MUNICH, GERMANY - MAY 01: Marina Hegering of Bayer Leverkusen is thrown off balance as she competes for a corner kick during the Women's Bundesliga match at Gruenwalder Street Stadium on May 01, 2016 in Munich, Bavaria. (Photo by Adam Pretty/Bongarts/Getty Images)

Bayern-Frauen vor dem Umbruch: Rückblick, Durchblick, Ausblick (Teil 2)

Jolle Trenner 29.05.2017

Da gibt es einmal die Gruppe von Spielerinnen, deren Vertrag zum Saisonende auslief. Sollte sich die Recherche als stichhaltig erweisen, dann gehören Caro Abbé, Katha Baunach, Nora Holstad, Vivianne Miedema und Sarah Romert dazu. Die Verträge der folgenden Spielerinnen wurden dagegen vorzeitig aufgelöst: Claire Falknor (Vertrag bis Sommer 2017), Vanessa Bürki, Stefanie van der Gragt, Mana Iwabuchi, Lisa Evans (jeweils Vertrag bis Sommer 2018). Auch Verónica Boquete hatte ursprünglich bis zum Sommer 2018 unterschrieben, sie verließ den Verein allerdings schon vor der letzten Saison.

Warum man getrennte Wege geht

Wir wollen uns hier weder mit dem soziologischen Phänomen des Vertrags im Allgemeinen noch mit der spezifischen Ausprägung der Vertragstreue im Fußball auseinandersetzen, aber so viel lässt sich festhalten: Einen Vertrag gehen zwei Parteien miteinander ein, um sich ein bestimmtes Verhalten gegenseitig für die Zukunft abzusichern. Der vorherrschende Grundsatz für das Zustandekommen einer solchen Verabredung im Fußball ist das Leistungsprinzip.

Um einen neuen Vertrag miteinander einzugehen müssen eine ganze Reihe von Faktoren stimmen, die beim puren Aufrechterhalten des Vertrags nicht im selben Ausmaß zum Tragen kommen. Grundsätzlich gilt aber in beiden Fällen, dass die folgenden Fragen von beiden Seiten mit ja beantwortet werden müssen:

  • Fühlt sich die Spielerin im Team/ im Verein/ in der Stadt wohl?
  • Hat die Spielerin das Vertrauen, in dieser Mannschaft die eigene sportliche, gesundheitliche, charakterliche, finanzielle, private und für das Leben nach dem Fußball maßgebliche Entwicklung gleich gut oder besser vorantreiben zu können als in jedem anderen Team bzw. mit jedem anderen Schritt, den sie gehen könnte?
  • Hat der Verein das Vertrauen in die Spielerin, in allen Aspekten eine solche Entwicklung zu durchlaufen, dass sie in Zukunft eine größere Unterstützung bei der Erreichung der Vereinsziele sein wird, als es eine andere verfügbare Spielerin wäre?
  • Hat der Verein die sportlichen und finanziellen Anreize sowie eine passende Balance im Kadergefüge, um diese Spielerin mit einem Vertrag auszustatten?

Aus der anderen Perspektive gefragt: Welche Kriterien könnte es für einen Verein dafür geben, eine Spielerin aus einem gültigen Vertrag zu entlassen? Meist handelt es sich dabei um einen oder eine Mischung dieser drei Gründe: Verletzungen, Desinteresse und Anstand.

Welche Aspekte gaben für welche Spielerin den Anstoß?

So ist es relativ plausibel, dass Mana Iwabuchi und Stefanie van der Gragt großen Anteil am künftigen Erfolg des FC Bayern hätten haben können. Das Vereinsinteresse an Spielerinnen mit ihrem Profil ist groß. Doch wurden sie durch schwere Knieverletzungen zurückgeworfen. Verträge sollen Spielerinnen gerade auch für den Verletzungsfall absichern. Bei Spielerinnen aus dem Ausland ist es allerdings häufig so, dass sie lieber im vertrauten Umfeld ihrer Heimat genesen wollen, als dies gestrandet in München zu tun.

„Wir tragen damit Manas eigenem Wunsch Rechnung. Nach mehreren Verletzungen möchte sie zurück in ihre Heimat, um dort zu alter Stärke zu finden.“
Karin Danner, FCB-FrauenManagerin auf fcbayern.com.

Nachtrag: Stefanie van der Gragt wechselt zu Ajax Amsterdam

Für Sarah Romert und Katha Baunach machte es aus demselben Grund Sinn, die Reha in München vorzunehmen. Der Verein verlängerte in diesen Fällen die Verträge sogar, um ihnen Zeit für das Gesundwerden zu geben. Das Prinzip „Heimat hilft“ konnte man auch bei Leonie Maier ablesen, die mit ihrem Kreuzbandriss viel Zeit in Stuttgart verbrachte.

