Bayern-Frauen vor dem Umbruch: Rückblick, Durchblick, Ausblick (Teil 3)
Nun wollen wir nach vorne schauen. Was hat der Kader aktuell zu bieten, wo muss er noch verbessert werden und wie steht die Frauenabteilung insgesamt da?
Der aktuelle Kader der Bayern-Frauen hat Power
Vor dem Hintergrund der Abgänge vergisst man leicht, wieviel PS im Kader der Bayern stecken. Eine ganze Reihe gestandener Nationalspielerinnen befinden sich im Team und nicht wenige davon gehören oder gehörten zur deutschen Auswahl. Die USA, Japan und Frankreich sind fantastische Frauenfußball-Nationen, mit denen Deutschland nicht immer und nicht auf allen Ebenen mithalten kann. Aber Deutschland führt im Frauenfußball die Weltrangliste an, ist amtierender Europameister und Olympiasieger und auch bei der WM in Kanada vor zwei Jahren erreichten die Deutschen das Halbfinale.
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Dazu kommen Spielerinnen, deren Heimatländer sich nicht immer für die großen Turniere qualifizieren konnten, die aber dennoch in den vergangenen Jahren eine Riesenentwicklung hingelegt haben. Man denke an die Österreicherinnen, die nun erstmals bei der EM dabei sind, oder das Gastgeberland der kommenden EM, die Niederlande. Gina Lewandowski wäre in jedem anderen Land ebenfalls Stammkraft im Nationalteam. Als US-Amerikanerin teilt sie das Problem, das viele männliche Kollegen aus Brasilien haben: Ihr Land ist ein enorm großer Talentpool.
Doch auch auf Club-Ebene haben die Spielerinnen schon so manch entscheidende Schlacht geschlagen. Ergänzt um Titelträgerinnen, Halbfinalteilnehmerinnen oder Endspielerinnen aus den U-Teams wäre die Liste noch um einiges länger, aber auch in dieser ganz strengen Auslegung sollte klar werden, welcher Erfahrungsschatz im Kader der Bayern steckt.
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Während der Kader im Mittelfeld und auf der Torhüterposition schon jetzt gut aufgestellt ist, haben die Abgänge der Innenverteidigerinnen und im Sturm Handlungsbedarf offenbart.
Torhüterinnen
Wer Fragen zur Qualität unserer Nummer 1 Tinja-Riikka Korpela hat, darf sich das Hinspiel gegen Paris nochmal zu Gemüte führen. Manuela Zinsberger beweist jedes Mal, wenn sie zum Zuge kommt, dass man ihr die Rolle der Stammtorhüterin ab sofort anvertrauen könnte. Wenn sie noch ein Jahr Jobsharing durchhält, kann sie über Jahre hinaus das Münchner Torwartspiel dominieren.
Abwehr
Der Abgang von Holstad, Abbé und van der Gragt macht einen Zugang für die Innen- bzw. Halbverteidigerposition notwendig. Mit Kristin Demann hat sich der Club bereits eine Spielerin mit viel Bundesligaerfahrung gesichert, die auf dieser Position spielt. In den zwei Jahren bei Potsdam (2011-2013) kam sie kaum zum Einsatz, aber in den vier folgenden Jahren bei Hoffenheim spielte sie als unangefochtene Stammkraft fast jede Minute (7.847 von 7.920) und steuerte pro Saison im Schnitt 2,5 Tore bei.
Zudem hat München mit Gina Lewandowski und Verena Faißt zwei vielseitige Spielerinnen, die zwar für andere Positionen eingeplant sind (linker Winger, linkes offensives Mittelfeld), aber schon bewiesen haben, dass sie die Abwehrzentrale dicht halten können. Viktoria Schnaderbeck und Carina Wenninger sind ohnehin erstklassige Innenverteidigerinnen mit gestalterischen Fähigkeiten, die sie auch für die Sechs qualifizieren.
