Miasanrot-Awards 2022/2023: FC Bayern – Mixed Zone

Maurice Trenner 11.07.2023

Eine ausführliche Historie unserer Awards findet ihr übrigens in unserer Hall Of Fame, die als Reiter direkt oben auf unserer Website verlinkt ist.

Spiel der Saison: FC Bayern vs. Paris SG

Das oft zitierte Losglück der Münchner war wohl aufgebraucht, als Ex-Bayer Hamit Altintop den vielleicht schwersten Gegner aus Topf Zwei dem deutschen Rekordmeister zuloste: Paris St. Germain. Für die Münchner war es das dritte Aufeinandertreffen gegen die neureichen Franzosen, gegen die im August 2020 das Triple gewonnen wurde.

Dass die beiden Aufeinandertreffen doch nicht das “vorweggenommene” Finale würden, wurde erst im Februar klar, als beide Mannschaften schwere Durchhänger in ihren nationalen Ligen durchliefen. Doch das Trio Infernale mit Neymar, Messi und Mbappé gegen den Dominator der Gruppenphase versprach dennoch mindestens 180 spannende Minuten.

Trotz des ernüchternden Saisonverlaufs, in dem die Bayern gefühlt immer weniger souverän auftraten, war die Erwartungshaltung im Vorfeld, dass der Rekordmeister für ausgewählte Spiele seine bestmögliche Form abrufen könne.  Der 1:0-Sieg im Hinspiel bei Paris konnte als Beispiel hierfür herangezogen werden, wobei in einer zittrigen Schlussphase Keeper Sommer den Erfolg festhielt.

In das Rückspiel gingen die Münchner also mit einem Vorsprung. Nagelsmann hatte seine Mannschaft vor allem auf defensive Kompaktheit eingestellt. So waren passivere Hausherren in der ersten Hälfte häufiger Pariser Angriffe ausgesetzt. Nach einer halben Stunde sank jedem Fan im Stadion das Herz in die Hose, als Sommer in einem Anflug von Neuer`schem Größenwahn im eigenen Strafraum im Dribbling den Ball verlor, und Vitinha den Ball nur noch ins Tor schießen musste. Mit der Grätsche des Jahres Jahrzehnts rettete de Ligt seinen Keeper. Eine Aktion, die durchaus der Moment der Bayern-Saison hätte werden können.

Matthijs de Ligt mit der Jahrzehnt-Grätsche.
(Bild: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Kurz vor dem Seitenwechsel musste Paris zunächst Marquinhos und dann Mukiele verletzt auswechseln. Es folgte die vielleicht stärkste Saisonhälfte der Münchner, die fortan druckvoll agierten. Choupo-Moting traf zunächst nach Vorlage von Müller aus dem Abseits, dann köpfte Goretzka nur knapp über das Tor. In Folge einer erstklassigen Gegenpressingaktion, die an lang vergangene Zeiten erinnerte, eroberten Müller und Goretzka den Ball und dieses Mal zählte der Treffer von Choupo-Moting. Paris war nun gebrochen und in der Nachspielzeit erhöhte Gnabry auf 2:0.

Es war einer der Abende, an denen man für wenige Minuten tatsächlich daran glaubte, dass die Bayern in dieser Saison ein Wort im Konzert der Großen mitreden könnten – und damit auch einer der Abende, die ultimativ das Ende von Nagelsmann als Bayern-Trainer besiegeln sollten.

Aufsteiger der Saison: Benjamin Pavard

Vor der Saison gab es nicht wenige Stimmen, die in Pavard den großen Verlierer der Vorsaison und dann der Transferperiode sahen. Für seine Wunschposition in der Innenverteidigung wurde unter viel Vorschusslorbeeren Matthijs de Ligt verpflichtet und für seine Hauptrolle als Rechtsverteidiger kam Noussair Mazraoui aus Amsterdam. Manch einer sah den Franzosen bereits als einen potentiellen Abgang am Deadline-Day. Doch es sollte ganz anders kommen.

Am Ende der Saison sollten nur Kimmich, de Ligt und Upamecano mehr Minuten gesammelt haben als der Franzose. Dabei setzten sowohl Nagelsmann als auch Tuchel auf den defensiven Allrounder, der am Saisonende fast gleich viele Spiele innen und rechts bestritt. Die besondere Fähigkeit von Pavard war es dabei sehr ruhig, wenig risikoreich und insgesamt solide aufzutreten. Im Gegensatz zu Upamecano leistete er sich keine folgenschweren Blackouts, im Gegensatz zu Hernandez war Pavard immer einsatzbereit. 

