Wie sich Bayerns Transferpolitik verändern könnte
Wenn in der übernächsten Saison der neue TV-Deal in der Premier League greift und pro Saison 2,3 Milliarden Euro in die Liga schwemmt, wird das den Transfermarkt nachhaltig verändern. Die 70-prozentige Steigerung für die englischen Vereine bedeutet dabei auch, dass der Letzte aus der englischen Top-Liga doppelt so viel TV-Gelder erlösen könnte wie der deutsche Triple-Sieger von 2013. Der FC Bayern bleibt sicher ein starker Player auf dem Markt – das bestätigt auch die bevorstehende Verpflichtung von Arturo Vidal – aber er wird es trotz seiner sportlichen Ausnahmestellung noch schwerer als bisher haben, europäische Top-Spieler nach München zu locken.
Der Markt hat sich verändert
Deutlich wurde das auch schon in diesem Jahr, als es um mögliche Nachfolger für Arjen Robben und Franck Ribéry auf den offensiven Flügelpositionen ging. Top-5/Top-10-Spieler, die sich auf Augenhöhe mit Robben und Ribéry bewegen, sind für den FC Bayern trotz einer sportlichen Ausnahmesituation mit vier Champions League-Halbfinalteilnahmen in Folge so gut wie nicht zu bekommen. Nicht nur wegen der Ablösesummen, sondern vor allem auch wegen der Gehaltskonstellation, die für die Spieler ohnehin das entscheidende Argument sind. England ist hier für viele die attraktivere Option. Auch deshalb griffen die Verantwortlichen mit Douglas Costa zu einer 1b-Lösung mit Entwicklungspotenzial. So wie zuvor schon bei Juan Bernat und mit Abstrichen auch bei Medhi Benatia, Thiago und Javi Martínez. Wenn es stimmt, dass Bastian Schweinsteiger bei Manchester United bis zu 14 Millionen Euro Jahresgehalt kassiert, wird klar, wohin die Reise geht.
Auch in der Bundesliga hat sich die Gemengelage in den vergangenen Jahren verändert. Mit Dortmund, Wolfsburg, Leverkusen und selbst Schalke haben sich Mannschaften in der Spitze etabliert, die wirtschaftlich so stabil und sportlich auf so hohem Niveau sind, dass sie nicht zwangsläufig auf hohe Transfereinnahmen aus München angewiesen sind. Das war vor 10 Jahren noch anders, als Mannschaften wie Werder Bremen oder ein noch etwas anders ausgerichtetes Bayer Leverkusen die größten Konkurrenten der Münchner waren. Auffällig ist, wenn man die Transferströme der Münchner in der Bundesliga analysiert, dass teure Transfers von der direkten Konkurrenz eher die Ausnahme geworden sind. Manuel Neuer, der für 30 Millionen Euro aus Schalke kam und Mario Mandzukic, der eher ein Zufallstreffer war sind hier zu nennen. Ansonsten kamen teure nennenswerte Zugänge aus Hoffenheim (Luiz Gustavo) und Stuttgart (Mario Gomez). Darüber hinaus machten bei Spielern wie Mario Götze oder Dante Ausstiegsklauseln einen Wechsel möglich. Robert Lewandowski kam zuletzt ablösefrei.
Rund um den Wechsel von Arturo Vidal wurde zudem bekannt, dass Bayer Leverkusen seinen Wechsel zum FCB im Jahr 2011 verhindern wollte und dafür offenbar sogar in Kauf nahm, weniger Geld aus Turin zu kassieren, statt den direkten Konkurrenten sportlich zu stärken. Auch das passt ins Bild. Zwischen 2001 und 2004 überwiesen die Münchner fast 40 Millionen Euro für vier Spieler nach Leverkusen. Seit 2004 kam kein einziger Euro hinzu. Auch der VfL Wolfsburg ist heute in einer Situation, in der ein Verkauf von Kevin de Bruyne nach München wirtschaftlich nicht notwendig und sportlich nicht sinnvoll wäre. Wenn de Bruyne wechseln will, können die Wolfsburger am Markt zudem ähnliche Summen oder im Falle der Premier League Preise weit über Marktwert aufrufen. Für den FC Bayern wird es so zwangsläufig schwerer.
