Vorschau: Hertha BSC – FC Bayern München
Für eine optimale Einschätzung der alten Dame haben wir uns erneut Marc Schwitzky eingeladen. Er ist Chefredakteur von Hertha Base und gibt uns Einblicke in die kleine Formkrise der Berliner.
Hallo, Marc. Bereits in der Hinrunde haben wir miteinander gesprochen. Damals aber über eine sehr erfolgreiche Hertha. Wieso folgte jetzt ein Einbruch und war das zu erwarten?
Herthas Rückrunden der letzten Jahre haben es zumindest nahegelegt, dass es einmal so laufen könnte. Die Wintervorbereitung war von der Frage geprägt, wie man einen erneuten Einbruch verhindern könnte. Anscheinend haben die Verantwortlichen keine wirkliche Antwort gefunden.
Wieso nicht?
Die Antwort auf deine Frage fällt schwer, denn es gibt viele, aber auch unbegreifliche Faktoren. Der Einbruch ließ sich bereits in der Hinrunde erkennen, sogar der genaue Zeitpunkt. Seit dem Spiel gegen den FC Augsburg (11. Spieltag), also seitdem Mitchell Weiser fehlt, läuft es spielerisch nicht mehr rund. Doch die damaligen Gegner, wie Wolfsburg, Mainz und Darmstadt verziehen dies und man holte aus den sieben letzten Spielen der Hinrunde noch zehn Punkte. Keine großartige Ausbeute, aber eben eine, die so gut war, dass sie die bereits aufgetretenen Probleme verschleierte.
Du sprichst den Ausfall Weisers an. Ist die Mannschaft so abhängig von ihm?
Durch den Ausfall Weisers verloren wir unseren wohl wichtigsten Feldspieler, der durch seinen Spielstil, seine Technik und Schnelligkeit ein Hauptfaktor für Herthas Offensive ist. Mit Weiser erreichte Hertha bis hierhin zehn Pflichtspielsiege, in sechs von ihnen war er an einem oder mehreren Toren direkt beteiligt. Zudem ist er sechsmal am ersten Treffer der Mannschaft beteiligt gewesen. Man ist nicht unwesentlich von ihm abhängig.
Im Jahr 2017 folgte dann doch ein etwas größerer Einbruch. Das kann ja nicht nur mit einem Spieler zusammenhängen, oder?
In der Rückrunde hat die Mannschaft ihren ohnehin schon gestörten Rhythmus nicht gefunden, bei allen Niederlagen (DFB-Pokal gegen Dortmund ausgenommen) wirkte sie blutleer und orientierungslos. Als ob die Mannschaft vergessen hätte, was sie stark macht, eine Kollektivamnesie. Es wäre viel zu leicht, die Krise an Weiser festzumachen, schließlich hat man auch sonst einen guten Kader, aber dieser befindet sich in einem absoluten Formtief. Ein Ibisevic trifft nicht mehr, ein Kalou wirkt nach zehn Minuten ausgelaugt und ein Brooks ist mal wieder Bruder Leichtfuß – es kommt also vieles zusammen. Einzig Rune Jarstein zeigt sich in überragender Form. Aktuell fehlt ein offensiver Ideengeber wohl am meisten, da Stocker für diese Rolle viel zu fahrig und Darida kein reiner Spielmacher ist. Hertha löst aktuell beinahe alles mit langen Bällen und eingestreuten Umschaltaktionen, was für eine Mannschaft im oberen Tabellendrittel einfach zu wenig ist.

(Foto: Kern / Bongarts / Getty Images)
Woran liegt es, dass Hertha den nächsten Schritt zu einer Spitzenmannschaft nicht ganz packt?
Wie ich es bereits angeschnitten habe, ist es wohl die Kaderbreite, denn wir können Ausfälle zwar temporär, aber nicht für lange auffangen. Der Star-Einkauf und benötigte Spielmacher, Ondrej Duda, konnte noch keine Minute spielen, aber auch sonst gelingt es Hertha nicht, einen fehlenden Weiser oder einen formschwachen Kalou zu ersetzen.
Ein weiterer Punkt ist die mangelnde taktische Variabilität, denn die Mannschaft kann anscheinend nicht auf die Formkrise reagieren bzw. es verändert sich nichts. Hertha spielt den absolut gleichen Fußball, wie in der Hinrunde, jedoch in allen Bereichen schlechter. Man steht eben nicht mehr so kompakt und verlor auch die Effizienz vor dem gegnerischen Tor, was Hertha ja am meisten auszeichnete. Unser Aufbauspiel war noch nie von Tempo geprägt, doch während es früher abwartend und unaufgeregt war, ist es nun phlegmatisch und ideenlos. Momentan ist man in nichts wirklich schlecht, aber eben niemals über dem Durchschnitt. Auch das ist zu wenig für eine Mannschaft, die nach Europa will.
Aber ist das nicht der Anspruch der Hauptstadt? Auf Dauer wieder oben dabei sein?
Ist es, und auch wenn die letzten Rückrunden nicht gut liefen, hat man es ja schon geschafft, sich in der ersten Tabellenhälfte festzusetzen. Der aktuellen Krise zum Trotz darf man nicht alles schlecht reden und muss erkennen, dass Hertha weiterhin eine großartige Entwicklung erlebt. Vielleicht ist es nun an der Zeit, zu realisieren, dass der Kader für mehr noch nicht im Stande ist. Hertha hat keine Ausnahmespieler wie sie etablierte Top-Teams haben. Spielt sich unsere Mannschaft in Bestbesetzung in einen Rausch, ja, dann kann solch eine Hinrunde mit Platz drei und dreißig Punkten entstehen, aber stecken ein paar Spieler in einer Formschwäche fest und ein paar andere verletzen sich, dann wird es sehr schwierig, dieses Niveau zu halten. Ich bin mir recht sicher, dass wenn wir im Sommer clevere Transfers tätigen und ein Duda eine gesamte Vorbereitung mitwirken kann, wir erneut eine erfolgreiche Saison spielen können.
Was fehlt der Mannschaft, um auch Teams aus dem oberen Drittel regelmäßig wehzutun?
Teilweise ist es der Mut, wirklich angreifen zu wollen. Zu oft stellt Pal Dardai seine Mannschaft gegen einen FC Bayern oder zuletzt gegen RB Leipzig um. Plötzlich glaubt man nicht mehr an sich und versteckt sich hinter einer Fünfer-Kette und wirft noch ein paar Talente in die Startelf (ihr werdet euch sicher gut an Allans Auftritt im Hinspiel erinnern), denn anscheinend ist es egal, wer spielt. Es fühlt sich dann meist nach Abschenken an.
