FC Bayern München: Multi-Club-Ownership? Das bedeutet das Engagement in Uruguay
Ein Text von Philip Mussmann. Philip hat sich bei Miasanrot beworben.
„Langfristiges Engagement bei Racing Club de Montevideo“ – unter dieser nüchternen Überschrift hat der FC Bayern Mitte Dezember bekanntgegeben, dass das Joint Venture Red&Gold Football, das man im März vergangenen Jahres gemeinsam mit dem Los Angeles FC ins Leben gerufen hat, als Mehrheitsgesellschafter beim uruguayischen Traditionsverein einsteigt.
An der breiten Öffentlichkeit scheint die Meldung (oder zumindest deren potenzielle Bedeutung) bisher eher vorbeizugehen, obwohl hier fundamentale Fragen des Fußballs wie 50+1, der internationale Wettstreit um junge Fußballtalente und nicht zuletzt das immer mehr in den Fokus rückende Thema Multi-Club-Ownership betroffen sind.
Zeit also, sich das Ganze einmal etwas genauer anzusehen. Was bedeutet die Übernahme des Clubs in Uruguay durch den FC Bayern? Und was sind mögliche Folgen?
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FC Bayern: Die Fakten zum Engagement in Uruguay
Bisher hat sich der FC Bayern nur spärlich dazu geäußert, wie er sich konkret in Montevideo engagieren will und was er sich davon erhofft; bisher hieß es nur, dass eine Investition in die Infrastruktur geplant sei, die man in Absprache mit dem Management vor Ort vornehmen werde.
Die Identität von Racing Montevideo (Logo, Vereinsfarben etc.) bleibe jedoch aus Respekt vor der Tradition des Clubs unangetastet. Im Allgemeinen verfolgt das Joint Venture Red&Gold Football nach eigener Aussage das Ziel, „internationale Talente für die eigenen Profi-Mannschaften und den Profifußball auszubilden“.
Ein erster Schritt hierzu ist die vor einigen Monaten bekanntgegebene Kooperation mit den Gambinos Stars Africa, einer Fußball-Akademie mit Sitz in Gambia. Nun folgt darauf also der Einstieg beim Racing Club de Montevideo – einem Verein, der nach einer wirtschaftlichen Neuordnung im vergangenen Jahr in die erste uruguayische Liga aufgestiegen ist und sich daraufhin direkt für das internationale Geschäft qualifiziert hat.
Jochen Sauer, Geschäftsführer von Red&Gold und zugleich Direktor der Nachwuchsentwicklung am Campus des FC Bayern, betonte bei der Bekanntgabe die ausgeprägte Fußballkultur des kleinen südamerikanischen Landes, das in der Vergangenheit zahlreiche Spitzenfußballer hervorgebracht habe (man denke zum Beispiel an Diego Forlán, Luis Suárez oder in jüngster Zeit auch Ronald Araújo).
FC Bayern München: Welche Ziele verfolgt der FCB in Uruguay?
Will der FC Bayern München also mehr Spieler aus Südamerika verpflichten? Und welche Ziele verfolgt der Rekordmeister in Uruguay? Mit der Übernahme des uruguayischen Clubs treibt der FC Bayern nicht nur die Internationalisierung weiter voran, indem er sich auch in Südamerika ein Standbein schafft, sondern intensiviert vor allem auch die Bemühungen auf dem hart umkämpften Talente-Markt.
Man kann das Ganze also (zusammen mit der erwähnten Verbindung nach Gambia) fast schon als Erweiterung der Campus-Arbeit in München sehen, mit dem Vorteil, dass für Spieler aus Uruguay fußballerisch der direkte Weg in den Profikader des FC Bayern tendenziell nicht ganz so weit ist wie für Talente vom Campus, da Erstere immerhin schon Profierfahrung auf solidem Niveau gesammelt haben.
Auf der anderen Seite darf nicht außer Acht gelassen werden, wie groß der Schritt aus Südamerika nach Deutschland speziell für junge Spieler ist (andere Sprache, anderes Klima etc.) – dazu passt, dass in der Geschichte des FC Bayern eher wenige Südamerikaner dauerhaft in München glücklich geworden sind – und wenn, dann haben sie meist zuvor bereits für andere europäische Clubs gespielt.
