FC Bayern: Oh Boey! Neuzugang Sacha Boey im Scouting Report

Justin Trenner 28.01.2024

Der FC Bayern München verpflichtet Sacha Boey von Galatasaray. Der 23-Jährige kommt für eine medial spekulierte Ablösesumme von knapp unter 30 Millionen Euro plus Bonuszahlungen.

Nachdem der FCB bei den Übergangslösungen Nordi Mukiele und Kieran Trippier nicht weiterkam, soll Boey nun die Lösung für die Probleme auf der rechten Defensivseite sein.

Doch wie gut ist Sacha Boey? Und kann er die Lücke ausreichend füllen, die die Abwesenheiten und die missglückte Kaderplanung des vergangenen Sommers aufgerissen haben? Ein Kurzportrait des Neuzugangs.

Sacha Boey: Seine bisherige Laufbahn

Boey wurde bei Stade Rennes ausgebildet und feierte dort auch sein Profidebüt. Nach einer Leihe zu Dijon ging es im Sommer 2021 für 1,15 Millionen Euro zu Galatasaray. In Istanbul reifte der Rechtsfuß schnell zum Stammspieler.

Bereits in der Saison 2022/23 absolvierte er einen Großteil der Partien für Gala in der Startelf. In dieser Spielzeit machte er vor allem mit seinen starken Leistungen in der Champions League auf sich aufmerksam. Die Verantwortlichen des FC Bayern scheint er in den direkten Duellen beeindruckt zu haben.

Noch ist der 1,78 Meter große Flügelspieler kein A-Nationalspieler – auf dem Radar ist er aber in jedem Fall. Die Konkurrenz in Frankreich ist bekanntermaßen groß. Interessant ist aber auch, dass er in den U-Mannschaften der Franzosen keine große Rolle gespielt hat. Für die U17, U18 und U19 kommt er jeweils auf nur eine Partie.

Sacha Boey: Welche Stärken bringt er zum FC Bayern?

Allein in der Champions League kann Boey beeindruckende Zahlen vorweisen. Bei den Aktionen, die zu einem Abschluss führen, zählt er laut FBref mit 3,67 pro 90 Minuten zu den besten drei Prozent aller Außenverteidiger im Wettbewerb. Den Bestwert hält Trent Alexander-Arnold mit 4,64. Auch bei anderen Offensivkennzahlen weiß Boey durchaus zu überzeugen, wenngleich er nirgends zur absoluten Weltspitze zählt.

Von Boey können sich die Bayern erhoffen, dass er viel Offensivdrang mitbringt. Er geht gern ins Dribbling, kann aber auch präzise und schnell kombinieren. Ein Grund für die Verpflichtung dürfte seine hohe Spielintelligenz gewesen sein. Boey wählt kluge Laufwege, weiß sich in Ballbesitz immer gut zu positionieren, steht dabei selten zu hoch oder zu tief und rückt auch mal ein, wenn es notwendig ist.

Ähnlich wie Guerreiro wählt er auch gern mal den diagonalen Laufweg in den gegnerischen Strafraum. In den letzten Spielen hatten die Bayern vor allem auf dem rechten Flügel immer wieder Probleme, Tiefe ins Spiel zu bekommen. Hier kann Boey zweifellos helfen. Seine unermüdliche Art, die gegnerische Abwehrkette immer wieder unter Druck zu setzen, kann ein wichtiges Mittel gegen tiefstehende Gegner sein. Auch bei offensiven Umschaltsituationen haben die Bayern mit ihm eine Waffe mehr.

Trotz seiner Körpergröße ist er ein ziemlich guter Kopfballspieler und auch physisch sehr stark. Letzteres weiß Boey in Zweikämpfen einzusetzen, wo er vor allem gegen die Bayern gezeigt hat, dass er defensiv stabil agieren kann. In den sozialen Netzwerken wurden Zahlen geteilt, die die hohen Zweikampfwerte pro 90 Minuten des Spielers im Vergleich mit der Bayern-Abwehr zeigen. Das unterstreicht seine Aggressivität und Hartnäckigkeit, sagt sonst aber erstmal wenig aus. Galatasaray spielt einen anderen, deutlich mehr auf Zweikämpfe fokussierten Fußball als die Bayern.

Mit seinem Tempo, seinem enormen Entwicklungspotenzial und den technischen Qualitäten mit dem Ball am Fuß kann er aber die erhoffte Top-Lösung für den FC Bayern sein.

Sacha Boey: Welche Schwächen muss der FC Bayern erwarten?

Doch es hat auch Gründe, dass die Bayern nicht sofort zugeschlagen und sich erstmal mit „Sicherheitslösungen“ für den Übergang beschäftigten (Mukiele, Trippier). Boey ist, das ist offensichtlich, nicht so erfahren wie die anderen Kandidaten – die Schattenseite der Entwicklungsfähigkeit.

Denn abseits der herausragenden Champions-League-Spiele, die vor allem in Deutschland viele gesehen haben, zeigt Boey durchaus wechselhafte Leistungen. Auch innerhalb einer Partie. Das verwundert nicht bei einem 23-Jährigen, der international seine ersten Schritte geht und bisher vor allem in einer Liga gespielt hat, die nicht zu den besten Europas zählt.