Gleichzeitig sind viele Vereine schlauer geworden. Ausstiegsklauseln gehören in Dortmund der Vergangenheit an. Vereine wie Bayer Leverkusen schaffen es zudem junge Spieler wie Julian Brandt (Vertrag bis 2019) frühzeitig und langfristig an den Verein zu binden. Selbst bei einem unfertigen Spieler wie Brandt stellt sich so die Frage, ob er für den nationalen Branchenprimus derzeit überhaupt zu bekommen ist. Warum sollte Leverkusen einen solchen Spieler ausgerechnet nach München verkaufen und damit die direkte Konkurrenz stärken? Natürlich gibt es immer einen Betrag, bei dem der wirtschaftliche Nutzen überwiegt, aber die Schmerzgrenze hat sich bei Clubs wie Wolfsburg, Leverkusen, Schalke, aber zukünftig auch Leipzig deutlich verschoben. Das alte Mantra: “Wen der FC Bayern will, den kriegt er auch”, scheint selbst in der Bundesliga nicht mehr uneingeschränkt gelten. So kommen zwei Tendenzen zusammen. Der gestiegene Anspruch der Münchner an das eigene Personal, das inzwischen auch europäischem Top-Niveau genügen muss und auf der anderen Seite eine national und vor allem international deutlich kompliziertere Situation am Markt.
Modell Kimmich hat Zukunft
Zwangsläufig steigt so der Bedarf, Spieler in der eigenen Jugend auszubilden und an den Profikader heran zu führen. Das war das Erfolgsgeheimnis der 2013er-Mannschaft, die mit Schweinsteiger, Lahm, Alaba, Müller und Kroos zahlreiche selbst aus- und weitergebildete Spieler in ihren Reihen hatte. Gleichzeitig wird aber auch das Modell Kimmich an Bedeutung gewinnen.
Es macht auf Grund der veränderten Marktsituation Sinn, dass der FC Bayern verstärkt darauf setzen könnte, hochveranlagte Spieler im Alterssegment von 17 bis 20 Jahren frühzeitig an den eigenen Verein zu binden und damit auch ein Stück weit auf ihre Entwicklung zu spekulieren. Entweder indem sie früh an die Mannschaft heran geführt werden oder bei anderen Vereinen Spielpraxis sammeln. Dass die Münchner dabei vor Ausleihgeschäften nicht zurückschrecken, zeigt die eigene Vergangenheit, aber auch das Vorgehen des heutigen technischen Direktors des FC Bayern Michael Reschke in Leverkusen, der als dortiger Kadermanager erfolgreich mit einer solchen Strategie verfuhr. Karim Bellarabi, Christoph Kramer und Levin Öztunali sind die jüngsten Beispiele einer langen Geschichte mit Leihgeschäften.
Der FC Bayern wird hier den richtigen Mittelweg finden müssen. Keinesfalls wird der Verein zu einer Talent-Drehscheibe wie der FC Chelsea verkommen wollen, der diese Form des Asset-Managements mit jungen Spielern in den vergangenen Jahren auf die Spitze trieb. Gleichwohl werden die Münchner nicht länger zuschauen, wie die deutschen Jugendnationalmannschaften bis hin zur U21 von der direkten Konkurrenz dominiert werden. Was nicht heißt, dass es nur um deutsche Talente gehen wird. Das lautstarke Werben um Supertalent Martin Odegaard vor einem Jahr ist in diesem Kontext zu sehen. Gleiches gilt für das kolportierte Interesse an Kingsley Coman von Juventus Turin.
Dass das Risiko dabei nicht besonders groß ist, zeigt schon jetzt das Beispiel Kimmich. Die knapp 8 Millionen Euro lagen zum Zeitpunkt des Transfers über Marktwert. Aber selbst wenn Kimmichs Entwicklung unter den Erwartungen bleibt und er sich in München nicht durchsetzt, dürfte der finanzielle Verlust zu verschmerzen sein. Hier zeigt sich dann doch wieder die finanzielle Stärke der Münchner, die Transfers und selbst mögliche Verluste in dieser Größenordnung locker stemmen könnten. Wahrscheinlicher ist ohnehin, dass Kimmichs Marktwert steigt – selbst wenn er in drei oder vier Jahren nicht in der Lage ist eine zentrale Rolle beim FC Bayern zu übernehmen.
