SINSHEIM, GERMANY - FEBRUARY 29: Karl-Heinz Rummenigge and Dietmar Hopp come together with players to applaud the home fans after demonstrations after the Bundesliga match between TSG 1899 Hoffenheim and FC Bayern Muenchen at PreZero-Arena on February 29, 2020 in Sinsheim, Germany. (Photo by Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Spiel gewonnen – Sympathien verloren

Daniel Trenner 29.02.2020

Falls Ihr es verpasst habt

Die Aufstellung 

Panik war am Mittwoch ausgebrochen. Der eine, der sich doch nicht verletzen durfte, hatte sich tatsächlich verletzt. Hansi Flick standen mehrere Optionen zur Verfügung, er entschloss sich jedoch in gewisser Weise zum offensichtlichsten, aber gleichsam auch mutigsten Schritt: Anstelle seines ersten Mittelstürmers Lewandowski, spielte einfach der einzig andere zentrale Angreifer in seinem Kader: Joshua Zirkzee. Ansonsten blieb die Startelf ohne Überraschungen. Jérôme Boateng erhielt nach dem guten Spiel in London weiterhin den Vorzug vor Hernández und auch sonst gab es keine Wechsel bis auf Coutinho, der für den ebenfalls verletzten Coman auf die linke Seite ins Team rückte. Im Gegensatz zum letzten Bundesligaspiel, spielte Bayern wieder im gewohnten Mix aus 4-3-3 und 4-2-3-1, dazu kehrte Javi Martínez zum ersten Mal in diesem Jahr in den Kader zurück.

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Alfred Schreuder antwortete auf Bayerns 4-3-3 mit seinem Eigenen. Der frühere Münchener Sebastian Rudy spielte Rechtsverteidiger, Nordtveit und Hübner innen, Zuber links. Florian Grillitsch war alleiniger Sechser und wurde von Samassékou und Baumgartner auf den Halbpositionen flankiert. Ohne Andrej Kramarić bildeten Skov, Bebou und Bruun Larsen einen flexiblen Dreiersturm.

1. Halbzeit

Das Spiel begann ganz ähnlich wie das Pokalspiel wenige Wochen zuvor: Mit einem Eigentor. Diesmal allerdings gelang Bayern in Führung, nicht Hoffenheim. Die Sinsheimer hatten an ihrem Strafraum Ballbesitz, verloren, diesen jedoch nach einem beherzten Nachsetzen Bayerns, Müller kam an den Ball und flankte über die ungeordnete Hoffenheimer Defensive, Gnabry sprang in die Luft, machte sich breit und schoss Baumann ab, hinein in das Tor (2.). Vier Minuten später erhöhten die Bayern direkt. Boateng spielte einen langen Laserpass auf Thomas Müller, der auf Zirkzee zurücklegte. Dem jungen Niederländer gelang es zwar nicht abzuschließen, doch der hinter ihm stehende Kimmich konnte den Ball flach aus 20 Metern ins Eck schießen. Ein gewisser Madrider Bankdrücker dürfte bei diesem Abschluss aufgehorcht haben.

Auch am dritten Tor war ein Innenverteidiger beteiligt. Alaba spielte eine weite präzise Spielverlagerung quer über das ganze Feld zu Gnabry, dieser flankte in die Mitte, Kimmich ließ (wohl unfreiwillig) durch, Zirkzee stoppte den Ball mit dem Rücken im 5-Meter-Raum, drehte sich, verzögerte nochmal und schloss dann wohlüberlegt ins Tor ab (15.).

In der Folge kamen weitere Bayern–Chancen dazu, während die TSG den Fuß kaum aus der eigenen Hälfte bekam, die Führung war auch in ihrer Höhe absolut verdient. Schreuder reagierte noch in der ersten Hälfte und brachte Innenverteidiger Lucas Ribeiro für Stürmer Bruun Larsen. Die langen Bälle hinter die Abwehr konnten so aufgehalten werden, die Gegentore aber nicht. Davies spielte einen Doppelpass mit Coutinho, an dessem Ende der Kanadier derartig geschickt wurde, dass nur er den Ball hätte erlaufen können. Er legte präzise quer auf Zirkzee, dessen Ablage auf Müller geblockt wurde, was zuerst Zirkzee und dann Coutinho schießen ließ. Zirkzees Schuss wurde noch abgewehrt, Coutinhos jedoch fiel abgefälscht ins Tor. Wie sehr die Sinsheimer mittlerweile verteidigten, sah man an diesem Gegentor, denn als der Ball den Weg ins Netz fand, standen ganze neun Spieler im eigenen Strafraum. Dem Brasilianer schien ein Stein vom Herzen zu fallen und auch seine Mitspieler stürmten auf ihn zu. Der Knoten war geplatzt (33.). Obwohl noch weitere Chancen hinzukamen, war dies das letzte Tor der Halbzeit.

