Vorschau: FC Bayern München – Bayer 04 Leverkusen
Für die Gäste sind die Vorzeichen für die Spielzeit noch nicht eindeutig. Leverkusen trennte sich von Roger Schmidt, der es in den vergangenen Jahren verpasste, mit der Werkself den nächsten Schritt an die Spitze zu gehen. Sein System war zu unflexibel und seine Art zu stur. Die neue Lösung für die Aufgabe, Bayer 04 wieder in die Spitze zu führen, soll Heiko Herrlich sein.
Gegnervorschau
Der Weg dorthin ist allerdings weit. Wie man aus dem Umfeld in Leverkusen vernahm, war die Stimmung im Team unter Schmidt nicht gut. Die Mannschaft sei keine Einheit mehr gewesen und hinter dem System des Trainers stand ohnehin kaum noch jemand. Deshalb sah sich der Verein gezwungen, etwas zu machen.
Herrlich soll genau diesen Teamgedanken zurückbringen und dafür sorgen, dass Leverkusen wieder kompakt auftritt. In diese Richtung gingen auch die ersten Aussagen des Trainers in der Vorbereitung.
Doch auch taktisch soll sich die Situation verändern. Schmidts Einbahnsystem soll flexibler gestaltet werden. In Regensburg variierte Herrlich in der Grundausrichtung hin und wieder und passte diese auch während der Partie an.
In den bisherigen Testspielen mit Leverkusen setzte er meist auf ein 4-4-2 gegen den Ball, das in Umschaltmomenten schnell zum 4-2-3-1 wird. Also nichts Besonderes. Manchmal braucht es das aber auch nicht, wenn man zurück zu alter Stärke finden möchte.
Herrlich will stabilisieren. Bisher gelang ihm dies jedoch noch gar nicht. Leverkusen spielte in der Vorbereitung sehr flügellastig. Die beiden Außenverteidiger agierten ziemlich hoch und die Absicherung im Zentrum und dahinter war mangelhaft. Auch die Unterstützung aus der Zentrale fehlte hin und wieder, weshalb einfache Ballverluste auf den Flügelpositionen keine Seltenheit waren.
Die Werkself hatte so mit vielen Umschaltaktionen der Gegner zu kämpfen, die in einige einfache Gegentore mündeten. Auch in Ballbesitz sind die Unterstützung und das Zentrum noch ein großes Problem. Zwar ist Kampl stets bemüht, die Lücken zu füllen, aber letztendlich fehlt es an der nötigen Raumbesetzung im Mittelfeld, um vertikale Erfolge in der Ballzirkulation zu erzielen.
An diesen Grundproblemen und der Entwicklung wird sich Herrlich im Laufe der Saison messen lassen müssen. Wenig förderlich war für den Trainer die Transferpolitik. Hatte Bayer in den vergangenen zwei Jahren einen der flexibelsten und breitesten Kader der Liga, so bleibt davon nun wenig übrig.
Zwar nutzte Schmidt diese Flexibilität der verschiedenen Spielertypen nur selten, doch war das Potential in der Mannschaft riesig. Chicharito, Calhanoglu, Toprak und auch da Costa sind sicherlich die bekanntesten Abgänge. Der namhafteste Neuzugang hingegen war Sven Bender. Wirklich vielversprechend war die Transferperiode daher noch nicht.
Insgesamt muss aber auch konstatiert werden, dass der Kader der Leverkusener immer noch stark besetzt ist. Talente wie Julian Brandt, Kai Havertz und Benjamin Henrichs werden jetzt mehr in den Fokus rücken müssen. Spieler wie Karim Bellarabi oder Kevin Kampl haben hingegen die Möglichkeit, ihr Team in einer schweren Phase mitzureißen und so selbst einen großen Schritt nach vorne zu machen.
Heiko Herrlich und Bayer Leverkusen werden allerdings viele Probleme zu lösen haben, um schließlich wieder in die Spitze der Bundesliga zu kommen. Aktuell deutet nicht viel darauf hin, dass dies schon in dieser Saison passieren wird, wenngleich der Kader durchaus dazu in der Lage wäre.
Was erwartet den FC Bayern?
Doch was bedeutet das für den Rekordmeister am Wochenende? Grundsätzlich noch nichts, weil es für solche Teams keinen besseren Zeitpunkt gibt, gegen den FC Bayern zu spielen, als jetzt. Die Vorbereitung der Münchner war ebenfalls holprig.
Leverkusen wird sehr wahrscheinlich ein höheres Mittelfeldpressing spielen, das zwar aggressiv, aber nicht so hoch und überfallartig wie das aus den vergangenen Jahren ist. Will Leverkusen aber etwas Zählbares mitnehmen, so müssen sie das Münchner Mittelfeld unter Druck setzen, ohne die eigene Formation gerade im Zentrum zu sehr zu öffnen.