Gegen Borussia Dortmund, sowohl in der Liga als auch im Pokal, hat Hertha gezeigt, wie überraschend gut man mitspielen kann, wenn man es sich auch zutraut. In diesen Spielen war man zu keiner Minute unterlegen und glich die fehlende Qualität durch Kampf und Wille aus. Diese Spiele machen mir Mut für die Rückspiele mit den Top-Mannschaften der Liga.
Bist Du optimistisch, dass die alte Dame bald den nächsten Schritt gehen kann?
Wenn der nächste Schritt bedeutet, dass man sich unter den ersten acht festsetzt, dann ja. Herthas Führung ist mittlerweile hoch professionell und die Mannschaft hat großes Potenzial. Sicherlich ist davon auszugehen, dass uns die vielversprechendsten Spieler wie Weiser, Brooks oder Darida in den nächsten Jahren verlassen werden, aber wenn man das dadurch generierte Geld gut investiert, kann man den nächsten Schritt gehen. Die Basis stimmt und Mönchengladbach hat vorgemacht, wie es geht.
Kommen wir zum Spiel gegen die Bayern. Mit welcher taktischen Herangehensweise erwartest du die Dardai-Elf?
Pal Dardai ließ bereits verlauten, dass man die Fünferkette im Schrank lässt und mutig auftreten will, das deutet stark auf die gleiche Herangehensweise wie gegen den BVB hin. Ich glaube, dass man die gleiche Formation wählt, wie sonst auch, sie bloß ein wenig defensiver interpretiert. Hertha wird in einem 4-2-3-1 bis 4-3-3 spielen und vermehrt auf Konter setzen, weshalb auch der schnelle und agile Genki Haraguchi eine große Rolle spielen wird.

(Grafik: Lukas)
Bayern hat jetzt gegen Arsenal eine Leistungssteigerung gezeigt. Hoffst Du darauf, dass sie in der Bundesliga wieder etwas schleifen lassen?
Natürlich hoffe ich das, aber dieses Spiel könnte auch ein spielerischer Befreiungsschlag gewesen sein, sodass Bayern wieder über alles hinüberrollt. Zunächst ist einmal davon auszugehen, dass Ancelotti gegen uns rotieren lässt und das hilft Hertha bereits. Doch Bayern konnte es sich gegen Ingolstadt und Co. auch erlauben, etwas schleifen zu lassen, sodass es vielleicht keinen Unterschied macht. Wenn sie keinen guten Tag erwischen, nicht das beste Personal aufstellen und nicht denselben Fokus, wie gegen Arsenal haben, dann kann etwas möglich sein.
Wo siehst Du sonst Schwachstellen beim Rekordmeister, die Hertha nutzen kann?
Ich habe das Gefühl, dass die Mannschaft unter Ancelotti an Mittelfeldkontrolle eingebüßt hat und dort öfter überspielt werden kann, da auch die Rückwärtsbewegung etwas statischer geworden ist. Dadurch kommt es zu mehr direkten Eins-gegen-eins-Duellen mit den Innenverteidigern, auf diese Situationen muss Hertha schielen und einen Haraguchi dementsprechend in Szene setzen.
Wie geht das Spiel aus?
Dardai sagte bereits, dass es das Ziel ist, zumindest ein Tor zu schießen. Ich gebe mich mal meinem Fan-Dasein hin und tippe mutig auf 1:1.
Wenn ich mir einen Spieler von der Hertha aussuchen könnte, wäre es Mitchell Weiser. Wen würdest Du dir von den Bayern holen und wieso?
Wie bereits angerissen, fehlt Hertha ein kreativer Spielmacher, daher fiele meine Wahl eindeutig auf Thiago! Ein unglaublicher Ballverteiler, der selbst den Zuschauer, der ein weitaus besseres Sichtfeld von den Rängen und TV-Geräten aus hat, mit seinen Ideen erstaunen lässt. Viele seiner Pässe lösen in mir das “Achja, stimmt!”-Gefühl aus, da ich dieses Zuspiel nicht habe kommen sehen. Ein Thiago-ähnlicher Spieler würde unserer aktuell ideenlosen Offensive also immens weiterhelfen.
Die Bayern haben einen großen Schritt in Richtung Viertelfinale der UEFA Champions League getan. Mit dem 5:1 gegen Arsenal zeigten sie nicht nur die beste Leistung des Jahres, sondern ließen auch einige Kritik vorerst verstummen.
Bereits in unserer Vorschau zum Hinspiel haben wir angesprochen, dass Ancelotti einer für die großen Spiele ist. Seine Philosophie, die Leistung der Mannschaft so zu steuern, dass sie am Ende der Saison auf dem Höhepunkt angekommen ist, scheint zu funktionieren. Zumindest im Moment, denn eine Einordnung des durchaus guten Auftritts am Mittwoch ist auch nötig.
Arsenal, der schlechteste Gegner seit Bremen?
Taktik-Experte Tobias Escher hielt nach dem Spiel auf Twitter fest, dass Arsenal auf taktischer Ebene der schwächste Gegner in der Allianz Arena seit Werder Bremen war. Damit hat er einen validen Punkt getroffen.
Die Gäste agierten ängstlich, zurückhaltend, passiv und boten den Schlüsselspielern des Deutschen Meisters genügend Raum, um zu glänzen. Es war aus dieser Sicht kein Wunder, dass die Bayern sich in einen Rausch spielten.
(Foto: Alex Grimm / Bongarts / Getty Images)
Wengers Elf zeigte ganz Europa, wie man es in München nicht angehen sollte. Und doch gab es Momente, in denen die Engländer hätten in Führung gehen können. Die Bayern starteten dominant, aber auch ideenlos in diese Partie. Abgesehen von Robbens Traumtor lief im ersten Durchgang nicht viel zusammen.
Der fehlende Rhythmus, das fehlende taktische Gerüst und die Probleme der letzten Wochen machten sich wieder bemerkbar. Ein taktisch besser eingestellter Gegner als Arsenal, die lange nicht mehr zur europäischen Spitze gehören, hätte diese Anlaufschwierigkeiten genutzt.
In der zweiten Halbzeit gab es an der Bayern-Leistung nichts mehr zu kritisieren. Doch auch hier spielten die Geschichte rund um Koscielnys Ausfall und die Tatsache, dass jeder Schuss der Münchner ein Tor war, eine große Rolle.
Am Ende stand eine Leistung zu Buche, die als “okay” bis “gut” zu bewerten ist. Quasi als erster Schritt für die kommenden Aufgabe und als Möglichkeit, darauf aufzubauen.
