Adventskalender: Unsere Wunschtransfers – Türchen 4
Situation beim Spieler
Im Jahr 2006 hätte der FC Bayern mit Ruud van Nistelrooy und Filippo Inzaghi zwei absolute Weltklassestürmer holen können – oder auch nicht. Denn wenn wir ehrlich sind, war der Klub Mitte der 2000er Jahre nicht attraktiv genug, um Spieler auf dem Maximum ihres Schaffens nach München zu holen. Es kommt nicht von ungefähr, dass Türchen 2 und Türchen 3 Wunschtransfers blieben.
Türchen 4 schließt prinzipiell genau an diese Geschichte an. Denn im selben Jahr machte sich Uli Hoeneß höchstpersönlich auf den Weg nach Südamerika, wie er später auf einem Fantreffen berichtete. Der damalige Sportdirektor wollte sich Sergio Agüero anschauen, einen erst 17-jährigen Stürmer aus Argentinien.
Für den Club Atlético Independiente erzielte Agüero in der Saison 2005/06 neun Tore in 18 Partien. Sicher kein überragender Wert, aber aufgrund seiner technischen Fähigkeiten und seiner Art und Weise, die Stürmerposition zu interpretieren, lockte er verschiedene Topklubs aus Europa an.
„Stiehl mir nie mehr meine Freizeit“
Agüero war und ist kein typischer Stoßstürmer. Er ist einer, der sich aktiv am Spiel beteiligt und über seine Dribblings, die Beweglichkeit und Läufe in die Tiefe kommt. Der heute 32-Jährige ist viel unterwegs und brandgefährlich vor dem Tor.
Im April 2006 kann er von diesen Fähigkeiten aber nicht viel zeigen. Hoeneß erlebt einen Agüero, der beim Warmmachen beteiligungslos am Zaun steht, später einen Elfmeter verwandelt und sonst keine Höhepunkte hat. Statt der vom Klub geforderten 16 Millionen Euro bietet er fünf plus einen Einsatzbonus – und wird ausgelacht.
Hoeneß schickt später auch noch Magath nach Argentinien. Doch auch der kann nicht viel Positives berichten. „Stiehl mir nie mehr meine Freizeit“, soll der Trainer gesagt haben. Auch er erlebte Agüero mehr stehend als laufend.
Situation bei Bayern
Agüero hätte trotzdem ein absoluter Coup werden können. Neben Knipser und Strafraumgespenst Roy Makaay hätte er Tempo, Tiefenläufe und Dribblings einbringen können. Womöglich wäre das Angriffsspiel mit dem Argentinier perspektivisch durchschlagskräftiger und variabler geworden.
Dass die Münchner sich nach nur zwei Spielen gegen Agüero entschieden haben, ist gleichermaßen schwer zu glauben wie auch absolut realistisch. Hoeneß ist ein Impulsmensch, das Scouting war damals auf einem anderen Niveau als heute. Hinzu kommen gesellschaftlich tief verankerte Vorurteile, die vielleicht auch hier eine entscheidende Rolle gespielt haben könnten.
Agüero konnte schon bald zeigen, dass er erheblich mehr ist, als ein Spieler, der „nur rumsteht“. Und überhaupt: Bei anderen Stürmern wurde das vermeintliche „Rumstehen“ als „Lauern“ und als große Qualität bezeichnet. Die von Hoeneß genannte Ablösesumme von 16 Millionen Euro bleibt dennoch eine große Hürde für einen erst 17-Jährigen. Nachträglich lässt sich leicht sagen, dass er das Risiko wert gewesen wäre. Doch wenn der erste Eindruck so katastrophal war, dann blieb in der Konsequenz nur ein nicht ausreichendes Angebot.
Ausblick
Agüero wechselte schließlich sogar für 23 Millionen Euro zu Atlético Madrid und startete durch. Schon in seiner zweiten Saison kam er in 50 Pflichtspielen auf 27 Tore und 12 Torvorlagen. 2011 folgte für 40 Millionen Euro der Transfer zu Manchester City.
Agüero war zweifelsohne einer der besten Stürmer der vergangenen Dekade, erzielte nicht nur viele Tore, sondern arbeitete viel für sein Team. Er ist ohne Frage ein anderer Stürmertyp als die Makaays oder Tonis dieser Welt. Aber gerade das wäre auch der Reiz an diesem Transfer gewesen.
Auch hier muss aber einschränkend erwähnt werden, dass die Bayern auch ohne Agüero im Angriff stets gut aufgestellt waren. Die Problemstellen waren oft andere. Und wenn ich an die Agüero-Beurteilung von Felix Magath denke, dann vielleicht sogar auf der Trainerbank.
