Serge Gnabry – Bayerns Toptransfer

Tobias Trenner 11.04.2019

Mit Leon Goretzka konnten die Bayern einen Mittelfeldspieler ablösefrei verpflichten, der sich im Laufe der Saison bereits einen Stammplatz im Münchner Mittelfeld erarbeiten konnte. Doch wird der ehemalige Schalker von einem anderen de-facto Neuzugang in den Schatten gestellt – Serge Gnabry.

Zwar ist der Flügelspieler technisch gesehen kein richtiger Neuzugang, war er doch in der letzten Saison an die TSG Hoffenheim ausgeliehen. Nichtsdestotrotz machte Gnabry erst diese Saison sein erstes Spiel für die Bayern. Dabei wurde der Transfer vielerorts belächelt. Denn der ehemalige Gunner galt früher als großes Talent, enttäuschte aber viele Experten und entwickelte sich, auch aufgrund von vielen Verletzungen, nicht wie erhofft – bis jetzt.

Denn diese Saison ist Serge Gnabry, der aus der Jugend des VfB Stuttgart stammte, einer der besten Bayernakteure. Dank ihm ist man nicht mehr so abhängig von Arjen Robben und kann dessen Verletzungen gut kompensieren. Mit wettbewerbsübergreifend elf Toren und acht Vorlagen zählt der Nationalspieler zu den stärksten Bayernakteuren dieser Saison. Sportdirektor Hasan Salihamidzic fasste das Spiel von Gnabry im Dezember passend zusammen: „Mit ihm haben wir eine Waffe im Spiel. Er hat die Geschwindigkeit und weiß auch, wie man Tore macht.“

Nach Kingsley Coman scheint man seinen zweiten Flügelspieler für die Zukunft gefunden zu haben. Unlängst wurde sein Vertrag bis 2023 verlängert. Zeit, einen Blick auf den deutschen Nationalspieler zu werfen.

Gnabry bringt Dynamik ins Bayernspiel

Der Spielstil des jungen Angreifers ist dabei schwerer einzuordnen. Er ist nicht der klassische bayrische Außenstürmer, der gerne dauerhaft das 1v1 sucht, um diagonal Richtung Tor zu gehen, wie etwa Arjen Robben, oder der mit seinem Tempo Richtung Grundlinie ziehen will, wie beispielsweise Kingsley Coman.

Beides kann Serge Gnabry auch und zeigt dies regelmäßig auf hohem Niveau. Allerdings diktieren diese Aktionen nicht allein seinen Spielstil. Serge ist wesentlich variabler, fühlt sich auch in einer Rolle im Zentrum wohl. Darüber hinaus wartet er nicht in einer breiten Position nahe der Außenlinie, um in ein 1v1 zu gehen. Vielmehr sind seine Freilaufbewegungen vielfältiger.

Mal rückt er clever ein oder spielt, nachdem er den Ball erhielt, sofort einen Doppelpass. Darüber hinaus versucht der ehemalige Gunner durch seine Sprints in die Tiefe die Abwehr vor Probleme zu stellen. Ständig attackiert er Lücken, beschäftigt so die Verteidiger und öffnet seinen Teamkollegen Räume. Eine nicht zu unterschätzende Fähigkeit. Beobachtet man die besten Offensivreihen der Welt, fällt auf, dass es immer wieder einen Spieler gibt, der die Räume hinter der Abwehr attackiert.

Diese Läufe von Gnabry haben unterschiedliche Auswirkungen. Entweder seine Mitspieler haben mehr Platz, oder sie können den Nationalspieler mit einem präzisen Pass hinter der letzten Abwehrkette bedienen. In einem Team mit Thiago oder Mats Hummels hat Serge Gnabry hier die richtigen Mitspieler.

Im Vergleich zu Coman oder Robben fühlt sich Gnabry auch wohl, wenn er dem Ball im Lauf erhält und aus einer chaotischeren Situation einen gefährlichen Angriff kreieren soll. Des Öfteren kann man beobachten wie der Flügelspieler den Ball auch im vollen Tempo kontrolliert und am Gegner vorbei prescht. Im Gegensatz zum Franzosen Coman muss Gnabry nicht immer aus einer geordneten Situation heraus agieren. Während es Coman am liebsten mag, wenn er aus dem Stand seinen Vorteil in der Beschleunigung ausnutzen kann, hat Gnabry auch mit chaotischen Situationen kein Problem.

So macht er die Bayern nicht nur ein Stück variabler, sondern auch schwerer ausrechenbar. Seine gute Orientierung in chaotischen Situationen ist mit Sicherheit ein Mitgrund, wieso der Flügelspieler auch in der wenig organisierten Kovač -Offensive bestens funktioniert.

Flügelspieler oder zweiter Stürmer – was ist Serge Gnabry eigentlich?

Interessanterweise wurde Gnabry von vielen direkt als weiterer Mittelfeldspieler gesehen. Zu Beginn seiner Karriere agierte der ehemalige Stuttgarter bei Arsenal fast ausschließlich auf den Flügeln. Aufgrund seines Tempos und der Dribblingstärke sicherlich eine logische Schlussfolgerung. Doch im Laufe seiner Karriere fand er sich immer häufiger als zweiter Stürmer wieder.