Realistische Perspektive auf Spielzeit
Sollten die Münchner diesen beschriebenen Strategiewechsel vollziehen, steigt der Bedarf das Kadermanagement zu professionalisieren. Dass in der Vergangenheit talentierte Spieler wie Emre Can oder zuletzt Mitchell Weiser beim FC Bayern auf ihren Positionen keinerlei Perspektive sahen, ist bedauerlich. Mit Pierre-Emile Hojbjerg steht aktuell der nächste junge Spieler vor einer etwas unklaren Zukunft. Wenn der FC Bayern sich stärker um junge Talente bemühen will, um sie selbst aus- und weiterzubilden, braucht es einen Plan für ihre Entwicklung. Dass Leihgeschäfte dabei kein Allheilmittel sind, zeigt die Situation von Julian Green. Auch hier geht es darum Abnehmer zu finden, die dem jeweiligen Spieler den nächsten Entwicklungsschritt ermöglichen. Es wäre in jedem Fall ein aufwändigerer Weg als in der Vergangenheit, die mit einer Mischung aus Eigengewächsen und hinzuaddierten fertigen Spielern relativ klar strukturiert war.
Ohnehin sind auch junge Spieler durch professionelle Beratung klüger geworden und entscheiden sich häufiger für einen sinnvollen Karriereaufbau mit einer realistischen Perspektive auf Spielzeit bei Vereinen wie Hoffenheim, Mönchengladbach oder eben Schalke, Leverkusen, Wolfsburg oder Dortmund. Gerade Dortmund hat in den vergangenen zwei Jahren beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit eine Reihe von jungen Top-Talenten wie Jacob Bruun Larsen oder Christian Pulisic verpflichtet. Die Konkurrenz schläft nicht. Im Gegenteil.
Es wird zu beobachten sein, wie die sportlich Verantwortlichen der Münchner die veränderte Marktsituation annehmen und lösen werden. Es spricht jedenfalls viel dafür, dass Kimmich der Vorbote für mehrere Transfers dieser Art sein wird. Klar ist, dass dieser Weg konzeptionell mehr erfordert, als das viel zitierte Festgeldkonto.
Super Analyse wie üblich! Ist soweit alles nachvollziehbar und vernünftig, nur eine Frage stellt sich mir: Welchen Stellenwert wir bei Entwicklung von jungen Spielern künftig der Amateurmannschaft zukommen? Ist es nach wie vor geplant, junge Talente über die Amas heranzuführen oder werden Ausleihen früher getätigt, um die Talente schneller an die Profis heranzuführen? Es wurde bisher immer behauptet, dass der Aufstieg in die dritte Liga notwendig für die Entwicklung der Spieler unter professionellen Bedingungen ist. Bin mir nicht sicher, ob man im Verein wirklich noch dieser Ansicht ist.
Puh. Die Zielsetzung der Amateure ist klar: Aufstieg in Liga 3. Damit verbunden wäre eine Verkleinerung der Lücke, die derzeit zwischen Regionalliga und Bundesliga steht. Dennoch ist der Abstand (Spiel- und Gegnerqualität, Anforderungen) auch bei einem Aufstieg noch relativ groß. Für den FC Bayern sind die Amateure definitiv ein schwieriger Baustein, der zum Glück auch unabhängig von “nostalgischen” Gesichtspunkten betrachtet wird. Dass es im Verein nicht nur Befürworter der Strategie geben wird, ist klar, schaut man nur mal in Richtung Leverkusen, wobei die Situation nicht komplett vergleichbar ist.
Persönlich sehe ich das Thema Bayern Amateure auch deswegen interessant, weil man offiziell eine U23 Mannschaft ist, die jetzt eher in Richtung “U21” kadertechnisch besetzt wird. Dort können sich junge Spieler an eine höhere Spielintensität gewöhnen, Erfahrung wie Praxis sammeln. ABER: Für mich stellt sich auch die Frage in welcher Altersstruktur man fähige Nachwuchsspieler in den Verein holen muss und was man ihnen bietet. Der Bau des Nachwuchsleistungszentrums ist ein Plus. Wenn nun aber Bundesligadebüts immer früher passieren, wir 18-/19-Jährige für größere Geldsummen verpflichten, dann möchten sie an den Profikader herangeführt werden statt in Liga 3 oder Regionalliga unterwegs zu sein. Es wird ein schmaler Grat: Wer wird in welcher Altersstruktur verpflichtet, wie nah kann er an die Profimannschaft integriert werden, wo sammelt er Spielpraxis. Auch bei einem Joshua Kimmich, von dessen Qualitäten man hochgradig überzeugt ist, trifft das in irgendeiner Form zu. Sein Vorteil ist aber auch – das werden wir meiner Meinung nach häufiger sehen – dass man Zeit hat. Er hat einen langen Vertrag, muss nicht in seiner ersten Saison einschlagen, sondern kann perspektivisch auf 2-3 Jahre eine entscheidende Rolle ausfüllen. In der Zwischenzeit kann man ihm Einsatzzeit ermöglichen oder über eine Leihe nachdenken.