Hinweis für Türchen 5: Wenn die Bayern wollen, bekommen sie jeden. Ausnahmen bestätigen die Regel. Oder wollten sie diesen Spieler gar nicht?
Aguero
Noch so ein wundervoller Mittelstürmer der bei Atlético durchgestartet ist
Falcao Torres Aguero D.Costa …..
Aguero ist mMn der beste !
Mr ManCity ohne den die nie den ersten EPL Titel gewonnen hätten
Wau. Schon wieder wach? Oder haben dich die „Grosskopferten“ um den Schlaf gebracht? Schön zu lesen, dass das Scouting jetzt besser ist als unter unserem Grosskopferten Uli :-)
Aguero hätte besser zu Makaay gepasst als Inzaghi. Wäre eine spannende Sache gewesen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt aber weder das Standing als Verein, noch die spanische sprechende Fraktion, um auch für den Spieler interesant zu sein.
Tür 5 ist wohl Marco Reus…
Sehr schön umschrieben! Fakt ist, dass das Scouting des FCB in Südamerika stets bescheiden war und uns „Granaten“ wie Valencia, Bernardo und Mazinho… beschert hat. Nicht umsonst hat man sich später ausgiebig beim Importeur Nummer 1, Leverkusen, bedient: Jorginho, Ze Roberto, Sergio… Agüero wäre natürlich ein Hammer gewesen, hätte vermutlich Luca Toni und Klose überflüssig gemacht.
Wir und unsere Südamerikaner:
Bei südamerikansichen Spielern, die nicht direkt aus Südamerika zu uns kamen sondern die Bundesliga schon kannten, waren eigentlich nur Volltreffer oder zumindest sinnvolle Verstärkungen dabei: Jorginho, Elber, Paolo Sergio (kam übrigens aus Rom in die Bundesliga zurück und nicht direkt aus Leverkusen), Ze Roberto, Lucio, Pizarro, Rafinha, Vidal – hab ich noch jemand vergessen?
Bei Spielern, die wir direkt holten, ging es sehr häufig schief:
Bernardo, Mazinho, dos Santos, Sosa und Breno waren absolute Fehleinkäufe,
Santa Cruz war eigentlich ein guter Kauf, wurde aber von seinen vielen Verletzungen gebremst.
Der einzige wirkliche gute Transfer war Demichelis.
Vielleicht sollten beide Seiten froh sein, dass der Transfer zu diesem Zeitpunkt nicht zustande gekommen ist. Die Gefahr wäre groß gewesen, es endet wie in den angeführten Beispielen.
Mal abseits gesellschaftlich verankerter Vorurteile, gibt es eben auch reale kulturelle Unterschiede. Und da tut sich ein blutjunger Argentinier bei der Integration in den europäischen Fußball in Madrid wahrscheinlich deutlich leichter als in München.
Sorry für den im folgenden überspitzten Kommentar, aber Ich frage mich aber dann doch was im Artikel ist mit „…gesellschaftlich tief verankerte Vorurteile, die vielleicht auch hier eine entscheidende Rolle gespielt haben könnten.“ gemeint?
Vorurteile ggü. Südamerikanern? Kaum vorstellbar, waren in der Buli und Bayern gang und gäbe.
Vorurteile ggü. Uruguayern im speziellen? Ebenso wenig vorstellbar, da Uruguay eher als das „europäischste“ Land Südamerikas gilt.
Vorurteile ggü. südamerikanische Spieler, die noch nicht in der Buli durch Leverkusen eingedeutscht wurden? Möglich, wäre dann aber eher ein Vorurteil gegen die eigene Scouting-Abteilung.
Oder sind vielleicht Vorurteile ggü. Spielern gemeint, die bei beobachteten Spielen als lauffaul wahrgenommen wurden?
Buenos Aires oder Montevideo, Hauptsache Paraguay. ;)
;), war im Kopf irgendwie auf Suarez gepolt :)
Fun Fact: Suarez wäre wohl 2007 von keinem geringeren Verein als dem FC Groningen zu haben gewesen. Stattdessen ging er zu Ajax, wo er schließlich das Interesse des FC Liverpool auf sich zog. Da war es dann für uns aber vermutlich schon zu spät.
Zeitweise Maradonas Schwiegersohn; spricht ja auch nicht gegen ihn.
Meine persönliche Reihenfolge der Wuschtransfers bisher:
1. Agüero
2. van Nistelrooy
3. Özil
4. Inzaghi
Bin mal gespannt, ob ein anderer argentischer Topstürmer, den ich sogar noch lieber mochte und an dem die Bayern auch interessiert waren, noch auftaucht.