Gerade bei der TSG Hoffenheim, zu der er eine Saison ausgeliehen war, lief Gnabry regelmäßig als Stürmer auf. In Julian Nagelsmanns 3-5-2 gab es für ihn keine Position am Flügel, da hier eher defensivere Spieler wie Pavel Kaderabek oder Steven Zuber zum Einsatz kamen. Entsprechend wurde Gnabry als zweite Spitze aufgeboten. Auch unter Joachim Löw durfte er im Länderspiel gegen die Niederlande neben Leroy Sané im Sturm auflaufen.

Speziell Nagelsmann entwickelte das ewige Talent Serge Gnabry in seiner Zeit in Hoffenheim entscheidend weiter. Zwar zeigte er bereits in Bremen gute Leistungen, allerdings machte er nach seiner Zeit bei der TSG einen weiteren großen Schritt. Ein Punkt, der sich unter Nagelsmann verbessert hat, kommt dem ehemaligen Gunner noch heute zu Gute. Denn Gnabry ist mehr als nur ein Flügelspieler, vielmehr ist er eine flexible Offensivwaffe, der Dank seiner Intelligenz aus vielen Positionen effektiv sein kann.

Das Gespür für den Raum

In Hoffenheim verbesserte sich Gnabry vor allem in seinem Gespür für den Raum, für einen Stürmer eine sehr wichtige Eigenschaft. Gegen Ende der letzten Saison erklärte Nagelsmann ziemlich genau, wie man mit dem jungen Offensivspieler gearbeitet hatte:

„In der individuellen Arbeit mit ihm ging es viel um das Gespür für den Raum. […] Da haben wir uns viel um seine Orientierung im Raum gekümmert. Wo er zu stehen hat, wann er sich wie freilaufen muss, um einfach in kürzerer Zeit vor das Tor zu kommen. Und auch mehr Aktionen Richtung Tor zu haben, die nicht verpuffen, weil er zuvor 30, 40 Meter Raum verschenkt hat.“Julian Nagelsmann

Diese Fortschritte bestätigte Gnabry diese Saison bereits. Auch unter Niko Kovač läuft er oft als rechter Flügelspieler auf, allerdings erhält er viele Freiheiten, muss seltener seine Position am Flügel halten, sondern kann weit ins Zentrum schieben. Dabei beweist er, dass er mehr als nur ein Flügelspieler ist.

Viele seiner Tore erzielte er durch ein intelligentes Nachschieben in den Sechzehner am langen Pfosten. Gnabry beweist hier sein hervorragendes Gespür für Räume und Dynamiken im Defensivverhalten. In Zukunft wird man dies sicherlich häufiger und intensiver nutzen, da der Nationalspieler so eine andere Dimension ins Bayernspiel bringt.

Mit Thomas Müller hatte man bereits einen solchen Akteur, der unter Jupp Heynckes aber auch in der Nationalmannschaft des Öfteren als rechter Mittelfeldspieler auflief, jedoch eher wie ein zweiter Stürmer agierte.

Serge Gnabry könnte hier die perfekte Verbindung aus dem klassischen Bayern-Flügelspieler ala Arjen Robben und dem verkappten Stürmer Thomas Müller sein. Denn er bringt alle notwendigen Fähigkeiten mit. Der Unterschied zum klassischen Flügelspieler liegt in den vorausschauenden Bewegungen von Gnabry. Dabei verlässt er seine Position weiträumiger, sucht Lücken im Halbraum und attackiert auch ohne Ball kontinuierlich die Räume hinter der Abwehr.

Sein Spiel gegen den Ball

Zu Beginn dieser Bayern-Ära. Im Jahre 2012 war einer der häufigsten Kritikpunkte an den Bayern die fehlende Defensivarbeit der beiden Flügelspieler Franck Ribéry und Arjen Robben. Zwar glänzten die Beiden in der Offensive mit spektakulären Dribblings, präzisen Vorlagen und tollen Toren, jedoch ließen sie den Ehrgeiz und die Arbeit gegen den Ball komplett vermissen. Eine Schwäche, die den Bayern häufiger weh tat, da im Pressing de facto zwei Spieler fehlten.

Mit dem jungen Nationalspieler hat man nun einen Offensivspieler, der sich auch für die Defensivarbeit nicht zu schade ist. Hierbei beweist Serge Gnabry neben viel Einsatz auch seine Spielintelligenz. Im Pressing der Bayern läuft er clever den Gegner an, versperrt Passoptionen oder setzt den Gegner dauerhaft unter Druck, wenn jener den Ball unsauber verarbeitet oder keine direkte Anspielstation hat.

Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images

Im Defensivverhalten hilft auch seine körperliche Verfassung. Gnabry ist durchtrainiert, ein Musterprofi und auf den ersten Metern dadurch sehr explosiv. Im Herbst berichtete bereits Arjen Robben, dass der Neuzugang des Öfteren im Kraftraum zu finden ist, um an sich zu arbeiten.

Fazit

Serge Gnabry ist definitiv eine der positiven Erscheinungen dieser Saison. Und das ist wohl etwas überraschend. Wer hätte vor der Saison gedacht, dass der Nationalspieler ein so wichtiger Bestandteil der Stammelf werden könnte? Am Ende der Karriere von Arjen Robben und Franck Ribéry und in Zeiten von immer höheren Ablösesummen auf dem Transfermarkt, ist Gnabry ein Glücksgriff für die Bayern und Beweis für eine gute Transferpolitik. Man darf gespannt sein, wie die Reise des 23-Jährigen aus Stuttgart beim FC Bayern weiter geht. Fest steht, durch seine Variabilität wird er in vielen Systemen und bei egal welchem Trainer seinen Platz finden.