gelb: Lewandowski / Quaresma, Pepe, Rot: – / Vida (16. Minute / Notbremse)
Schiedsrichter Ovidiu Hategan (Rumänien)
Zuschauer 70.000 (ausverkauft)