Türchen 5 klingt für mich nach de Bruyne.
Willst du deinen Tipp noch mal überdenken? ;-)
Klingt für mich nach Reus.
Wir sind noch im Jahrzehnt davor.
Also eher einer von Snejder Ronaldo Deco Ronaldinho Eto‘o Ibra Benzema etc
Ich kann die Aversionen gegen Magath und seine Zeit bei Bayern aus der Erinnerung gut nachvollziehen. Aber was hat er eigentlich damals falsch gemacht, was davor (bei Stuttgart) und danach (bei Wolfsburg) doch offenbar sehr gut geklappt hat? Der Bayern-Kader war seinerzeit ziemlich stark besetzt und eigentlich eines CL-Halbfinales würdig. Bei Stuttgart zumal hat er doch einen sehr erfrischenden Fußball spielen lassen und an die Wolfsburger 1:5-Demontage werden sich sicher auch noch alle leidvolle erinnern. Was lief also falsch bei Magaths Bayern?
@Der Groninger:
Falsch gemacht im engeren Sinne hat er vielleicht gar nicht so viel, gemessen an der damaligen internationalen Kräftekonstellation. 2005 waren z.B. die Leistungen im CL-AF gegen Arsenal und im VF gegen Chelsea nach meiner Erinnerung insgesamt sehr ordentlich, vor allem in den Heimspielen. Dass Chelsea zu stark sein würde, war aber von vornherein anzunehmen.
Ich glaube, mit seiner Art hat er nach 2 1/2 Jahren einfach sein Pulver verschossen. Für seine Verhältnisse war das schon eine lange Verweildauer, wie man heute weiß. In Stuttgart gab er nach der für ihn damals charakteristischen Tätigkeit als Feuerwehrmann den „Jungen Wilden“ Orientierung, und bevor er bei denen sein Charisma verbraucht hatte, war er schon nach München entschwirrt. In Wolfsburg einen mit tollen Offensivkräften bestückten Außenseiter zum Titel zu führen, war auch absolut sein Ding; und schon war er weg, zu neuen Zielen aufgebrochen. Nach Schalke, das er erst zur Vizemeisterschaft führte und dann bald verlassen musste.
Wenn ich mich recht entsinne nach so langer Zeit, hat Podolski, der ihn noch im letzten Halbjahr in München erlebte, damals einen Mangel an taktischen Hinweisen kritisiert. Eine wichtige Personalie war seinerzeit Sebastian Deisler, dessen dauerhaften Ausfall er, soviel ich weiß, in dem ihm eigenen Stoizismus weggesteckt hat, der aber mit Blick auf die Spielkultur des Kaders schon eine empfindliche Schwächung war. Sein Vorgänger und Nachfolger Hitzfeld ist dann im 2007 in der CL ähnlich deutlich am AC Mailand gescheitert wie Magath 2006. Dann wurde es Zeit, Ribéry, Toni und Klose zu engagieren.
Danke für die Klärung! Ich finde es im Nachhinein brutal schade, dass aus dem Kader damals nicht mehr herausgeholt wurde. Man stelle sich vor, BS31 und Zé wären schon früher auf ihre später dann so stark interpretierten Rollen verlegt worden: ein Mittelfeld aus Schweinsteiger, Roberto, Ballack und Deisler/Scholl, davor Makaay und Pizarro, hinten Kahn, Sagnol, Lucio, Demichelis, Lahm (noch auf links) und auf der Trainerbank, sagen wir, Arsène Wenger oder, auch wenns heute schwerfällt, Carlo Ancelotti — das hätte uns einigen Spaß bereiten können.