Wo seine Grenzen liegen, wurde dementsprechend noch nicht richtig ausgetestet. Probleme hat Boey vor allem in der Entscheidungsfindung gegen den Ball. Seine aggressive Spielweise ist immer dann positiv, wenn er Pässe beim Herausrücken aus der Kette abfängt. Sie bietet wiederum Angriffsfläche, wenn er zu übereifrig agiert und hinter sich einen zu großen Raum für den Gegner bespielbar macht – oder auch mal überhart einsteigt. In 83 Pflichtspielen für Gala kommt er auf 19 Gelbe und eine Rote Karte.

Auch im Spiel mit dem Ball ist seine Entscheidungsfindung manchmal noch ausbaufähig – ebenso wie sein Output. Trotz offensiver Spielweise steht er erst bei vier Toren und vier Vorlagen in allen Gala-Spielen.

Boey ist weit davon entfernt, bereits ein fertiger Spieler zu sein. Gerade an der taktischen Disziplin wird er unter Tuchel arbeiten müssen. Beim FC Bayern dürfte die Überlegung deshalb zu Beginn des Transferfensters gewesen sein, sich jetzt auf Spieler zu fokussieren, die konstanter agieren, sofort helfen, dafür aber weitaus geringere Peaks in ihrer Leistungskurve haben. Bei Boey kann es passieren, dass sich Höhen und Tiefen abwechseln. Das muss einkalkuliert werden.

FC Bayern: Mögliche Rollen von Sacha Boey

  • Offensiver Rechtsverteidiger: In einer Viererkette ist die Rechtsverteidiger-Position naturgemäß seine stärkste. Gerade weil er schnell, kombinationsstark und gut im Eins-gegen-eins ist, wäre eine offensive Rolle prädestiniert, in der er sich vornehmlich auf dem Flügel aufhält und auch mal zur Grundlinie durchläuft oder diagonal in den Strafraum geht, um Räume aufzuziehen.
  • Rechter Flügelverteidiger: Tuchel könnte auch mal auf eine Dreierkette setzen, wenn die dafür benötigten Spieler zurückkehren. Als Flügelverteidiger hätte Boey weniger Defensivsorgen. Zumal es in Viererketten-Systemen ein Problem für die Bayern sein könnte, dass Davies und Guerreiro auf dem linken Flügel ebenfalls sehr offensiv ausgerichtet sind.
  • Einrückender Rechtsverteidiger: Eher unwahrscheinlich, aber eine Option. Boey bringt die Spielintelligenz mit, um in einer derart anspruchsvollen Rolle zu überzeugen. Dennoch bleibt Mazraoui perspektivisch dafür die beste Wahl.
  • Absichernder Rechtsverteidiger: Davies agiert links sehr hoch und auch Guerreiro ist offensivorientiert. Eine Zeit lang war Benjamin Pavard das perfekte Gegenstück dazu, weil er defensiv gut absichern konnte. Boeys Spielweise ist dafür vermutlich zu aggressiv und nicht diszipliniert genug. Außerdem würde man ihm einige seiner Stärken nehmen und die eine oder andere Schwäche (Stellungsspiel beispielsweise) eher akzentuieren.
  • Linksverteidiger: Eine Notfallvariante. Vermutlich werden die Bayern diese eher nicht benötigen. Aber sollte der Worst Case eintreten, kann Boey sicher auch dort spielen.
  • Holding Six: So wie der bedingungslose Hypetrain in den sozialen Netzwerken schon auf Touren gekommen ist, kann er doch sicher …

FC Bayern München: Wie überzeugt ist man von Sacha Boey?

Bei aller berechtigten Vorfreude auf Boey: Es hat ein kleines Geschmäckle, dass die Bayern zunächst darauf aus waren, den Übergangsweg zu gehen. Zuletzt deuteten Medienberichte darauf hin, dass man im Falle eines Scheiterns bei Trippier und Mukiele niemanden mehr verpflichten würde. Erst die Verletzungen scheinen die Verantwortlichen dazu bewegt zu haben, Geld für Boey auf den Tisch zu legen.

„Wir machen nur etwas, wenn wir 100 Prozent davon überzeugt sind“, sagte Christoph Freund am Mittwochabend bei Sky, als er erklärte, warum Trippier kein Thema mehr sei. Wie sehr trifft diese Aussage nun auf Boey zu? Wirklich strukturiert wirkte das Vorgehen auf dem Transfermarkt in diesem Winter nicht. Wenngleich man Freund zugestehen muss, dass er im komplizierteren der beiden Transferfenster Fehler ausbaden muss, die er nicht verursacht hat.

Und vielleicht wurden die Bayern mit Boey auch zu ihrem Glück gezwungen. Talentiert ist der junge Franzose allemal. Klar ist aber auch: Mit der Verpflichtung hat man sich ein Stück weit festgelegt. Für eine Übergangslösung ist der Neuzugang schlicht zu teuer. Das sollten sich die Bayern in Erinnerung rufen, wenn er hier und da noch Anpassungsschwierigkeiten haben sollte.

Entwicklungspotenzial bedeutet immer auch Fehler einzukalkulieren und positiv damit umzugehen. Selbst bei einem Club wie dem FC Bayern, der zum Siegen verdammt ist.



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