Dass der FC Bayern Spielerinnen aus ihren Verträgen rausmobbt, ist dagegen nicht bekannt (sachdienliche Hinweise an [email protected]). Der etwas abschätzig formulierte Faktor „Desinteresse“ soll hier nur bedeuten, dass der Verein zur Einschätzung kommt, seine Ziele auch ohne die Spielerin erreichen zu können, sofern sie sich wechselwillig zeigt. So kam Claire Falknor in der Hinrunde der abgelaufenen Saison trotz Verletzungsmisere im Team nur noch in der zweiten Mannschaft zum Einsatz. Wenn dann beide Seiten keine Zukunft beim FC Bayern sehen, macht es Sinn, den Vertrag aufzulösen und getrennte Wege zu gehen.

Das Thema Anstand mag im Frauenfußball insofern eine größere Rolle spielen, als dass Frauenprofis zwar um die Runden kommen, aber alles andere als ausgesorgt haben. Es gibt vielleicht eine Handvoll Frauenclubs, die fünfstellige Monatsgehälter zahlen können. Der FC Bayern zählt nicht dazu. Den Werdegang einer abschiedswilligen Spielerin durch das Pochen auf den Vertrag zu blockieren, könnte also folgenschwerer sein als bei den Männern.

Die sportliche Perspektive beim FC Bayern ist ordentlich, aber nicht die oberste Schublade. Jemand wie Vero Boquete ist in der kreativen Schaltzentrale des FC Bayern Gold wert. Das wäre Thiago beim SV Darmstadt auch. Beim FC Köln ebenfalls. Doch das Leistungsprinzip gilt auch umgekehrt. Auch der Verein muss den Ansprüchen der Spielerin genügen. Über den herausragenden Charakter von Boquete gibt es keine zwei Meinungen. Verletzt war sie zur Mannschaft gestoßen. Keine guten Voraussetzungen, um sich in ein Umfeld zu integrieren, bei dem vor allem zählt, wie man sich auf dem Platz verhält – besonders dann, wenn Deutsch nicht die Muttersprache ist. Doch ihr gelang dieses Kunststück und sie stellte sich mit allem, was sie geben konnte, in den Dienst der Mannschaft.

Wenn also eine Spielerin von ihrer Klasse die Gelegenheit bekommt, bei einem der weltweit besten Clubs — Paris Saint-Germain — einen lukrativen Vertrag zu unterschreiben, wo ihr Leistungsprofil perfekt zur Geltung kommen und ihre Stärken glänzen werden, dann kann man sie zwingen, sich weiterhin in Aschheim auf den Windkanal beim SC Sand vorzubereiten oder man wünscht ihr alles Gute.

Vanessa Bürki steht im vorläufigen EM-Kader der Schweiz für das Sommerturnier in den Niederlanden. Vielleicht war dies ein letztes großes Ziel für sie im Fußball, als sie ihren Vertrag im April 2016 nach elf Jahren im Club nochmal um zwei Jahre verlängerte. Wenn sie nun nach dieser Saison ins Grübeln kommt, ob Minuten für gut drei Spiele in der Liga (272; 13,74%) die täglichen Entbehrungen wert sind, die der Leistungssport ihr abverlangt, und wenn der Verein die Chancen als gut bewertet, den Kaderplatz so besetzen zu können, dass das Team wächst, dann spricht auch in einem solchen Fall wenig gegen die einvernehmliche Auflösung des Vertrags.

Minuten Spielerinnen FC Bayern München AFBL 2016/17
Gespielte Minuten der Bayern-Spielerinnen AFBL 2016/17
Auswechslungen Spielerinnen FC Bayern München, AFBL 2016/17
Auswechslungen FCB-Frauen AFBL 2016/17
Einwechslungen Spielerinnen FC Bayern München, AFBL 2016/17
Einwechslungen FCB-Frauen AFBL 2016/17

Bei Lisa Evans hätte man sich gut vorstellen können, dass sie weiterhin eine Rolle beim FC Bayern spielt. Mit ihrem Tempo ist sie immer eine Belebung in der Offensive. Doch auch sie hat nur gut die Hälfte der möglichen Minuten in der Liga bekommen (1050/1980; 53,03%), nochmal ein bisschen weniger als in ihrem ersten Jahr (1148/1980; 57,98%). Die Schottin ist nun schon viele Jahre in Deutschland gewesen (drei in Potsdam, zwei in München) und wenn sich die Tendenz für sie eher verschlechtert, als dass sie einen Durchbruch hinlegt, dann könnte sie in einem neuen Team eine größere Rolle anstreben. Vor allem, wenn davon auszugehen ist, dass die Minuten von U19-Nationalspielerin Anna Gerhardt, die auf derselben Position spielt, künftig eher steigen werden.