Leonie Maier hat ihre rechte Abwehrseite fest im Griff, doch wenn sie das Team woanders auf dem Feld unterstützen kann, dann ist das im Sechserraum beim Spielaufbau oder analog zu Faißt und Lewandowski auf dem offensiven Flügel. Die Defensive der Bayern ist stabil, doch für drei Wettbewerbe und drei Planstellen ist das Abwehrzentrum etwas auf Kante genäht. Mit Holstad und Abbé ist dem FC Bayern zudem ein Wettbewerbsvorteil namens Kopfballstärke komplett weggebrochen. Eine Verstärkung müsste noch kommen, die innen verteidigen kann und mit dem Kopf für Torgefahr sorgt.
Abteilung Attacke: Mittelfeld und Angriff
Die Lücke, die Vivianne Miedema als Torjägerin in den Kader reißt, kann mit einem 1:1-Transfer nicht geschlossen werden. Auf dem Markt mäandert keine Spielerin von diesem Format orientierungslos umher, die man nur einsammeln müsste.
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„Top-Spielerinnen suchst du auf dem Markt vergeblich, da ist keine frei […] außer, du zahlst horrende Ablösen, und auf diese Schiene gehen wir nicht.“
Karin Danner, Managerin FC Bayern Frauen, ovb-online.de
Während Miedema in den drei Jahren bei den Bayern torgefährlicher wurde und ihren Output zunächst verdoppeln und dann halten konnte, hat der FCB als Team immer weniger Treffer erzielt. Die Abhängigkeit von den Treffern der Niederländerin stand in keinem gesunden Verhältnis. Selbst wenn sie geblieben wäre, müssten andere Spielerinnen künftig mehr Verantwortung in den gefährlichen Zonen übernehmen.
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Einiges an Verstärkung ist bereits vorhanden. Die schwedische Stürmerin Fridolina Rolfö sollte ja eigentlich schon in der Rückrunde 2017 für Abhilfe sorgen, doch wurde sie ebenso wie Lena Lotzen und Simone Laudehr durch Verletzungen zurückgeworfen. Die drei werden künftig analog zu Nicole Rolser einiges an Treffern beisteuern müssen.
„[Fridolina Rolfö] kommt immer besser in Fahrt [und Nicole Rolser] arbeitet und rackert für Drei. […] Die Neuzugänge sind Typ Brechstange, wir haben viele Arbeiter, es fehlt nur ein Knipser.“
Karin Danner, Managerin FC Bayern Frauen, ovb-online.de
Ob Danner die zwei Neuzugänge aus Twente hier bereits dazuzählte, ist unklar. Fest steht dagegen: Jill Roord ist mit Twente 2015/16 Torschützenkönigin und Meister in den Niederlanden geworden. Schon damals waren die Bayern an der Verpflichtung der Holländerin gemeinsam mit Stefanie van der Gragt interessiert. Sie fühlte sich allerdings noch nicht bereit für den Schritt ins Ausland und wollte ein weiteres Jahr Spielpraxis bei Twente sammeln.
Twente transferierte aber noch weitere Feuerkraft an die Isar. 48 Tore in 106 Erstligaspielen steuerte die niederländische Nationalstürmerin Lineth Beerensteyn in fünf Saisons (vier bei ADO Den Haag, eins bei Twente) bei, bevor sie einen Dreijahresvertrag bei München unterschrieb. Hoffentlich kann sie eine Entwicklung nehmen, die ihr auch in der defensiv starken Bundesliga eine gute Quote ermöglicht.
Nachtrag: Mit Mandy Islacker kehrt zurück nach München
Die perfekte Lösung für die Sturmspitze spielte schon zwischen 2007 und 2010 in München und konnte in den letzten zwei Jahren in Frankfurt die Torjägerkrone erringen.
