Miasanrot-Awards: Neuzugang der Saison 2019/20

Justin Trenner 06.09.2020

Es ist retrospektiv schon interessant, welche Resonanz die Bekanntgabe des Transfers von Benjamin Pavard im Januar 2019 erzeugte. Versetzt man sich in diese Zeit zurück, kommt einem die allgemeine Stimmung so vor, als wäre es ein anderes Jahrzehnt. Dass dieser Klub in ungefähr 1 1/2 Jahren die Champions League gewinnen würde, ist da kaum denkbar.

Kritik, wo man nur hinsieht. An Hasan Salihamidžić, am Trainer Niko Kovač, an der Transferpolitik des Klubs – an den Bayern wurde damals kaum ein gutes Haar gelassen. Nach dem Ausscheiden in der Champions League gegen Liverpool und einem kuriosen Transfersommer sollte sich diese Kritik jeweils sogar noch verschärfen.

Der Transfer von Benjamin Pavard wurde von Anfang an vielerorts nur beiläufig erwähnt, wenn es um die Kaderplanung für die neue Saison ging. Ein Absteiger sei er. 35 Millionen Euro hätte man sich abnehmen lassen für einen Spieler, der als Mitläufer Weltmeister geworden sei und seitdem nichts mehr gezeigt habe. Diese Meinung vertraten längst nicht alle, aber sie war auch nicht die Seltenheit. Prophezeit wurde vielerorts der nächste Bankdrücker der Münchner und gefordert wurden mehr Transfers in der Preisklasse eines Lucas Hernández. Selbst wenn Leroy Sané bereits im Sommer 2019 gekommen wäre, hätte das manchen wohl nicht gereicht – als wäre die Transferpolitik der Realität mit einem Konsolenspiel inklusive beliebiger Finanzspritze zu vergleichen.

Wenig Erwartung, viel Leistung

Nun, einige Monate später, dürften viele ihre Meinung über Pavard geändert, ihre Tweets oder Facebookposts zu ihm im Jahr 2019 vielleicht sogar gelöscht haben. Selbst einige Experten und Journalisten ließen sich blenden von einer schwachen Saison nach dem großen WM-Erfolg. Sie ignorierten, dass schon viele junge Spieler nach einer erfolgreichen Weltmeisterschaft in ein kleines Loch fielen. Sie ignorierten, dass der VfB Stuttgart schlicht im Chaos versank und erwarteten von einem 22-Jährigen, dass er sie retten würde.

Quellen: (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images) ; (Photo by Christof Stache/Pool via Getty Images)

Vielleicht verhalf die eher geringe Erwartungshaltung Pavard aber auch dazu, dass er sich im Schatten der großen Aufmerksamkeit weiterentwickeln konnte. Oft wurde über Lucas Hernández und seine Ablösesumme diskutiert, noch häufiger war Leroy Sané das alles beherrschende Thema. Pavard hingegen? Der entwickelte sich nahezu unbemerkt zum Stammspieler und verbesserte sich kontinuierlich von Spiel zu Spiel.

Der Franzose wurde zum Anker der Defensive und stabilisierte insbesondere seit der Übernahme von Hansi Flick die gesamte Mannschaft. Selbst im Endspurt der Saison, als sich zunehmend andeutete, dass die Bayern auch in der Champions League gute Karten haben, wurde vor allem über seine Mitspieler gesprochen.

Pavard sollte den „Martínez-Award“ gewinnen

Pavard ist deshalb wohl der Spieler, der sich am ehesten für den Martínez-Award des unbesungenen Helden qualifiziert. Er hat in der Offensive nicht den Einfluss eines Joshua Kimmich, weshalb er wohl so unter dem Radar läuft. Aber er bringt Balance in das extrem risikoreiche Spiel des FC Bayern.

Das zeigte trotz des großen Erfolgs auch das Champions-League-Finalturnier in Lissabon. In allen drei Spielen waren die Bayern hinten so anfällig wie schon länger nicht mehr. Sicherlich lag das an der höheren Qualität der Gegner, doch Pavards Fehlen dürfte ebenso eine Rolle gespielt haben.

Mit 3978 Pflichtspielminuten sammelte er die viertmeiste Einsatzzeit der Saison. Ohne seine unglückliche Verletzung wären wohl nochmal 270 Minuten hinzugekommen und er stünde hinter Neuer und Kimmich auf Platz 3.

Müsste man Pavard mit nur wenigen kurzen Stichworten beschreiben, wären „zuverlässig“, „stabil“, „sicher“, „lern- und entwicklungsfähig“ sowie „solide“ ein guter Anfang. Ein passender Begriff wäre auch „Rückhalt“. Vor nicht allzu langer Zeit wurde im Umfeld des FC Bayern darüber diskutiert, welchen Rechtsverteidiger sie dieser starken Elf noch ergänzen würden. Mittlerweile hat sich die Diskussion auf die Frage verlagert, welchen Rechtsverteidiger man zukünftig als Backup für Pavard einplant.

Pavard ist das beste Beispiel für eine smarte Transferpolitik beim FC Bayern

Der Franzose ist nicht der beste Spieler der Welt. Vielleicht ist er dahingehend nicht mal in den Top 5 des Kaders. Aber es braucht bei den Bayern auch kein Team voller Individualisten und Weltstars. Spieler wie Pavard sind es, die für die so wichtige Ausgewogenheit sorgen. Er ist eines der wichtigen Puzzleteile in Flicks Mannschaft.

Und Spieler wie er sind es, die in den vergangenen Jahren auf dem Transfermarkt stets unter dem Radar liefen, sich schlussendlich aber zu einem wertvollen Neuzugang entwickelten. Man denke nur an die Transfers von Joshua Kimmich, Niklas Süle, Serge Gnabry, Leon Goretzka und Alphonso Davies zurück – sie alle überstiegen nicht die Marke von 40 Millionen Euro Ablöse und ihnen wurde häufig ein dauerhafter Bankplatz oder ein frühes Karriereende vorhergesagt. Spieler wie Corentin Tolisso oder Lucas Hernández kamen hingegen als Königstransfers und haben jeweils unterschiedlich gelagerte Probleme, die ihre Zeit in München erschweren.

Das bedeutet nicht, dass es daraus eine klare Erkenntnis gibt. Immerhin kostete Pavard nicht viel weniger als Tolisso. Doch die Resonanz rund um seinen Transfer war beeindruckend gleichgültig – eher noch mit dem Hang zur Negativität. Pavard aber schlug als Spieler und als Typ voll ein. Dass er aufgrund seiner Polyvalenz sowohl Rechts- als auch Innenverteidiger spielen kann, ist umso besser für die Bayern. Er ist damit eines von vielen guten Argumenten dafür, dass die Kaderplanung unter der Führung von Salihamidžić sehr smart ist.

Und wenn es nach Pavards erster Saison eine klare Erkenntnis gibt, dann die, dass er sich entgegen vieler Vorhersagen zum Königstransfer der Bayern entwickelt hat. Wenn man diese Wahl auf die Spieler begrenzt. Denn schließlich gäbe es da ja auch noch Hansi Flick.