Warum wechseln Gaudino, Kurt und Kirchhoff?
Veränderungen gibt es zunächst ein mal auf den hinteren Kaderplätzen beziehungsweise bei Spielern, die aktuell trotz massiver Verletzungsprobleme am Ende der Hinrunde nicht auf die erhoffte Einsatzzeit kamen.
Jan Kirchhoff
Jan Kirchhoff wurde im Winter vor fast drei Jahren verpflichtet. Er galt als einer der Jugendspieler, die besonders bei Matthias Sammer hoch im Kurs standen. Kirchhoff kam damals ablösefrei, so dass das wirtschaftliche Risiko für den FC Bayern überschaubar war. Leider galt dies in der Folgezeit auch für den spielerischen Einfluss. Kirchhoff ist ähnlich wie Dante ein gutes Beispiel für die gestiegenen Erwartungen beim FC Bayern. Seine Verpflichtung wurde bereits weit vor dem Triple festgezogen. Kirchhoff war zu diesem Zeitpunkt ein leicht überdurchschnittlicher Bundesliga-Verteidiger mit Potenzial für mehr. Das reicht für den FC Bayern des Jahres 2016 ganz offensichtlich nicht mehr aus.
#SAFC are delighted to announce the signing of centre-back Jan Kirchhoff from @FCBayernEN! #WelcomeJan pic.twitter.com/W92Lwo3kkR
— Sunderland AFC (@SunderlandAFC) January 7, 2016
Da Kirchhoff vieles kann, allerdings kein Alleinstellungsmerkmal besitzt, wie es zum Beispiel Badstuber mit seinen langen Diagonalbällen oder Benatia mit seinem Kopfballspiel tut, ist er im breiten Bayernkader ersetzbar. Bereits nach einem halben Jahr wurde er trotz einiger Kurzeinsätze aussortiert und an Schalke 04 verliehen. Dort verbrachte er anderthalb Jahre und konnte sich aufgrund vieler Verletzungen nicht entwickeln. Daher ist es wenig verwunderlich, dass Schalke die Kaufoption, die sich im mittleren einstelligen Millionenbereich bewegte, nicht zog und Kirchhoff wieder nach München ziehen ließ. Dort kam er im Sommer verletzt an und war somit de facto nicht vermittelbar. Mittlerweile ist Kirchhoff wieder fit und stand sogar schon wieder auf dem Platz. Allerdings spielt er nach wie vor bei Pep Guardiola keine Rolle. Ein Wechsel ist aus seiner Sicht daher der einzig richtige Schritt. Der aufnehmende Verein ist der AFC Sunderland.
Gianluca Gaudino
Die Enttäuschung war im Herbst groß, als Gaudino aus dem Profikader gestrichen wurde. Gaudino spielte zwar schon längere Zeit immer wieder bei der U19 beziehungsweise bei den Bayern Amateuren, allerdings durfte er dabei immer mit den Profis trainieren. Hiermit war im Herbst etwas überraschend Schluss. Überraschend, weil Gaudino in der Vorsaison eine durchaus beachtliche Anzahl an Einsätzen in der Bundesliga sammeln konnte. Natürlich waren die körperlichen Defizite offensichtlich. Die Zweikampfbilanz des Fliegengewichts (30%) waren für einen Sechser noch nicht bundesligatauglich. Auf 90 Minuten berechnet sind 0.72 abgefangene Bälle zudem zu wenig. Thiago, Vidal, Alonso und Schweinsteiger bewegen sich hier bei 1.5 bis 1.78 abgefangenen Bälle je 90 Minuten. Allerdings überzeugte er durchweg durch gutes Stellungsspiel, gute Pressingbewegungen und gelungenes Passspiel. Warum Pep Guardiola letztlich offenbar das Interesse an einer Weiterentwicklung Gaudinos verlor, ist nicht unbedingt offensichtlich. Klar ist, dass es trotz des Abgangs von Bastian Schweinsteiger im zentralen Mittelfeld so eng geworden ist, dass selbst Sebastian Rode und Pierre-Emile Højbjerg nur eine untergeordnete Rolle spielen. Beide sind insgesamt weiter als Gaudino, der viel Raum für Verbesserungen hat. Selbst die lange Verletztenliste spielte ihm nicht in die Karten. An dieser Stelle bleibt allerdings unverständlich, weshalb Pep Guardiola viele Kaderplätze unbesetzt ließ, statt sie zum Beispiel mit Gaudino zu besetzen.