Kurzum: Die Rolle der Bayern Amateure im Gesamt-Transferkonzept ist schwierig zu definieren und hier muss sich zeigen, ob, wie und in welchem Umfang der Nachwuchs eine Rolle spielen wird und ob es die U23, U19 oder gar ein gelungenes Konzept zum Austausch zwischen Profi-Training, Praxis mit den U-Mannschaften zum Einsatz kommen wird.
Zusätzlich zu den U17, U19, U21 (Amateure) und dem Jugendleistungszentrum, gäbe es auch noch die Kooperation mit einem Zweit- oder Erstligaverein, nach Madrider Vorbild oder dem Gemauschel zwischen Salzburg und Leipzig – ohne Gemauschel, nur als Kooperation, so ein Club wie Ingolstadt oder in Östereich zum Beispiel.
Denkmodelle an denen mit Sicherheit schon längst gearbeitet wird.
Uli ist ein Garant für gute Ideen.
Hervorragende Analyse. Die Ist-Situation wird zutreffend ausgeleuchtet und mögliche (und sehr sinnvolle) Handlungsalternativen beleuchtet.
Die Ist-Situation wird davon gekennzeichnet, dass auch weiterhin Geld Tore schießen wird. Nicht jedes Spiel und jedes Jahr, aber auf Dauer unvermeidbar.
Trotz weiterhin glänzender Finanzdaten bewegt sich der FCB momentan in eine unangenehme Sandwichposition. Von der einen Seite die ausländischen Topklubs, die jeden Rahmen sprengen (nach den letzten Zahlen aus Barcelona ist z.B. der Etat für die Mannschaftsgehälter mehr als doppelt so hoch) und auf der anderen Seite die aufrüstenden Klubs aus dem Inland.
Eine grundsätzliche Folge könnte sein, dass man sich ggf. an die 2010-ff Jahre vsl. einmal als die goldenen Jahre des Vereins erinnern wird, denen lange nicht vergleichbares gefolgt ist.
Schwierig vielleicht für Fans für die schon ein Triple-loses Jahr einer Katastrophe gleicht, für Pragmatiker sollte das verkraftbar sein.
Ein Ansatz um dem entgegenzuwirken, könnte der beschriebene Weg sein. Natürlich müsste man das dann systematisieren und auch wesentlich aggressiver betreiben. Das gefallene Stichwort Asset-Management trifft es dabei ganz gut.
Im Prinzip heißt das wir kaufen/scouten sehr junge Topspieler, durchaus auch auf Halde, und setzen darauf, dass sich der eine oder andere durchsetzt, andere wieder für einen adäquaten Preis verkauft werden können, einige in der Versenkung verschwinden.
Barcelona betreibt das m.E. bewusst/unbewusst ganz ähnlich.
Eigentlich haben wir heute auch schon so eine Ausgangsposition erreicht. Wir haben mit Kimmich, Gaudino, Hojbjerg, Kurt Toptalente einer Generation im Kader, von denen nie alle bei uns den Durchbruch schaffen werden. Teilweise kannibalisieren sie sich ja gegenseitig.
Für den FCB heißt das, wenn einer den Durchbruch zum Stammspieler schafft hat sich das schon gelohnt. Wenn dann noch einer gewinnbringend verkauft werden kann ist das schon ein Zusatzbonus.
In gewisser Weise hat das nichts mehr mit Fußballromantik zu tun, sondern ist kühles Business.
Wichtig deshalb, dass solche Planungen mit den Betreffenden ganz klar vorab kommuniziert werden.
