Vorschau: FC Bayern München – FC Ingolstadt

Justin Trenner 15.09.2016

Ex-Profi Ralph Gunesch spielte von 2012 bis 2015 für die Schanzer. Im Interview verrät er uns weshalb die zweite Saison für den FCI so schwer wird, wie die Taktik gegen die Bayern aussehen könnte und welche Ziele der Verein verfolgt.

Hallo, ich denke den meisten Lesern dürftest Du bekannt sein, aber erzähl uns vielleicht trotzdem noch mal kurz wer Du bist, für welche Vereine du gespielt hast und was Du seit Deinem Karriereende machst.

Mein Name ist Ralph Gunesch, inzwischen 33 Jahre alt und ich habe Ende Mai mein letztes Profispiel gemacht. Ich habe für Alemannia Aachen, Mainz 05, FC St.Pauli und zum Schluss für den FC Ingolstadt 04 gespielt.

Mittlerweile bin ich Co-Kommentator/Experte bei der neuen Sport-Streaming-Plattform DAZN, Teil des “Bohndesliga”-Teams, eine Fussballsendung auf Rocketbeans TV (Internet-TV-Sender) und die Trainerlizenz steht auch sehr weit oben auf der Liste.

Etwas über drei Jahre hast Du für den FC Ingolstadt gespielt und bist mit ihnen sogar Meister in der zweiten Liga geworden. Was macht den Verein speziell für dich?

Es ist ein junger Verein, der sich in vielen Bereichen noch finden musste und ich bin froh, dass ich einen kleinen Teil dazu beitragen konnte den Verein vor dem Abstieg in die 3. Liga zu bewahren und wieder in positive Zeiten zu führen. Das Arbeiten innerhalb des Vereins war stets geprägt von einer gewissen Weitsicht und Nachhaltigkeit und das sollte auch die Devise für die junge Saison sein.

Sprechen wir über diese noch junge Saison. Erfolgstrainer Ralph Hasenhüttl hat den Verein verlassen und ist jetzt in Leipzig. Wie schwer wird es für die Schanzer diesen Verlust zu kompensieren?

Natürlich war Hasenhüttl mit der entscheidende Mann für den Aufschwung und die rasante Entwicklung des Vereins in den letzten knapp drei Jahren. Aber ein neuer Impuls mit neuen Reizpunkten auf solch einer entscheidenden Position wie der des Trainers kann helfen, wieder für einige Überraschungen in der Saison zu sorgen. Eine neue oder leicht veränderte Spielweise macht den FC Ingolstadt weniger leicht ausrechenbar.

Kannst Du die Idee und Handschrift von Markus Kauczinski schon erkennen? Welche Art Fußball wird vom neuen Trainer erwartet?

Es wird keine Revolution der Spielweise. Er weiß natürlich, was die großen Stärken der Mannschaft die letzten Jahre waren. Aber in der Vorbereitung war schon zu erkennen, dass er das Offensivspiel noch stärker forcieren möchte und da einen anderen Fokus darauf legt.

Ralph Gunesch (rechts) spielte über drei Jahre für den FC Ingolstadt. Hier gegen seinen Ex-Verein FC St. Pauli.(Foto: Martin Rose / Bongarts / Getty Images)
Ralph Gunesch (rechts) spielte über drei Jahre für den FC Ingolstadt. Hier gegen seinen Ex-Verein FC St. Pauli.
(Foto: Martin Rose / Bongarts / Getty Images)

Die Offensive war sicher ein großes Problem für den FCI, aber dafür stellte man mit 42 Gegentoren eine der besten Defensivreihen der Liga. Fünf Verteidiger sowie der ehemalige Stammtorhüter Ramazan Özcan haben den Verein nun jedoch verlassen. Traust Du dem FCI trotzdem zu, dass sie das wiederholen können?

Das war natürlich für einen Aufsteiger eine sensationelle Leistung und die Basis für den souveränen Klassenerhalt. Es wird spannend zu sehen, ob man das wiederholen kann. Nun hat man mit Hübner und Özcan zwei Spieler verloren, die daran maßgeblichen Anteil hatten und für viel Stabilität gesorgt haben. Es wird sehr schwer, die Leistung aus dem letzten Jahr zu bestätigen. Die Frage wird sein, wie schnell sich die Defensive wieder als Einheit präsentiert.

In München wussten die Ingolstädter in der vergangenen Spielzeit mit hohem Pressing sehr zu überzeugen. Würdest Du als Trainer eine ähnliche Marschroute vorgeben oder eher mit einem tieferen Mittelfeldpressing agieren?