In einer Hinsicht passte Magath eigentlich ganz gut in die Riege der Bayerntrainer der 90er und 00er Jahre: er hatte nicht gerade großes Interesse an Taktik. Außer Trappatoni (der allerdings eine Taktik verfolgte, die nicht wirklich ansehnlich war) waren doch alle Bayerntrainer dieser Zeit (Hitzfeld eingeschlossen) nicht gerade bekannt dafür, diesem wichtigen Bestandteil des Fußballs eine größere Bedeutung beizumessen. Aufgrund personeller Überlegenheit, die aus finanzieller Vormachtstellung resultierte, reichte es im Schnitt in 2 von 3 Jahren für nationale Titel und wenn alles zusammenpasste und der Kader besonders stark war, dann konnte man auch international überzeugen, wie es eben um die Jahrtausendwende herum der Fall war. Da war aber teilweise auch eine Menge Glück dabei. An dieser Stelle sei mal an das Hinspiel bei Dynamo Kiew 1999 im CL-Halbfinale erinnert. Bayern war personell sicherlich namhafter besetzt, spielte aber gegen einen Gegner, bei dem der Taktik-Fuchs Lowanowski jedem Spieler genau vermittelte, was er zu tun hatte. Das 3:3 war eines der schmeichelhaftesten Ergebnisse, die Bayern jemals erreicht. Auch beim CL-Sieg 2001 waren Spiele dabei, die einzig und allein durch die Glanztaten Kahns, den Willen Effenbergs und die Kaltschnäuzigkeit Elbers vor dem Tor gewonnen wurden, siehe das 1:0 bei Real im Halbfinale. Während die taktische Komponente bei anderen Teams immer mehr in den Vordergrund trat, blieb man bei Bayern im gewohnten Trott und holte namhafte Spieler, ohne wirklich ein System im Kopf zu haben. Traf man in dieser Phase international auf Gegner, die ebenfalls personell stark besetzt waren, dann zog man fast immer den Kürzeren. Das war in den drei Jahren unter Hitzfeld nach dem CL-Sieg 2001 schon so und das setzte sich unter Magath eben fort. Kaum kam ein Gegner, den man mit „Heldenfußball“ alleine nicht besiegen konnte, ging es schief. So verlor man z.B. im Zeitraum von Herbst 2002 bis Frühjahr 2007 in 6 Spielen gegen den AC Mailand 4mal und konnte kein einziges Mal gewinnen.
Was Magath im Vergleich zu Hitzfeld nicht so gut konnte, war der Umgang mit Stars und das wurde ihm letztendlich dann auch zum Verhängnis. Auf der anderen Seite schaffte Magath immerhin 2 1/2 Jahre ohne Unterbrechung auf der Bayernbank. Es gab in den letzten 30 Jahren nur 2 Trainer, die diese Marke überboten haben, nämlich Hitzfeld von 1998 bis 2004 und Guardiola von 2013 bis 2016. Magath scheiterte auch daran, dass der Kader in der Saison 2006/07 eben auch in der Offensive ziemlich schwach war, was vor allem daran lag, dass es an technisch versierten Spielern im Mittelfeld fehlte. Die Stürmer wie Pizarro oder Makaay waren allesamt Spielertypen, die von Vorlagen lebten und wenn dann im Mittelfeld neben van Bommel Spieler wie Ottl oder Lell aufliefen (das war im Viertelfinalrückspiel gegen Milan 2007 der Fall), dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn es an Kreativität gewaltig haperte. Dass es in der Endphase von Magath auch am Kader lag, sieht man ziemlich deutlich an den 1 1/2 Jahren nach ihm. Als Hitzfeld im Winter 2007 nach dem 19. Spieltag übernahm, war Bayern mit 34 Punkten Vierter und hatte nur einen Punkt Rückstand auf den späteren Meister Stuttgart, während Bremen und Schalke beide schon mit 8 Punkten enteilt waren. Am Schluss des Jahres hatte Bayern 60 Punkte und lag 10 Punkte hinter Stuttgart, 8 hinter Schalke und 6 hinter Bremen. Vom Punkteschnitt her waren beide Trainer also in etwa gleich. Im Sommer 2007 kaufte man ein wie noch nie zuvor und holte u.a. Ribery, Klose und Toni und schon gab es 2008 eine Saison mit 76 Punkten unter Hitzfeld. Die Rolle des Trainers kann man dabei so beurteilen, wie man möchte.
Schöne Analyse, Willy. Bei Hitzfeld würde ich nur anmerken, dass seine ‚Taktik‘ hauptsächlich daraus bestand die ersten 10 Minuten Vollgas zu geben und danach zu verteidigen und zu kontern, was erstaunlich gut funktioniert hat, weil den Spielern vom Vorgänger Trapattoni jahrelang ausschließlich Verteidigung und Ballsicherheit eingeschliffen wurden. Beides hatte sich nach dem CL-Erfolg 2001 abgenutzt und die Hitzfeld-Jahre danach waren eigentlich eher wundersam.
Das Interesse an Kun Agüero ist mir tatsächlich neu und ich weiß nicht, ob ich es bedauern soll, dass er nicht zum FCB gekommen ist, oder mich für ihn persönlich freuen soll, dass der Kelch Quälix Magath schadlos an ihm vorüber gegangen ist – ich denke das ist einigermaßen vergleichbar mit Joao Felix unter Diego Simeone und das funktioniert zu meinem Erstaunen inzwischen auch erstaunlich gut, obwohl man damit nicht rechnen konnte.
+1 Willi