Hier hat der FC Bayern zuletzt seine größten Probleme gehabt. Vieles wird davon abhängen, wie spielstark sich der Meister aus Drucksituationen befreien kann und welche Lösungen die Mannschaft dem ballführenden Spieler anbietet.
Lassen die Bayern zu viele Ballverluste und daraus resultierende Umschaltaktionen der Werkself zu, wird es ein sehr schwerer Auftakt für sie. Im Supercup, aber auch gegen Chemnitz präsentierte sich der Rekordmeister in dieser Hinsicht am besten, wenn Rudy auf dem Platz stand und Vidal auf der Bank saß.
Speziell wenn Thiago zurück ist, könnte auf dieser Position ein heißer Konkurrenzkampf entbrennen. Rudy ist spielintelligent, kann die Fäden des Bayernspiels in die Hand nehmen und präsentiert sich bisher mit herausragender Pressingresistenz. Er wäre eine Entlastung für Thiago. Alles Faktoren, die Vidal in tieferen Zonen des Spielfelds nicht mitbringt. Kann der ehemalige Hoffenheimer die ersten Eindrücke bestätigen, so könnte der Königstransfer des Sommers jemand sein, für den die Bayern keine Ablöse gezahlt haben.
Mit Kimmich, Rudy, Coman und auch Thomas Müller war die rechte Spielfeldhälfte gerade in Chemnitz sehr beeindruckend. Allein die Kombination zum 3:0 zeigt, welches Potential in dieser Formation steckt. Wobei auch Tolisso direkt daran beteiligt war und dementsprechend nicht untergehen soll. Niklas Süle ergänzte im Pokal eine Art Netzwerk auf dem Platz, das jenem aus erfahrenen Spielern auf der anderen Seite ordentlich die Show stehlen konnte.
Zwar darf berechtigterweise argumentiert werden, dass es nur Chemnitz war, doch auch in Dortmund sah man viele gute Ansätze im Zusammenspiel zwischen Rudy, Kimmich, Tolisso und Müller. Die Spielfreude dieser insgesamt jungen Achse wird auch Ancelotti nicht entgangen sein. Können sich einige etablierte Spieler im Laufe der Saison nicht massiv steigern, so wird dem Italiener keine andere Wahl bleiben, als auf die Jugend zu setzen.
Diese Ausgangssituation zeigt vor allem, dass die Münchner in der Transferperiode einiges richtig gemacht haben. Nicht alles lief perfekt, aber gerade im Mittelfeld ist der Rekordmeister sehr gut aufgestellt.
Mit Leverkusen wartet der erste Härtetest auf die Ancelotti-Elf. Drei Punkte zum Auftakt sind natürlich wichtig, aber noch bedeutender wird die Erkenntnis sein, in welcher Kombination das Zentrum der Bayern auflaufen wird und wie sich diese schließlich schlägt.
Auf höchstem Niveau war einer der größten Unterschiede zu Real Madrid, dass man im Zentrum sowohl mit Ball, als auch ohne zu wenig Kontrolle hatte. Dort werden Spiele gewonnen und dort entscheidet sich, ob eine Mannschaft den großen Wurf in der Königsklasse packt oder nicht.
Wissenswertes zum Spiel
Expertentipp
Im Expertentipp tippt ein externer Experte den Spielausgang. Für den richtigen Tipp gibt es drei Punkte und für die richtige Tendenz (Sieg, Unentschieden, Niederlage) einen Punkt. Verglichen wird dies dann mit einem zweiten Expertentipp, der vom Autorenteam von Miasanrot.de kommt. Am Ende der Saison wird sich zeigen, ob die eingeladenen Experten mehr Punkte erreicht haben, als die Redaktion.
In der vergangenen Woche haben Jan (4:1) und unser Experte Markus Herwig (3:1) jeweils einen Punkt gemacht. Insgesamt steht es deshalb 1:2 für die Experten. Das Leverkusen-Spiel tippen Kevin Scheuren von „meinsportradio.de“ und Tobi aus unserer Redaktion.
Kevin Scheuren: Den FC Bayern München kann man wann am Besten schlagen? Genau, an den ersten Spieltagen oder kurz vor dem CL-Halbfinale. Genauso wird es diesmal sein. Es wird ein offenes Spiel und für die Bayern nicht so einfach wie bei den letzten Saisoneröffnungen. Bayer 04 kommt mit Schwung in die Saison und gewinnt in München mit 3:2.
Tobi: Gegen ein noch nicht völlig gefestigtes Leverkusen wird der FC Bayern ein solides Spiel abliefern, inklusive der üblichen Schwächephase mit herrlichem Gegentor. Die Münchner gewinnen 3:1.