Man hat das Spiel letzte Saison in München lange Zeit offen gehalten, nach hinten raus ist dann aber die Kraft etwas verloren gegangen und dann haben sich Räume ergeben, die die Bayern eiskalt ausgenutzt haben. Natürlich ist das eine Spielweise, die auch Erfolg verspricht sofern man es 90 Minuten durchziehen kann.

Andersrum wäre auch ein 5-3-2/5-4-1 eine Variante, die die Bayern vor Probleme stellen könnte. Ein massives Zentrum und darüber hinaus immer wieder Unterstützung für die Außenverteidiger bei Ballbesitz des FC Bayern. Vor allem müssen da aber die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen passen. Das würde die Bayern zwingen, über außen zu spielen (massives Zentrum) und da gilt es dann schnellstmöglich für Unterstützung zu sorgen. (Beispiele Italien gegen Spanien / Deutschland gegen Italien / Frankreich gegen Deutschland bei der EM)

Wie geht das Spiel am Wochenende aus und welche Ziele verfolgt der FC Ingolstadt kurz-, mittel- und langfristig in der Bundesliga?

So sehr ich mir natürlich ein positives Ergebnis für den FC Ingolstadt wünsche, tippe ich auf einen Heimsieg des FC Bayern. Kurz- bis mittelfristig geht es für den Verein darum, sich in der 1. Liga zu etablieren und auch ein Ziel über “40 Punkte” hinaus zu formulieren. Das ist aber Zukunftsmusik. Momentan sollte das Hauptziel weiterhin “möglichst frühzeitig 40 Punkte” sein.


Aller guten Dinge sind drei, denkt sich der FC Ingolstadt und wird so versuchen im dritten Anlauf in der Bundesliga endlich etwas zählbares gegen die Bayern mitzunehmen.

Bereits im vergangenen Jahr waren sie zwei Mal ein äußerst unangenehmer Gegner. Ralph Hasenhüttl stellte seine Mannschaft speziell in München in einem sehr hochstehenden 4-3-3 auf. Das hatte selbst Bayerns Ex-Trainer Pep Guardiola überrascht und so waren die Schanzer sogar nah dran an einem Punktgewinn. Der engagierte Auftritt der Gäste zeigte, dass mit etwas Mut und Selbstvertrauen auch die scheinbar übermächtigen Münchner verwundbar sind.

Nun hat sich aber einiges in Ingolstadt getan. Erfolgstrainer Hasenhüttl ist jetzt in Leipzig und Markus Kauczinski der neue Mann an der Seitenlinie. Der ehemalige Karlsruhe-Trainer hat, wie Ralph Gunesch bereits erwähnte, keine Revolution vor. Er will an einigen Schrauben drehen, aber das Grundkonzept des aggressiven und kompakten Mittelfeldpressings nicht verlassen. Die größte Schraube dürfte die Offensive sein. In der Debüt-Saison im Oberhaus gelangen den Schanzern lediglich 33 Treffer und damit nur zwei mehr als Absteiger Hannover. Aus dem Spiel heraus schoß Ingolstadt sogar nur 13 Tore, da 9 Tore durch Elfmeter und 11 weitere nach Standardsituationen erzielt wurden.

Hasenhüttl und seine Mannschaft hielten vor allem deshalb die Klasse, weil der defensive Verbund gut organisiert war. Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen stimmten und auch das Pressing funktionierte. Herausrückbewegungen aus der Formation waren häufig gut getimed und deshalb war es sehr schwer für die Gegner zwischen die Linien zu kommen. Das war in dieser Saison noch nicht der Fall. Drei Gegentore sowie ein Punkt in zwei Bundesliga-Spielen gegen Hertha und den HSV sind zu wenig.

Zu Kauczinskis Verteidigung ist aber auch zu sagen, dass die Defensive fast komplett ausgetauscht werden musste. Acht Leute (darunter sechs defensive Spieler) verließen den Verein. Neben Torwart Özcan gingen auch gestandene und für Ingolstadt hochklassige Leute wie Benjamin Hübner, Danny da Costa oder Robert Bauer. Dafür holte man zehn talentierte und junge Spieler, die ihre Zeit benötigen. Im Schnitt sind die Neuzugänge 22,1 Jahre alt, während Torwart Martin Hansen mit 26 der Älteste unter ihnen ist.