Den Rhythmus finden, Verletzungen vermeiden
Die Partie mit dem FC Arsenal zeigte nämlich eines ganz deutlich: Den ominösen Schalter sofort umzulegen, ist fast unmöglich. Ein anderer Gegner hätte die Zeit, die der Rekordmeister zum hochfahren benötigte, eiskalt ausgenutzt.
Daher ist es wichtig, nun einen Rhythmus zu finden. Die Schlagzahl sollte nun auch in Bundesliga und Pokal erhöht werden. Der Trainer muss dafür die richtige Balance aus Rotation und Beständigkeit finden.
Ancelotti kann in dieser Phase seine ganze Erfahrung ausspielen und muss darauf achten, dass sich sein Team für die großen Partien einspielt, gleichzeitig aber auch Verletzungen vermieden werden.
Die Abhängigkeit von der individuellen Klasse ist enorm. Noch stärker, als in den vergangenen Jahren.
Die Münchner sind in Ballbesitz ebenso sehr auf Einzelaktionen von Robben, Thiago und Lewandowski angewiesen, wie auf Javi Martínez’ Zweikampfstärke in der Defensive. Das war auch in den vergangenen Jahren so, aber jetzt vielleicht höher denn je.
(Foto: Marc Mueller / Bongarts / Getty Images)
Es war auch gegen Arsenal eher ein Sieg des Willens, der mentalen Stärke und der Klasse einzelner Akteure, als ein Sieg der Taktik.
Der Anfang ist gemacht
Diese mentale Stärke ist allerdings ein großes Plus im letzten Saisondrittel. Wer die Mannschaft am Mittwoch genau beobachtet hat, konnte erkennen, dass es einfach stimmt.
Der Wille von Vidal, die Leidenschaft von Thiago oder das Vorangehen von Robben: Diese Elf präsentierte sich als Einheit, die alle Probleme zumindest in einem Spiel über Effizienz und Mentalität kaschieren konnte.
Ob das immer so funktionieren kann, steht auf einem anderen Blatt, aber es war ein großer Schritt nach vorne. In den nächsten Wochen liegt es am gesamten Team, auf diesen Schritt weitere folgen zu lassen. Bereits gegen Hertha BSC können die Münchner den nächsten machen und sich Selbstvertrauen aufbauen.
Denn bei aller Euphorie: Die Leistungssteigerung ist nichts wert, wenn sie aufgrund von fehlendem Rhythmus nicht ausgebaut werden kann. Und das ist für die ganz großen Ziele zwingend notwendig.
Fünf Thesen zum Spiel
- Arjen Robben wird an mindestens einem Tor direkt beteiligt sein.
- Robert Lewandowski trifft.
- Kimmich spielt von Anfang an.
- Hertha trifft nicht.
- Die Bayern gewinnen dieses Auswärtsspiel.
Volltreffer! Alle fünf Thesen aus der Arsenal-Vorschau trafen zu. Gesamt: 71/135.
Witzig .. am Samstag spielt Bayern gleich zweimal in Berlin. Spätestens um 17:00 Uhr werde ich auf die “Mercedes-Benz-Arena” umschalten ….
@miasanrot
Was soll bitte dieser “Kulturpessimismus” auf der zweiten Blogseite? Im Vergleich zu den letzten beiden Arsenal-CL-Achtelfinalspielen in München war der vergangene Mittwoch doch eine Offenbarung. Unter den früheren Trainern Heynckes und Guardiola wurde gegen Arsenal zunächst excellent gespielt – und dann hat man dieses Momentum hergeschenkt und den Gegner groß gemacht. Am Mittwoch spielte man großartig und wurde durch einen “diskutablen” Elfer – der noch dazu abgewehrt wurde, aber eben erfolglos abgewehrt – aus dem Konzept gebracht. Trotzdem kam die Mannschaft zurück, und wie sie zurückkam. Die mentale Stärke der Mannschaft ist deutlich besser als in früheren Jahren. ..
Und was soll bitte das Gejammere, man sei “auf Einzelaktionen angewiesen”? Hey, wir haben Lewandowski, wir haben Robben und wir haben Martinez – ich bin nun wahrlich kein Freund dieser ewigen “Uwe-Rappolderei”, die nur noch das “Konzept,”, bzw. das Zusammenspiel bewertet und der Mannschaft die Chance auf grandiose Einzelaktionen nicht gönnen will. Lasst die Lewandowsikis, Robbens und Martinez ihre INDIVIDUELLEN Stärken ruhig ausspielen. Wenn es Erfolg hat liegt der Trainer damit richtig ..
Da sind wir zu weit auseinander, um es zu diskutieren. Und mir wird die Meinung, die ich dort im Artikel schildere, von dir auch schlicht zu negativ und lächerlich dargestellt.
@Wipf: Volle Zustimmung. Mich würde ja interessieren wie jemand, der das gestrige Spiel als “okay bis gut” ansieht, die CL-KO-Spiele der letzten 3 Jahre einstuft. Besser war da nämlich kein einziges, maximal kann man das Heimspiel gegen Atletico und das Auswärtsspiel gegen Juve nennen wenn man einbezieht, dass diese Mannschaften eben stärker einzustufen sind als Arsenal. Aber gegen Peps übrige KO-Spiele gegen Arsenal, Manchester und Benfica war das am Mittwoch in der Tat eine Offenbarung in wirklich jeder Hinsicht. Und wer Arsenal als schwach bezeichnet braucht mir jetzt nicht mit den noch schlechteren Truppen Donezk und Porto kommen (wo ohnehin jeweils nur ein Spiel der Duelle “okay bis gut” war und das andere grottenschlecht)…
Aber der Autor scheint eh ein anderes Spiel gesehen zu haben, wie erklärt sich sonst folgender Satz: “und die Tatsache, dass jeder Schuss der Münchner ein Tor war, eine große Rolle”?
Jeder Schuss ein Treffer? Der Kicker notiert 14 Torchancen für die Bayern…
Nun ja, es ist ziemlich offensichtlich was dieser “Kulturpessimismus”, wie Du es nennst, für einen Zweck hat…
Stelle mit hier weniger die Frage, ob der Autor das gleiche Spiel gesehen hat, sondern ob wir den gleichen Artikel konsumiert haben?
