Bayer 04 Leverkusen ist Deutscher Meister: Das Idealszenario für den FC Bayern

Justin Trenner 14.04.2024

Zugegeben: Auf den Begriff „Idealszenario“ würde wohl kaum ein Fan des FC Bayern München kommen, wenn er auf diese wechselhafte und unter dem Strich sehr enttäuschende Bundesliga-Saison zurückblickt.

Wenn es nach denen geht, die es mit dem FCB halten, wäre die Serie von elf Meisterschaften in Serie in diesem Jahr auf zwölf ausgebaut worden. Im kommenden Jahr dann auf 13, anschließend auf 14 und im Jahr 2113 sprechen unsere Nachkommen, sollten es die Entwicklungen auf diesem Planeten überhaupt erlauben, über das 100-jährige Jubiläum und keine einzige verlorene Schale seitdem.

Zum Glück funktioniert Sport aber nicht so. Einerseits wurde in den letzten Jahren zu Recht über die Dominanz des FC Bayern in Deutschland diskutiert und daran ändert auch die Ausnahme Bayer 04 Leverkusen nichts. Andererseits war dennoch absehbar, dass das Jahr kommen wird, in dem die Münchner die Fehlentwicklungen aufgezeigt bekommen, die sich in Zeiten des Erfolgs eingestellt haben.

Auch das ist vollkommen normal. Wer derart enteilt und eine historisch erfolgreiche Ära hinter sich hat, wird irgendwann über die neue Erwartungshaltung und die Herausforderungen stolpern, die sich stellen. Thomas Müller sagte jüngst in einem Interview, dass diese extrem dominanten Mannschaften sich oft nur ein, zwei Jahre halten. Manchmal etwas länger. Das sei jedoch die große Ausnahme.

Scheitern des FC Bayern musste kommen

Der Fall und die Wiederauferstehung von Topclubs ist nicht neu. Oft genug erlebt. Die Frage war nicht, ob es den Bayern passiert, sondern wann. Im Jahr 2024 ist es nun soweit. Auch im Sommer 2023 wäre es beinahe dazu gekommen, dass die Serie endet. Doch für den Rekordmeister ist die Meisterschaft von Bayer Leverkusen das deutlich bessere Szenario als es ein Erfolg des BVB vor einem Jahr gewesen wäre.

Nicht wegen irgendwelcher Rivalitäten. Dortmund hätte die Meisterschaft mit 71 Punkten gewonnen, hätte Bayern in Köln nicht den Last-Minute-Treffer erzielt. Es wären 73 gewesen, hätte der BVB seine Pflichtaufgabe gegen Mainz erfüllt. In der modernen Welt des Fußballs, in der die Spitze dem Tabellenende finanziell um ein Vielfaches enteilt ist und die Schere unter anderem dazu führte, dass Meisterschaften mit mindestens 75, meistens aber um die 80 Punkte und manchmal sogar mit um die 90 Punkte gewonnen werden, hätte das zuletzt 2010 zum Titel gereicht.

Dortmund, die selbst eine sehr wechselhafte Saison hinlegten, wäre nicht aus beeindruckender Stärke Meister geworden, sondern weil die Bayern so sehr schwächelten wie in keinem anderen Jahr zuvor. Leverkusen ist Deutscher Meister geworden, weil sie historisch stark sind. Auch in dieser Saison schwächeln die Bayern, aber sie hätten eine absolute Peak-Leistung benötigt, um die Werkself zu stoppen. Während sie im vergangenen Jahr kriselnd zur Meisterschaft stolperten.

Und genau das macht einen gewaltigen Unterschied. Dass die Bayern national letztmals so vorgeführt wurden, ist eine Weile her. Jürgen Klopps BVB schaffte es über zwei Spielzeiten hinweg, den nationalen Wettbewerb zu dominieren. So sehr, dass es Diskussionen über eine Wachablösung gab.

Isoliert betrachtet zählt die Leistung, die Leverkusen in dieser Saison erbracht hat, zu den besten der Bundesliga-Geschichte. Im modernen Fußball ist das, was die Werkself rund um Fernando Carro, Simon Rolfes und Xabi Alonso aufgebaut hat, allenfalls mit dem Klopp-BVB und den Guardiola-Bayern zu vergleichen. Fußballphilosophisch eher mit letzteren.

Bayer 04 Leverkusen ist der Gegner, den Bayern braucht

National hat Leverkusen immer noch Rekorde vor Augen. 94 Punkte sind noch möglich und eine ungeschlagene Saison legte bisher auch noch kein Team hin. Einen solchen Gegner nimmt man als FC Bayern ganz automatisch ernster als einen, der von wenig Punkten des FCB profitiert.

Das ist auch notwendig. Einen Umbruch haben die Bayern ohnehin längst angekündigt, aber der Druck, zurückschlagen zu müssen, wird den FCB in allen Bereichen nochmal mehr antreiben. Die gute Nachricht ist, dass Leverkusen nach aktueller Gerüchte- und Faktenlage wohl zusammenbleibt. Viele Schlüsselfiguren haben signalisiert, dass sie bleiben.

Ob Leverkusen nochmal eine solche Ausnahmesaison gelingt, bleibt abzuwarten. Aber für den FC Bayern kann es für den Moment nichts Besseres geben, als einen Konkurrenten, der eine echte Bedrohung darstellt. Bayer scheint die Lücke zumindest vorübergehend füllen zu können, die der BVB hinterließ.

Die hochverdiente und eindrucksvolle Meisterschaft ist genau das, was der deutsche Fußball, aber auch der FC Bayern braucht. Eine überstrapazierte Metapher ist die der Diamanten, die unter Druck entstehen. 80 bis 90 Prozent werden in der kommenden Saison nicht reichen. Bayern ist endlich mal wieder dazu gezwungen, sich zu verändern.

Man hat es in München beinahe vergessen, aber verlieren ist Teil des Sports wie auch des Lebens. Aus Niederlagen entstehen häufig große Siege. 1999 und 2001, 2012 und 2013, Dortmunds Meisterschaften und die Jahre danach.

So wie es absehbar war, dass die Bayern irgendwann scheitern, ist es absehbar, dass sie wiederkommen. Auch hier ist die Frage eher nicht, ob, sondern wann es soweit ist.



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