Madrids Effizienz schlägt Bayern, aber alles ist noch drin

Jan Trenner 24.04.2014

Bayern verliert in Madrid - Stadion Panorama

Bilder & Dank an fehlpass.com

Eine erste (kleine) Überraschung gab es, als Pep Guardiola doch mit Rafinha auf der Position des Rechtsverteidigers begann und eine Mittelfeldachse mit Schweinsteiger, Kroos und Lahm baute. Entgegen vieler Analysen der letzten Wochen, die Javi Martínez als wichtigen Baustein durch Ballgewinne in der Zentrale sahen, wählte unser Trainer in seinem 4-3-3 eine die Ballzirkulation fördernde Variante mit schwächen im Zug nach vorn auf das gegnerische Tor. Die Maxime »Wenn wir den Ball haben, kann der Gegner keine Tore schießen« funktionierte über weite Strecken der Partie sehr gut, aber die unglaubliche Effizienz von Real Madrid und die Nutzung ihrer wenigen Chancen waren eben ausreichend, um das eine entscheidende Tor zur 0:1 Niederlage über Manuel Neuers Torlinie zu befördern. Die Fehler- bzw. Problemkette vor dem Gegentreffer ist etwas länger und beginnt definitiv nicht erst bei Jerome Boateng. Alles beginnt mit einem abgeblockten Schuss und der in der Folge entstehenden unkontrollierten Situation. Philipp Lahms Pressingversuch schlägt fehl, Arjen Robben zieht nicht konsequent mit in der Defensive (zugegeben sein Weg war weit), die Übergabe des Gegenspielers zwischen unseren Reihen klappt nicht und im Endeffekt sehen wir millimetergenaue Pässe und Benzemas Torabschluss in der 19. Minute. Große abzudeckende Räume, ein paar Meter zu wenig, oder in der Situation nicht optimal gegangen, und im Halbfinale der Königsklasse braucht es dann nicht viele solcher Möglichkeiten bis zum Tor. Besonders bitter ist aber, dass der FC Bayern zuvor die Möglichkeit auf den Führungstreffer hat und leider nicht verwandeln kann.

Die restliche Spielzeit mit der überschaubaren Anzahl an Chancen auf beiden Seiten lässt sich wohl mit den Begriffen Ballbesitzdominanz und Harmlosigkeit beschreiben. Obwohl unsere Roten wesentlich engagierter auftraten als während der letzten Bundesligawochenende und den absolut notwendigen Einsatz zeigten. Real Madrid, die trotz ihres Ausnahmefußballers Ronaldo kein Offensivfeuerwerk starteten, können stolz auf eine herausragende und stets auf den Punkt funktionierende Defensive sein. Unsere Roten fanden kein Mittel dagegen bzw. wägten oftmals Risiko zu Absicherung eher zurückhaltend ab.

In den meisten Fällen trugen wir unsere Angriffe aus der Zentrale in Richtung des gegnerischen Strafraums – Toni Kroos ist hier zu nennen. Er war in der ersten Spielhälfte einer der engagiertesten Spieler, der aber spätestens in der zweiten Hälfte abbaute und seinen Schwung verlor. Von den Eckbällen wollen wir lieber nicht sprechen. Der typische Bayernangriff gestaltete sich also wie folgt: Der Ball wird in der Mitte gehalten, wobei Mandzukic, der Stellenweise als Linksverteidiger aushalf, entweder allein auf der Stürmerposition wartete oder noch auf dem Weg nach vorn war, weil er zuvor weiter hinten eingebunden war. Danach ging es meist über die rechte Seite und Arjen Robben. Der Holländer machte wieder einmal ein hervorragendes Spiel und zeigte großen Willen – ihm fehlte das Glück im Abschluss oder die Anspielstation in der Mitte. Über links ging trotz des eigentlichen Traumduos Alaba und Ribéry wenig bzw. musste der junge Österreicher an diesem Abend gefühlt alles übernehmen. Sowohl offensiv als auch defensiv, denn Franck Ribéry fand kaum statt. An dieser Stelle soll aber nicht in die Kerbe geschlagen werden, die einige Journalisten und Fans auf der Suche nach einem Sündenbock in den letzten Wochen auftun. Seit seiner Verletzung fehlt es dem Franzosen an Spritzigkeit – der Grundlage seiner Offensivqualitäten, aber von einer Krise muss nicht geredet werden. Viel mehr steht der Fakt, dass auch Europas Fußballer des Jahres eine schwächere Phase durchmachen kann. Er wirkt verunsichert und ihm geht derzeit genau das ab, wovon Arjen Robben seit der magischen Wembleynacht lebt: das Selbstbewusstsein Dinge zu tun, die ihn auszeichnen. Rein statistisch gesehen war er wohl der schlechteste Bayernspieler auf dem Platz, seine Ideen fehlen der Mannschaft, seine Überraschungsmomente könnten Spiele entscheiden oder zum Positiven wenden, aber wir sollten ihm weder Qualität noch die Möglichkeit absprechen in entscheidenden Momenten das Zünglein an der Waage zu sein.

Die Frage für das Wochenende wird sein, ob Franck Ribéry gegen Bremen ‚geschont‘ wird oder ob er Spielpraxis bekommt. Formgewinn über Spiele oder Training ist die Frage.  Gezielte Arbeit an seiner Spritzigkeit und Geschwindigkeit sollte folgen. Und das Vertrauen des Trainers, der Mannschaft und den Fans in ihn, denn obwohl Mario Götze eine Alternative für die linke Außenbahn ist, sollte man Ribéry im Rückspiel die Startelfposition geben.

Wenn der gerade erwähnte Mario Götze in der 84. Minute zum 1:1 getroffen hätte, wäre die Ausgangsituation für das Rückspiel in München besser gewesen. So steht der FC Bayern vor einer schwierigen, aber durchaus lösbaren Aufgabe vor heimischem Publikum. Dass der Weg nach Lissabon ein schwieriger sein würde, war vielen schon klar – nun dürfte es auch der letzte Bayernfan begriffen haben. Unmöglich ist mit dieser Mannschaft nichts – eine magische Europapokalnacht könnte folgen. Oder ein Sterben des Traums vom vierten Finaleinzug in fünf Jahren. Hoffen wir auf die erste Variante – immer vorwärts FCB!

Real Madrid – FC Bayern München 1:0 (1:0)
Real Madrid Casillas – Carvajal, Pepe (73. Varane), Sergio Ramos, Coentrao – Xabi Alonso – Modric, Isco (82. Illarramendi) – Di María, Benzema, Ronaldo (73. Bale)
Bank Diego López, Marcelo, Casemiro, Morata
FC Bayern München Neuer – Rafinha (66. Martinez), Boateng, Dante, Alaba – Lahm – Robben, Schweinsteiger (74. Müller), Kroos, Ribéry (72. Götze) – Mandzukic
Bank Raeder, Zingerle, Weiser, Pizarro
Tore 1:0 Benzema (19.)
Karten Gelb: Isco / –

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