2. Halbzeit 

Beide Teams wechselten zur Pause. Bei den Bayern kam Corentin Tolisso für Boateng, interessanterweise rückte Pavard jedoch nicht in die Innenverteidigung, sondern Kimmich. Bei Hoffenheim Andrej Kramarić für Zuber. Was auch immer sich Hoffenheim vornahm, fiel nach nicht einmal zwei Minuten auseinander. Das gesamte Spiel über bauten sie jeden Abstoß kurz und flach auf, ganz gleich wie hoch Bayern presste, und nun kassierten sie dafür die Quittung. Müller fing einen Ball ab, spielte direkt auf den zentralen Coutinho, der alleine vor Baumann keinerlei Probleme hatte. In der 56. Minute kam Leon Goretzka für Thomas Müller, Bayern spielte nun mehr ein 4-3-3. Goretzka machte kurz darauf auch sein Einstandstor, über Coutinho gelang der Ball zu Tolisso, der perfekt auf Goretzka vertikal steckte. Der durchgestartete Goretzka lupfte den Ball gefühlvoll ins Tor. Der schönste Treffer der Partie. Bayern kam noch zu weiteren Top-Chancen, doch der Sport rückte in den Hintergrund. Stattdessen bestimmten Plakate, Pyro und Beleidigungen das Geschehen. Nach mehreren Pausen kehrten die Mannschaften noch auf das Feld zurück, doch der Sport war vorbei. Um die 90 Minuten voll zu bekommen, schoben sich die Mannschaften an der Mittellinie bunt durchgemischt den Ball hin und her. Am Dienstag folgt das Pokalviertelfinale gegen den FC Schalke 04. 

Dinge, die auffielen

1. Zirkzee ist eine Dauerlösung

Hansi Flick sprach seinem Youngster das Vertrauen aus und Zirkzee zahlte es ihm zurück. Er traf einmal und war bei allen Toren an der Entstehungskette beteiligt. Das Spiel lief zwar perfekt für den jungen Niederländer, doch man merkte im Detail absolut, dass es sich hierbei um ein echtes Juwel handelt. Er brillierte mit seinen Laufwegen, seiner Technik, seinem Spielverständnis. Kurzum hat dieses Spiel klar gezeigt, dass Joshua Zirkzee bereit ist für Erstligafußball.

Gerade sein Tor zeigte wie viel Instinkt er besitzt, die meisten anderen Neuner -junge wie alte- hätten direkt geschossen, er verstand es jedoch sich zu wenden, nochmal zu verzögern und erst dann abzuschließen. Es half auch sehr, dass die Mannschaft Zirkzee vollends angenommen hat, sie suchten ihn und nahmen ihn in Kombinationen auf. Es hatte schon ganz andere Debüts gegeben, wo die Talente mitunter konsequent übergangen wurden. Zirkzee wurde jedoch so bedient, als hätte er schon hunderte Startelfeinstätze. Solange Robert Lewandowski verletzt ist, sollte Hansi Flick Zirkzee weitere Chancen geben und selbst nachdem der Starstürmer wieder da ist, sind weitere Einsätze nicht ausgeschlossen. Bayerns Bank ist nicht mit allzu vielen Alternativen offensiv bestückt, sollte sich Zirkzee weiterhin beweisen, wird er als veritabler Offensivjoker Flicks Optionen ergänzen. 

2. Lange Bälle hinter die Abwehr sind der Schlüssel

Hoffenheim ist eigentlich eine spielstarke Mannschaft und wollte diese Spielstärke auch daheim zeigen. Wohl deshalb liefen sie mit einer mutigen 4-3-3-Formation auf, doch tatsächlich liefen sie mit ihrer Staffelung in Bayerns offenes Messer. Die Initialzündung für das zweite und das dritte Tor war jeweils ein langer, hoher, präziser Pass eines Innenverteidigers. Beim ersten Tor überspielt Boateng mit einem Schlag fast die ganze Hoffenheimer Mannschaft, Müller legt zurück und es entsteht so eine extreme Variante von Bayerns Steil-und-Klatsch -Spiels, an dessem Ende Kimmich genug Raum für einen sicheren Schuss erhält.

Auch das dritte Tor fiel nach einem weiten, präzisen langen Ball. Hoffenheims Pressingfokus lag auf Bayerns linker Seite, also befreite sich Alaba daraus, als er diagonal zu Gnabry über das Feld flankte. Hohe Bälle der Innenverteidiger waren eigentlich bislang selten im Repertoire der Flick-Bayern, ganz ähnlich wie bei den Guardiola-Bayern, wo die langen Bälle erst viel später ein wichtiges Werkzeug wurden, sah man hier vielleicht eine Weiterentwicklung der aktuellen Mannschaft. Mehr Unheil als zwei Tore vorbereiten, durften sie jedoch nicht, denn auch Schreuder erkannte, wie viel Schaden diese Pässe hinter seine Abwehr anrichteten und beendete diese Gefahr indem er nach einer halben Stunde einen Stürmer für einen Innenverteidiger opferte und auf Fünferkette umstellte.

3. Spielstarke Innenverteidigung

Als in der 64. Minute Lucas Hernández für Alphonso Davies in die Partie kam, spielte Bayern in einer Abwehrspielerzuordnung, die man so noch nie gesehen hatte und so schnell eher nicht mehr wiedersehen wird. Die Innenverteidiger Pavard und Hernández spielten Außenverteidiger, während der Außenverteidiger der letzten beiden Jahre Kimmich innen spielte und von Alaba begleitet wurde, der sich seinen Namen ja ursprünglich bekannterweise ebenfalls als Außenverteidiger machte. Diese Anordnung erfolgte noch vor dem effektiven Spielende, war somit also absolut gewollt vom Trainer. Man kann nur spekulieren, dass obwohl das Mittel der langen Bälle hinter die Abwehr ihnen genommen wurde, Flick auf Spielstärke setzen und dafür auch auf offensive Dynamik und Durchschlagskraft verzichten wollte. Leider bekam man wenig Zeit diese absolut einzigartige Abwehr sich anzuschauen, denn wenig später ging das Spiel in bekannter Art und Weise zu Bruch. Es wird ein Rätsel bleiben, ob Flick einfach Pavard und Hernández offensives Selbstbewusstsein tanken lassen wollte für zukünftige Partien dort, oder ob er tatsächlich einen Plan für diese spielstärkste aller Innenverteidigerpaarungen hat.

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