Eine Leihe ist daher wohl für beide Seiten eine sinnvolle Option — zumal es in der vierten Liga bei den Amateuren nicht wirklich voran geht. Ein Aufstieg in den Profifußball wäre für die Entwicklung von Spielern der Güteklasse Gaudino unerlässlich. Zugleich ergeben sich bei der Rückkehr unter einem neuen Trainer neue Optionen. Einziger Wermutstropfen scheint der aufnehmende Verein zu sein: St. Gallen. Aktuell sechster in der Schweizer Liga und trainiert von Josef Zinnbauer. Die Liga startet in der Schweiz erst wieder am 6. Februar – gefühlt ist der Aufenthalt also mehr ein Kurzurlaub. Dennoch macht ein Wechsel in diese Liga mehr Sinn als zum Beispiel der Gang in die zweite Bundesliga. Diese hat sich zuletzt spielerisch stark zurückentwickelt. Die meisten Teams legen den Fokus auf Umschaltbewegungen und Konterspiel. Gaudino wäre mit seinem Fähigkeiten in den meisten Mannschaften eher verschenkt. Unter Neutrainer Ancelotti könnte es dann im Sommer einen Neuanfang geben.
Update: 10.01.
Das Leihgeschäft von Gaudino ist mittlerweile offiziell bestätigt. Die Leihzeit beträgt 1 1/2 Jahre und nicht wie ursprünglich angenommen nur 6 Monate.
Jetzt offiziell: Gianluca Gaudino (19) wird bis 30.6.2017 an den FC St. Gallen (1. Liga Schweiz) ausgeliehen | ^M.Hörwick
— FC Bayern München (@FCBayern) 9. Januar 2016
Sinan Kurt
Analog zur Geschichte von Jan Kirchhoff liest sich die Laufbahn von Sinan Kurt. Vielen ist Kurt bereits durch seine Beteiligung an einer Sky-Dokumentation bekannt geworden, die seinen Weg als Profi beglitt. Obwohl Kurt noch kein Ligaspiel für Gladbach bestritten hatte, überwies der FC Bayern einen siebenstelligen Betrag und sicherte sich den begabten deutschen U-Nationalspieler. Dies ist nun anderthalb Jahre her. Seitdem ist die Entwicklung von Kurt leider stagniert. Sich richtig durchsetzen konnte er sich beim FC Bayern nie. Zu auffällig waren die spielerischen und körperlichen Defizite. Lediglich ein Einsatz über 44 Minuten gegen Hertha BSC erhielt Kurt. Zu wenig. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass die Konkurrenz auf der Außenbahn durch die Verletzungen von Robben und Ribery in der letzten Rückrunde weggebrochen war. Kurt wurde daher überwiegend in der A-Jugend eingesetzt. In der laufenden Saison ereilte ihn das gleiche Schicksal wie Gianluca Gaudino. Guardiola, der lieber mit einem etwas kleineren Kader arbeitet, sortierte das Talent aus. Bei den Bayern Amateuren fiel er ebenfalls nicht positiv auf. Einige Einsätze waren von Lustlosigkeit beziehungsweise Desinteresse geprägt. Hinzu kamen einige persönliche Eskapaden.