Tenor mMn: Bayern letztlich stark, Arsenal verdammt mies, deshalb fällt man am Ende die Einordnung der Leistung schwer. Die noch bestehenden Mängel könnten (Achtung: Konjunktiv) gegen bessere Gegner dem Erfolg im Wege stehen. Für den Moment ist es erstmal ein Ausschlag nach oben, was mit der Hoffnung einhergeht, dass zumindest die grundsätzlichen bayerischen Ansätze vom Mittwoch zur Regel und nicht zur Ausnahme werden. Dazu scheint es nötig, die positiven Aspekte wie Aufbauspiel und Gegenpressing (Letzteres zumindest situativ, wenn man nicht in jedem Bundesligaspiel so intensiv spielen möchte) so zu konservieren und einzuschleifen, dass man es auch gegen starke Gegner erfolgsstabil abrufen kann.
Wo ich mich nicht anschließe ist die starke Gewichtung des Tiefs nach dem Ausgleich. Das ist eben einfach eine Scheiß-Situation; und ob eine Mannschaft, die in den letzten Wochen in Form gewesen wäre, das besser weggesteckt hätte, darüber möchte ich nicht mutmaßen.
Achja…. Kulturpessimismus? Sind die Kulturpessimisten nicht eher jene, die der gegenwärtigen Strömung des Fussballs, nämlich hin zu einem stärkeren Fokus auf taktische und sportwissenschaftliche Aspekte, kritisch gegenüberstehen?
Ich bin beim vollkommen deplatzierten Einsatz solch gewaltiger Begriffe immer etwas unleidlich. Wird jetzt als nächstes der Klassenkampf ausgerufen?! Um die Deutungshoheit der Saison 16/17?
Danke, JU. Mit der Beschreibung meines Artikels kann ich schon viel mehr anfangen. Wer da nur das negative heraussuchen will und Meinungen verdrehen möchte, bitte. Ich sage lediglich: Das ist ein guter Anfang. Nicht mehr.
Zumal Bayern sich bis zur Halbzeit nur ganz wenig erarbeitet hat und Arsenal auch gut und gerne 2:1 hätte führen können. Ich behaupte: Gegen andere wäre die Mannschaft gestrauchelt. Die zweite Halbzeit war dann, wie ich es auch schreibe, gut und nicht zu kritisieren, aber Arsenal hat dann auch das Fußball spielen endgültig eingestellt. Wie viele große Möglichkeiten hatte Bayern denn bis zu der Phase, wo sie eben wirklich aus jedem Schuss ein Tor gemacht haben? Bis zum 3:1 oder 4:1. Viele waren es nicht. Einen Gegner, der dir so viele Räume schenkt, kriegst du in einem Achtelfinale der CL nicht so schnell wieder. Wenn das schon die beste Leistung war, wird es nicht reichen. Deshalb mein Hinweis: Der Rhythmus muss jetzt kommen und das auch im Tagesgeschäft. Gurkt man gegen Hertha und Co. rum, schafft man es nicht von anfang an voll da zu sein, wenn es wichtig ist.
@JU
Mit dem, was Kulturpessimismus ist, hast Du vollkommen recht.
Also, was soll diese ewige “Uwe-Rappolderei”, die jeden Anarchismus im Spiel schlechtredet? :-)
Du musst mir ein wenig auf die Sprünge helfen. Ich weiß nicht, was Uwe-Rappolderei ist.
@Justin. Gern; sieh es als Dankeschön für die Arbeit, die ihr hier reinsteckt und die uns allen kostenfrei zur Verfügung steht.
@Justin
Ich bin grundsätzlich absolut bei dir, bei einer Sache muss ich dir aber deutlich widersprechen: es gab keine Phase, in der Bayern “aus jedem Schuss ein Tor gemacht hat”. In der Phase, die du vermutlich meinst (also die Viertelstunde zwischen 2:1 und 4:1) fallen mir spontan noch ein Lattentreffer von Lewandowski, ein von einem Arsenal-Feldspieler kurz vor der Linie per Hand geklärter Schuss von Robben und ein von Ospina sensationell parierter Kopfball aus fünf Metern von Javi Martinez ein. Bayern hat also in keiner Phase aus jedem Schuss ein Tor gemacht.
Und auch in der ersten Hälfte gab es einige durchaus gute Chancen, da hatte leider Lewa noch kein Zielwasser intus. Einmal wurde er steil aufs Tor geschickt und hat dann durch eine schwache Ballannahme (sieht man auch nicht so häufig bei ihm) den Ball verloren, zudem hatte Lewa zwei mindestens ordentliche Kopfballchancen. Klar kann Arsenal zur Pause 2:1 führen, wenns blöd läuft…aber umgekehrt hätten auch wir bereits zur Pause wieder führen können (betrachten wir den fragwürdigen Elfer mal als gegeben).
Recht hast du allerdings, dass man das ins Verhältnis zum desolaten Gegner setzen muss. Arsenal war-spätestens in der zweiten Halbzeit-tatsächlich der schlechteste Gast seit Werder Bremen.
Vielleicht bin ich zu jung dafür, aber was sollen diese ständigen Anspielungen auf Rappolder? Ich hab den Namen schonmal gehört, der war glaub ich irgendwann mal Trainer (in Leverkusen, kann das sein?). Kann mal jemand kurz erklären, was er gemacht bzw. gesagt hat? Aktuell versteh ich den Zusammenhang nicht.
Jeder Schuss ein Treffer ist natürlich überzogen, ja. Aber Bayern hat sich sehr lange keine hochkarätige Chancen erspielt. Dann kam das 2:1 und Arsenal brach auseinander. Diese Phase hat Bayern extrem effizient und gut genutzt. Ja, es gab auch weitere gute Chancen, aber Bayern hatte dann das Momentum und das auseinanderbrechen Arsenals auf seiner Seite. Allein der Platz, den die Angreifer hätten…
@Daniel: Uwe Rapolder ist der Vater des deutschen WM-Triumphs 2014. Zumindest nach seiner Sicht der Dinge. Das dürfte schon einiges zur Person Rapolder erklären.
In seiner großen Zeit um die 2000-er Jahre kam meiner Erinnerung nach der Begriff des Konzepttrainers auf. Rapolder galt, wie Rangnick, als einer der wesentlichen Vertreter dieser “Schule”. Von der Begrifflichkeit her für mich immer schwierig, da es wohl kaum einen Trainer geben dürfte der kein Konzept für sich beansprucht.
Im allgemeinen interpretiert man das dann als einen Trainer mit einer starken Taktikaffinität im Gegensatz zu der “Geht’s raus und spielt Fußball”-Philosophie (auch das natürlich zugespitzt formuliert).
Trainer wie Rapolder, oder auch Rangnick, Tuchel, Guardiola legen viel Wert auf vorgeplante Abläufe und Automatismen. Dies sieht Wipf wohl im Gegensatz zu dem von ihm postulierten “kreativen Anarchismus”.
