FC Bayern München – FC Ingolstadt 2:0 (0:0)

Tobi Trenner 12.12.2015

Mit fünf Punkten Vorsprung und der Chance auf die Herbstmeisterschaft ging der FC Bayern in das Heimspiel gegen den FC Ingolstadt. Die Schanzer spielen eine überraschend solide Hinrunde und sind nach 15 Spielen auf Kurs, die berühmte 40-Punkte-Marke zu knacken. Der Fokus liegt bei der Mannschaft von Ralph Hasenhüttl auf einer defensiven Ordnung, nur der FCB hat bisher weniger Gegentore kassiert.

Jedoch leidet darunter die Offensive, mit gerade einmal 11 erzielten Toren sind die Ingolstädter in dieser Kategorie abgeschlagen Letzter. Gerade auswärts spielen sie sehr vorsichtig, geradezu destruktiv. Die überraschende 0:4-Niederlage in Hannover vor zwei Wochen war das erste Mal, dass in einem Auswärtsspiel des FCI mehr als zwei Tore fielen. Dank dieser minimalistischen Spielweise verloren sie erst zwei ihrer acht Spiele in der Ferne.

Falls ihr es verpasst habt:

FC Bayern München - FC Ingolstadt, GrundformationenFC Bayern München – FC Ingolstadt, Grundformationen

Aufgrund der Verletzungen von Medhi Benatia und Franck Ribery gab es für Trainer Pep Guardiola kaum noch Möglichkeiten, den Gegner mit einer unerwarteten Aufstellung zu überraschen. Manuel Neuer kehrte nach der Ruhepause unter der Woche wie erwartet ins Tor der Münchner zurück. Auch sonst war die Startaufstellung vorhersehbar, mit einer Ausnahme: Joshua Kimmich startete im Mittelfeld für Xabi Alonso. Der in die Jahre gekommene Spanier musste sowohl in Gladbach als auch in Zagreb durchspielen und erhielt nun eine Ruhepause. Auf der Bank der Bayern saßen nur vier Feldspieler.
Auf dem Platz war es bei den Bayern das inzwischen bekannte 4-3-3. Das Mittelfeld komplettierten Arturo Vidal und Javi Martinez, davor spielten die drei letzten verbleibenden Offensivkräfte Coman, Müller und Lewandowski. Den freien Platz in der Viererkette nahm Holger Badstuber ein. Auch die Gäste spielten im 4-3-3, hier mussten Bregerie und Cohen die eigentlichen Stammspieler Hübner (verletzt) und Morales (Gelbsperre) ersetzen. Wie schon in der gesamten Saison üblich agierten sie mit einem hohen Flügelfokus, vor allem über rechts.

In der ersten Halbzeit fing der FCB so an, wie er in Gladbach aufgehört hatte: ohne jegliche Kontrolle. Das aggressive Pressing der Ingolstädter überzeugte die Zuschauer und verunsicherte den Gegner. Bayern fand nicht ins Spiel, die typischen langen Ballbesitzphasen waren praktisch nie zu sehen. Der Ball befand sich hauptsächlich in der Hälfte der Gastgeber.
Dennoch konnten die Gäste aus Ingolstadt trotz dominantem Spiel keine echten Torchancen herausspielen. Den ersten gefährlichen Schuss gab nach 25 Minuten mit Robert Lewandowski ein Münchner ab. Ein gut gespielter langer Ball brachte den Polen an der Strafraumkante in Position, der Heber über den herausgeeilten Ramazan Özcan war jedoch nicht kraftvoll genug und konnte von einem nach hinten geeilten Ingolstädter Abwehrspieler von der Linie gekratzt werden.

Wer das als Weckruf für den FC Bayern verstand, hatte sich getäuscht. Weiter blieb das Spiel wild, auch ständige Positionswechsel des Mittelfeldtrios zeigten nicht den gewünschten Effekt. Dank der wenig kreativen Offensive der Schanzer blieb die riesige Platzwunde am Kopf Holger Badstubers mit folgerichtigem Turban für lange Zeit die größte Unterhaltungsquelle.
Nach 40 Minuten tauchten die Gäste jedoch plötzlich mehrmals brandgefährlich im Strafraum der Münchner auf. Zunächst konnte Philipp Lahm noch mit einer Grätsche zur Ecke klären, welche Roger einen eher harmlosen Schuss aufs Tor einbrachte. Sekunden später tauchte Stefan Lex frei vor Manuel Neuer auf, welcher das schwache Zweikampfverhalten von Boateng mit einer Parade bereinigen konnte. Auch einen Fernschuss von Hinterseer konnte Neuer parieren.

In Halbzeit zwei zeigen sich die Bayern sofort von ihrer wahren Seite. Kingsley Coman kam nun über rechts und die Mannschaft hatte die individuellen Schwächen abgestellt. Die Folge waren vermehrte Ballbesitzphasen und die eigentlich erwartete Kontrolle über das Spiel. So musste man nicht lange auf gute Torchancen warten. In der 50. Minute tauchte Philipp Lahm plötzlich frei vorm Tor auf, scheiterte jedoch am Torhüter. Kurz darauf versuchte es Lewandowski mit Hackentrick und Heber aus kürzester Distanz.