Das Mittel der Wahl um diese Assets zu entwickeln kann ganz klar nur ein gezieltes und bewusstes Leihsystem sein. Wie man es nicht macht zeigt z.B. der Fall Can, m.E. ein klarer Managementfehler, der uns vielleicht einen wertvollen Spieler, ganz sicher aber eine Menge Geld gekostet hat.
Die fraglichen Spieler alle über die erste Mannschaft zu entwickeln? Wohl kaum.
Die Amateure, ob in der dritten oder vierten Liga, sind für Toptalente dieser Kategorie natürlich nicht darstellbar.
Man muss das nicht so exzessiv wie Chelsea betreiben, aber z.B. auch in Italien funktioniert dieses System der Spielerentwicklung über Ausleihen ganz gut.
Schlussfolgerung für heute: Schickt Hojbjerg schnell nochmal für ein Jahr nach Augsburg und gebt ihm am Besten Kurt noch gleich dazu.
Bei Can weiß ich nicht, ob man von Managementfehler sprechen kann. Er passte nicht zu Guardiolas Vorstellung, was einen Abgang nahelegt. Eine Rückkaufklausel hätte Liverpool vielleicht auch nicht mitgemacht.
On top: Can hat schon verlauten lassen, dass er sich langfristig eine Rückkehr nach München vorstellen kann.
Die Aussage zu Can bezog sich nicht auf den Wert des Spielers für uns und ob die Entwicklung so für beide Seiten sinnvoll war. Wäre ein anderes Thema.
Als Managementfehler bezeichne ich, dass wir in dem Vertragswerk mit Leverkusen zwar eine Rückkaufoption hatten, aber offensichtlich keine Sperrklausel (so würd ich’s mal nennen) für andere.
Bei einem Spieler bei dem zum damaligen Zeitpunkt schon klar war, dass er einer der herausragenden Spieler seines Jahrgangs war, wäre eine konventionelle Leihe die bessere Option gewesen.
Hm, interessantes Thema. Ich finde es schön dass ihr euch auch solchen Themen zuwendet.
Ausnahmsweise bin ich diesmal aber alles andere als d’accord mit eurer Analyse.
Ihr sagt, “der Markt hat sich verändert” und wird sich wegen des Premier League TV-Deals noch weiter zu bajuwarischen Ungunsten verändern, so dass der FCB nur noch 1B-Lösungen wie Douglas Costa und zuvor Bernat etc. bekomme.
Des Weiteren gelte nicht mal mehr in der Bundesliga das alte Mantra “wen der FC Bayern will, den kriegt er auch.”
Deshalb müsse / würde der FCB seine Transferstrategie ändern.
Ich habe natürlich keine Ahnung, wie die zukünftige Transferstrategie des FCB aussehen wird, aber ich bin der Meinung dass eure Prämissen beide falsch sind.
Zum einen: Der FCB hat immer nur 1B-Lösungen gekauft. Immer. Selbst die aus heutiger Sicht absoluten Weltstars Ribery und Robben waren keine 1A-Topstars als wir sie gekauft haben.
Gerade nachgeschaut. Ribery hatte bei Marseille 06/07 als 23/24-Jähriger in 31 Spielen 5 Tore und 8 Assists (Quelle Transfermarkt), in der Saison davor als 22/23-Jähriger 47-9-6. Das ist alles gut, aber weit weg von Weltklasse. Zum Vergleich: im Jahr 1 bei Bayern: 46-19-20.
Robben hatte in seiner letzten Saison bei Real 37-8-9, in der Saison davor 28-5-5. Das ist auch gut, aber nicht überragend. Deshalb auch die Entscheidung Reals ihn abzugeben, als man für die Offensive mal eben Cristiano, Kaka und Benz für rund 200 Mio. gekauft hatte. [Davor bei Chelsea war er auch schon gut, insbesondere altersgemäß, mit 37-3-8 (als 22/23-Jähriger), 40-7-6 (als 21/22-Jähriger).]
Auch ansonsten, wir haben viele gute Leute gekauft, aber echte 1A-Lösungen? Sehe ich kaum. Würde man versuchen, 1A und 1B objektiv zu definieren, z.B. anhand Ballon d’Or Platzierungen*, Transfermarkt-Marktwerten* oder whatever, ich behaupte wir haben seit 20 Jahren keinen Spieler gekauft, der zum Zeitpunkt des Transfers unter den Top 20 war. Von einer Veränderung kann man meiner Meinung nach also nicht sprechen.