Wie man dabei gerade auf Rapolder kommt ist vielleicht erstaunlich, da er ja wirklich nicht mehr im Fokus steht. Allerdings eignet sich seine überschaubare Karriere natürlich besser ein negatives Bild zu zeichnen als mit den anderen erfolgreichen oder überaus erfolgreichen Kandidaten möglich gewesen wäre.
@JU, JO, JUSTIN et al ..
Genau. Uwe Rapolder war der erste so genannte “Konzepttrainer”. Er hatte 2004/2005 enorme Erfolge mit einer Zweitligamannschaft namens Arminia Bielefeld, die er in die Bundesliga zurückführte und die dort anfänglich erstaunliche Erfolge hatte. Mit Spielern, die so derartige no-names waren, dass andere Vereine kein Interesse daran hatten, sie Bielefeld wegzukaufen. Seiner Zeit war er definitiv voraus, und viele – so auch ich – hatten Sorge, was mit der Überlegenheit des FC Bayern passieren würde, wenn er mal eine “richtige” Mannschaft trainieren würde. Kurz und gut, er ging von Bielefeld im Streit zum FC Köln, wo er dann allerdings scheiterte.
Warum er letztlich kein wirklich großer Trainer wurde? Keine Ahnung, vielleicht klappte es im Zwischenmenschlichen nicht, vielleicht tanzten ihm die Spieler auf der Nase rum, vielleicht wurde er nicht akzeptiert weil er keine große Spielerkarriere aufzuweisen hatte. Vielleicht war er aber auch einfach kein so guter Motivator – wer nicht mit ihm zusammengearbeitet hat kann sich da kein Urteil erlauben.
Wie sehr Rapolder seiner Zeit voraus war kann man daran ermessen, dass der damalige Branchenführer FC Bayern zu dieser Zeit einen Felix Magath verpflichtete, der seine Recken mit Medizinbällen den Wallberg hinauflaufen ließ .. Auch sein Nachfolger war dann einer, der den Erfolg vor allem durch “gogogo-
Geschrei” mit “in-die-Hände-Klatschen” erreichen wollte .. erst 2009 verpflichtete der FC Bayern dann erstmalig einen Vertreter des “possession play” – den ich übrigens auch heute noch für einen der größten Trainer halte, die je den FC Bayern trainiert haben.
Das ist m.E. dann auch der Kern unserer Diskussion. Die “radikalen Konzepttrainer” van Gaal und Guardiola haben enorm viel Gutes bewirkt. Sie haben Spieler entdeckt (Badstuber und Müller wollte van Gaals Amtsvorgänger nach Hoffenheim ziehen lassen, Kimmich und Thiago verdanken wir wohl hauptsächlich Pep Guardiola), sie haben Spieler zu Weltklassespielern geformt (beginnend mit Robben über Schweinsteiger bis hin zu Boateng), und sie haben der Mannschaft Dinge beigebracht, von denen sie hoffentlich noch Jahre zehren wird.
Aber diese Trainer haben die Mannschaft auch geistig ausgelaugt. Das, was van Gaal gesät hatte, hat eben Jupp Heynckes geerntet. Und ich hoffe, dass Ancelotti ähnliches gelingt.
Mal so in den Raum gestellt..wie wäre es denn mit Weiser als Lahm Nachfolger??
Fände ich gut-die Tatsache, dass man ihn damals abgegeben hat, spricht aber wohl dafür, dass ihm die Verantwortlichen das nicht zutrauen (vielleicht wollten sie aber auch nur schauen, wie er sich woanders schlägt). In meinen Augen ist er die beste realistische Option: Henrichs ist noch zu jung-Bayern braucht einen Spieler, der sofort helfen kann, nicht einen, der es vielleicht in drei Jahren kann. Die ausländischen Optionen sind entweder wohl nicht zu bekommen (Carvajal), vollkommen überteuert (Bellerin) oder es bestehen doch berechtigte Zweifel, ob sie wirklich Verstärkungen sind.
Kimmich will ich lieber im Mittelfeld sehen, das passt in meinen Augen besser zu ihm.
Weiser ist zu schlecht. Henrichs ist jetzt schon besser, Kimmich auch. Es wird sowieso auf Letzteren hinauslaufen, haben die Bosse ja schon mehr als durchblicken lassen. Was auch okay ist, da man mMn fürs zentrale Mittelfeld eher einen Top-Mann findet als für die RV-Position.
@ICHFCB
Ach ja der Mitchell .. ein Spieler an dem ich persönlich einen Narren gefressen habe … es gibt aber auch Fans, die ihn so einschätzen wie ich Götze – also als genialen Techniker, dem aber vieles fehlt ..
Ich hoffe persönlich sehr dass wir ihn nochmal in rot sehen.
Im Prinzip sind auf der RV-Position 2 Planstellen frei, denn Rafinha geht ebenfalls dem Karriereende entgegen. Es spräche aus meiner Perspektive nichts dagegen sowohl Henrichs als auch Mitch Elijah zu holen. Ob aber Mitch nochmal zurück kommen will?!? In Berlin hat er Anerkennung, einen Stammplatz und keinen Druck.
Ich mag den Mitch. Und ich fand es richtig schade, als wir ihn gehen ließen.
Aber als Lahm-Nachfolger sehe ich ihn nicht. Seine Stärke liegt eher in der Offensive (siehe auch die im Interview angesprochenen Torbeteiligungen), was zur Folge hat, dass er bei der Hertha auch regelmäßig im rechten Mittelfeld bzw. als rechter Flügelstürmer spielt.
Und wenn wir an einen ultra-offensiven Rechtsverteidiger denken, der ggf. neben einer Dreierkette als “Schienenspieler” eingesetzt wird, dann kommt man an dem Namen Bellarabi nicht vorbei. Den würde ich liebend gerne in einer solchen Rolle sehen.
Was mich bei Weiser schon abhält mich weiter mit ihm zu befassen ist seine mutmaßliche Verletzungsanfälligkeit.
Nicht nur aktuell, sondern über die letzten 2-3 Jahre hat der doch ständig seine Verletzungen oder Zipperlein. Die Quote solcher Spieler im Kader sollten wir eher ab- statt aufbauen.
Die Leistung am Mittwoch war also “Okay”. Wow. Die Artikel der letzten Wochen sind langsam schwer zu ertragen.