Trotz allem oder gerade deshalb kommen die Bayern aber vielleicht zum richtigen Zeitpunkt für den FC Ingolstadt. Zwar sprechen die letzten Ergebnisse eine andere Sprache, aber die strukturellen Probleme des Rekordmeisters könnten eine Chance sein. Selbst gegen Rostov offenbarten die Münchner einige Lücken in ihrer Formation gegen den Ball. Früh im Spiel bot sich den Gästen eine große Kontergelegenheit, aber Azmoun verschenkte sie leichtfertig mit einem schlechten Pass, der in Neuers Armen landete.

Aus der neuen Vertikalität im Bayern-Spiel resultieren noch viele Ballverluste. Hier muss und wird Ingolstadt seine große Chance suchen wollen. Der Außenseiter wird das Zentrum verdichten und auf den Außen Überzahlsituationen kreieren wollen. Die Bayern hingegen müssen Lösungen finden, um diese zu vermeiden. Am Dienstagabend blieb Costa aufgrund der fehlenden Unterstützung oft keine andere Wahl als eine Flanke zu schlagen oder das Eins-gegen-Zwei zu suchen.

Mit zwei Flügelspielern, zwei zentralen Mittelfeldspielern und Müller, der sich als Freigeist im Zentrum bewegen darf, könnte man für mehr Flexibilität und Ordnung sorgen. Das Spiel der Münchner ist in Phasen noch sehr linkslastig und deshalb auch vorhersehbar. Mit zwei Eins-gegen-Eins-Spielern auf den Außen könnte Ancelottis Elf häufiger verlagern und so versuchen einen der beiden zu isolieren. Dieses Mittel funktionierte gegen gut organisierte Gegner in der Vergangenheit sehr gut.

Ob Ingolstadt eine ähnlich mutige Variante wählen wird wie am 16. Spieltag der vergangenen Spielzeit, lässt sich nur erahnen. Die Gäste werden aber mit Sicherheit nicht so passiv agieren wie beispielsweise Werder Bremen. Obwohl es zuletzt ergebnistechnisch nicht so gut für die Schanzer lief, bleiben sie eine unangenehme Mannschaft. Bekommen sie ihre Kontermomente auch nur im Ansatz so wie Rostov am Anfang des Spiels, wird es gefährlich.

Es wäre nicht komplett überraschend, wenn der FCI sich etwas zutraut und ein höheres Mittelfeldpressing im 4-3-3 spielt. Punktuell könnten sie dann auch mal ganz weit nach vorn schieben. Die Bayern zeigten sich schon auf Schalke mehrmals beeindruckt von einem etwas konsequenteren Pressing. Es wäre spannend zu beobachten wie sie damit umgehen. Die andere Möglichkeit ist die von Ralph Gunesch angesprochene Fünferkette. Auf Umschaltmomente müssen die Schanzer so oder so setzen. Markus Kauczinski wird abschätzen müssen, ob er seiner Mannschaft zutraut auch bei situativem Angriffspressing kompakt zu stehen. Der Weg zum Tor von Manuel Neuer wäre bei hohen Balleroberungen nämlich deutlich kürzer.

Leckie zählt zu den schnellsten Spielern der Liga und könnte in unorganisierten Momenten für Probleme sorgen. Im Zentrum der Schanzer werden vermutlich Roger, Groß und Morales für die Kompaktheit sorgen wollen. Die Rollenverteilung unter diesen drei Spielern ist dabei klar. Roger ist für den Spielaufbau zuständig. Der Brasilianer soll den Innenverteidigern Unterstützung bieten, aber auch bei Ballgewinnen schnell umschalten. Alfredo Morales hingegen ist der Mann für die Balleroberungen. Bisher glänzte er mit 5 Interceptions in 139 Bundesliga-Minuten. In der Offensive liegt es dann an Pascal Groß, der aber nicht nur als Vorbereiter (6 Torschussvorlagen in 180 Minuten) überzeugte, sondern auch 61% seiner Zweikämpfe gewinnen konnte.

Pascal Groß ist der Spielmacher des FCI.(Foto: Oliver Hardt / Bongarts / Getty Images)
Pascal Groß ist der Spielmacher des FCI.
(Foto: Oliver Hardt / Bongarts / Getty Images)

Ohnehin ist Groß der Dreh- und Angelpunkt der Zentrale. Seine Pässe in die Spitze gilt es zu antizipieren, wenn die Schanzer mal den Ball haben. 193 Ballkontakte, 23,91 Kilometer Laufleistung und eine Passquote von 77% nach zwei Spielen unterstreichen, dass er auch in dieser Saison wieder der wichtigste Offensivspieler für Ingolstadt sein wird. Zudem ist der 25-Jährige ein gefährlicher Standard-Experte.

