Transferwinter: Eine Niederlage für Salihamidžić?

Justin Trenner 03.02.2019

„Wir wollen den Spieler verpflichten. Ich bin von seinen Fähigkeiten voll und ganz überzeugt. Wir sind in Gesprächen mit Chelsea“, sagte Hasan Salihamidžić Mitte Januar. Doch das sollte nicht sein einziger Coup bleiben.

Er deutete weitere Transfers an und sprach von einer guten Mischung aus Talenten und erfahrenen Spielern, die man finden müsse. Immerhin bei Lucas Hernández kündigte er früh an, dass ein Wechsel im Winter unrealistisch sei.

Profilschärfung?

Letztendlich steht der FC Bayern mit relativ leeren Händen da. Ja, Alphonso Davies verstärkte immerhin den Kader. Die Bemühungen des Sportdirektors im Winter blieben jedoch unbelohnt.

Das forsche Auftreten des 42-Jährigen war ohnehin eine kleine Überraschung. Während er sich vor allem in Zeiten des sportlichen Misserfolgs zurückhielt, nahezu versteckte, schien er nun jeden Tag eine Wasserstandsmeldung preisgeben zu wollen.

Auch Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß unterstützten dieses öffentliche Prozedere, indem sie sich nicht nur aus den Angelegenheiten – zumindest medial – heraushielten, sondern auch stets bekundeten, dass dieser Weg über die Medien notwendig war. Vielerorts wurde spekuliert, dass man damit das Profil des Sportdirektors schärfen wolle.

Eine kleine Niederlage für Salihamidžić

Doch hat das funktioniert? Eher nicht. Denn jetzt steht Salihamidžić erneut in keinem guten Licht. Hudson-Odoi musste bei seinem Klub bleiben, selbst ein Transfer im Sommer wird mittlerweile in Frage gestellt. Das kann immer passieren. Wenn der verkaufende Klub sich verweigert, kann auch der beste Sportdirektor nur wenig ausrichten.

Salihamidžić setzte sich aber selbst mit seinen positiven und optimistischen Aussagen unnötig unter Druck. Abgesehen davon, dass dieses Verhalten den Preis sicher nicht gedrückt haben wird, hat er auch dafür gesorgt, dass Chelsea sich noch mehr verschloss und den Bayern fehlenden Respekt vorwarf.

Auf der anderen Seite stand der legitime Einwand Rummenigges, dass der Spieler ein Signal gebraucht habe. Salihamidžić wollte zeigen, dass das Interesse mehr als ein erstes Antasten ist. Und doch ging der Plan nach hinten los. Schlussendlich ist es mindestens eine kleine Niederlage für den ehemaligen Bayern-Spieler.

Hasan Salihamidžić hatte der versammelten Presse im Trainingslager viel zu erzählen. Doch wirklichen Ertrag gab es kaum.
(Foto: Lars Baron / Bongarts / Getty Images)

Aus Fehlern lernen?

Trotzdem: Als Untergang oder Drama sollte es nicht bezeichnet werden. So viele berechtigte Kritikpunkte es in der Causa Salihamidžić gibt, so sehr sollte man ihm einen Lerneffekt zugestehen. Er ist eben ein Neuling im Geschäft. Das wissen auch Rummenigge und Hoeneß, die im Hintergrund bereits an der Zukunft des Klubs arbeiten.

Die berechtigte Frage ist allerdings, ob man sich mit dem Potenzial des noch unerfahrenen Bosniers verschätzt hat. Kann Salihamidžić aus seinen Fehlern wirklich so schnell lernen, dass er schon bald den Ansprüchen des FC Bayern gerecht wird?

Der Transferwinter war ein erster Vorgeschmack darauf, was die Münchner erwartet. Immerhin konnte der Deal mit Pavard für den Sommer abgeschlossen werden. Das sollte auf der Habenseite Salihamidžićs nicht unter den Tisch gekehrt werden.

Die Ausdünnung des Kaders erfordert Differenzierung

Und doch ist die Transferpolitik der Bayern nicht ganz durchsichtig. Man ging jahrelang bewusst die Schritte in Richtung eines breiten Kaders, der jede Position doppelt und fast gleichwertig besetzen kann. Kurz vor Beginn der Saison verkaufte der Rekordmeister dann ersatzlos Sebastian Rudy und Juan Bernat – zwei Spieler, die als Backups für einen Spielgestalter auf der Sechs und für die linke oder rechte Außenverteidigerseite durchaus wertvoll hätten sein können.