Herzlichen Willkommen in der @HerthaBSC – Familie, @sinan_kurt_24 ! Wir freuen uns sehr. #hahohe pic.twitter.com/CYUYIYTCRu
— Michael Preetz (@michaelpreetz) January 7, 2016
Obwohl Kurt bereits im Kader beim FC Bayern stand, investierte dieser in der laufenden Saison in Spieler für die Außenbahn. In der aktuellen Lage mit Kingsley Coman und Douglas Costa sowie den alternden Ribery und Robben ist der FC Bayern daher sehr breit aufgestellt. Zudem stehlen auch Müller und Götze gelegentlich auf der Außenbahn Einsatzminuten. Der Wechsel zur Hertha ist folgerichtig. Die Hauptstädter haben auf der rechten Außenbahn noch Bedarf. Anders als beim Weggang von Mitchell Weiser sicherte sich der FC Bayern wohl eine Rückkaufoption, sollte Kurt eine ähnliche Reifung unter Pal Dardai erfahren, wie es Weiser gelang. Es ist noch immer nicht ganz klar geworden, welche Fähigkeiten Kurt zu einer Bundesliga-Karriere verhelfen sollen. In seinen Auftritten im Bayern-Trikot wirkte er weder besonders dribbelstark noch außergewöhnlich torgefährlich. Trotzdem sieht auch Amateure-Coach Heiko-Vogel viel Potenzial in ihm:
Er hat supertolle Anlagen: Gold im linken Fuß, er ist antrittsschnell, er versteht dieses Spiel. Seine Möglichkeiten sind enorm.Heiko Vogel über Sinan Kurt, Münchner Merkur am 04.01.2016
Es ist durchaus interessant, dass der FC Bayern wie schon bei Emre Can und Alessandro Schöpf ein Modell mit einer Rückkaufoption gewählt hat. Das zeigt, dass reine Leihgeschäfte schwieriger geworden sind. Bei Can (Leverkusen, Liverpool) und Schöpf (Nürnberg, nun Schalke) verfiel eine solche Rückkaufoption auf Grund vorzeitiger Wechsel. Ganz ohne Risiko ist ein solches Modell also nicht.
Sehr gute Analyse!
Bei Gaudino möchte ich noch dazu sagen, dass ich es ja verstehe, wenn ein so junger und schmächtiger Kerl Probleme hat bei der Robustheit. Allerdings finde ich es unverständlich, wenn man als Fußballer mit solchen Ansprüchen nach 60 Min. keine Luft mehr hat, wie ich es bei Gaudino schon beobachtet habe. Extrem war es in Regensburg. Bis zur 40. sehr gut gespielt, danach keinen Meter mehr laufen können aus Luftmangel.
Besonders Kurt trauere ich leider nicht nach, obwohl ich bei seiner Verpflichtung durchaus große Hoffnungen hatte. Insbesondere, was seinen Einsatz bei den Amateuren angeht. Dort hätte er ein guter Einfluss + Leistungsträger sein können – bei den Erwartungen & wie über ihn vorab gesprochen wurde – beinahe sein müssen. Schade, er hat mich leider im U23-Kader nie überzeugt bzw. ist eher negativ aufgefallen. “Nicht mal für die 3. Liga”, hörte man da häufiger neben sich. Insofern bin ich aber gespannt, ob ihm ein ähnlicher Sprung wie Mitchell Weiser gelingt. Eine Option hat sich der FC Bayern ja noch offen gehalten.
Warum wechseln die drei? Weil sie nicht gut genug sind.
Kirchhoff hätte ich mir als Nr. 25 im Kader vorstellen können.Warum nicht. Aber verständlich, dass er in dem Alter endlich mal spielen möchte.
Gaudino muss sich noch deutlich weiterentwickeln. Man wird sehen. Die unbesetzten Kaderplätze zum Ende der Hinrunde? Für mich auch nicht verständlich.
Und Kurt? Welcher Kurt nochmal?
Sinan Kurt ist Linksfus und bei Hertha für die linke Aussenbahn vorgesehen. Auf der rechten Seite besteht bei Hertha derzeit kein Bedarf, weil dort Mitchell Weiser, Genki Haraguchi und Roy Beerens unterwegs sind.
Im übrigen wollte Hertha Kurt erst im Sommer 2016 holen. Kurt (und dessen Berater) bestanden aber auf eine sofortige Änderung.
Schöne Übersicht. Jo bringt es auf den Punkt: Sie sind nicht gut genug.
Und wegen der unbesetzten Kaderplätze: Naja, auf den ersten Blick habe ich Pep da auch nicht verstanden. Andererseits, wenn für Pep klar ist, dass im Falle des Falles ohnehin nur die 3 “richtigen” Proifs eingewechselt würden, dann reichen auch 4 Leute auf der Ersatzbank.
Kleine Kritik zu eurer leicht flapsigen Einschätzung zum späten Schweizer Ligastart: “… gefühlt ist der Aufenthalt also mehr ein Kurzurlaub.” In der Schweizer Liga stehen in der Rückrunde noch 18 Spiele an. Also mehr als in der Bundesliga oder 2. Liga in Deutschland. Ist zwar ein schöner Spruch ;-), aber sachlich irrelevant.