Die Bayern müssen aber am ehesten ihre eigenen Probleme abstellen. Schaffen sie es die Räume wieder sauberer zu besetzen, so dürfte ein Gegner des Kalibers Ingolstadt keine größere Herausforderung darstellen. Besetzt der Rekordmeister aber weiter die Halbräume so inkonsequent, bleibt den Flügelspielern nicht viel mehr übrig als Eins-gegen-Zwei-Situationen einzugehen oder den Ball ins Zentrum zu flanken. Beides war bisher nicht sehr erfolgsversprechend.

Es fehlt ein Netz, das sich über die Defensive des Gegners spannt und den Münchnern wieder mehr Möglichkeiten für Strafraumdurchbrüche bietet. Dieses Netz kann nur entstehen, wenn sich mehr Spieler zwischen die Ketten des Gegners trauen. Die tiefe Positionierung der zentralen Spieler führt zwar zu einer potentiell guten Konterabsicherung, aber auch zu weniger Spielern im Angriff. Der einrückende Ribéry soll dabei Abhilfe schaffen, verschenkt dadurch aber auch eine mögliche Position auf der Außenbahn.

Zusammenfassend ist es für Ancelotti wichtig, dass langsam mehr Struktur in das Offensivspiel des Rekordmeisters kommt. Der Spielplan sollte ihm dabei eigentlich entgegen kommen. Mit Ingolstadt, Hertha und dem HSV kommen nun Gegner, die nicht zu den Stärksten der Liga zählen. Außerdem haben die Bayern zwei Heimspiele in Folge. Neun Punkte, eine zu erkennende Struktur im Angriff, die nicht in einem Flanken-Marathon endet und eine größere Stabilität bei Ballverlusten dürften die drei großen Ziele des Italieners für die kommenden Wochen sein.

Statistiken zum Spiel

Die letzten Spiele gegen den FC Ingolstadt

Bilanz

  • Alle drei Duelle entschied der FCB bisher für sich.
  • Zwischen den beiden Teams wurde es immer knapper. 2011 gewannen die Münchner noch deutlich mit 6:0 im DFB-Pokal gegen den FCI. In der vergangenen Saison war es zunächst ein 2:0 zu Hause und schließlich das 2:1 in Ingolstadt.
  • Neben RB Leipzig sind die Schanzer das einzige Team aus der Bundesliga, gegen das die Bayern noch nie Punkte gelassen haben.

Fun Facts

  • Ancelotti ist gut in seine erste Saison in Deutschland gekommen. Zwei Siege und acht zu null Tore sind aktuell der drittbeste Start der Bundesliga-Geschichte. Gewinnen die Bayern mit mindestens drei Toren Differenz, haben sie nach drei Spieltagen einen neuen Start-Rekord aufgestellt.
  • Seit sieben Bundesliga-Spielen warten die Ingolstädter auf einen Sieg. Kein aktueller Erstligist hat eine längere Negativserie.
  • Der amtierende Meister ist hingegen seit 12 Bundesliga-Partien ungeschlagen. Gegen Gladbach gab es am 30. April ein 1:1 und am 2. März die letzte Niederlage (gegen Mainz).
  • Gegen die Schanzer lag der FC Bayern noch nie zurück.
  • Joshua Kimmich hat für Klub und Nationalmannschaft in den letzten drei Pflichtspielen vier Tore erzielt. Drei mehr als der gesamte FC Ingolstadt in der bisherigen Saison.
  • Kingsley Coman wird voraussichtlich in den Kader der Münchner zurückkehren.
  • In zwei Spielen hat die Elf von Carlo Ancelotti 34 Abschlüsse im Strafraum kreiert. Allein 22 davon gegen Werder Bremen.
  • Gegen Schalke haben die Bayern 25 Mal den Ball verloren. Höchstwert in dieser Saison. Im Supercup waren es 19 Mal und gegen Bremen 12 Mal.
  • Fast die Hälfte aller Torabschlüsse des FC Ingolstadt kamen von außerhalb des Sechzehners (9/24).
  • In der vergangenen Saison machten die Münchner die Meisterschaft am 32. Spieltag in Ingolstadt rechnerisch perfekt.

Fünf Thesen zum Spiel

  1. Die Bayern spielen wieder zu Null.
  2. In der Startelf des Rekordmeisters werden zwei der insgesamt vier Flügeldribbler stehen.
  3. Mindestens drei Tore werden am Ende auf dem Konto der Münchner stehen.
  4. Der FC Bayern wird über 25 Flanken schlagen.
  5. Lewandowski trifft weiter.

Vier der fünf Rostov-Thesen waren richtig. Damit ist die Erfolgsquote wieder knapp über 50% und bei 11/20.