Auch die These, dass wir nicht mehr alle Bundesligaspieler bekommen, teile ich nicht.
Ich kann nicht verstehen, warum die Käufe von Leverkusen und Bremen anders sein sollen als jene von Lewandowski, Götze, Gomez und Co. Bei letzteren wirken eure Argumentation und Kategorisierungen doch recht willkürlich. Gomez zum Beispiel, ja, klar, kam vom VFB, klingt aus heutiger Sicht nach Lachnummer. Aber damals? Die wurden 2 Jahre vorher Meister, danach 6. und 3. Da sehe ich keinen Unterschied zu Leverkusen und Bremen 5-10 Jahre vorher.
Auch leuchtet mir nicht ein, warum ablösefreie Spieler (Lewy) oder Ausstiegsklauseln in dieser Hinsicht nicht zählen sollten?
Heißt für mich, überspitzt zusammengefasst: Viel Lärm um Nichts. Gerne mehr Kimmichs, aber große Veränderungen zu unseren Ungunsten kann ich auf der deutschen oder europäischen Bühne nicht erkennen.
*Ich weiß, beides Referenzen mit großen Schwächen, aber irgendwie müsste man es ja objektivieren. Und gerade für die Kategorisierung als 1A oder 1B bzw. als Topstar oder eben nicht, finde ich solche Populärbenchmarks passend. Passender als “Nerd-Benchmarks” wie Goalimpact oder Whoscored-Werte usw. Denn letztlich ist es ja genau das smarte Kaufen der richtigen 1Bs, das uns trotzdem den Erfolg garantiert.
PS: Kleines Detail und etwas off-topic zum Abschluss, Thema Ausstiegsklauseln:
Hierzu schreibt ihr: “Gleichzeitig sind viele Vereine schlauer geworden. Ausstiegsklauseln gehören in Dortmund der Vergangenheit an.”
Auch wenn es (nicht zuletzt durch die Dortmunder Offiziellen selbst) in der Öffentlichkeit anders kommuniziert wird: Ausstiegsklauseln sind kein Zeichen von Schwäche oder gar Dummheit, sondern oft die einzige Möglichkeit, einen Spieler zu bekommen oder mit ihm zu verlängern. Und damit richtig eingesetzt sehr nützlich. Ohne AK hätte Dortmund einen Reus doch nie bekommen oder mit einem Götze nicht verlängern können (und dadurch kurze Zeit später die entsprechend ordentliche AK kassieren). Ahnen die Dortmunder Fans noch nicht, ein Stück weit werden sie es vielleicht auch nie merken – denn von wegen der Keine-Ausstiegsklausel-Doktrin nicht gekommene Spielern oder nicht erfolgten Verlängerungen wird man natürlich nichts mitbekommen – aber ich sage: selbst Schuld.
Vieles was du sagst ist richtig und ich sehe keinen Widerspruch zu meinem Text. Ich behaupte ja nicht, dass die Münchner vor 10 Jahren diese europäischen 1a-Transfers getätigt haben. Was sich aber verändert hat im Vergleich zum Zeitpunkt der Transfers von Robben oder Ribéry und den Jahren davor ist, dass sich der sportliche Anspruch in Richtung 1a bewegt hat. 2007 und selbst 2009 waren wir weit weg von der europäischen Spitze. Mit der überraschenden Finalteilnahme 2010 und den hochverdienten Finalteilnahmen 2012 und 2013 hat sich der FC Bayern aber in der europäischen Top-5 etabliert. Der Anspruch ist also von 1b auf 1a gestiegen. Die Transfers bleiben aber im Gegensatz zu Chelsea, Manchester etc. (finanziell) 1b. Das ist der Unterschied, den ich versucht habe zu beschreiben und der muss ja auch kein Problem sein. Wenn Thiago für den FC Bayern halb so viel kostet wie Sterling bei Manchester City dann stehen die Münchner sicher auch am Ende gut da. Die Frage ist, ob das so bleibt.
Und der Unterschied zu Stuttgart und dem Gomez-Transfer ist auch ein gewaltiger, wenn man sich die finanziellen Möglichkeiten von Stuttgart 2009 und Wolfsburg/Dortmund heute anschaut.
Ich versuche mal mich kurz zu halten.