Selbst wenn das Jugendleistungszentrum nächstes Jahr fertig ist, gibt es keine Garantie auf einen neuen Lahm, Schweinsteiger, Müller, Alaba oder Kroos. Aber die Voraussetzungen werden wesentlich größer sein, dass schon einer der 5, die zur Zeit mit in Quatar weilen, den Sprung in Bundesligateam schaffen. Aber auch der Weg der Kimmichs und Comans ist eine gute und preiswerte Alternative zu den englischen TV Millionen. Der einzige, den ich in Deutschland sehe und der noch nicht bei den Bayern spielt, der den Sprung zu einem Spitzenspieler schaffen sollte, spielt bei Schalke und heißt Sane.
Kichhoff, Kurt, Gaudino, Green und Scholl werden ihren Weg gut machen, aber leider nicht sehr gut.
Sehr guter Artikel. Informativ und übersichtlich aufbereitet. Vielen Dank!
Bei Kurt war aufgrund des Abgangs in Gladbach von Anfang an ein fader Beigeschmack (ähnlich wie damals bei Weiser in Köln). Aber irgendwas muss man in ihm gesehen haben. Vlt. taucht es ja noch auf, allein die Hoffnung hab ich nicht.
Kirchhoff hatte einfach Pech mit den Verletzungen, sonst hätte er zumindest eine Rolle wie Rode spielen können. Womöglich auch nicht die Erfüllung, aber mehr wäre wohl nicht drin.
Bei Gaudino bin ich über den Abstieg überrascht gewesen. Auf dem Platz sah man, dass er ein gutes Auge und gefühl für Spiel und Räume hat. Ob ein halbes Jahr in der Schweiz deutlich mehr Erkenntnisse bringt wage ich zu bezweifeln.
In Summe muss man wohl sagen, dass es wirklich sauschwer geworden ist für junge Kicker beim FCB einzusteigen. Aber das Problem haben wir ja auf unserm Niveau nicht exklusiv. Bei Barca oder Real versauern noch ganz andere Kaliber im Nirgendwo. Von Wunderkind Ödegaard ist auch nix zu sehen. Chelsea und Juve haben zusammen ca. 100 Leihspieler im Umlauf. Barca meldet mal eben 77 neue Spieler an….
Da sieht man mal die Schwierigkeiten. Ich bin dennoch dafür den Weg weiterzugehen und es situativ zu versuchen – im Fall von Kimmich hat es ja funktioniert – ehe vielleicht mal irgendwann die Früchte aus dem neuen Jugendleistungszentrum geerntet werden können.
Ich habe Euren Bereich mal auf unserer Facebook-Seite mit Zitaten erwähnt: https://www.facebook.com/Münchner-Merkur-zitiert-545494342285241/
Danke, Thomas!
Mist, von Kurt wollte ich mir noch ein Trikot kaufen. Echt Schade, dass aus dem “Riesentalent” so wirklich gar nix geworden ist. Hoffe er bekommt noch die Kurve wie Weiser.
Das interessiert mich jetzt, oder habe ich die feine Ironie nicht erkannt? Wieso kauft man sich ein Kurt-Trikot? (Bitte vergiss die Frage, wenn es nur wegen des zu deinem Vornamen passenden Trikotflocks ist) ;)
Ja, genau das war der Hintergedanke. Zusätzlich wäre man wohl der einzige Mensch mit einem Kurt-Trikot was wiederum einen gewissen Obskuritätsfaktor hätte , aber eben auf einer anderen Ebene als “Dieter 77” oder sowas.
Naja, bis zum Saisonende wir keiner mehr seine Nummer bekommen. Also bleibt mir ja noch der Individualdruck.
Ich glaube bei Gaudino ist euch ein Fehler unterlaufen, er ist bis zum Sommer 2017 an St. Gallen ausgeliehen. Er kommt also nicht in diesem Sommer zurück, sondern erst zur zweiten Saison von Ancelotti.
@Kai
Danke für den Hinweis. Wir haben den Artikel veröffentlicht, bevor die Leihe offiziell vermeldet wurde. Wir sind daher von 6 Monaten ausgegangen. Mittlerweile haben wir den Artikel aktualisiert.