Willkommen zurück! 🙌Mandy Islacker kehrt zu den FC Bayern Frauen zurück. 👉https://t.co/6wQakUzaa1 #DieBayern pic.twitter.com/2iHe9pmu5y
— FC Bayern Frauen (@FCBfrauen) 11. Juli 2017
Ein Tross aus Sand
Wie torgefährlich Jovana Damnjanović ist, daran werden sich die Bayern mit Schrecken erinnern. Im April 2016 leitete sie mit dem 1:1-Ausgleich im Halbfinale des DFB-Pokals in Sand die Wende zum Ausscheiden der Bayern ein. Auch im jüngsten DFB-Pokal-Finale konnte sie treffen – und das nicht gegen irgendwen, sondern gegen ihren Ex-Club, den VfL Wolfsburg. Hätte sie von September bis Dezember 2016 nicht fast drei Monate wegen eines Mittelfußbruchs gefehlt, hätte sie für Sand in der letzten Saison vermutlich mehr als zwei Tore erzielt. Mit Wolfsburg hat sie zwar Pokal, Meisterschaft und Champions League bereits gewonnen – allerdings von der Bank aus. Sie bringt genau den Hunger und die Willensstärke mit, die den FCB über die Schwelle tragen könnten.
„Ich bin eine Kämpferin und gebe immer alles für die Mannschaft. Das will ich auch bei Bayern zeigen […] Ich habe sofort zugesagt. Ich will mit Bayern Titel gewinnen. Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League.“
Jovana Damnjanović, Neuverpflichting vom SC Sand, fcbayern.com
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Aus Sand bringt Damnjanović die slowakische Titeljägerin Dominika Škorvánková mit. Auch sie ist mit Vorstößen aus dem Mittelfeld immer wieder für Tore gut und bringt Präsenz und Zweikampfstärke ins Mittelfeld. Ihr Pfeffer wird den Bayern im Umschaltspiel nach vorne Konterchancen bringen und nach hinten ebensolche ersticken.
Nachtrag: Mittlerweile hat sich auch Lucie Voňková für den FC Bayern entschieden
Sie stürmte zuvor in Prag, Duisburg und Jena.
FCB-Frauen verpflichten Lucie Vonkova!
Mehr Infos 👉🏼 https://t.co/tDQ0EStV1R #DieBayern #MiaSanMia pic.twitter.com/YD7AtXxQ1M— FC Bayern Frauen (@FCBfrauen) 7. Juli 2017
Chance für Talente: interne „Neuzugänge”
Aber auch der Nachwuchs aus den eigenen Reihe erhöht den Konkurrenzkampf in der Offensive. Inwiefern Sydney Lohmann und Verena Wieder schon regelmäßig eingreifen können, wird sich zeigen, doch bereits in der letzten Saison haben die Bayern mit der Verpflichtung von Anna Gerhardt die Weichen gen Zukunft gestellt. Im ersten Jahr konnte sie noch nicht voll zum Zug kommen.
Einerseits war sie durch eine Verletzung außer Gefecht gesetzt, andererseits verbrachte sie viel Zeit im Kreise der Nachwuchsnationalmannschaften. Im vergangenen Juli setzte sie ihre Geschwindigkeit und ihre Dribblingkunst bei der U19-EM für Deutschland ein und im November stand die U20-Weltmeisterschaft auf dem Programm. Ihr Skillset ist mit dem von der scheidenden Lisa Evans zu vergleichen, wenngleich ihre obere Leistungsgrenze vermutlich höher hinausragt als die der Schottin.
Der Maschinenraum
In der Vergangenheit war die Kombinations- und Spielstärke der Bayern immer eine Plus. Und tatsächlich bilden Behringer, Leupolz und Däbritz ein Trio, das ein Match aus der Spielfeldmitte absolut dominieren kann. Defensiv räumen Leupolz und Behringer im Sechserraum alles ab, offensiv bringen sie eine phänomenale Übersicht auf den Platz und besitzen zudem die Handlungsschnelligkeit und die technische Raffinesse, um das Spiel nach vorne zu entwickeln und ihr Team in den gefährlichen Zonen mit wenigen Kontakten freizuspielen. Behringer sorgt aus der zweiten Reihe für Torgefahr, Däbritz und Leupolz setzen vor dem Strafraum kombinationsstarke Stürmerinnen wie Rolser mit dem entscheidenden letzten Pass in die Tiefe ein oder ziehen selbst per Doppelpass oder Dribbling zum Tor.