Erstmal ein sehr interessanter Artikel aber ich sehe die Entwicklung bei Bayern etwas anderes. Meiner Meinung nach orientiert sich Bayern nämlich stark an den europäischen top klubs heißt es wird stark auf fertig entwickelte und recht teure Spieler gesetzt statt auf junge aber unfertige. Das liegt denke ich an der gestiegenen erwartungshaltung während vor 2013 eine Saison mit nur einem Titel als gut bezeichnet werden konnte muß seitdem mindestens ein Double geholt werden damit man zufrieden ist. Ähnliches ist auch in Barcelona geschehen nachdem sie 2009 das Triple holten. Ein Blick auf die Transfer Historie von Bayern zeigt auch diese neu Ausrichtung. Vor 2013 gab es mit Ribery, Robben, Gomez und Martinez nur 4 Spieler die 25 mil. oder mehr gekostet haben in den 3 Transfer fenstern seitdem sind es mit Thiago, Götze, Benatia und Costa schon genau so viele und mit Vidal kommt bald ein fünfter hinzu(ich habe Neuer mal nicht berücksichtigt da er 2011 18 Millionen gekostet hat und der Preis erst seit dem auf 25+ gestiegen ist). Besonders Vidal zeigt sehr gut diese neu Ausrichtung da im Mittelfeld mit Højbjerg, Kimmich und Gaudino drei Talente auf das Vertrauen vom Trainer warten. Da das allerdings ein Risiko ist wird statt dessen ein 28 top Spieler geholt der sofort helfen kann. Das werden auch Talente so sehen und wie Ginter gleich woanders hin gehen oder wie Eberwein den Verein früh verlassen da die Lücke sich nicht mehr auftut. Man kann mit dieser Umstellung natürlich auch Erfolg haben wie Barcelona gezeigt hat aber ich würde lieber 2-3 Jahre länger auf die großen Titel warten und dafür mit 5-6 Spielern aus der eigenen Jugend statt mit nur 2-3 die dann auch schon 30 + sind.
So wie gesagt ich habe versucht mich kurz zu fassen hoffe es ist trotzdem einigermaßen lesbar
Die einzige 1A-Lösung, an die ich mich erinnere, war sicherlich Guardiola. Unbestritten. Was auch zum 1A-Spieler Thiago führte, der nur dank eines Sonderfalls so günstig wurde.
Lewandowski würde ich fast in diese Kategorie heben.
Der 1A-Anspruch wird sich mit Guardiolas Abgang (wann auch immer) wieder heimlich verabschieden, das denke ich schon. Und dann wird es auch nicht dieses herbe Enttäuschungsgefühl geben, wie man es in der letzten Saison trotz Titelgewinn erlebt hat.
Ich bin aber sicher, dass diese Saison zwar die vierte Schale in Folge lautstark propagiert wird, aber man mit dem Vidal-Einkauf und der möglichen letzten Saison von Guardiola stark auf die CL setzt und versucht, die Bundesliga mit viel Rotation zu holen.
Ich denke, dass eine weitere Frage sich aufdrängt. Macht es mittel- und langfristig noch Sinn, auf junge Spieler aus Südamerika zu verzichten?
Vielleicht so etwas wie die “Breno-Frage”. Warum sollte man das so nennen? Weil die Herausforderung nicht nur im Scouting und im unter Vertrag nehmen liegt, sondern auch in der sportlichen und sozialen Integration der Spieler.
Ich glaube, dass ein Vergleich mit Leverkusen Sinn macht. Die haben sich umfassend um ihre südamerikanischen Spieler gekümmert anstatt sich auf Parolen wie “der kriegt x Millionen also soll er Leistung bringen” einzulassen. Wenn man den Spieler ausreichend Zeit läßt und entsprechende Hilfe zukommen läßt, dann steigt die Chance aus einem Talent einen guten Spieler zu machen und womöglich eine Bindung zum Verein zu stiften. Als hervorstechendstes Beispiel kann man Messi nehmen oder unsere Ex-Spieler wie Ze Roberto, Lucio oder Elber, die allesamt einen “Umweg” nehmen mussten.
Ich würde mich freuen, wenn durch jemanden wie Reschke hier ein Umdenken stattfinden würde – wie gesagt, nicht nur beim Scouting und den Verpflichtungen, sondern auch bei der Integration in den Verein.