Womöglich besteht aber auch gerade deshalb die Hoffnung, dass man künftig über den direkten Draht nach Uruguay einfacher aufstrebende südamerikanische Fußballer nach München lotsen kann. Zwar ist bisher nichts darüber bekannt, inwieweit der FC Bayern ein Vorrecht bei der Verpflichtung von Spielern aus Montevideo genießt, aber als Mehrheitsgesellschafter könnte sich vieles auf dem berühmten kurzen Dienstweg klären lassen, womit die Münchner einen Vorteil gegenüber potenziellen anderen Interessenten hätten.
FC Bayern München: Auf dem Weg zur Multi-Club-Ownership?
Nicht wenige in der deutschen Fußball-Landschaft dürften sich spätestens jetzt an RB Leipzig und seine besonderen Verbindungen nach Salzburg, von wo aus schon diverse talentierte Spieler den Weg in den Osten der Republik gefunden haben, erinnert fühlen.
Infolgedessen steht die Frage im Raum, ob die Münchner hier den ersten Schritt zum Multi-Club-Owner machen und sich quasi eine Art Farmteam in Südamerika aufbauen. Zur Erklärung: Mit dem Begriff Multi-Club-Ownership bezeichnet man das immer häufiger anzufindende Phänomen, dass mehrere Clubs denselben Eigentümer oder Mehrheitsgesellschafter haben; ein prominentes Beispiel ist neben dem hierzulande vor allem präsenten Red Bull die City Football Group (CFG), die weltweit nicht weniger als ein Dutzend Clubs unter sich vereint, u. a. Manchester City, den New York City FC und interessanterweise mit Montevideo City Torque ebenfalls einen Verein aus der Hauptstadt Uruguays.
Kritisiert wird an derartigen Konstrukten vor allem, dass die beteiligten Vereine sich durch Absprachen beispielsweise bei Transfers einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Clubs verschaffen können sowie die kleineren Clubs innerhalb eines Konstrukts zu Farmteams für die großen herabgesetzt werden, also letzten Endes als reine Spieler-Lieferanten dienen.
Entsprechend fiel auch die Reaktion einiger Bayern-Fans bereits beim Bundesligaspiel gegen den VfB Stuttgart aus: Auf mehreren Plakaten wurde die Ablehnung des Konzepts Multi-Club-Ownership kundgetan, gar von einer „Heuschrecke Red&Gold“ war die Rede.
FC Bayern München – Multi-Club-Ownership: Wie berechtigt ist die Kritik?
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es einen wesentlichen Unterschied zu Multi-Club-Ownern wie Red Bull und der CFG gibt: Der FC Bayern ist ein eigenständiger Verein, der nicht mit anderen Clubs im Besitz desselben Unternehmens geschweige denn auf dem Weg dahin ist.
Es scheint ihm mit dem Engagement in Uruguay zumindest nicht primär darum zu gehen, die eigene Marke weltweit zu fördern – dafür müsste die Verbindung zum Club Racing de Montevideo auch nach außen sichtbarer werden (man beachte im Vergleich dazu allein die Ähnlichkeit von Vereinslogos und Vereinsnamen bei Red Bull und einigen Vereinen der CFG), was durch einen gemeinsamen Einstieg mit einem amerikanischen Club über ein Joint Venture eher nicht gegeben ist.
Darüber hinaus ist es unwahrscheinlich, dass der FCB und Montevideo im selben Wettbewerb aufeinandertreffen und es damit zu einem Interessenkonflikt kommt (wie es in der Vergangenheit zum Beispiel bei RB Leipzig und RB Salzburg der Fall war) – zumindest solange es bei der Beteiligung in Uruguay bleibt.
FC Bayern München: Testballon auf dem Weg zur Multi-Club-Ownership?
Doch gerade hier dürfte für viele Beobachter der Knackpunkt liegen: Wird der FC Bayern es wirklich bei der Beteiligung an einem Club belassen? Könnte nicht sogar ein erfolgreicher Verlauf des Engagements dazu führen, dass Red&Gold Football bei weiteren Vereinen einsteigen wird und sich damit doch immer mehr der CFG und Co. angleicht?