Zunächst startete der 27-Jährige auf der rechten Seite, trotz der internen Konkurrenz. Auch wenn Pavard im Vergleich mit Davies oft auf seine Defensive reduziert wird, positionierte sich der Franzose durchaus oft hoch. Seine Weitschüsse sind seit seinem WM-Traumtor 2018 zwar definitiv overrated, aber sieben Saisontore sind für einen Verteidiger dennoch sehr stark. Gegen Saisonende rückte Pavard, auch durch die Patzer von Upamecano, an die Seite von De Ligt in die Mitte, wo die beiden ein starkes Duo bildeten. In den klassischen Statistiken für Verteidiger, Zweikämpfe und abgefangene Bälle, führte Pavard alle Verteidiger an. Gerade hier sieht man die Stärken des Franzosen besonders: Den ballführenden Spieler stellen und dann den Ball erobern.

Benjamin Pavard feiert seinen Treffer gegen die TSG Hoffenheim.
(Bild: Adam Pretty/Getty Images)

Ein großer Makel an seiner Saison muss abschließend dennoch erwähnt werden. Von den insgesamt zehn Elfmetern (!), die der Rekordmeister gegen sich verhängt bekam, hatte Pavard drei verursacht. Besonders im Gedächtnis bleibt sicherlich seine unglückliche Aktion gegen Nkunku, welche die Niederlage im Topspiel gegen die roten Dosen einleitete.

In diesem Sommer steht Pavard laut Medienberichten nun wieder vor dem Abgang. Mit ihm würde der FC Bayern zwar keinen Star im Team verlieren, aber eben den perfekten Spieler für die Kaderposition 10 bis 15 auf den man sich jederzeit verlassen kann. Wohl auch deswegen will Tuchel den Rechtsfuß halten, wie zuletzt an die Öffentlichkeit sickerte. 

Zitat der Saison: Südkurve München

Zusammen mit seiner McKinsey-Army war Oliver Kahn angetreten, um den FC Bayern ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Der familiäre Sportverein sollte unter seiner Führung die Transformation zum multinationalen Weltkonzern schaffen. FC Bayern Ahead eben.

Was die organisierte Fanszene von diesen Plänen hielt, zeigte sie in zwei Spielen zum Saisonende auf deutlichste Art und Weise. Zunächst die Punchline, dann die Inhalte. So war beim Champions-League-Aus gegen Manchester City kurz vor Spielende auf einem großen Banner zu lesen: „Ziele dürfen verfehlt werden – Werte des Vereins nicht! Führungspolitik hinterfragen!“ Ein direkter Verweis auf das mehr als fragliche Vorgehen des Vereins rund um die Entlassung von Coach Nagelsmann.

Beim Heimspiel gegen Hertha legte die Südkurve nach und präsentierte ihre zentralen zwölf Leitlinien unter dem Motto “Unser FC Bayern Ahead”. Mitgliederverein, Bundesligaverein, gesellschaftliche Verantwortung und nachhaltige Entwicklung waren einige der Stichworte, deren Schnittmenge mit der Strategie von Kahn überschaubar ist.

Zum Saisonende wurde die Führungspolitik schließlich hinterfragt. In einem Game-Of-Thrones-würdigen Plot nahm el Patron das Ruder wieder selbst in die Hand und Kahn ereilte das gleiche Schicksal wie zuvor Nagelsmann. History is cruel. 

Tor der Saison: Joshua Kimmich

Natürlich wäre es einfach gewesen, hier wieder das überragende Tor von Jamal Musiala zu wählen, das bereits den Award “Moment der Saison” gewonnen hat. Doch dieses Tor des Youngsters, wäre nur halb so viel wert gewesen, hätte 17 Spieltage vorher nicht Joshua Kimmich im Hinspiel gegen den 1. FC Köln ein Last-Minute-Tor erzielt, das den einen wichtigen Punkt sicherte, der am Ende über den Titel entscheiden sollte.

Wo die Eule schläft.
(Bild: Alexander Hassenstein/Getty Images)

23-mal hatten die Münchner an diesem Nachmittag bereits auf das Tor von Keeper Schwäbe geschossen und doch nicht getroffen. Noch schlimmer, der frisch gebackene Frühlings-Herbstmeister rannte seit der fünften Minute einem 0:1-Rückstand hinterher. Da bekommt Kimmich den Ball im Mittelfeld. Für den Hauch einer Sekunde steht ihm kein Kölner auf den Füßen, wie es die Elf von Baumgart an diesem Tag sonst tat. Und so zieht Kimmich einfach ab. Der Ball fliegt wie an einer Schnur gezogen vorbei an verzweifelten Kölnern, die sich in die Schussbahn werfen, direkt an die Unterkante der Latte. 1:1! Wer die Erleichterung des FC Bayern über den Treffer fassen will, der muss in dieser Minute nur auf den Urschrei von Neu-Keeper Yann Sommer oder den Kettensägen-Jubel von Mathys Tel schauen.

Die Saison der Münchner war über lange Strecken kein Augenschmaus, und auch deswegen waren in der engeren Auswahl fast nur Tore der Marke Weitschuss. Ganz knapp verpasst hat seinen zweiten Titel Matthijs de Ligt, der im Saisonendspurt zum großen Torjäger avancierte und gegen den SC Freiburg mit einem Screamer für den wichtigen Sieg sorgte. 

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