Ich empfinde die Entwicklung des Diskurses der letzten Monate, gerade in diesem Blog und in seinen Kommentaren, als sehr interessant. Die Auseinandersetzung mit dem Fußball verändert sich, die Pionierarbeit hinter den Kulissen (der Spätzle-Connection seit den späten 80ern) und in der Folge in der Öffentlichkeit (Rangnick, Klopp, spielverlagerung.de) hat zur Folge, dass Wissen über Fußball vielfältiger kommuniziert wird. Das Ziel ist die rationale Beschreibung des Fußballs in seiner Komplexität und seiner Methoden zu präzisieren, und damit ihre Weiterentwicklung, die Evaluierung des Verhaltens von Mannschaften und damit auch einen komplexeren Blick von außen in Beschreibung, Kritik, Prognose etc. zu ermöglichen – Taktik, Statistik, etc. Die Vor- und Nachteile der Pep-Ära stehen allen vor Augen (werden aber unterschiedlich gewichtet, bewertet, interpretiert), die Unterschiede dazu, die jetzt unter Ancelotti zu sehen sind, werden wiederum unterschiedlich gewichtet, bewertet, interpretiert. In Bezug auf die von mir sehr geschätzten Autoren von miasanrot.de empfinde ich die Situation so, dass sie in der Lage sind, die zur Zeit bestehenden Probleme komplex und fundiert zu beschreiben, aber Schwierigkeiten haben, diese Perspektive in Einklang mit gleichzeitig eingefahrenen Erfolgen zu bringen. Was nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr geschieht, wissen wir alle nicht. Was ich mir wünsche ist, dass in dieser Situation keine vereinfachte Lagerbildung einsetzt, sondern die Diskussion vertieft wird. Von der miasanrot.de-Redaktion wünsche ich mir, dass sie die Situation als Ansporn nimmt, noch besser zu werden (weiter, immer weiter). Wenn die eigene Analyse die Ergebnisse nicht hinreichend erklären kann, muss die Analyse eben besser werden. Mein Eindruck ist, dass es naheliegt, in so einem Moment die eigene Perspektive der letzten Wochen und Monate zu verteidigen. Der Erkenntnis des Phänomens an sich (wie “spielt” der FC Bayern, und wie sehen seine Erfolgschancen aus) hilft das aber nicht.
Wenn du nur Schönrederei lesen möchtest und von einer “Gala”, dann bist du hier ohnehin nicht richtig. Wenn diese Leistung die Top-Leistung war, dann ist sie nicht ausreichend für ganz großes. Mehr sage ich gar nicht. Sie ist ein guter Anfang, um jetzt einen Rhythmus aufzubauen und sich zu steigern. Aber das gilt es auch zu tun.
Der Taktiknerd-Bullshit-Cycle. Alles schon mal erlebt in Jupps Triple-Saison, die von Pep-Fans auch ständig auf Faktoren wie Glück, außergewöhnliche Motivation der Spieler, etc. zurückgeführt wird. Einfach darüber schmunzeln und die Analysen von Steffen, Christopher usw. genießen.
@CB: Na, dass Du nicht viel von Taktik hältst, wird immer deutlicher. Dir ist aber schon aufgefallen, dass sich die Analysen von Steffen, Christopher, Justin usw. sehr viel auch mit Taktik beschäftigen? Oder ist dir das in deiner Selbstgerechtigkeit und “Pep-Fresserei” etwa gar nicht aufgefallen?
Ich halte Taktik natürlich für einen wichtigen Aspekt des Spiels, aber nicht für den einzigen. Und vor allem halte ich eine bestimmte Philosophie nicht für die einzig selig machende. Peps Philosophie mag für die Bundesliga die beste Herangehensweise überhaupt sein, da kann man angesichts seiner 3 Spielzeiten wenig dagegen sagen. Aber für KO-Runden, insbesondere gegen ähnlich starke Gegner, scheint sie mir eben nicht die erfolgversprechendste zu sein.
Bei den Analysen der genannten Autoren scheint für mich eine gewisse Objektivität durch, während man bei Justin eben das Gefühl hat, dass alles was nicht 100% Pep-Fußball ist, erstmal per se kritisch betrachtet werden muss. Da werden dann Torchancen des Gegners (in welchem Spiel auf dem Niveau CL-Achtelfinale kommt der Gegner denn nicht auch zu der ein oder anderen Chance?) unverhältnismäßig aufgeblasen und von einem hypothetischen Rückstand fabuliert. Mit solcher Konjunktiv-Argumentation (“hätte der Gegner da die eine Chance reingemacht”) kann man nun wirklich jedes Spiel zerreden.
Ich finde den Beitrag von der Tendenz her richtig: Die Leistung vom Mittwoch war gut, aber ich war vor dem Fernseher extrem verblüfft wie leicht Arsenal auseinandergefallen ist, wie wenig Gegenwehr sie geleistet haben und wie groß unsere Spielräume in ihrer Hälfte waren. Gerade die erste Halbzeit war aber eben auch nicht von Chancen gesättigt, sondern hätte auch gut 0:0 ausgehen könne. Erst die zweite Hälfte brachte dann ein sehr klares Chancenplus.
In einigen Kleinigkeiten geht der Beitrag dann aber zu sehr in Kritische und wird sprachlich ungenau: In der Tat war nicht jeder Schuss ein Treffer, sondern es es gab etliche Hochkaräter, die nicht drin waren (zB Martinez Kopfball vor der Ecke, die zum zweiten Thiago-Treffer führte, der Lattentreffer von Lewandowski). Und dass in der ersten Hälfte “nichts zusammenlief” stimmt halt nur für das letzte Drittel, die Dominanz und Absicherung nach hinten hat die ganze Zeit gut funktioniert, man hat den Gegner sehr sauber kontrolliert, bis zum Elfer keine Chance zugelassen, was für ein CL-Heimspiel in der KO-Runde immer sehr wichtig ist.
Von diesen Kleinigkeiten abgesehen, ist es aber nach meinem Ermessen auch für die Mannschaft selbst sehr wichtig, sich von der Leistung nicht sofort blenden zu lassen, sondern sie im Vergleich zu den Vorwochen und dem Gegner zu kontextualisieren, sie also tatsächlich als Anfang, nicht als Ziel zu betrachten.
Vielen Dank für deinen Beitrag. Stimme dir zu und gestehe auch ein, dass “jeder Schuss ein Treffer” nicht der Realität entspricht. Mein Punkt sollte vielmehr sein: Bayern erspielte sich bis zum Auseinanderfallen von Arsenal zu wenig und wurde erst mit diesem einbruch konsequenter im letzten Drittel.