Gerade für diese Qualität ist es wichtig, Däbritz eher als Acht oder hängende Spitze einzusetzen statt auf dem Flügel. Sie ist ohne Frage auch außen effektiv und kann von dort Kombinationen im und Dribblings durch den linken Halbraum initiieren. Doch was den Bayern nach dem Abgang von Mana Iwabuchi und Vero Boquete fehlt, ist der Typ Spielmacherin auf der Zehn für den letzten Pass. Diese Rolle ist im System der Bayern anders als z.B. im 4-2-3-1 auch gar nicht fest angelegt. Die Zone muss vom Mittelfeldtrio und zusätzlich von den zurückfallenden Stürmerinnen dynamisch besetzt werden. Für die neuen Angreiferinnen im Kader wird es eine riesige Aufgabe sein, die Verteidigung der Gegner zu bespielen, im richtigen Zeitpunkt tief zu gehen oder wahlweise ins Mittelfeld abzukippen, um für Anspiele bereitzustehen und die Gegenspielerinnen aus der Abwehrkette zu locken.
Es wird nicht reichen, mit Speed über außen zu kommen und ins Zentrum zu flanken. Die Bayern werden die Gegner im Zentrum knacken müssen. Dabei stellt sich auch die Frage, wo Simone Laudehr am besten zum Einsatz kommt. Sie hat alle strategischen Fähigkeiten, um das Spiel wie Behringer aus der Tiefe zu gestalten, doch ist ihre Geschwindigkeit und ihre Stärke im Eins-gegen-Eins hinten etwas verschenkt. Daher startete sie häufig mit vielen Freiheiten auf dem linken Flügel, von wo sie großräumig rochieren konnte. Rechts sind die Bayern derzeit nicht so gefährlich besetzt, was Probleme nach sich zieht. Erstens konnte der rechte Halbraum bislang nicht so effektiv überladen werden wie der linke. Zweitens landeten Verlagerungen aus dem linken Halbraum dann häufig bei Leonie Maier, die für Kombinationen an der Strafraumkante und der Grundlinie großartig ist, aber für den direkten Torschuss nicht die Idealbesetzung. Das ist allerdings auch nicht ihr Job –– man denke an Philipp Lahm.
Das Team muss sich neu erfinden – auch das Trainerteam
Auf den Kaderumbruch vor drei Jahren folgte die Meisterschaft. Das kann nicht immer so funktionieren.
„Das zeigt uns, dass ein Umbruch immer auch seine guten Seiten hat.“
Karin Danner, Managerin FC Bayern Frauen, ovb-online.de
Wichtig ist aber, dass die Bayern-Frauen heute weiter sind als damals. Sie fangen nicht wieder bei Null an. Und dennoch müssen die Basics aufgefrischt werden. Sonst wird aus einem Kreislauf ganz schnell eine Abwärtsspirale.
Um die Last des Toreschießens auf mehrere Schultern zu verteilen, muss das Trainerteam Wege entwickeln, auf denen das Team systematisch torgefährlicher wird. Das bedeutet einerseits, Standardvarianten zu erarbeiten, die den Gegner konsequent überfordern. Diese Herangehensweise funktionierte schon bei vielen Underdog-Teams wie Ingolstadt unter Hasenhüttl, Island bei der EM oder dem damaligen dänischen Meister Midtjylland FC vor zwei Jahren. Frauen können sich dabei einen noch größeren Vorteil herausarbeiten, da die im Vergleich zum Männerfußball gleich großen Tore für die kleineren und weniger sprungkräftigen Frauen schwerer zu verteidigen sind. Die fehlende Kopfballstärke im derzeitigen Kader der Bayern haben wir bereits als Problem ausgemacht.