Kurz vor Ende des Wintertransferfensters ging dann noch Sandro Wagner. Einziger Zugang: Alphonso Davies, bei dem noch nicht wirklich klar ist, inwiefern er jetzt schon eine Verstärkung sein kann.

Das ist angesichts des alternden und verletzungsanfälligen Kaders mindestens mutig, wenn nicht sogar fahrlässig. Wobei hier weniger kritisiert werden sollte, dass die Spieler den Verein verließen, sondern vielmehr, dass es keinen Ersatz gab. Und selbst dann ist es wichtig, zu differenzieren.

Ist der Wagner-Transfer sinnvoll?

Wagner beispielsweise konnte unter Kovač keinen sportlichen Mehrwert mehr beisteuern. Er selbst schien mit der Situation unzufrieden zu sein und der Trainer sah keine Anwendung für ihn. Ein Wechsel war deshalb folgerichtig. Hätte hier nun aber ein Ersatz Sinn ergeben?

Fakt ist, dass ein Leistungsabfall ohne Lewandowski nicht an einem fehlenden Backup begründet werden kann. Fehlt der Pole, ist der FC Bayern nun mal schwächer. Es gibt auf der Welt wohl keinen Spieler seines Formats, der sich in den meisten Saisonpartien auf die Bank setzen würde. Die Saison 2012/13 mit Mario Gómez, Claudio Pizarro und Mario Mandžukić wird gern als Gegenargument hergehalten. Und doch muss man auch hier realistisch einordnen, dass dies eine Ausnahmesituation war, die nur mit besonderen Charakteren wie Mario Gómez möglich war. Die meisten anderen Spieler dieses Formats hätten für Unruhe gesorgt.

Weiterhin darf bezweifelt werden, ob Wagner im Falle eines Ausfalls Lewandowskis wirklich einen großen Unterschied zu Thomas Müller oder Serge Gnabry machen würde. Vermutlich wären Letztgenannte sogar wertvoller für die Mannschaft – insofern der Trainer dann auch für eine entsprechende Änderung des Offensivkonzepts sorgt. In jedem Fall war die Entscheidung des Klubs aber richtig. Warum einen Spieler halten, der einerseits sportlich kaum noch in Erscheinung trat und andererseits den Wechselwunsch einreichte?

Im dritten Übergangsjahr endlich der Anschluss?

Wirklich überraschend war jedoch, dass Salihamidžić keinen Außenverteidiger präsentiert hat. Mit den Abgängen von Rudy und Bernat kam es hier zu einer Extremsituation. Rafinha, Kimmich und Alaba – das ist zu wenig, wie man nicht zuletzt beim 1:1 gegen Augsburg sah. Goretzka ist hier kein adäquater Ersatz.

Dass Lucas Hernández, der vielleicht im Sommer kommen könnte, im Winter nicht verfügbar oder zu teuer war, kann aber nicht als Vorwurf gegen Salihamidžić dienen. Selbiges gilt für Benjamin Pavard. Und jetzt? Jetzt muss der FC Bayern beten, dass die Schlüsselspieler fit bleiben. Wie schon 2016/17 und 2017/18 ist auch die Saison 2018/19 eine klare Übergangssaison. Mit dieser legitimen Argumentation erscheinen auch die insgesamt mauen Erträge des Winters in einem anderen Licht. Ein Drama wäre es erst, wenn der Sommer ähnlich endet.

Ob Salihamidžić tatsächlich an Profil gewinnen kann, wird man deshalb nicht an einem kuriosen Transferfenster in der Winterpause bewerten können. Man wird es am nächsten Sommer bewerten können. Dann kommt es für den FC Bayern darauf an, im dritten Übergangsjahr auch endlich für einen Anschluss zu sorgen. Vielleicht wird es dann ja was mit der Mischung aus erfahrenen und jungen Spielern, die eine neue Zeitrechnung beim FC Bayern München beginnen können. Zu wünschen wäre es neben dem Klub auch dem Sportdirektor, der im Moment viel anpackt, dem aber wenig gelingt – oder es einfach nur schlecht nach außen verkauft.