Nachtrag: Lisa Evans folgt Miedema zum FC Arsenal

Eine größere Rolle in einem neuen Umfeld könnte nach elf Jahren Bayern München auch das Ziel von Katha Baunach sein, während es für den Verein ein Risiko dargestellt hätte, den Vertrag mit Blick auf viele Verletzungen nochmal zu verlängern. Dass sie fit mit ihrer technischen Klasse und ihrer Erfahrung ein Zugewinn für jedes deutsche Team ist, steht außer Frage.

Nachtrag: Katha Baunach wechselt nach Wolfsburg

Ähnlich wie Baunach konnte auch Sarah Romert erstmals seit Ewigkeiten wieder Minuten auf dem Platz sammeln. Von außen ist es schwer zu sagen, ob die körperliche Verfassung oder die Bewertung der Leistung einem neuen Vertrag im Wege standen. Doch wie oben beschrieben: die Bedingungen für eine Vertragsverlängerung sind härter als für eine Nichtauflösung. Offenbar konnten nicht alle Fragen von beiden Parteien mit ja beantwortet werden. Wir sind gespannt, wie es für sie weitergehen wird.

Nachtrag: Knieverletzung hindert Sarah Romert an der Fortsetzung ihrer Karriere

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Die Kapitänin der Schweizer Nationalmannschaft Caro Abbé kann nicht zufrieden sein mit ihrer jüngsten Entwicklung in München. Ihr Spielanteil ging von 75,35% (1492 Minuten) auf 48,59% (962 Minuten) zurück. Als sie aufgrund von Verletzungen gebraucht wurde, war sie ein absoluter Faktor für die erfolgreiche Rückserie und das Erreichen der Champions League in den letzten Wochen. Daran erkennt man Abbés phänomenalen Charakter und ihr Können. Dennoch reichte es für beide Parteien nicht dazu, einen neuen Vertrag aufzusetzen. Sie wird bei der EM in Holland für sich werben können. Sie wechselt zurück in die Schweiz und wird ab der kommenden Saison für den FC Zürich auflaufen.

Einen großen Verlust stellt der Abgang von Co-Kapitänin Nora Holstad dar. Auch hier ging die Vertragslaufzeit zu Ende. Dreieinhalb Jahre setzte sich die 30-jährige Norwegerin als Abwehrchefin für den Club ein und war tragende Säule dieser Erfolgsgeschichte. Mit Blick von außen hätte sie dem Verein noch mindestens ein, zwei weitere Jahre helfen können. Sollten die Bayern ihr kein neues Angebot unterbreitet haben, gehe ich in den Keller weinen, wäre das nur schwer nachvollziehbar. Wahrscheinlicher ist das Szenario, dass auch Holstad den nächsten Schritt in ihrem Leben gehen möchte, so dass uns nur übrig bleibt, Danke zu sagen und viel Erfolg für alles Weitere zu wünschen.

Nachtrag: Nora Holstad wechselt in die NWSL nach North Carolina

Ziemlich eindeutig stellen sich die Dinge beim Abschied von Vivianne Miedema dar. Hier hat der Verein um ihr Verbleiben gekämpft, konnte ihr aber offenbar kein Paket vorlegen, dass sie überzeugt hätte.

„Aber wir wollten auch nicht unser ganzes Gefüge sprengen.“
Karin Danner, FCB-Frauen Managerin bei ovb-online.

Miedema hat sich neben dem FC Arsenal, zu dem es die Stürmerin nun verschlagen hat, auch andere Clubs angesehen, doch das Feedback anderer niederländischer Spielerinnen im Verein, die Bedingungen vor Ort und der Fakt, dass ein Spanier die Position des Cheftrainers inne hat — was für technisch versierten Offensivfußball steht — haben sie laut eigener Angaben überzeugt.

Ein letztes Geschenk an den FC Bayern waren ihre Tore in den letzten Minuten der Saison, die die erneute Teilnahme an der Champions League für das Team von Tom Wörle bedeuten. Wir können uns nur bedanken und ihr das Beste für die Zukunft wünschen.

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Ach ja, eins noch: komm zurück! Jeder Zeit…

 
Das ist die beste Einschätzung der Hintergründe für die Wechsel, die wir derzeit liefern können. Wir werden gespannt verfolgen, ob künftige Ereignisse ein anderes Bild der Lage zeichnen werden oder ob wir passabel getroffen haben.

Im dritten Teil unserer Serie werfen wir einen Blick voraus und schauen uns an, wie gut der FC Bayern für die Zukunft gewappnet ist.
(Fortsetzung folgt…)

Zum Teil 1: Rückblick der letzten drei Saisons

Zum Teil 3: Ausblick auf den Kader und den Stand der Abteilung

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