Ich sehe hier in den Texten und Kommentare zwei Strömungen:
Die eine Strömung, welche die taktischen Aspekte – und meinetwegen auch die sportwissenschaftlichen Anteile – im modernen Fußball in den Vordergrund der Diskussion stellen, und sich an schönem, d.h. taktisch gut gelingendem Spiel erfreuen. Wenn eben ein Rädchen ins andere greift und auf diese Weise für Torgefahr gesorgt werden kann. Dabei geht es gar nicht mal um taktische Feinheiten und Kunstgriffe – die wenigsten von uns, und ich schon gar nicht, sind diesbezüglich Experten. Es geht um das “Große Ganze” und die Überzeugung, dass in allererster Linie die richtige Spielidee und Taktik nicht nur Spiele, sondern Meisterschaften und Pokale gewinnt. Insbesondere eben auch die CL!
Dann gibt es jene Strömung, die den taktischen Anteil für weniger bedeutsam erachtet, die vielmehr Einsatz und Leistungswillen, aber auch Führungsstile und die Bereitschaft, mal “dazwischen zu hauen” für entscheidend hält. Wer sich dieser Strömung zuordnet, hält vermutlich Marc van Bommel hoch in Ehren, in der heutigen Mannschaft vermutlich Vidal.
Tatsächlich braucht es beide Aspekte, will eine Mannschaft erfolgreich sein und die ganz großen Ziele erreichen.
Natürlich ist Leistungswillen und Laufbereitschaft wichtig, in diesem Zusammenhang natürlich auch die Trainingssteuerung. Ich kann mir gut vorstellen, dass Ancelotti hier eine Stärke hat und selbst Guardiola in dieser Hinsicht noch von dem “Mister” lernen kann. Genauso hat sein Führungsstil Vorteile, kann eine Mannschaft zusammenhalten, die besonderen Fähigkeiten der Spieler zum Tragen bringen. Aber eben auch durch einen zu gewährenden Stil Eigensinn noch verstärken und dadurch Differenzen hervorrufen. Übrigens ein Ansatzpunkt für die Tätigkeit eines Sportdirektors als Korrektiv!
Nur sind ohne eine gute Spielidee und Taktik diese ganzen, wichtigen Anteile des Fußballs nicht ausreichend, um Erfolge zu erzielen. Gerade gegen die großen Mannschaften in Europa, aber auch schon in der BL, benötigt der FCB eine klare Struktur und Ideen, wie ein Gegner zu bespielen sein sollte. Daher braucht es eben auch – und meiner Meinung nach vor allem – einen Thiago, der diese Ideen auf den Platz bringen, eine vom Trainer geforderte Struktur und Ordnung sowohl defensiv als auch offensiv umsetzen kann.
Ich sage nicht, dass Ancelotti taktisch keine Ahnung hat! Um Himmels willen, der Maestro ist ganz sicherlich auch in taktischer Hinsicht einer der besten Trainer der Welt, und im “Gesamtpaket” vielleicht tatsächlich der Beste.
Aber als interessierter Laie fallen mir eben Dinge auf, stellen sich mir Fragen. Und es scheint mir eben so zu sein, dass Ancelotti trotz seines Genius’ sich in einigen Aspekten des Spiels noch deutlich verbessern kann:
Es fällt eben auf, dass Carlo den Ball schnell vertikal gespielt sehen möchte und dabei der Weg rasch auf die Außenbahn gelenkt werden soll. Das “Ancelott-V” eben! Gleichzeitig stellt sich die Mannschaft auf dem Welt weiter nach rückwärts positioniert auf, um den Gegner zu locken und auf diese Weise Raum für das eigene, schnelle vertikale Spiel zu bekommen.
Gelingt es, den Ball schnell nach vorn zu spielen, kann über Flanken oder durch ein Hineinziehen in den Strafraum der Abschluss gesucht werden. Das ist im Groben die Taktik von Ancelotti!
Das ist aber auch für meinen Eindruck eine Taktik aus den 90er Jahren, und ich habe damals schon durchaus bewußt Fussball geschaut^^
Nun muss nicht zwangsläufig Altes auch schlecht sein, und in Kombination mit neuen Ideen entwickeln sich manches Mal richtig gute neue Strategien, aber man hat eben schon damals Lösungen gefunden, und die werden auch heute wieder von unseren Gegnern gefunden. Was ist, wenn der Gegner die Außen konsequent doppelt oder gar eine Dreier-Absicherung aufbaut, weil er kompakt verschieben kann. Was ist, wenn sich der Gegner nicht locken läßt? Wie will Ancelotti mit seiner Spielidee verhindern, dass zwischen der weiter nach rückwärts orientierten Abwehrkette und dem Angriff eine zu große Lücke entsteht, die der Gegner dann für Konter ausnutzen kann? Wie soll andersherum das bei Konzentration auf die Außenbahn entstehende Loch in der Mitte – “Raum 18” gefüllt werden?
Das sind alles taktische Fragen, über die manche von uns eben sehr gern diskutieren, bis die Köpfe rauchen, und Ideen entwickeln, wie Lösungen dafür aussehen könnten. Bei aller Laienhaftigkeit könnte ja durchaus ein kluger Gedanke dabei sein^^
Ancelotti hat für diese Fragen wie es scheint noch keine passende Lösung gefunden, oder die Mannschaft kann sie nicht umsetzen. DAS ist unsere Kritik an seinem System, dass mir zumindest in dieser Hinsicht zu einfach gestrickt zu sein scheint, zu leicht ausrechenbar. Deshalb kann ich die Wertung von Justin als “mäßig bis gut” nachvollziehen, denn trotz des frühen 1:0 gegen Arsenal und deutlich erkennbar mehr Dynamik im Spiel tat sich unsere Elf schwer, Lösungen gegen zu dem Zeitpunkt noch durchaus kompakt stehende Engländer zu finden.
Das dann doch Torerfolge erzielt werden konnten, hat sicher etwas mit Willen zu tun und mit der Bereitschaft, die vorgegebene Taktik auch auszureizen, sprich bis an die Grundlinie vorzustoßen – Hinterlaufen, Flanke, Kopfball, Tor! Aber auch die Fähigkeit, Aspekte des Positionsspiels mit einzubringen, die Mitte besser zu besetzen und auf diese Weise flexibler zu sein und weniger leicht ausrechenbar, hat sehr zu diesem tollen Ergebnis beigetragen. Es sollte trotzdem nicht aus den Augen verloren werden, dass Arsenal spätestens nach dem 3. Tor keine geordnete Gegenwehr mehr leisten wollte.
DAS ist für mich auch der hoffnungsvollste Gedanke in der Nachbetrachtung: Das es Ancelotti tatsächlich gelingt, seine Taktik weiter zu entwickeln und Anteile des Dominanzsystems einzubauen, um mehr Antworten bieten zu können!