Zum anderen steht jede Menge Arbeit an, um Laufwege aller elf Spielerinnen auf dem Feld zu koordinieren und automatisieren, so dass sich die Bayern systematisch gegenseitig in den gefährlichen Zonen freispielen und die kleinen Zeitfenster nutzen können, in denen die Gegnerinnen einen Schritt zu spät an den Ball kommen oder das Gewicht falsch verlagert haben. Hier ausschließlich auf die Geniestreiche einzelner Spielerinnen zu setzen, ist im heutigen Fußball unterkomplex. Die Laufwege sollten viel mehr das Fundament bilden, auf dem die Spielerinnen ihr Können und ihre Ideen frei aufblitzen lassen dürfen.
Wenn das spiel- und passstarke Mittelfeld der Bayern auch künftig konsequent an der Handlungsschnelligkeit und der präzisen Ballverarbeitung arbeitet, so wie das in der Vergangenheit mit Technik- und Kreativtrainer Matthias Nowak der Fall war, dann kann auch Behringer aus der zweiten Reihe für mehr Gefahr sorgen, dann kann auch Rolser zwei Leute auf sich ziehen und auf Laudehr oder Däbritz durchstecken, dann können auch Leupolz und Däbritz das Zentrum mit Doppelpässen überladen. Die Funken auf alle Neuzugänge überspringen zu lassen und im bestehenden Team wieder neu zu entfachen, das wird auf dem Umweg der Motorik eine Aufgabe für den Kopf – und für das Trainerteam.
Altersstruktur
Der Umbruch im Kader wird zu einer Verjüngung führen. In der vergangenen Saison hatte man den viertältesten Kader der Liga. Ende Mai 2017 betrug der Altersdurchschnitt 24 Jahre. Allerdings hatten aufgrund der Verletzungsmisere auch einige Nachwuchstalente die Chance auf Minuten in der 1. Bundesliga. Verena Wieder und Sydney Lohmann sind noch ein paar Tage lang 16 Jahre alt, Barbara Brecht 17 und Ivana Slipčević feiert erst im August ihren 19. Geburtstag. Diese Vier senkten den Schnitt um anderthalb Jahre, so dass eigentlich nur Wolfsburg einen älteren Kader aufwies.
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Diese Verjüngung bedeutet auch, dass Spielerinnen wie Schnaderbeck, Däbritz oder Leupolz noch größere Führungsrollen übernehmen müssen. Gerade an Däbritz lässt sich der Prozess vom hoffnungsvollen Talent zur Spielerin, die auch in schwierigen Situationen vorangeht, gut ablesen. Wir werden sehen, wieviel Konstanz sie in die Verantwortung bringen kann und wer noch in eine Führungsrolle wachsen kann.
Verortung in Europa
Die Bayern-Frauen haben das Glück und das Pech, Teil des FC Bayern München zu sein. Die Vorteile sind gigantisch. Das Glück überwiegt hier ganz deutlich. Bayern München ist ein großer Name, der sowohl Zuschauer als auch Mitarbeiter im Betreuerteam als auch gute Fußballspielerinnen anzieht. Der Club hat einen riesigen Erfahrungsschatz darin, wie man einen erfolgreichen Fußballverein führt. Der Club sitzt in einer attraktiven Landeshauptstadt. Die finanzielle Potenz des FC Bayern München sucht weltweit seinesgleichen. Die größe des Budgets der Frauenabteilung ist somit weit mehr Verhandlungssache innerhalb des Clubs als eine Frage der Weltwirtschaft. Auch profitieren die Frauen von der Infrastruktur vor Ort. Das gilt umso mehr ab August, wenn die Frauen aus Aschheim in das neue Nachwuchsleistungszentrum ziehen werden.