Mannschaft und Trainer schienen sich nun der Situation bewusst. Pep Guardiola brachte früh Thiago für Arturo Vidal. Der Chilene schien besser im Spiel zu sein als Nebenmann Javi Martinez, aber kurz darauf gab es eine Erklärung für diesen Wechsel. Guardiola drückte Lahm einen Zettel mit taktischen Anweisungen in die Hand. Der genaue Inhalt ist nicht bekannt, die Nachricht wurde aber schnell deutlich: Der FCB spielte nun in einem 4-4-2 bzw. 4-2-4 mit Holger Badstuber als Linksverteidiger, Javi Martinez im Defensivzentrum, Rafinha auf rechts und Philipp Lahm als rechten Flügelspieler.

Auch wenn in diese Phase die größte Chance der Ingolstädter fiel – Manuel Neuer konnte erneut gegen den frei vorm Tor stehenden Stefan Lex parieren – so war diese Umstellung dennoch eine wirksame. Das Mittelfeldzentrum aus Kimmich und Thiago hatte mehr Platz, Ingolstadt wurde in der Defensive in die Breite gezogen.

In der 65. Minute war es dann so weit: Jerome Boateng spielte einen perfekten Ball in den Lauf von Robert Lewandowski, der den Ball am zu spät herauslaufenden Özcan vorbeilegen und aus durchaus herausforderndem Winkel in das leere Tor drücken konnte. Ein Spielzug als logische Konsequenz der breiteren Formation.

Nun dominierten die Bayern erst recht. Guardiola nahm den bereits verwarnten Boateng vom Platz und ersetzte ihn durch Xabi Alonso – Holger Badstuber rückte zurück in die Innenverteidigung, Joshua Kimmich spielte nun als Linksverteidiger.

Zehn Minuten nach dem ersten Treffer beendete der FCB das Spiel vorzeitig. Kingsley Coman spielte einen wunderbaren Schnittstellenpass in den Lauf von Thomas Müller. Dieser entschied sich gegen den Abschluss und umkurvte stattdessen seinen Gegenspieler. Im Fallen grätschte er noch den Ball zu Philipp Lahm, der mit links in das erneut leere Tor einschieben konnte. Eine Belohnung für seine engagierte Leistung in der zweiten Halbzeit.

Die Schlussviertelstunde war ereignisarm. Ingolstadt war geschlagen, die Bayern verwalteten den hart erkämpften Sieg. Sebastian Rode, nach 80 Minuten für Thomas Müller eingewechselt, konnte sich noch in Szene setzen, der Angriff führte jedoch nicht zum dritten Treffer. So blieb es beim 2:0-Sieg und der Herbstmeisterschaft in einer schweren Partie gegen eine gute Ingolstädter Mannschaft, die in den zweiten 45 Minuten ihr starkes Pressing nicht mehr umsetzen konnte.

3 Dinge, die auffielen:

1. Warten auf die Winterpause

Ein Pokalspiel gegen Darmstadt und in der Liga bei Hannover – zwei Spiele noch, dann hat es der FC Bayern endlich in die Winterpause geschafft. Nach einer phasenweise überragenden Hinrunde wurde es zuletzt etwas zäher bei den Roten. Der Kader ist inzwischen bis auf den Mindestbestand ausgereizt, gegen Ingolstadt blieben beim „tiefsten Kader der Welt“ zwei Bankplätze unbesetzt.
In der Halbzeitpause musste man noch Schlimmes befürchten. Die verbleibenden Spieler kamen nicht ins Spiel, nach vorne gab es eine unheimliche Abhängigkeit von Kingsley Coman. Das Auftreten des FCB erinnerte an das Frühjahr, als ein ähnlich ausgedünnter Kader kraft- und oft ideenlos agierte.

Selbst Pep Guardiola schien eine Pause zu benötigen. Erneut setzte er auf die gleiche Formation wie schon gegen Gladbach und Hertha, von Veränderungen und unvorhersehbaren Taktiken war nichts zu sehen. Auch wenn es durch die Verletzungsmisere durchaus nachvollziehbar ist, der FC Bayern schien arg ausgebrannt.

Doch dann das Lebenszeichen in der zweiten Halbzeit. Die Mannschaft spielte selbstbewusster und unberechenbarer. Auch Guardiola fand wieder zur „alten Form“, als er die halbe Elf umstellte und damit das Spiel für sich entschied. Der Unterschied wird auch bei den Statistiken deutlich. So hatte der FCB in der ersten Halbzeit eine Passgenauigkeit von gerade mal 76% und verlor das Torschussduell mit 3:6. In den zweiten 45 Minuten hingegen gab es 11:3 Torschüsse für die Bayern bei einer Passgenauigkeit von 87% – echte Bayernwerte.