So oder so, sollte es dem Maestro tatsächlich die CL gewinnen für uns, dann gäbe es sicherlich hier im Blog niemanden, der ihm deswegen böse sein würde^^
Zum Spiel heute gegen Hertha: Ich befürchte, die Mannschaft wird einen Gang zurückschalten und nicht mehr ganz diese Dynamik und Passgenauigkeit des Arsenal-Spiels aufbringen. Hertha ist sicherlich vom Potential her um Einiges schlechter einzuordnen sein, weshalb wieder etwas Kraft geschont werden kann. Ich hätte dafür sogar Verständnis, wenn sich dafür mehr und mehr abzeichnen könnte, dass in den entscheidenden Wochen eine eingespielte Elf auflaufen kann und Rotationen weniger werden. Wir werden aber mehrere Phasen im Spiel sehen, in denen unsere Jungs das Tempo anziehen, und dann wird es auch im Kasten der Berliner klingeln. Da bin ich zuversichtlich! Lewa und Robben werden treffen, Müller leider wieder nur Einwechselspieler sein. Ich hoffe, dass Kimmich seine Chance im Mittelfeld erhält und von Anfang an spielen darf, er kann die erwünschte Dynamik aufs Feld bringen und die Mannschaft vorwärts treiben. Wahrscheinlich aber erhält Lahm eine Pause und Kimmich spielt auf rechts, wo ihn wohl auch unsere Bosse am liebsten sehen würden.
Na mal schauen, ich erwarte ein recht munteres Spiel mit allerdings vielen Kunstpausen, am Ende ein 2:0 für uns. Und eine Fortsetzung der Diskussionen in den Medien, ob das nun schon der “wahre FCB” ist, der auf dem Platz steht, und was denn nun mit Müller wird.
Bis nach dem Spiel^^
Im Prinzip beschreibst Du das schon richtig, OSRIG, auch wenn ich – als Cheerleader des “freien Radikals” – natürlich einen Costa noch viel mehr abfeiere als Vidal.
Mein Ansatz ist aber ein anderer: Die CL ist für mich das Maß aller Dinge. Nicht nur wegen der überragenden Konkurrenz. Und auch nicht nur wegen der großen bayerischen Tradition – mit dem Dreiklang der drei furchbaren Finalniederlagen “Rotterdam, Wien und Camp Nou”. Sondern auch weil in diesem Wettbewerb die emotionalsten Spiele stattfinden (was ich auf die Auswärtstorreglung zurückführe – würden die Tore “normal” gezählt gäbe es nicht dieses Hin- und Her, was wir in der CL ab der ko-Runden immer wieder neu genießen und durchleiden dürfen). Und das ist für mich der Punkt: Für die CL braucht eine Mannschaft andere oder noch weitere Fähigkeiten als die, die für nationale Titel reichen. In der CL ist es überragend wichtig, gerade zu Hause dem Gegner keine “hochkarätigen” Chancen zuzugestehen. Die CL ist ein Wettbewerb, in dem ein “0:0” im Hinspiel zu Hause gar nicht so viel schlechter ist als ein “2:1” oder gar “3:1” Heimsieg. Darum sind diese Spiele selbst dann noch spannend, wenn das eigene Team mit 2:0 oder gar 3:0 führt ..
Bayern wurde nach 2001 erst mit van Gaal zu einem ernst zu nehmenden CL-Anwärter. Was er der Mannschaft beigebracht hat ist wichtig. Aber diesen Titel erringt man nur mit hochklassigem catenaccio und mit Individualisten, die in 90 oder gar 180 Minuten ein, zweimal ihre Brillanz zeigen. Und mit einem Trainer, der das weiß und der diese Seiten der Mannschaft zulässt und pusht.
@WIPF: Das ist doch mal ein schöner Ansatz und eine prima Grundlage für Diskussion und “heisse Köpfe”^^
Ich kann gut nachvollziehen, was Du meinst, und habe dazu den einen oder anderen Gedanken! Das Spiel fängt aber gleich an, deswegen bis nachher^^
Sind die Bayern nur mit Betrug zu besiegen?
Plattenhardts Flugeinlage ohne Foul mit anschließendem eingeübten Freistoss, steht der Flugeinlage von Werner in nichts nach.
Der Videobeweis wird das unsportliche Verhalten bald endlich beenden und mit mindestems einen gelben Karte geandet werden.
Bitte hier nicht vergessen, dass wir bis jetzt absoluten, uninspirierten Müll zusammenspielen.
Das ist aber nicht die einzige Unsportlichkeit.
Die Bayern werden mit allen Mitteln bekämpft.
Das Stadion ist diese Saison das erste Mal ausverkauft.
Deshalb wird auch NACH dem Spiel der Rasen erneuert.
…Und dort soll das eventuelle Endspiel der EM 2024 und das jährliche Pokalendspiel stattfinden?
Was das für ein Nebenschauplatz? Als ob wir das erste Mal auf schlechtem Rasen spielen müssten.
Das sollte auch keine Ausrede sein.
Kurzer Einwurf zur Pause.
Das Justin bei seiner Analyse auf die Euphoriebremse trat sollte spätestens jetzt nachvollziehbar sein. Es fehlt an Genauigkeit, Zug zum Tor und die Flanken sind gruselig. Sie wollen ja, aber die Ideen fehlen.
Der hohe CL-Sieg doch zu hoch?!
@Osrig: Richtig guter Beitrag.
Gegen Rasen, fallen lassen und Schiedsrichter kann Bayern nicht gewinnen.
Gut waren sie natürlich auch nicht.
Trotz “Krämpfen”, späten Wechseln, Zeitspiel und Schiedsrichter schafft Bayern das verdiente Unentschieden.
ohne die Fehlentscheidung in der ersten Halbzeit wäre es mal wieder ein “last minute Sieg” gewesen.
Ich unterschreibe diesen Artikel nochmal. Es gibt keine Entwicklung und es gibt keinen Rhythmus. Willst du die CL gewinnen, musst du gegen die großen teams von Anfang an da sein. Das war Bayern schon gegen Arsenal nicht, weil der Rhythmus nicht da war. Bayern bräuchte Zeit, um reinzukommen. Carlos Prinzip funktioniert nur, wenn sein Team in den nächsten Wochen Fahrt aufnimmt. Im großen und ganzen bleibe ich bei dem Fazit des Artikels.
“Im großen und ganzen bleibe ich bei dem Fazit des Artikels.”
Und damit tust du gut Justin! ;-)
[…] forderten wir Rhythmus. Diesen scheint Ancelotti nun fördern zu wollen. Allerdings auf Kosten einiger Spieler. Neben […]