Doch viele begehen den Fehler, das Standing des Männerteams auf das der Frauen zu übertragen. „Man wird ja wohl mit Wolfsburg mithalten können.” „Den Anspruch, auf einer Stufe mit Paris zu stehen, sollte man schon haben,” heißt es dann. Die Fantasie reicht dann nicht zu der Vorstellung, dass der Etat des Wolfsburger Frauenteams mehr als doppelt so groß ist wie der der Bayern-Frauen. Bei Lyon und Paris sind es vier oder gar fünfmal so große Budgets.
Genaue Zahlen werden in der Branche nicht verraten (einige – teilweise nicht mehr ganz aktuelle – Angaben lassen sich z.B. hier, hier und hier ermitteln). Kolportiert wird jedoch, dass sich die Bayern bei etwa 1,5 Mio. Euro im Jahr bewegen, Frankfurt bei 1,8. Wolfsburg wendet ca. 3,5 Mio. Euro auf. Paris und Lyon sind bei 5-7 Mio. Euro jährlich zu verorten.
„Früher hat man die Frauen einfach so mitlaufen lassen nach dem Motto ‚Schön, zu haben‘. Mittlerweile haben wir gemerkt, welch großen Beitrag sie zum Image des FC Bayern leisten. Es steht dem ganzen Verein prima zu Gesicht, so ein sympathisches und erfolgreiches Frauen-Team zu haben.”
Uli Hoeneß, Präsident FC Bayern, fcbayern.com
„Und wenn ich den Etat anschaue, den die uns kosten, dann lacht einem das Herz im Leibe.“
Uli Hoeneß, Präsident FC Bayern, taz.de
Nun lässt sich ein Budget nicht 1:1 auf die fußballerische Qualität durchschlagen. Kleinere Standorte wie der SC Freiburg punkten mit einem Internat, das Fußball und Schule miteinander in Einklang bringen lässt. Oder damit, dass man sich wie im Fall Clara Schöne darum kümmert, dass eine angefangene Ausbildung nach einem Wechsel abgeschlossen werden kann und man die Spielerin von heut auf morgen mit dem Auto abholt. Tom Wörle schafft es nicht nur, den Standort München zu vermarkten, sondern potenzielle Spielerinnen durch pures Brennen für das Projekt für einen Wechsel zu motivieren. Dieses Engagement kommt von Herzen und ist durch Geld nicht zu ersetzen.
Auch ist es mit einem kleinen Budget möglich, hier und da für eine besondere Spielerin an die finanziellen Schmerzgrenzen zu gehen. Was das für das Kadergefüge bedeutet, ist dabei nicht zu vernachlässigen. Frauenfußballerinnen verdienen ganz OK im Hier und Jetzt, aber ihr Beruf endet früher oder später und zuweilen sehr abrupt. Dann stehen sie mit rund 30 Jahren, großem Charakter und vielen wertvollen Erfahrungen da, aber mit derselben traditionellen Berufserfahrung wie sie die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt mit zehn Lebensjahren weniger auf der Uhr vorzuweisen hat. Daran ändert sich nichts, wenn man bei jeder Spielerin 1.000 Euro mehr pro Monat draufpackt. Klar ist nur, Marta, Dzsenifer Marozsán, Ramona Bachmann oder Carli Lloyd verpflichtet man damit nicht.
„Nationalmannschaftskapitänin Dzsenifer Marozsan soll in Lyon 300.000 Euro Jahresverdienst einstreichen – in Frankfurt waren es 3.500 Euro im Monat.”
Frank Hellmann, Journalist, taz.de
Das Thema Gehalt für Spielerinnen ist allerdings nur einer der entscheidenden Aspekte. Was die Bayern-Frauen entschieden nach vorne bringen würde, sind nicht einfach ein, zwei Top-Stars. Die würden helfen, keine Frage, aber es geht um die Organisation der Frauenabteilung. Um professionelle Strukturen. Um Infrastruktur. Um Expertise beim Scouting, beim Marketing, bei der medizinischen Betreuung, bei der Gegneranalyse, bei der Trainingssteuerung.