Gegen Darmstadt und Hannover darf man keine Wunder erwarten. Ein Feuerwerk wird ausbleiben. Das große Ziel müssen zwei Siege sein, der Weg dahin ist nebensächlich. Die Winterpause muss jedoch genutzt werden, nicht nur für Regeneration, sondern auch für tiefgehende Analysen der letzten Spiele. Wie man in der ersten Halbzeit in Gladbach und vor allem in der zweiten Halbzeit heute gezeigt hat, ist es auch ohne zwei oder drei kreative Flügelspieler möglich, Gegner zu dominieren und Chancen zu erspielen. Diese Situationen muss man üben und beherrschen, denn die nächste Verletzungswelle ist nie weit.

2. Der klassische Neuer

Es gab in dieser Saison schon einige Kritik an Manuel Neuer, wie nach seinen Patzern gegen Schalke und Arsenal. Auch seine Passfähigkeiten überzeugen bisher nicht so, wie man es von ihm gewohnt ist – überraschend häufig landen seine Abschläge im Seitenaus.

Im Spiel gegen Ingolstadt war Neuer trotz aggressivem Pressing des Gegners weniger als mitspielender Torwart gefragt. Gerade in den ersten 45 Minuten waren seine Mitspieler so überfordert und durcheinander, dass ein geordneter Spielaufbau vom Torhüter aus kaum möglich war.

Dafür durfte sich Neuer heute als klassischer Torwart auszeichnen. Alleine Stefan Lex konnte er zweimal im Eins-gegen-Eins stoppen, auch den gefährlichen Schuss von Hinterseer hielt er gut. Sämtliche Ingolstädter Torchancen gab es beim Stand von 0:0. Ob die Bayern heute einen Rückstand gedreht hätten, darf bezweifelt werden. Deshalb kann man durchaus behaupten, dass Manuel Neuer heute einen großen Anteil am Sieg der Münchner hatte.

3. Der Kapitän mit gutem Gespür

Auch Philipp Lahm wurde bereits kritisiert und das stets zurecht. Nach einem Jahrzehnt konstanter Weltklasse kommt er seit seiner langen Verletzungspause vor einem Jahr nicht mehr ganz an seine alte Stärke heran. Der Routinier lässt sich teilweise bei Kontern über seine Seite austanzen, wie man es bei einem Mann mit seiner Erfahrung nicht erwarten würde.
Doch gegen Ingolstadt zeigte sich eine große Stärke des Philipp Lahm: das Gespür für Momente. Als die Mannschaft in einen erneuten Punktverlust zu rutschen drohte, ging der Kapitän mit gutem Beispiel voran. Besonders nach dem Wechsel auf die offensive Position war Lahm immer wieder auffällig und engagiert im Angriffsspiel. Er brachte Laufbereitschaft, Kreativität und Kontrolle in die Partie. Stets war er bereit für den anstrengenden Sprint, er war sich der Situation bewusst.

Dass Lahm das Spiel mit dem 2:0 vorzeitig beendete, spielt dabei nur eine nebensächliche Rolle. Wichtig ist nicht, dass er nach 50 Minuten die Chance zur Führung vergeben hatte, sondern dass er daran beteiligt war. In einer stark verbesserten zweiten Halbzeit war Philipp Lahm einer der, vielleicht sogar der auffälligste Spieler. Vieles lief in der Offensive über die rechte Seite.
Darüber hinaus profitierte das Bayernspiel von der Umstellung auch, da Rafinha auf der rechten Seite wesentlich gereifter und balancierter ist als auf links. Es könnte der Mannschaft enorm helfen, falls sich Guardiola für die letzten beiden Spiele entscheidet, es mit Joshua Kimmich, Holger Badstuber oder vielleicht sogar Arturo Vidal auf der Linksverteidigerposition zu versuchen. Nicht nur wegen Rafinha. Sondern auch, weil Philipp Lahm in einer Welt ohne Costa, Robben, Ribery und Götze wohl die beste Variante auf dem rechten Flügel darstellt. Nicht zuletzt, da er das Spiel dort besser kontrollieren und die Mitspieler besser beeinflussen kann.

FC BAYERN – FC INGOLSTADT 2:0 (0:0)
FC Bayern Neuer – Lahm, Boateng (70. Alonso), Badstuber, Rafinha – Vidal (51. Thiago), Kimmich, Martinez – Müller (79. Rode), Lewandowski, Coman
Bank Ulreich, Kirchhoff
FC Ingolstadt Özcan – Levels, Matip, Bregerie, Bauer – Groß, Roger, Cohen (53. Wannenwetsch) – Lex (68. Christiansen), Hinterseer (78. Multhaup), Leckie
Tore 1:0 Lewandowski (65.), 2:0 Lahm(75.)
Karten Boateng, Martinez / Levels
Schiedsrichter Michael Weiner (Hasede)
Zuschauer 75.000 (ausverkauft)