Denn auch wenn die Fälle sich wie gezeigt bisher noch an wichtigen Stellen voneinander unterscheiden, sind die Münchner mit der Übernahme des uruguayischen Clubs zweifelsohne als Club-Owner zu bezeichnen. Um es noch einmal deutlich zu machen: Es handelt sich hierbei nicht um eine Kooperation dreier Vereine auf Augenhöhe, sondern der FC Bayern kann – zusammen mit dem Los Angeles FC – fortan in Montevideo mitbestimmen (auch wenn noch nicht absehbar ist, in welchem Umfang das geschehen wird).
Genau dieses Machtgefälle eines großen europäischen Players auf der einen und eines kleinen, aus der südamerikanischen Peripherie stammenden Vereins auf der anderen Seite dürfte diejenigen Fans umtreiben, die schon jetzt ihren Unmut über diese Entwicklung zum Ausdruck bringen. In ihrer Befürchtung bestärkt werden könnten sie im Übrigen dadurch, dass der Los Angeles FC als Partner des FCB bei Red&Gold nach dem FC Wacker Innsbruck gerade erst auch den Grasshopper Club Zürich übernommen hat – man scheint also jenseits des Atlantiks tendenziell nicht abgeneigt, das eigene Netzwerk mittels weiterer Vereinsübernahmen weiter auszubauen.
FC Bayern München in Uruguay: Die Bedeutung des Engagements
Insgesamt fällt das Fazit dieser ersten Einordnung ambivalent aus. Auf der einen Seite zeigt der FC Bayern mit dem Schritt, sich in Uruguay zu engagieren, dass er es damit ernst meint, die internationalen Verbindungen weiter zu intensivieren, und auch bereit ist, neue Wege einzuschlagen und für sich neue Regionen zu erschließen.
Darüber hinaus ist der Standort Uruguay trotz sprachlich-kultureller Unterschiede mit Blick auf Talentförderung äußerst reizvoll, da er zwar nicht den großen Namen wie Brasilien und Argentinien hat, aber dennoch regelmäßig Spitzenfußballer hervorbringt.
Der FC Bayern begibt sich mit der Übernahme eines anderen Clubs aber auch auf äußerst heikles Terrain. Das hängt vor allem mit den fußballkulturellen Gegebenheiten hierzulande zusammen: 50+1 ist für viele immer noch der heilige Gral, der nicht angerührt werden darf und der Deutschland von anderen großen Fußball-Ländern wie England oder Spanien unterscheidet, wo diesbezüglich bereits ganz andere Verhältnisse herrschen.
FC Bayern München: Per Club-Ownership zum nächsten Ronald Araújo?
Nun werden die Münchner zwar nicht selbst von einem externen Investor übernommen, womit die 50+1-Regel offiziell nicht berührt wird, allerdings treten sie selbst in einem anderen Land als ein solcher Investor auf. Dass dies noch nicht für einen größeren Aufschrei gesorgt hat, kann zum einen daran liegen, dass Uruguay hierzulande eher wenig Aufmerksamkeit generiert, zum anderen, dass der FC Bayern den Weg über das Joint Venture Red&Gold Football geht und damit den uruguayischen Verein nicht allein und auf eher indirektem Weg übernimmt.
Ob das jedoch in Zukunft so bleibt, ist mehr als fraglich, gerade wenn weitere Übernahmen vollzogen werden sollten und der FCB damit im wahrsten Sinne des Wortes zum Multi-Club-Owner wird. Spätestens dann wird sich der Verein vor allem im eigenen Umfeld wieder unangenehme Fragen gefallen lassen müssen, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass man sich in der Vergangenheit gerne von den Geschäftspraktiken anderer großer Clubs wie Manchester City distanziert und die eigene Integrität als einzigartig unter den europäischen Spitzenclubs hervorgehoben hat.
Nach dem Katar-Sponsoring dürften Kritiker hier erneut eine Abkehr von eigenen Werten erkennen. Ob der Verein dem zumindest mit einem erfolgreichen Output des Engagements kontern kann, wird die Zeit zeigen – womöglich besänftigt es ja den einen oder anderen Fan, wenn der nächste Ronald Araújo nicht für viel Geld vom FC Barcelona verpflichtet werden muss, sondern quasi aus dem eigenen Haus kommt.