Es ist kein Problem, dass die Spielerinnen ihr Material zum Training selbst auf den Platz bringen müssen. Es macht nichts, dass die Kabine aussieht wie beim Schulsport. Es ist auch kein Weltuntergang, wenn die Fans im Winter vor dem Spiel den Platz vom Schnee freischaufeln helfen müssen.
Es ist allerdings ein Problem, wenn das Team nicht auf die modernsten Test- und Behandlungsverfahren aus Medizin und Sportwissenschaft in dem Maße zugreifen kann, dass sich die Belastung optimal steuern lässt. Es ist ein Problem, wenn das Trainerteam nicht genügend Zeit für das Entwickeln von Spielzügen und Standardvarianten ist, weil neben der Gegneranalyse auch die täglichen Trainingseinheiten konzipiert und die Hütchen auf dem Feld aufgeteilt werden wollen. Es ist ein Nachteil, wenn man mit einem kleinen Staff nicht permanent auch kleine Gruppen individuell beiseite nehmen und betreuen kann, um aus Ideen Automatismen zu machen. Man darf davon ausgehen, dass die Menschen im Betreuerteam ihr Bestes geben, aber Zeit ist begrenzt und man kann nicht überall sein.
Auch wenn die Spielerinnen bei ihren Vertragsverlängerungen immer wieder auf die Top-Bedingungen beim FC Bayern hinweisen und sich auf das NLZ freuen, spätestens das Gastspiel bei Paris musste ihnen vor Augen führen, dass sie bei Weitem nicht am Ende der Fahnenstange angelangt sind. Schon ein Ausflug nach Wolfsburg zeigt das.
„Paris ist auf jeder Position sehr gut besetzt und auch physisch auf einem ganz hohen Niveau. Sie waren sehr homogen als Team, sehr erfahren und abgezockt. Das war fast Männerfußball. […] Wir müssen erkennen, dass wir noch an einigen Schrauben drehen müssen, um irgendwann in der Lage zu sein, gegen so einen Gegner eine richtige Chancen zu haben.“
Thomas Wörle, Trainer FC Bayern Frauen, fcbayern.com
„Das war Anschauungsunterricht und tut natürlich weh. Es muss sich viel verändern im Verein, so können wir nicht weitermachen. […] Wir sind gegen einen übermächtigen Gegner ausgeschieden, der finanziell und sportlich in einer anderen Liga spielt.“
Thomas Wörle, Trainer FC Bayern Frauen, taz.de
„Wir können so mit den Möglichkeiten, die wir aktuell haben, nicht mit den Besten in Europa mithalten.“
Thomas Wörle, Trainer FC Bayern Frauen, sport1.de
Der falsche Vergleich
Im Club stellt man zurecht fest, dass man sich immer mehr für den Frauenfußball engagiert. Mehr im Vergleich zu früher. Die Benchmark ist allerdings nicht, was man anno dazumal geleistet hat, sondern was der Marktführer heute tut und morgen tun wird. Die Konkurrenz wird nicht kleiner. Manchester City und Chelsea eifern dem französischen Modell nach, mit dem man in zehn Jahren von Null an die Weltspitze gelangte. Real Madrid arbeitet am Aufbau eines Frauenteams und Barcelona öffnet eine Dependance in der amerikanischen Liga.
Noch vor zwei Jahren sagte Trainer Tom Wörle, dass er der falsche Mann sei, wenn es nur darum ginge, die Schatulle zu öffnen und mit Geld um sich zu werfen. Er wolle das Team solide, Schritt für Schritt von unten aufbauen.
Es ist Zeit für den nächsten Schritt.
Zum Teil 1: Rückblick der letzten drei Saisons
Zum Teil 2: Durchblick bei den Abgängen